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ID1121205000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/212 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 212. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 23. Mai 1990 Inhalt: Begrüßung des Bundespräsidenten . . . 16665 A Begrüßung der Präsidentin der Volkskammer der DDR, Frau Dr. Bergmann-Pohl, sowie der Mitglieder des Ausschusses Deutsche Einheit der Volkskammer der DDR . 16665 A Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Köhler (Wolfsburg) 16665 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (Drucksache 11/7171) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1990 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/7150) c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Wirtschaftsplan des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1990 (Zweites ERP-Nachtragsplangesetz 1990) (Drucksache 11/7185) Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . . 16666 A Frau Matthäus-Maier SPD 16678 A Dr. Faltlhauser CDU/CSU 16681 B Dr. Dregger CDU/CSU 16683 B Hoss GRÜNE 16686 D Mischnick FDP 16689 C Momper, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 16694 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 16695 C Dr. Waigel CDU/CSU 16696 D Roth SPD 16697 B Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 16699 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 16700D Rühe CDU/CSU 16702 B Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 16704 C Frau Unruh fraktionslos 16707 C Schäfer (Offenburg) SPD 16708 A Frau Vennegerts GRÜNE 16710 C Wüppesahl fraktionslos 16712 A Tagesordnungspunkt 2: Überweisung im vereinfachten Verfahren Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Hemmnissen bei Investitionen in der Deutschen Demokratischen Republik und Berlin (Ost) (DDR-Investitionsgesetz) (Drucksache 11/7207) 16714 B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 212. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Mai 1990 Tagesordnungspunkt 3: Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksachen 11/7072, 11/7176, 11/7211) b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksachen 11/6790, 11/7176) 16714 C Nächste Sitzung 16715 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 16716 * A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 212. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Mai 1990 16665 212. Sitzung Bonn, den 23. Mai 1990 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Adler SPD 23. 05. 90 Dr. Ahrens SPD 23. 05. 90 Amling SPD 23. 05. 90 Austermann CDU/CSU 23. 05. 90 Bohlsen CDU/CSU 23. 05. 90 Brandt SPD 23. 05. 90 Brauer GRÜNE 23. 05. 90 Brück SPD 23. 05. 90 Clemens CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Conrad SPD 23. 05. 90 Daubertshäuser SPD 23. 05. 90 Daweke CDU/CSU 23. 05.90 Dr. Dollinger CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Emmerlich SPD 23. 05. 90 Engelsberger CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Fell CDU/CSU 23. 05. 90 Francke (Hamburg) CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Geißler CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. von Geldern CDU/CSU 23. 05. 90 Genscher FDP 23. 05. 90 Glos CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Götz CDU/CSU 23. 05. 90 Graf SPD 23. 05. 90 Großmann SPD 23. 05. 90 Grünbeck FDP 23. 05. 90 Haar SPD 23. 05. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 23. 05. 90 Haungs CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 23. 05. 90 Hinrichs CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Hürland-Büning CDU/CSU 23. 05. 90 Graf Huyn CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Jenninger CDU/CSU 23. 05. 90 Jung (Düsseldorf) SPD 23. 05. 90 Jung (Limburg) CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Kelly GRÜNE 23. 05. 90 Koschnick SPD 23. 05. 90 Kreuzeder GRÜNE 23. 05. 90 Dr. Kronenberg CDU/CSU 23. 05. 90 Kühbacher SPD 23. 05. 90 Dr. Graf Lambsdorff FDP 23. 05. 90 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Lennartz SPD 23. 