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ID1121203200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/212 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 212. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 23. Mai 1990 Inhalt: Begrüßung des Bundespräsidenten . . . 16665 A Begrüßung der Präsidentin der Volkskammer der DDR, Frau Dr. Bergmann-Pohl, sowie der Mitglieder des Ausschusses Deutsche Einheit der Volkskammer der DDR . 16665 A Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Köhler (Wolfsburg) 16665 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (Drucksache 11/7171) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1990 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/7150) c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Wirtschaftsplan des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1990 (Zweites ERP-Nachtragsplangesetz 1990) (Drucksache 11/7185) Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . . 16666 A Frau Matthäus-Maier SPD 16678 A Dr. Faltlhauser CDU/CSU 16681 B Dr. Dregger CDU/CSU 16683 B Hoss GRÜNE 16686 D Mischnick FDP 16689 C Momper, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 16694 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 16695 C Dr. Waigel CDU/CSU 16696 D Roth SPD 16697 B Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 16699 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 16700D Rühe CDU/CSU 16702 B Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 16704 C Frau Unruh fraktionslos 16707 C Schäfer (Offenburg) SPD 16708 A Frau Vennegerts GRÜNE 16710 C Wüppesahl fraktionslos 16712 A Tagesordnungspunkt 2: Überweisung im vereinfachten Verfahren Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Hemmnissen bei Investitionen in der Deutschen Demokratischen Republik und Berlin (Ost) (DDR-Investitionsgesetz) (Drucksache 11/7207) 16714 B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 212. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Mai 1990 Tagesordnungspunkt 3: Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksachen 11/7072, 11/7176, 11/7211) b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksachen 11/6790, 11/7176) 16714 C Nächste Sitzung 16715 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 16716 * A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 212. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Mai 1990 16665 212. Sitzung Bonn, den 23. Mai 1990 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Adler SPD 23. 05. 90 Dr. Ahrens SPD 23. 05. 90 Amling SPD 23. 05. 90 Austermann CDU/CSU 23. 05. 90 Bohlsen CDU/CSU 23. 05. 90 Brandt SPD 23. 05. 90 Brauer GRÜNE 23. 05. 90 Brück SPD 23. 05. 90 Clemens CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Conrad SPD 23. 05. 90 Daubertshäuser SPD 23. 05. 90 Daweke CDU/CSU 23. 05.90 Dr. Dollinger CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Emmerlich SPD 23. 05. 90 Engelsberger CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Fell CDU/CSU 23. 05. 90 Francke (Hamburg) CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Geißler CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. von Geldern CDU/CSU 23. 05. 90 Genscher FDP 23. 05. 90 Glos CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Götz CDU/CSU 23. 05. 90 Graf SPD 23. 05. 90 Großmann SPD 23. 05. 90 Grünbeck FDP 23. 05. 90 Haar SPD 23. 05. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 23. 05. 90 Haungs CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 23. 05. 90 Hinrichs CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Hürland-Büning CDU/CSU 23. 05. 90 Graf Huyn CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Jenninger CDU/CSU 23. 05. 90 Jung (Düsseldorf) SPD 23. 05. 90 Jung (Limburg) CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Kelly GRÜNE 23. 05. 90 Koschnick SPD 23. 05. 90 Kreuzeder GRÜNE 23. 05. 90 Dr. Kronenberg CDU/CSU 23. 05. 90 Kühbacher SPD 23. 05. 90 Dr. Graf Lambsdorff FDP 23. 05. 90 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Lennartz SPD 23. 05. 90 Lowack CDU/CSU 23. 05. 90 Lüder FDP 23. 05. 90 Meneses Vogl GRÜNE 23. 05. 90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 23. 05. 90 Meyer SPD 23. 05. 90 Möllemann FDP 23. 05. 90 Niegel CDU/CSU 23. 05. 90 Oesinghaus SPD 23. 05. 90 Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 23. 05. 90 Dr. Osswald SPD 23. 05. 90 Petersen CDU/CSU 23. 05. 90 Pfeifer CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Pfennig CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Pohlmeier CDU/CSU 23. 05. 90 Poß SPD 23. 05. 90 Rappe (Hildesheim) SPD 23. 05. 90 Rauen CDU/CSU 23. 05. 90 Richter FDP 23. 05. 90 Rossmanith CDU/CSU 23. 05. 90 Schäfer (Mainz) FDP 23. 05. 90 Frau Schilling GRÜNE 23. 05. 90 Dr. Schöfberger SPD 23. 05. 90 Frau Schoppe GRÜNE 23. 05. 90 Frhr. von Schorlemer CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Schulte (Hameln) SPD 23. 05. 90 Schwarz CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Seiler-Albring FDP 23. 05. 90 Dr. Solms FDP 23. 05. 90 Frau Dr. SPD 23. 05. 90 Sonntag-Wolgast Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Stercken CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Stoltenberg CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Struck SPD 23. 05. 90 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 23. 05. 90 Frau Trenz GRÜNE 23. 05. 90 Dr. Uelhoff CDU/CSU 23. 05. 90 Urbaniak SPD 23. 05. 90 Verheugen SPD 23. 05. 90 Wetzel GRÜNE 23. 05. 90 Frau Wollny GRÜNE 23. 05. 90 Würtz SPD 23. 05. 90 Dr. Wulff CDU/CSU 23. 05. 90 Dr. Zimmermann CDU/CSU 23. 05. 90
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    Rede von Wolfgang Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute intensiv und strittig die Folgen, die die Währungs- und Wirtschaftsunion für die DDR hat. Wir schätzen beispielsweise die Dramatik der Lage unterschiedlich ein. In einer Frage aber — das will ich am Anfang ausdrücklich sagen — haben wir die gleiche Auffassung wie die Bundesregierung, nämlich in der Frage, wer für die Situation in der DDR jetzt und in der Zukunft, in den nächsten Jahren, eigentlich Verantwortung trägt.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr wahr!)

