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    Plenarprotokoll 11/198 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 198. Sitzung Bonn, Freitag, den 16. Februar 1990 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 15247 A Tagesordnungspunkt 15: a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über den Stand der Arbeiten zur Umsetzung der Beschlüsse der 2. Internationalen NordseeschutzKonferenz (2. INK) vom 24. bis 25. November 1987 in London und über die Vorbereitungsarbeiten zur 3. INK vom 7. bis 8. März 1990 in Den Haag (Drucksache 11/6373) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über den Stand der Arbeiten zur Umsetzung der Beschlüsse der 2. Internationalen NordseeschutzKonferenz (2. INK) vom 24. bis 25. November 1987 in London zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über die weitere Entwicklung der Belastung der Gewässer durch Ammonium-Stickstoff und Phosphor zu dem Entschließungsantrag der SPD zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über den Stand der Arbeiten zur Umsetzung der Beschlüsse der 2. Internationalen NordseeschutzKonferenz (2. INK) vom 24. bis 25. November 1987 in London zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über die weitere Entwicklung der Belastung der Gewässer durch Ammonium-Stickstoff und Phosphor — Drucksachen 11/3847, 11/4213, 11/4515, 11/6496 — Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . 15248 A Lennartz SPD 15249 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 15251 B Frau Garbe GRÜNE 15253 C Eylmann CDU/CSU 15255 A Dr. Heydemann, Minister des Landes Schleswig-Holstein 15256C, 15267 A Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . 15257 B, 15258 C Harries CDU/CSU 15260 D Schütz CDU/CSU 15262 A Eylmann CDU/CSU 15263 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 15264 A Schütz SPD 15264 C Zusatztagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von dem Abgeordneten Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Strafrechtsänderungsgesetzes — Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität (Drucksache 11/6449) in Verbindung mit 11 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 198. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1990 Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes — Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität — (. . . StrÄndG — 2. UKG) (Drucksache 11/6453) Bachmaier SPD 15268 A Dr. Laufs CDU/CSU 15269 C Häfner GRÜNE 15270 B Funke FDP 15271 B Eylmann CDU/CSU 15272 A Engelhard, Bundesminister BMJ 15273 B Zusatztagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Umwelthaftungsgesetzes — UmweltHG (Drucksache 11/6454) Dr. Hüsch CDU/CSU 15274 B Bachmaier SPD 15276 B Kleinert (Hannover) FDP 15277 B Häfner GRÜNE 15278 C Schütz SPD 15280 B Engelhard, Bundesminister BMJ 15281 C Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerhaftung (Drucksache 11/5086) Frau Steinhauer SPD 15282 D Dr. Hüsch CDU/CSU 15284 A, 15290 C Hoss GRÜNE 15286 D Kleinert (Hannover) FDP 15287 D Dr. Pick SPD 15288 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 15290A Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 15291 A Nächste Sitzung 15292 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 15293* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 15293* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 198. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1990 15247 198. Sitzung Bonn, den 16. Februar 1990 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP 16. 