05. 90 Lowack CDU/CSU 23. 05. 90 Lüder FDP 23. 05. 90 Meneses Vogl GRÜNE 23. 05. 90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 23. 05. 90 Meyer SPD 23. 05. 90 Möllemann FDP 23. 05. 90 Niegel CDU/CSU 23. 05. 90 Oesinghaus SPD 23. 05. 90 Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 23. 05. 90 Dr. Osswald SPD 23. 05. 90 Petersen CDU/CSU 23. 05. 90 Pfeifer CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Pfennig CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Pohlmeier CDU/CSU 23. 05. 90 Poß SPD 23. 05. 90 Rappe (Hildesheim) SPD 23. 05. 90 Rauen CDU/CSU 23. 05. 90 Richter FDP 23. 05. 90 Rossmanith CDU/CSU 23. 05. 90 Schäfer (Mainz) FDP 23. 05. 90 Frau Schilling GRÜNE 23. 05. 90 Dr. Schöfberger SPD 23. 05. 90 Frau Schoppe GRÜNE 23. 05. 90 Frhr. von Schorlemer CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Schulte (Hameln) SPD 23. 05. 90 Schwarz CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Seiler-Albring FDP 23. 05. 90 Dr. Solms FDP 23. 05. 90 Frau Dr. SPD 23. 05. 90 Sonntag-Wolgast Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Stercken CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Stoltenberg CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Struck SPD 23. 05. 90 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Trenz GRÜNE 23. 05. 90 Dr. Uelhoff CDU/CSU 23. 05. 90 Urbaniak SPD 23. 05. 90 Verheugen SPD 23. 05. 90 Wetzel GRÜNE 23. 05. 90 Frau Wollny GRÜNE 23. 05. 90 Würtz SPD 23. 05. 90 Dr. Wulff CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Zimmermann CDU/CSU 23. 05. 90
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Harald B. Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! In der Bundesrepublik — auch in diesem Hause — wird seit vielen Jahren darüber gestritten, was sich in den westlichen Industriegesellschaften ändern muß, um den Weg in den ökologischen Zusammenbruch zu stoppen. Die Zeichen dafür, daß die 80er Jahre ein Jahrzehnt der globalen Umweltzerstörungen waren, sind unübersehbar: Waldsterben, Ozonloch, Klimagefahren.
    Immer mehr Menschen wissen: Auch wir in den westlichen Industrienationen, auch wir in der Bundesrepublik Deutschland leben ökologisch über unsere Verhältnisse. Wir produzieren und konsumieren zum großen Teil zu Lasten der Natur. Wir produzieren und konsumieren zum großen Teil zu Lasten der nach uns kommenden Generationen.
    Immer mehr Menschen — auch in diesem Bundestag — wissen, daß auch wir in den Industrienationen unsere Art des Wirtschaftens, unsere Art des Konsumierens grundlegend ändern müssen, ökologisch gestalten müssen, wenn wir unserer Verantwortung gegenüber den nach uns folgenden Generationen gerecht werden wollen. Um so bedrückender, um so bitterer ist es, daß ausgerechnet der Umweltschutz in dem vorliegenden Staatsvertrag, in der Vereinigungspolitik dieser Bundesregierung eine derart nachgeordnete Rolle spielt.
    Die Bundesregierung unterliegt einem Trugschluß, wenn sie glaubt, es reiche aus, die Marktwirtschaft einfach auf die DDR zu übertragen, um zu erreichen, daß sich die ökologische Sanierung und der ökologische Umbau in der DDR quasi von alleine einstellen. In der langen und manchmal auch schmerzvollen Geschichte der Umweltpolitik in der Bundesrepublik
    Deutschland hat es wirklich viele Jahre gedauert, bis begriffen wurde, daß Umweltschutz die unverzichtbare Grundlage unseres Wirtschaftens und kein Jobkiller ist.
    Der Staatsvertragsentwurf fällt weit hinter den Grundsatz der Einheit und Gleichwertigkeit von Ökonomie und Ökologie zurück. Der Schutz unserer Umwelt ist in diesem Vertragswerk nicht Grundlage des Wirtschaftens. Vielmehr bekommt er eine zweitrangige Rolle zugewiesen, deren spezifische Ausgestaltung zudem noch in einem gesonderten Gesetz erst geklärt werden soll.
    Allein durch den Druck von uns Sozialdemokraten in der Bundesrepublik und in der DDR konnten in der kurzen und hektischen Zeit der Diskussion des Vertrags gewisse Verbesserungen erzielt werden,