    Das sind nicht diejenigen, die sich jetzt in der neugewählten Volkskammer bemühen, die Probleme anzupacken.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr richtig!)

    Das sind auch nicht diejenigen, die hier in der Bundesrepublik Deutschland in Regierung und Opposition versuchen, die Probleme in den Griff zu bekommen. Es sind vielmehr diejenigen, die in vier Jahrzehnten eine Kommandowirtschaft aufgebaut und die DDR zerstört haben.

    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich sehe mit großem Unmut die Art und Weise, wie manche in der PDS der DDR hier Ursache und Wirkung verdrehen wollen.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Sehr gut!)

    Wirklichkeit ist, daß wir jetzt gemeinsam aufräumen.
    Meine Damen und Herren, die Währungs- und Wirtschaftsunion ist das Kernstück des Staatsvertrages. Eine sofortige Währungsunion mit der DDR ist nach meiner Auffassung ein Experiment ohne Vorbild in der Wirtschaftsgeschichte. Die schlagartige Integration der DDR hat nicht ihresgleichen in früheren Zeitläufen. Wir können also insofern nicht mit fertigen Modellen und Vorbildern arbeiten.
    Die Produktivität der Arbeitenden in der DDR beträgt zur Zeit etwa ein Drittel derjenigen der Bundesrepublik Deutschland, und trotzdem wird die DDR nach dem 2. Juli sofort in das Wettbewerbssystem der Bundesrepublik ohne Schutz einbezogen. Die Gefahr, daß durch den Kopfsprung der DDR in das eiskalte Wasser des internationalen Wettbewerbs auch viele Arbeitsplätze und Betriebe zerstört werden, die man retten und erneuern könnte, ist außerordentlich groß. So richtig es ist — dazu stehe ich — , daß es in der DDR ohne Marktwirtschaft nicht geht, schon gar nicht aufwärts geht, so richtig ist es auch, daß wir bisher niemals einen Integrationsprozeß in dieser Geschwindigkeit gehabt haben.
    Nehmen wir, Herr Bundesfinanzminister Waigel, nur das Beispiel der Integration der Mittelmeerländer in die EG. Wir hatten Anpassungszeiten und Schutzmaßnahmen von — im Falle von Spanien — bis zu zehn Jahren. Insofern, meine Damen und Herren, sollten wir die Diskussion — ich sage das auch in Richtung auf Herrn Mischnick — beenden, als sei derjenige ein Miesmacher, der hier realistisch den Streß darstellt, der auf die DDR und auf die Menschen in der DDR zukommt. Das ist so.

    (Mischnick [FDP]: Aber gleich die Lösung hinzufügen!)