02. 90 Dr. Ahrens SPD 16. 02. 90 Dr. Apel SPD 16. 02. 90 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 16. 02. 90 Börnsen (Ritterhude) SPD 16. 02. 90 Borchert CDU/CSU 16.02.90 Dr. Briefs GRÜNE 16. 02. 90 Büchner (Speyer) SPD 16. 02. 90 Frau Conrad SPD 16. 02. 90 Daweke CDU/CSU 16.02.90 Frau Dempwolf CDU/CSU 16. 02. 90 Dr. Dollinger CDU/CSU 16. 02. 90 Duve SPD 16.02.90 Dr. Faltlhauser CDU/CSU 16. 02. 90 Frau Fischer CDU/CSU 16. 02. 90 Francke (Hamburg) CDU/CSU 16. 02. 90 Gansel SPD 16.02.90 Gattermann FDP 16.02.90 Gerster (Mainz) CDU/CSU 16. 02. 90 Glos CDU/CSU 16.02.90 Dr. Götz CDU/CSU 16. 02. 90 Grünbeck FDP 16.02.90 Haack (Extertal) SPD 16. 02. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 16. 02. 90 Heimann SPD 16.02.90 Frau Hillerich GRÜNE 16. 02. 90 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 16. 02. 90 Ibrügger SPD 16. 02. 90** Jaunich SPD 16.02.90 Jungmann (Wittmoldt) SPD 16. 02. 90 Kastning SPD 16.02.90 Kittelmann CDU/CSU 16. 02. 90* Klein (München) CDU/CSU 16. 02. 90 Dr. Knabe GRÜNE 16. 02. 90 Kohn FDP 16.02.90 Kolbow SPD 16.02.90 Kühbacher SPD 16.02.90 Kuhlwein SPD 16.02.90 Lamers CDU/CSU 16.02.90 Lattmann CDU/CSU 16.02.90 Leidinger SPD 16.02.90 Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 16. 02. 90 Lohmann (Witten) SPD 16. 02. 90 Maaß CDU/CSU 16.02.90 Dr. Mechtersheimer GRÜNE 16. 02. 90 Menzel SPD 16.02.90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 16. 02. 90 Mischnick FDP 16.02.90 Neumann (Bremen) CDU/CSU 16. 02. 90 Niggemeier SPD 16.02.90 Paintner FDP 16.02.90 Petersen CDU/CSU 16. 02. 90** Poß SPD 16.02.90 Reuschenbach SPD 16.02.90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Riedl (München) CDU/CSU 16. 02. 90 Roth (Gießen) CDU/CSU 16. 02. 90 Schäfer (Offenburg) SPD 16. 02. 90 Dr. Scheer SPD 16. 02. 90* Frau Schilling GRÜNE 16. 02. 90 Schluckebier SPD 16.02.90 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 16. 02. 90 Dr. Schmude SPD 16. 02. 90 von Schmude CDU/CSU 16. 02. 90 Schneider (Idar-Oberstein) CDU/CSU 16.02.90 Dr. Schöfberger SPD 16. 02. 90 Schreiber CDU/CSU 16.02.90 Schröer (Mülheim) SPD 16. 02. 90 Frau Schulte (Hameln) SPD 16. 02. 90 Sielaff SPD 16.02.90 Steiner SPD 16. 02. 90* Stobbe SPD 16.02.90 Straßmeier CDU/CSU 16.02.90 Frau Trenz GRÜNE 16. 02. 90 Frau Unruh fraktionslos 16. 02. 90 Voigt (Frankfurt) SPD 16. 02. 90** Vosen SPD 16.02.90 Dr. Waigel CDU/CSU 16. 02. 90 Dr. von Wartenberg CDU/CSU 16. 02. 90 Wetzel GRÜNE 16.02.90 Frau Wieczorek-Zeul SPD 16. 02. 90 Wischnewski SPD 16.02.90 Wissmann CDU/CSU 16.02.90 Würzbach CDU/CSU 16.02.90 Zierer CDU/CSU 16. 02. 90* Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 12. Februar 1990 ihren Antrag „Qualitative Veränderung des integrierten Entwicklungsvorhabens Bondoc/Philippinen" - Drucksache 11/4733 - zurückgezogen. Der Vorsitzende des Ausschusses für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Drucksache 11/4986 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 11/4081 Nr. 2.3 Drucksache 11/5954 Nr. 2.1 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/5722 Nr. 2.3 Drucksache 11/5954 Nr. 2.2-2.4, 2.6-2.9 Drucksache 11/6017 Nr. 2.4 -2.7 Drucksache 11/6125 Nr. 1-4 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/3200 Nr. 2.33 Drucksache 11/4534 Nr. 2.22, 2.24 Drucksache 11/4680 Nr. 2.16 Drucksache 11/5145 Nr. 3.36
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    Rede von Klaus Lennartz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Töpfersche Umweltpolitik