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr gut!)

    damit der Umweltschutz nicht vollends unter die Räder gerät. In dem jetzt vorliegenden Art. 16 sind wenigstens einige richtige Grundsätze und Handlungsanforderungen zum Umweltschutz enthalten. Aber noch immer bleibt offen, wann und auf welchem Niveau die Sanierung der Altanlagen und Altlasten in der DDR — das ist das zentrale Problem des Umweltschutzes in der DDR — realisiert werden soll.
    Während die Vereinbarungen zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion bereits in entsprechenden Gesetzen konkretisiert worden sind, ist dies für den Umweltschutz nicht der Fall. Was bislang dazu vorliegt — in dem Entwurf eines „Gesetzes zum Umweltschutz in der DDR", der auf Vorarbeiten des Bundesumweltministers zurückgeht — , ist nicht geeignet, unsere Befürchtungen, der Umweltschutz komme beim Vereinigungsprozeß unter die Räder, zu zerstreuen. In diesem Diskussionsentwurf atmet der Geist: Ökonomie rangiert eindeutig vor Ökologie, und dies angesichts einer weitgehend verheerenden Umweltsituation in der DDR.
    40 Jahre Vernachlässigung von Umweltschutz in der DDR zusammen mit der Unterdrückung allen ökologischen Widerstandes und 40 Jahre Geheimhaltung aller ökologischen Daten in der DDR haben in einigen Regionen zu ökologischen Verwüstungen geführt, die man sich kaum vorstellen kann. Die DDR — dies auszusprechen, es zu erkennen und daraus die Schlußfolgerung zu ziehen — kann aus eigener Kraft dieses schreckliche ökologische Erbe des SED-Staates nicht bewältigen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie ist besonders bei der Sanierung der Umwelt auch auf unsere Hilfe angewiesen.
    Im Vereinigungsprozeß trägt also die Bundesrepublik Deutschland Mitverantwortung auch für den ökologischen Aufbau und nicht nur für die Ökonomie. Wie sollen denn die gesundheitsbelastende Luftverschmutzung beendet, wie sollen die zerstörten Wälder, wie sollen die giftigen Böden in der DDR saniert und die abbruchreifen Kläranlagen und Kraftwerke ersetzt werden? Dafür reichen — Herr Töpfer, Sie wissen das — die vereinbarten Pilotprojekte nicht aus. Sie sind ein Tröpfchen auf den heißen Stein.



    Schäfer (Offenburg)

    Die Bundesregierung hofft auf westliches Privatkapital, das in der DDR für Arbeitsplätze und bei Neuanlagen für die Einhaltung unserer Umweltstandards sorgen soll. Jeder weiß jedoch, meine Damen und Herren, daß das private Kapital dort und dann ausbleibt, wo es um die Kosten der Umweltsanierung, also der Altanlagen und der Altlasten, geht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt doch so nicht!)

    Die teilweise geradezu euphorischen Ankündigungen von Investitionen bundesdeutscher Unternehmen in der DDR am Anfang dieses Jahres und vor der Wahl zur Volkskammer am 18. März sind doch mit Ausnahme des Handels und der Finanzdienstleistungen einer kühl kalkulierten Zurückhaltung eines Großteils der Unternehmen gewichen. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen ist das nachvollziehbar; denn die unübersehbaren Umweltaltlasten, die auf vielen Industriestandorten in der DDR liegen, bedeuten nun einmal unkalkulierbare Kosten, solange hier keine klaren Regelungen getroffen sind. Sie lähmen die Investitionsbereitschaft vieler Unternehmen.

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    Die zerstörte Umwelt ist ein erstrangiges Investitionshemmnis. Wer will, daß die DDR auch ökonomisch schnell auf die Beine kommt, der muß den ökologischen Aufbau mit der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zum gleichrangigen Ziel erklären,

    (Beifall bei der SPD)

    weil erst mit der Umweltsanierung ein entscheidender Hemmschuh für die notwendigen Investitionen gerade in den Wirtschaftsbereichen, in denen durch privates Kapital der ökonomische Aufbau in der DDR bewältigt werden soll, wegfällt.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Sie übertreiben hemmungslos, Herr Schäfer! — Gegenruf des Abg. Huonker [SPD]: Und Sie haben keine Ahnung!)