    Gegen diesen Streß muß man politische Maßnahmen ergreifen, so daß er erträglich ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich gebe zu, daß ich noch im November und Dezember 1989 die sofortige Währungs- und Wirtschaftsunion nicht für einen gangbaren Weg gehalten habe. Ich habe damals einen Vorschlag mit gestuften Wechselkursen gemacht. Sie wissen das; das wurde auch breit diskutiert. Ich habe die Diskussionen auch durchaus akzeptiert. Ich war also der Auffassung, eine ähnliche Strategie wie im Falle Spaniens wäre gangbar. Nachdem wir im Dezember und Januar viel in der DDR waren, habe ich feststellen können, daß die Option, jetzt keine Währungsunion zu machen, real nicht mehr bestand, und zwar aus folgendem Grund: Nachdem die Mauer und die übrigen Grenzen gefallen waren, wären die Be-



    Roth
    nachteiligten in der DDR die einfachen Leute gewesen, die sich nicht an Spekulation und dem Ausnutzen von Wechselkursdifferenzen geübt hätten, sondern hart gearbeitet haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Das heißt, es gab keine Möglichkeit, die Währungsunion weiter hinauszuzögern. Ich stehe im übrigen auch dazu, daß ich den 2. Juli — allerdings habe ich nicht in den Kalender gesehen; ich dachte, es sei der 1. Juli — als erster genannt habe, denn ich wollte nicht, daß durch Geschäftemacherei und Spekulantentum reale Investitionen und Aktivitäten von seriösen Geschäftsleuten in der DDR noch weiter verzögert würden. Das heißt, das Ja zur Währungsunion bedeutete für mich gleichzeitig das Signal, daß jetzt langfristige Investitionen in der DDR begonnen werden können. Das ist die Entscheidung.
    Ich komme noch einmal darauf zurück, Herr Mischnick, daß es für die Betriebe in der DDR eine Konkurrenzsituation geben wird, die ohne Anpassungs- und Strukturmaßnahmen nicht zu ertragen ist. Herr Mischnick, weil Sie so nebenbei die Situation von Arbed Saarstahl in den letzten 10, 15 Jahren erwähnt haben, will ich gerade in bezug auf diese Situation und im Vergleich zur DDR ein paar Worte dazu sagen. Arbed Saarstahl war nicht produktivitätsorientiert, war überbesetzt. Der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine hat bei seinem Amtsantritt ein Unternehmen vorgefunden, das mit 13 500 Beschäftigten immer in den roten Zahlen war. Der saarländische Ministerpräsident hat zugestanden, daß die Beschäftigten bei Arbed Saarstahl auf 9 000, 9 500 abgebaut wurden. Aber er hat zusammen mit seinem Wirtschaftsminister Hoffmann gleichzeitig eine Beschäftigungsgesellschaft gegründet, und sie haben die 4 000 Beschäftigten aufgefangen, umgeschult und dann schrittweise in die Wirtschaft des Landes zurückgegliedert. Exakt das ist die Strategie, die wir verlangen. An dieser Stelle muß der Staatsvertrag ergänzt werden.

    (Beifall bei der SPD) Genau dies ist auch in der DDR möglich.

    Die optimistischste Schätzung, die es von einem Institut in der Bundesrepublik zur Zeit gibt, was die Arbeitslosigkeit betrifft, kommt vom DIW; die anderen schätzen in der Regel pessimistischer. Danach werden allein in der Landwirtschaft 250 000 Menschen entlassen, im Sektor Bergbau und Energie 100 000, im verarbeitenden Gewerbe 830 000, in anderen, kleineren Sektoren 140 000, und schließlich stehen im öffentlichen Sektor 310 000 Menschen zur Entlassung an. Das sind insgesamt 1,6 Millionen. Das DIW erwartet, daß durch die Neugründungen, von denen Sie auch gesprochen haben, etwa 600 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das heißt, wir haben eine Lücke von 1 Million.
    In dieser Situation zu sagen: „Die Marktwirtschaft wird es schon automatisch richten" , ohne die Rückwirkungen zu beachten, halte ich für eine ganz gefährliche Politik. Gefährlich übrigens nicht nur für die Situation und die Bürger in der DDR, sondern gefährlich vor allem für die Bundesrepublik Deutschland. Es ist doch wohl logisch, daß Menschen, die Arbeitslosengeld in Höhe von 70 % ihres ehemaligen Einkommens bekommen werden und, wenn sie herüberkommen, zum Ausgleich ihrer Lebenshaltungskosten noch Sozialhilfe beanspruchen können, einen Drang zur Übersiedlung in die Bundesrepublik haben, wenn sie längerfristig arbeitslos sind. Das ist doch eine realistische Einschätzung und keine Angstmacherei, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Da bin ich nun der Meinung, es muß so viel wie möglich getan werden, um dort Arbeit zu finanzieren und nicht Arbeitslosigkeit zu bezahlen.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])