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Ist sehr gut!)

    richtet sich streng nach der Aristotelischen Dramentheorie.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh! Er hat gelesen!)

    — Es muß erst zur Krisis kommen, ehe die handelnden Personen zur Vernunft kommen, ehe etwas Vernünftiges geschieht.

    (Dr. Göhner [CDU/CSU]: Hättet ihr jemals solch eine Vorsorgepolitik gemacht! — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wenn ihr jemals dieser Theorie gefolgt wäret!)




    Lennartz
    Den ersten Teil dieser Dramenlehre, Herr Minister Töpfer, beherrschen Sie wirklich perfekt: Drohende Umweltkatastrophen werden mit Konferenzen begleitet. Mit vollmundigen Ankündigungen präsentieren Sie Scheinmaßnahmen, die die Katastrophe weder verlangsamen noch aufhalten können.
    Beim zweiten Teil muß sich der Aristoteles-Schüler Töpfer allerdings noch als sehr gelehrig erweisen; denn etwas Vernünftiges, hier besser Durchgreifendes ist in wichtigen Feldern der Umweltpolitik dieser Bundesregierung leider nicht abzusehen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Die Politik des Zögerns und Zauderns, der freiwilligen Vereinbarungen, des Abwartens bis zum Reparaturfall richtet unweigerlich unsere letzten natürlichen Lebensgrundlagen zugrunde:

    (Zuruf von der SPD: Leider!) den Boden, die Luft und das Wasser.

    Das staunende Publikum erlebt derweil die Krisis im Drama Umweltpolitik der Bundesregierung. Zur Zeit wird die Szene Nordseeschutzpolitik gespielt. Die Akteure, die Teilnehmer der 3. Internationalen Nordseeschutz-Konferenz, reden wirr durcheinander, während die Uhr unerbittlich weiterläuft und die Nordsee Stunde für Stunde, Tag für Tag mit Tausenden von Tonnen Schadstoffen belastet wird,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auch aus Nordrhein-Westfalen!)

    was nicht zu geschehen brauchte, meine Damen und Herren, wenn vorsorgende Umweltschutzpolitik in der Bundesrepublik und in den übrigen Anrainerstaaten wirklich betrieben würde.
    Der von der Bundesregierung vorgelegte Bericht zur Umsetzung der Beschlüsse der 2. Internationalen Nordseeschutz-Konferenz kann nicht darüber hinwegtäuschen: Der Nordseeschutz der Bundesregierung ist völlig unzureichend.

    (Beifall bei der SPD)

    Es tröstet auch nicht, daß andere Anrainerstaaten, Herr Kollege Carstensen, wie etwa Großbritannien noch übler auftreten. Die Tatsache, daß ein Elefant im Porzellanladen herumtobt, rechtfertigt ja nicht, ihm noch die letzten erhaltenen Stücke Meissener Porzellans hinterherzuwerfen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Nein, der Bericht und der deutsche Entwurf für die Abschlußerklärung der 3. Internationalen Nordseeschutz-Konferenz lassen keine wesentlichen Fortschritte erkennen.

    (Zuruf von der SPD: Leider!)

    Waren schon die Beschlüsse der 2. Konferenz in ihrer Substanz nicht geeignet, die Nordsee vor einem wirklichen Exodus wirksam zu sanieren,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das glauben ja nicht einmal die Leute Ihrer Fraktion!)

    und war schon das 10-Punkte-Programm der Bundesregierung von 1988, Herr Kollege, völlig unzureichend — es ist ja trotz der mageren Aussagen noch
    nicht einmal umgesetzt worden — , so sind die vom Deutschen Bundestag geforderten weitergehenden Maßnahmen, Herr Kollege Carstensen, noch nicht einmal im Bericht bewertet worden, geschweige denn im Forderungskatalog für die 3. Internationale Nordseeschutz-Konferenz enthalten.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Darüber würde ich einmal mit Matthiesen sprechen! Der erzählt Ihnen etwas anderes!)

    Die Bundesregierung, Herr Kollege, versucht mit ihrem Bericht erneut darüber hinwegzutäuschen, daß sie nicht imstande ist, für Industrie und Landwirtschaft klare Rahmenvorschriften zu geben,

    (Beifall bei der SPD)

    klar zu sagen, wie Schadstoffe und Nährstoffeinträge drastisch vermindert werden sollen, klare Produktions- und Verwendungsverbote und Beschränkungen für wassergefährdende Stoffe vorzugeben.
    Herr Kollege Töpfer, wer nicht in der Lage ist, zu Hause gefährliche Pflanzenschutzmittel zu verbieten, den technisch möglichen und wirtschaftlich zumutbaren Stand der Technik für die Abwasserreinigung in der Industrie vorzuschreiben und damit endlich einmal qualitativ etwas zu erreichen, auf eine umweltverträgliche Landwirtschaft umzuschwenken, das Wattenmeer als einzigartigen ökologischen Lebensraum wirksam zu schützen, das Chemikaliengesetz, das Wasch- und Reinigungsmittelgesetz, das Düngemittelgesetz, das Bundesnaturschutzgesetz und das Abfallgesetz so zu gestalten, daß diese Gesetze endlich auch den Schutz der Meere regeln — darum geht es —, der darf nicht mit dem Finger auf die Briten zeigen.
    Herr Kollege Töpfer, vielleicht können Sie uns nachher von diesem Platz aus sagen, wann Sie das Bundesnaturschutzgesetz endlich einmal einbringen werden. Geschieht das noch in dieser Legislaturperiode?