    Die Industrieunternehmen in der Bundesrepublik wünschen die Freistellung der Investoren bei bestehenden Altanlagen von einer Haftung für alle Spätfolgen, die aus vergifteten Böden und anderen Problemen an den jeweiligen Standorten entstehen können. Dazu in aller Kürze zwei Anmerkungen:
    Erstens. Ich unterstreiche noch einmal: Das Problem der Altanlagensanierung und der Altlasten zeigt, wie sehr der wirtschaftliche Aufbau der DDR davon abhängt, daß Klarheit über die ökologischen Voraussetzungen besteht. Eine verbindliche Finanzregelung zur Sanierung der Altanlagen ist eine entscheidende Voraussetzung für private Investitionen gerade in den Wirtschaftsbereichen, in denen Investitionen durch privates Kapital von außen für einen wirtschaftlichen Aufschwung in der DDR unerläßlich sind. Es ist deshalb auch ökonomisch unverantwortlich — ich unterstreiche dies noch einmal — , nicht zusammen mit der Wirtschaftsunion gleichzeitig die Umweltunion zu vereinbaren.
    Zweitens. Sowohl beim ökonomischen als auch beim ökologischen Aufbau ist die Solidarität aller gefordert, wenn DDR und Bundesrepublik Deutschland ohne Verwerfungen gut zusammenwachsen sollen.
    Die deutsch-deutsche Einigung würde unvollständig bleiben, wenn der Umweltschutz auf der Strecke bliebe.
    Auf diese Fragen, meine Damen und Herren, gibt der Staatsvertrag keine Antwort; genau um diese Fragen drückt sich die Bundesregierung — ich sage: bewußt — herum.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Rüttgers [CDU/ CSU]: Das stimmt doch nicht!)

    Wo ist denn nur, Herr Rüttgers, der Umriß für ein Programm „Arbeit um Umwelt" in dem Vertragswerk, mit dem auch die drohende Arbeitslosigkeit in der DDR durch Investitionen in den Umweltschutz gemildert werden kann?

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wo sind denn zumindest die Anzeichen im Vertragswerk, mit Investitionen in den Umweltschutz gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen, der Strukturproblematik, daß Arbeitsplätze in der DDR durch den ökonomischen Umbau wegfallen, zu begegnen und die Umwelt zu sanieren? In weiten Bereichen des Vertragswerks Fehlanzeige!
    Wir haben gehofft, meine Damen und Herren, daß sich die falsche Feststellung „Umweltschutz kontra Arbeitsplätze" endgültig überlebt hätte. Nun ist zu befürchten, daß mit dem Staatsvertrag genau diese verheerende falsche Fragestellung neu belebt wird.
    Für uns Sozialdemokraten bleibt unverzichtbar: Die Umweltunion muß gleichzeitig mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion in Kraft treten. Zwischen Ökonomie und Ökologie muß Gleichwertigkeit und Gleichrangigkeit herrschen — nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch in der DDR.
    Im Vertragswerk sind deshalb folgende Prinzipien festzuschreiben:
    Erstens. Wie bei den drei Bereichen Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion müßten auch für die Umweltunion die Rechtsvorschriften, die gleichzeitig mit dem Staatsvertrag in Kraft treten sollten, im Vertragswerk selbst genannt werden. Umwelt-Dumping — beispielsweise im Straßenverkehr nach dem Muster: „hier bei uns der Drei-Wege-Kat" und in der DDR die Technik von vorgestern — ist für uns nicht akzeptabel.

    (Sehr gut! bei der SPD)

    Zweitens. Im Vertragswerk ist ein Weg aufzuzeigen, wie das Problem der Altanlagen und der Altlasten zu lösen ist.
    Drittens. Im Vertragswerk ist Vorsorge zu treffen, daß die DDR nicht zum schmutzigen Hinterhof eines vereinten Deutschland wird. Investitionsentscheidungen sind ohne Umweltrabatte zu realisieren.

    (Richtig! bei der SPD)

    Die Grenzen der Umweltbelastung sind in vielen Regionen der DDR bereits überschritten.
    Viertens. Die im Staatsvertrag vorgesehene FünfJahres-Frist für die Fortgeltung des Genehmigungsrechts der DDR für die DDR-Kernkraftwerke lehnen wir ab. Alle Experten stimmen darin überein — vor den Volkskammerwahlen am 18. März galt das auch



    Schafer (Offenburg)

    für den amtierenden Bundesumweltminister — , daß sich das Kernkraftwerk Greifswald in einem maroden Zustand befindet. Eine fünfjährige Galgenfrist für solche Schrottreaktoren ist auch nicht mit dem Hinweis auf die prekäre Energieversorgungslage in der DDR zu rechtfertigen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Das Kernkraftwerk Greifswald muß unverzüglich stillgelegt werden. Niemand kann, wenn er es mit dem Grundsatz „Sicherheit hat Vorrang" ernst meint, Mitverantwortung für die Folgen für die Bürger in der DDR, aber auch für die Bürger in der Bundesrepublik übernehmen, die sich möglicherweise aus der maroden Sicherheitstechnik in der DDR, was die Kernkraftwerke angeht, ergeben.