    Für mich ist völlig unbegreiflich, daß Sie den Vorschlag in unserem Entwurf für den Staatsvertrag, der über die Ost-SPD eingespielt worden ist, nämlich absoluten Vorrang für Arbeitsbeschaffungs- und Umschulungsmaßnahmen einzuräumen, nicht in den Staatsvertrag aufgenommen haben. In diesem steht jetzt nur, daß derartige Maßnahmen eine Bedeutung hätten. Wir haben von einem klaren Vorrang gesprochen.
    Meine Damen und Herren, das hätte dazu geführt, daß wir Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanziert hätten. Wieviel Hunderttausende, ja, Millionen Wohnungen in der DDR sind kaputt und zerstört! Warum nicht eine breite Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zur Sanierung der Wohnungen? Warum nicht in größerem Umfang Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen vor Ort, so wie in der Betriebs- und Beschäftigungsgesellschaft, die damals im Saarland erfunden worden ist? Das ist unsere Alternative. Unsere Alternative ist nicht angst machen und Wegtauchen vor den Schwierigkeiten, sondern im Gegenteil.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Hoffnung geben!)

    Wenn wir im Staatsvertrag — es kann auch in einem Anhang stehen — an dieser Stelle eine Ergänzung oder eine Konkretisierung bekommen, ist das für mich persönlich ein Schritt hin zum Ja zum Staatsvertrag. Aber ohne dies geht es für mich nicht.
    Meine Damen und Herren, in der DDR wird es nämlich, wenn wir es nicht so machen, viel, viel teurer, als Sie alle geplant haben.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Erschrekkend!)

    Meine Damen und Herren, wir wissen doch, daß Arbeitslosigkeit das Teuerste überhaupt in einer Gesellschaft ist. Wir wissen auch, daß man in einer Gesellschaft wie der der DDR, wo es so viele ungelöste Probleme gibt und so viele Aufgaben auf die Lösung warten, den Weg der aktiven Beschäftigungspolitik gehen muß. Spielraum finanzieller Art haben wir.
    Meine Meinung ist, nachdem Herr Waigel einmal in einer Rede angedeutet hat, daß er von der Unternehmensteuersenkung Abschied nehmen will, daß wir vor dem 2. Juli von der Koalition klipp und klar die Zusage haben müssen, daß dieses Geld nicht so ver-



    Roth
    wendet wird, sondern für die Erneuerung der DDR mit eingesetzt wird. Das ist unser Ziel.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Mischnick, weil da Zwischenrufe kommen, wissen Sie: Am Freitag hat Herr Waigel eine Presseverlautbarung zum Staatsvertrag gemacht

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Machen lassen!)

    — oder machen lassen; bitte schön — , und er hat dort in bezug auf die Finanzierung des Fonds und andere Kapitalmarktbeanspruchungen festgestellt, er sehe das bei den 300 Milliarden DM, die am Kapitalmarkt zur Verfügung stünden, als völlig unproblematisch an; denn — jetzt kommt es — die Unternehmungen der Bundesrepublik Deutschland finanzierten sich inzwischen zu 80 % aus eigenen Mitteln.
    Können Sie einem Menschen in der Bundesrepublik und in der DDR, der jetzt die Probleme sieht, erklären, warum wir Unternehmensteuersenkungen von 25 bis 30 Milliarden DM brauchen, wenn sie sich fast nur aus eigenen Mitteln finanzieren?

    (Beifall bei der SPD — Dr. Waigel [CDU/ CSU]: Aus Gründen des Wettbewerbs mit den europäischen Ländern!)

    — Jetzt rufen Sie dazwischen: „Aus Gründen des Wettbewerbs mit den europäischen Ländern!" Die Bundesrepublik Deutschland hat einen Leistungsbilanzüberschuß, der inzwischen so groß geworden ist, daß Sie auf allen Konferenzen mit Finanzministern — oder Haussmann mit Wirtschaftsministern — gefragt werden: Was macht ihr denn, um endlich den Leistungbilanzüberschuß etwas zu kontrollieren? In dieser Situation sagen Sie: Wir müssen Unternehmensteuern senken, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft herzustellen.

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Sie werden das nie verstehen!)

    Meine Damen und Herren, das ist nicht der Weg, den Sie mit uns gehen können. Sie müssen sich in Ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik korrigieren.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Wer muß sich hier korrigieren?!)

    Ich glaube, erste Ansätze dazu gibt es auch.
    Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Wir haben die Möglichkeit, den Staatsvertrag und das Staatsvertragswerk insgesamt gemeinsam zu beschließen und dadurch den strukturellen Problemen der Veränderungen in Deutschland durchaus Rechnung zu tragen. Wir wollen den Staatsvertrag. Wir wollen auch den Währungsverbund. Wir wollen ferner die Wirtschafts- und Sozialunion. Wir wollen schließlich eine klare Erklärung zur Umweltunion. Wir wollen mit Ihnen in der DDR so viele alte Arbeitsplätze wie möglich modernisieren. Wir wollen, daß dort junge Unternehmer beginnen und auch solche von hier nach drüben gehen.