    (Zuruf von der SPD: Das fragen wir uns auch!)

    Statt dessen tappt diese Bundesregierung im dunkeln und kennt selbst nicht einmal die Zahlen, die 85er Schadstofffrachten, die bis 1995 halbiert werden sollen.
    Meine Damen und Herren, auch die einzelnen Schadstoffarten, deren Transport durch die Flüsse in die Nordsee bis 1995 halbiert werden soll, stehen nicht fest. Eine Liste von ganzen 37 Stoffen liegt vor, deren Einleitung bis zum Jahre 1995 auf 50 % der geschätzten Einleitungen von 1985 reduziert werden soll.
    Von den 129 extrem giftigen Stoffen, die von der EG-Kommission schon in den 70er Jahren zum Verbot durch nationales Recht empfohlen wurden, ist in der Bundesrepublik Deutschland bisher nur ein einziger, nämlich PCB, verboten. Warum, Herr Kollege Töpfer, soll sich die Konferenz nicht auf diese 129 Stoffe beziehen?
    Statt zu handeln und giftige Stoffe aus den Flüssen herauszuhalten, hält Minister Töpfer heute noch in seinem Nordseebericht diese Liste für viel zu umfangreich. Es ist ein Jammer, daß die reichsten Industrie-



    Lennartz
    nationen der Erde nicht in der Lage sein sollen, den Stand der Technik für Abwasserreinigung vorzuschreiben und die sogenannte wirtschaftliche Verfügbarkeit der Technik zum Credo zu erheben.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Damit sind reinen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen Tür und Tor geöffnet.

    (Dr. Göhner [CDU/CSU]: Über wen sprechen Sie jetzt?)

    Die Entscheidung über Leben und Tod der Nordsee wird in den Vorstandsetagen der Chemiekonzerne und bei Ihrer heißgeliebten Landwirtschaft statt in den Regierungszentralen fallen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Das ist ein Armutszeugnis, Herr Kollege Töpfer,

    (Dr. Göhner [CDU/CSU]: Über welche Regierung und welches Land reden Sie? Er spricht von Großbritannien!)

    aber leider kein Einzelfall in Ihrer Amtszeit als Umweltminister.
    Zwei Beispiele neben vielen weiteren, die noch zu nennen wären, zeigen: Minister Töpfer ist nicht bereit zuzupacken. Versteckspiel hinter den ökologisch Fußkranken in der EG als Ersatz für eine vernetzte konsequente und effektive Nordseeschutzpolitik, das wird hier geboten. Es ist halt das alte Lied: Der Bundesregierung fehlt das ökologische Bewußtsein, und deshalb verletzt sie bei jeder umweltpolitischen Grundsatzentscheidung den ökologischen Generationenvertrag.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Unseren Kindern und Kindeskindern werden so ökologische Wüsten und tote Meere hinterlassen,

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    mit irreparablen Schäden, die niemand mit noch so großen Anstrengungen wird beheben können.
    „Entscheidend ist, was hinten rauskommt" ; diesen oft belächelten Satz des Bundeskanzlers sollten Sie, Herr Töpfer, endlich beherzigen. Entscheidend ist, was an Schadstoffen in den Flußmündungen verbleibt und bequem in die Nordsee „entsorgt" wird.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Und die Verklappung in die Ostsee!)

    Das ist heute und bei Ihrer Politik absehbar auch in den nächsten Jahren noch viel zuviel, um die Nordsee am Leben zu erhalten.
    Wer aus der Vergangenheit nicht gelernt hat, wer die Gegenwart nicht beherrscht, der hat auch keine Zukunft. Herr Töpfer, handeln Sie endlich!
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Wolfgramm.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Torsten Wolfgramm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich wundere mich schon ein bißchen, daß Sie das Kind so verleugnen. Wir sind doch eigentlich ganz froh, daß es jetzt in die Jahre kommt. Wie sahen denn die Vorbereitungen zur 1. Nordseeschutz-Konferenz und die Konferenz selbst aus? Wir konnten damals doch gar nicht erwarten, daß die anderen Nordseeanrainerländer sich an Vereinbarungen beteiligen, die die Nordsee wirklich zu schützen beginnen. Ich bin der Meinung, daß sich dieses Kind tatsächlich positiv entwikkelt. Ich betrachte es auch mit einem gewissen Wohlgefallen.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Dazu besteht überhaupt kein Grund!)