    (Beifall bei der SPD)

    Fünftens. Schließlich ist sicherzustellen, daß die ökologischen Fehlentwicklungen, die sich bei uns in der Bundesrepublik Deutschland in den 50er und 60er Jahren vollzogen haben, nun nicht der DDR übergestülpt werden. Ich will nur ein Beispiel nennen. Die Zentralverwaltung der Energiewirtschaft der DDR sollte nun nicht durch die Übernahme monopolistischer Energieversorgungsstrukturen nach Bundesvorbild ersetzt werden.

    (Zustimmung bei der SPD und des Abg. Dr. Knabe [GRÜNE])

    Wir Sozialdemokraten wollen ein geeintes Deutschland auf der Grundlage einer ökologischen und sozialen Marktwirtschaft. Wir wissen, daß wir auch in der Bundesrepublik Deutschland noch weit von dem Ziel einer ökologischen und sozialen Marktwirtschaft entfernt sind. Wir werden nicht zulassen — das wird bei den Gesprächen zwischen den Fraktionen, zwischen den Parteien ein wichtiges Kriterium für unsere Entscheidung sein — , daß die Ökologie im Vereinigungsprozeß unter die Räder kommt.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Dafür sorgen wir, nicht Sie! Der quatscht doch nur!)

    — Auch wenn Sie es nicht begreifen wollen, Herr Kittelmann: Ökonomie und Ökologie bilden — dies ist eine Erkenntnis der letzten Jahre — angesichts der drohenden Klimakatastrophe, des Waldsterbens, der Müllberge, der Gewässerverschmutzung eine unzertrennbare Einheit. Ökonomisch ist nur vernünftig, was ökologisch verantwortbar ist. Dies gilt nicht nur für die Bundesrepublik Deutschland, sondern dies muß auch und gerade für den Vereinigungsprozeß, für das Zusammenwachsen beider Staaten, der DDR und der Bundesrepublik Deutschland, gelten.

    (Zustimmung bei der SPD, den GRÜNEN und des Abg. Wüppesahl [fraktionslos])

    Der Staatsvertrag setzt in seiner jetzt vorliegenden Fassung umweltpolitisch die falschen Signale.

    (Jäger [CDU/CSU]: Er setzt die richtigen Signale!)

    Noch ist es möglich, die Umweltunion gleichrangig
    mit der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion im
    Vertragswerk festzuschreiben, statt sie, wie bislang
    geschehen, nur als Handlungsziel unter „ferner liefen" im Staatsvertrag zu notieren.
    Dafür und für weitere umweltpolitische Verbesserungen werden wir im Interesse der Menschen und der Umwelt in der DDR und bei uns kämpfen. Wir werden dafür kämpfen, daß ein geeintes Deutschland auch eine ökologische Perspektive bietet und daß durch die Verbesserung der ökologischen Situation den Menschen in der DDR auch eine ökologiche Perspektive zum Bleiben und zum Arbeiten in der DDR gegeben wird.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Für uns Sozialdemokraten gehört der ökologische Umbau der Industriegesellschaft auf die Tagesordnung — bei uns in der Bundesrepublik, selbstverständlich in der DDR und insbesondere auch während des Einigungsprozesses, während der Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands.

    (Beifall bei der SPD — Jäger [CDU/CSU]: Eine Suada von Banalitäten!)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nun hat die Abgeordnete Frau Vennegerts das Wort.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Kann heute eigentlich jeder reden? — Gegenruf von Frau Beck-Oberdorf [GRÜNE]: Das ist eine unverschämte Bemerkung!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Christa Vennegerts


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Unverschämtheiten sind wir ja von der CDU gewöhnt.