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Also stimmen Sie zu?)

    Wenn wir diesen Weg gehen wollen, dann brauchen
    wir eine standfeste Brücke von der alten Kommandowirtschaft zu der neuen, sozial und ökologisch orientierten Marktwirtschaft in der DDR. Da machen wir mit. Nun aber ist es an der Zeit, die Versäumnisse des Staatsvertrags auszugleichen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nun erteile ich das Wort dem Bundesminister für Wirtschaft, Herr Dr. Helmut Haussmann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Helmut Haussmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Staatsvertrag gehen wir einen sehr großen Schritt auf die künftige deutsche Einheit zu. Nach der politischen Freiheit wird für die Menschen in der DDR nun auch die wirtschaftliche Freiheit ermöglicht. Am 1. Juli bekommen die Menschen in der DDR die Chance, sich mit einer großen Starthilfe aus der Bundesrepublik einen eigenen Wohlstand zu erarbeiten. Es gibt keinen Zweifel: Vom 1. Juli an wird ein marktwirtschaftlicher Ruck durch die DDR gehen. Mit der D-Mark im Rücken werden sich viele DDR-Betriebe mit modernen Maschinen, billigeren Rohstoffen und anderen Vorprodukten auf die Weltmärkte vorbereiten. Die Produktivität und damit auch die Renten sowie die Löhne werden schnell steigen. Es gibt auch keinen Zweifel in der internationalen Diskussion: Die Marktwirtschaft ist der schnellste, harte, aber auch ehrlichste Weg zu Wohlstand für alle. Es ist ein Irrtum, zu glauben: Was langsamer läuft, wird billiger.
    Meine Damen und Herren, mit dem Staatsvertrag ist die wirtschaftliche Vereinigung der beiden deutschen Staaten längst nicht abgeschlossen. Am 1. Juli geht es für die Unternehmer und die Arbeitnehmer im Grunde erst richtig los; denn mit der D-Mark — daran herrscht kein Zweifel — kommt auch der internationale Wettbewerb in die DDR.
    Meine Damen und Herren, es wäre ein großer Fehler, wenn wir in der DDR heute die Illusion wecken würden, als könne man von der sozialistischen Planwirtschaft bequem in eine sozialdemokratische Subventionsmentalität einmünden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Nach groben Schätzungen der DDR selbst arbeiten heute gerade noch 30 % der Betriebe rentabel. Weitere 50 % können durch Sanierungsmaßnahmen wettbewerbsfähig gemacht werden. Herr Roth, die Marktwirtschaft ist nun einmal so: Erst der Wettbewerb wird letztlich zeigen, wie viele Betriebe am Markt eine Chance haben. Das können weder Sozialdemokraten noch andere vorher bestimmen.

    (Zuruf von der SPD) Deshalb geben wir drei Antworten:

    Erstens: Mittelstand. Das von uns angeregte ERP-Programm läuft enorm. Mehr als 12 000 kleine und mittlere Unternehmen entstehen derzeit in der DDR.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Sehr gut!)

    Meine Damen und Herren, wir setzen auf den Mittelstand in der DDR und nicht auf Milliardensubventio-



    Bundesminister Dr. Haussmann
    nen für alte, nicht mehr wettbewerbsfähige Kombinate.

    (Beifall bei der FDP)

    Zweitens. Die sanierungsfähigen Kombinate müssen auf den Wettbewerb vorbereitet werden. Für manchen Betrieb ist dies eine schmerzliche Roßkur. Es geht aber nicht anders; denn es macht keinen Sinn, wettbewerbsunfähige Betriebe gegen die Marktkräfte am Leben zu erhalten. Unser Kurs lautet deshalb: Anpassung ja, künstliches Erhalten nein.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wenn die Diskussion von Herrn Waigel vorher auf Polen gebracht worden ist, so muß ich dazu folgendes sagen: Herr Balzerowicz vollzieht das schwierigste Anpassungsprogramm zur Marktwirtschaft in Europa. Dort gäbe es keinerlei Verständnis, wenn wir mit künstlichen Milliardensubventionen alte Kombinate am Leben erhalten würden, die den anderen osteuropäischen Staaten Arbeitsplätze kaputtmachen. Außerdem wird die Treuhandanstalt ermächtigt, zur Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen zugunsten sanierungsfähiger Betriebe — das ist ja Ihre Forderung — bereits dieses Jahr 7 Milliarden DM und im nächsten Jahr 10 Milliarden aufzunehmen.

    (Abg. Roth [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)