    Der vorliegende Bericht erhebt nicht nur die Forderung nach einer 3. Nordseeschutz-Konferenz, sondern er zeigt auch, wie die von der 2. Nordseeschutz-Konferenz aufgestellten Forderungen umgesetzt werden.

    (Lachen bei der SPD)

    Ich meine, das sieht positiv aus gegenüber dem, was wir vorher hatten.

    (Schütz [SPD]: Herr Töpfer ist da andere Meinung!)

    Wir erwarten mit großer Spannung, was die SPD in der DDR nach der Wahl am 18. März auf diesem Gebiet alles auf die Beine stellen wird. Wir erwarten auch mit großer Spannung, wie Sie auf Ihre Kollegen in Polen Einfluß nehmen. Wir erwarten natürlich auch mit großer Spannung, Herr Lennartz, wie Sie jetzt nach Großbritannien fahren werden, weil wir ja gesehen haben, daß Großbritannien allerlei Verzögerungen und Retardierungen einbaut. Wir warten mit großer Spannung darauf, daß Sie dort vor Ort für die Nordsee kämpfen.
    Das Szenario, das Sie hier dargestellt haben, ist nicht eindrucksvoll. Es ist vor allen Dingen auch nicht eindrucksvoll, wenn Sie das als Schauveranstaltung abqualifizieren, was auf der bevorstehenden Nordseeschutz-Konferenz zu leisten ist. Eine Schauveranstaltung setzt ja voraus, daß Schaulustige am Wege stehen und die Sache betrachten. Sie halten in dieser Angelegenheit ein wenig Maulaffen feil. Das ist ein sehr schöner alter Ausdruck, der genau das beschreibt, was Sie im Augenblick tun.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie beteiligen sich nicht ernsthaft an der Sache. Sie nehmen keinen Einfluß auf die von Ihnen regierten Länder. Sie fordern vom Bund Daten. Sie stellen aber nicht fest, daß die Daten von den Ländern, in denen die SPD die Regierung stellt, nicht geliefert werden. Der Bund kann nur die Daten nennen, die die Länder ihm liefern. Herr Töpfer kann keine anderen Daten vorlegen als die, die die Länder ihm liefern. Herr Lennartz, da wäre es Ihre Aufgabe zu helfen. Dann könnten Sie tatsächlich hinterher darauf verweisen, was Sie Positives geleistet haben.
    Auch die Abkürzung INK macht deutlich, daß wir uns einem Normalverfahren nähern: Wenn eine Konferenz eine feste Abkürzung erhält, macht das deutlich, daß wir uns in eine nützliche Routine begeben haben.
    15252 Deutscher Bundestag — 1 1. Wahlperiode — 198. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1990
    Wolfgramm (Göttingen)

    Das UVP-Gesetz, die Novelle zum Chemikaliengesetz, die — wie wir hoffen — in Kürze abzuschließende Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und die Novellierung des Abwasserabgabengesetzes zeigen, daß wir unsere Aufgaben auf diesen Gebieten ernst nehmen.
    Die Novelle des Abwasserabgabengesetzes erfordert natürlich noch einigen Beratungs- und auch, wie ich hoffe, Veränderungsbedarf. Wir werden uns in dieser Sache sehr engagieren.

    (Lennartz [SPD]: Hoffentlich schaffen Sie das, was Sie im Ausschuß gesagt haben! Dann würde ich Ihnen einen Strauß roter Rosen geben!)

    — Lieber Herr Kollege Lennartz, wir werden uns ja dann wiedersehen. Aber wir zweifeln bei Ihren Worten immer etwas: Sie fordern und unterstützen etwas, und hinterher kritisieren Sie es. Diese Position ändern Sie so, wie Schwammerin nach einem warmen Regen wachsen.

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Durchsetzung des Einbringungsstopps für Dünnsäure im vergangenen Jahr halte ich für einen ganz wichtigen Markstein. Den haben Sie in Ihrer Betrachtung scheinbar vergessen. Das war damals bei Ihrem Vortrag einer Ihrer Hauptpunkte. Man muß auch ein bißchen konsequent in dem sein, was man als Kritik vorträgt, weil die Nordsee Gott sei Dank inzwischen bei uns im Bundestag eine kontinuierliche Betrachtung erfährt. Ich bedauere, daß sich auf der Bundesratsbank nur die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein tummeln. Ich meine, daß sich auch NRW, das hier übrigens allerhand Verzugsdefizite aufweist, vielleicht auch dieser Debatte widmen könnte.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Der kriegt Sodbrennen, wenn er seine Kollegen aus Schleswig-Holstein sieht!)

    Herr Lennartz, das wäre einen Anruf in NRW wert, daß Sie sagen, es wäre nützlich, daß NRW hier an der Debatte teilnimmt.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Klaus Matthiesen soll hier mal was sagen! — Schütz [SPD]: Wir wollen mal abwarten, welche Länder an der Debatte teilnehmen!)

    Herr Carstensen ist schon auf das Beispiel Niedersachsen eingegangen. Ich meine, daß die Niedersachsen die Phosphateliminierung mit dem Programm für Kläranlagen für über 20 000 Einwohnergleichwerte hier wirklich unterstützen. Das ist immerhin eine Reduzierung um 70 %. Das ist ein sehr ordentlicher Wert, der hier erreicht wird, und wir warten auch sehr darauf, was uns die sozialdemokratischen Länder da vorschlagen und bieten werden.
    Im übrigen bin ich der Meinung, daß die Strukturhilfe im Haushaltsbereich, die wir hier seinerzeit nach einigen Mühen im Bundestag aus der Taufe gehoben haben, stärker für den Bereich des Gewässerschutzes für die Nordsee eingesetzt werden soll.

    (Opel [SPD]: Das kann doch nicht sein! Hessen hat doch nichts mit der Nordsee zu tun!)

    — Aber Herr Kollege Opel, natürlich wissen Sie, daß der Rhein und die Elbe mit allen Zu- und Nebengewässern in die Nordsee fließen. Dazu gehören fast alle hessischen Flüsse. Das ist uns schon in der Schule deutlich gemacht worden.

    (Opel [SPD]: Nordseeschutz und Küstenschutz sind eine nationale Aufgabe!)

    Die meisten Flüsse in der Bundesrepublik fließen in die Nordsee. Nur die südlichen entwässern in das Stromgebiet der Donau. Deshalb ist es für die Nordsee hilfreich, wenn wir da etwas tun.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Die Strukturhilfe beträgt immerhin 2,5 Milliarden DM, und 2,5 Milliarden DM zusätzlich für die Nordsee einzusetzen, ist hilfreicher als Ihre Zwischenrufe. Das muß ich hier mal festhalten.

    (Opel [SPD]: Die stören Sie natürlich, weil sie wahr sind!)

    — Über die Wahrheit, Herr Kollege, werde ich mich nachher noch ein bißchen auseinandersetzen, wenn ich mich mit der Frage Aristoteles und Lennartz beschäftige. Da werden wir noch zu einigen Erkenntnissen kommen.

    (Heiterkeit)

    Ich erwarte von der Konferenz besonders die Durchsetzung des Vorsorgeprinzips, denn das ist ein Handlungsgrundsatz, den wir international einbringen müssen, und da muß die Nordsee-Konferenz hilfreich sein und damit Vorgaben für die Ostsee-Konferenz leisten, von der ich hoffe, daß wir sie an dieser Stelle auch demnächst behandeln können. Die Sowjetunion scheint mit ihrer Umweltkommission auf einem guten Weg zu sein. Allerdings ist sie im Augenblick noch in der Phase der Bestandsaufnahme. Die Bestandsaufnahme ist nötig, um festzustellen, wie krank die Patienten sind. Erst dann kann man zur Therapie kommen.
    Ich habe Großbritannien schon angesprochen. Ich meine, wir als Parlamentarier sollten alles tun, um auf Großbritannien einzuwirken und hier ein stärkeres Verständnis für die Situation der Nordsee zu schaffen. Das bedeutet auch das Vorziehen des Verbrennungsstopps auf See.

    (Schütz [SPD]: Den haben wir schon!)

    — Den sollten wir bei Großbritannien vorziehen. Das bedeutet die Erklärung zum Sondergebiet.

    (Lennartz [SPD]: Erstmal das eigene Haus sauberhalten, dann hat man auch ein Recht, auf andere zu schimpfen!)

    Das bedeutet natürlich auch die Schutzregelung für das Wattenmeer.
    Der hohe Druck der Öffentlichkeit und auch der Medien machen verschiedene Verbesserungen in diesem Bereich möglich, die vorher nicht gesehen wor-



    Wolfgramm (Göttingen)

    den sind. Die Halbierung der Nähr- und Schadstoffeinträge hätten wir sicher nicht durch eine zusätzliche Öffentlichkeitswirkung ohne weiteres erreichen können. Aber es fehlt noch die Erarbeitung einer Nordseeschutz-Konvention, und es fehlt auch die ernsthafte und beschlußkräftige Teilnahme der Länder DDR und Tschechoslowakei. Beides wird sich durch die deutsch-deutsche Entwicklung erheblich verbessern, wie ich hoffe. Ich meine, daß nicht nur der Beobachterstatus, sondern der Teilnehmerstatus in diesem Bereich wichtig ist.
    Übrigens, wenn wir die Entwicklung der östlichen Nachbarländer sehen, dann haben wir natürlich über die Bestandsaufnahme hinaus eine Fülle von Aufgaben vor uns, bei denen Parlamentarier nicht nur tätig sein sollten, sondern auch tätig werden müssen. Es geht um die Frage, wie wir im einzelnen Einfluß nehmen auf das Bewußtsein in diesen Ländern. Das können wir durch vielfältige Kontakte, durch Gespräche, durch Vorträge und ähnliches mehr unterstützen. Ich rufe dazu besonders die Opposition auf, weil sie damit ihre Ernsthaftigkeit unterstreichen kann, die sie hier gern vorträgt, die wir ihr ja auch nicht bestreiten wollen.
    Bei der Frage der Ernsthaftigkeit, Herr Kollege Lennartz, möchte ich nun zu dem Aristoteles-Zitat kommen. Wenn man Aristoteles zitiert, sollte man vorher Sokrates lesen. Platon läßt Sokrates — wenn ich das recht erinnere — in seinem „Gastmahl" sagen: Bevor man eine Theorie aufstellt. soll man vorher sehr sorgfältig nachdenken.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Das wird aber der Nordsee ordentlich helfen!)

    Wie gesagt: Lesen Sie Sokrates, dann werden Sie möglicherweise nicht immer sofort Aristoteles zitieren.
    Was uns in Niedersachsen besonders interessiert, ist die Salzfracht von Werra und Weser. Das ist sicher nicht das, was die Nordsee auf das äußerste belastet, aber für uns ist das ein wichtiger Punkt. Wir hoffen und erwarten, Herr Kollege Töpfer, daß das Salzeis, auf dem dieses Problem lange Zeit gelegen hat, nun schmilzt — Salz ist dabei ja hilfreich — und wir auch zu dieser Frage demnächst eine Vereinbarung haben werden.

    (Opel [SPD]: Heißt im Klartext: Er soll endlich in die Puschen kommen!)

    Zum Schluß meine ich, daß wir uns darauf konzentrieren sollten, daß das Nordsee-Gutachten fortgeschrieben wird. Ich habe das an diesem Platz schon mehrfach gefordert und wäre sehr dankbar, wenn Anstrengungen dafür unternommen würden.
    Wir sind bei der Nordsee in der Situation, daß der Patient, der sich in einem sehr ernsten Stadium befindet, nunmehr durch das Erkennen der Krankheit und durch die nach Konsilium der Ärzte eingeleiteten Therapien die Chance hat, wieder zu gesunden.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Da wäre ich aber sehr vorsichtig!)

    Dazu brauchen wir aber immer wieder Bestandsaufnahmen, damit wir wissen, wo wir noch zusätzlich verstärkt eingreifen müssen.
    Im übrigen möchte ich festhalten, daß der Bundesumweltminister und sein Haus für die bevorstehenden Verhandlungen auf der Nordseeschutz-Konferenz unsere volle Unterstützung haben. Wir erhoffen und erwarten denn auch den entsprechenden Erfolg.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)