Rede:
ID1119510000

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Als: 1
    2. nächster: 1
    3. Redner: 1
    4. spricht: 1
    5. Herr: 1
    6. Meneses: 1
    7. Vogl.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/195 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 195. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. Februar 1990 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 15009 A Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Gebühren für die Benutzung von Bundesfernstraßen mit schweren Lastfahrzeugen (Drucksache 11/6336) . 15009 A Zusatztagesordnungspunkt: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahresgutachten 1989/90 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache 11/5786) 15009 B Tagesordnungspunkt 17: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Weltweites Chemiewaffenverbot: Notwendige Initiativen nach der Pariser Konferenz (Drucksache 11/4054) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags des Abgeordneten Erler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Unterrichtung von Öffentlichkeit und Parlament über die Planung und Vorbereitung des Abzugs amerikanischer C-Waffen aus der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 11/6310) Dr. Scheer SPD 15009 D Lummer CDU/CSU 15011 C Dr. Scheer SPD 15012 D Frau Beer GRÜNE 15014 A Dr. Feldmann FDP 15015 C Frau Dr. Götte SPD 15017 A Schäfer, Staatsminister AA 15017 D Reimann SPD 15018 D Erler SPD 15020 A Dr. Uelhoff CDU/CSU 15021 D Tagesordnungspunkt 18: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs für ein Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts (Drucksache 11/6321) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ausländergesetzes (Drucksache 11/4732) c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes (Drucksache 11/4958) d) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Bundesausländergesetzes (Drucksache 11/5637) e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Ausländerzentralregister (Drucksache 11/5828) Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . . 15023 A Dr. Schmude SPD 15024 D Dr. Penner SPD 15025 B Schröer (Mülheim) SPD 15028 B Dr. Hirsch FDP 15031 B Dr. Penner SPD 15032 C Frau Trenz GRÜNE 15033 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 15034 C Dr. Bull, Minister des Landes SchleswigHolstein 15039 B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 195. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Februar 1990 Dr. Schäuble CDU/CSU 15041 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 15042 A Lüder FDP 15043 B Such GRÜNE 15043 D Frau Dr. Sonntag-Wolgast SPD 15045 A Meneses Vogl GRÜNE 15046 C Fellner CDU/CSU 15048A Wartenberg (Berlin) SPD 15049 C Tagesordnungspunkt 19: Beratung der Großen Anfrage des Abgeordneten Dr. Wieczorek, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Stand der multilateralen Handelsverhandlungen (Uruguay-Runde) (Drucksachen 11/5089, 11/5626) Dr. Wieczorek SPD 15051 D Kittelmann CDU/CSU 15055 D Volmer GRÜNE 15057 B Funke FDP 15058 C Niegel CDU/CSU 15059 C Beckmann, Parl. Staatssekretär BMWi . 15060 D Eigen CDU/CSU 15061 D Zusatztagesordnungspunkt 13: Aktuelle Stunde betr. Teilgenehmigung für die Pilotkonditionierungsanlage Gorleben als Prüfstein der neuen deutsch-deutschen Umweltpolitik der Bundesregierung Frau Wollny GRÜNE 15062D, 15068 D Harries CDU/CSU 15063 C Schütz SPD 15064 C Dr.-Ing. Laermann FDP 15065 D Dr. Kübler SPD 15066 C Dr. Friedrich CDU/CSU 15067 D Grüner, Parl. Staatssekretär BMU . . . 15069 B Stahl (Kempen) SPD 15070 D Nächste Sitzung 15072 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 15073* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 15073* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 195. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Februar 1990 15009 195. Sitzung Bonn, den 9. Februar 1990 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein CDU/CSU 09. 02. 90 Dr. Ahrens SPD 09. 02. 90 Antretter SPD 09. 02. 90 Bahr SPD 09. 02. 90 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 09. 02. 90 Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU 09. 02. 90 Dr. Briefs GRÜNE 09. 02. 90 Dr. von Bülow SPD 09. 02. 90 Clemens CDU/CSU 09. 02. 90 Frau Conrad SPD 09. 02. 90 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 09. 02. 90 Daweke CDU/CSU 09. 02. 90 Frau Dempwolf CDU/CSU 09. 02. 90 Dr. Dollinger CDU/CSU 09. 02. 90 Dr. Ehrenberg SPD 09. 02. 90 Frau Fischer CDU/CSU 09. 02. 90 Gallus FDP 09. 02. 90 Gerstein CDU/CSU 09. 02. 90 Dr. Götz CDU/CSU 09. 02. 90 Graf SPD 09. 02. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 09. 02. 90 Dr. Hauchler SPD 09. 02. 90 Hauser (Esslingen) CDU/CSU 09. 02. 90 Frhr. Heereman von CDU/CSU 09. 02. 90 Zuydtwyck Heimann SPD 09. 02. 90 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 09. 02. 90 Heyenn SPD 09. 02. 90 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 09. 02. 90 Klose SPD 09. 02. 90 Dr. Knabe GRÜNE 09. 02. 90 Kohn FDP 09. 02. 90 Kolbow SPD 09. 02. 90 Kossendey CDU/CSU 09. 02. 90 Dr. Kreile CDU/CSU 09. 02. 90 Kreuzeder GRÜNE 09. 02. 90 Lattmann CDU/CSU 09. 02. 90 Leidinger SPD 09. 02. 90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 09. 02. 90 Müller (Schweinfurt) SPD 09. 02. 90 Frau Nickels GRÜNE 09. 02. 90 Opel SPD 09. 02. 90 Paintner FDP 09. 02. 90 Pesch CDU/CSU 09. 02. 90 Pfeifer CDU/CSU 09. 02. 90 Rawe CDU/CSU 09. 02. 90 Reuschenbach SPD 09. 02. 90 Rind FDP 09. 02. 90 Frau Rock GRÜNE 09. 02. 90 Frau Schätzle CDU/CSU 09. 02. 90 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Schilling GRÜNE 09. 02. 90 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 09. 02. 90 von Schmude CDU/CSU 09. 02. 90 Schulhoff CDU/CSU 09. 02. 90 Seehofer CDU/CSU 09. 02. 90 Spilker CDU/CSU 09. 02. 90 Straßmeir CDU/CSU 09. 02. 90 Tietjen SPD 09. 02. 90 Frau Dr. Timm SPD 09. 02. 90 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 09. 02. 90 Dr. Vogel SPD 09. 02. 90 Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 09. 02. 90 Voigt (Frankfurt) SPD 09. 02. 90 Dr. von Wartenberg CDU/CSU 09. 02. 90 Weiss (München) GRÜNE 09. 02. 90 Weisskirchen (Wiesloch) SPD 09. 02. 90 Wetzel GRÜNE 09. 02. 90 Frau Dr. Wisniewski CDU/CSU 09. 02. 90 Wissmann CDU/CSU 09. 02. 90 Würtz SPD 09. 02. 90 Zierer CDU/CSU 09. 02. 90 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 26. Januar 1990 ihre Kleine Anfrage auf Drucksache 11/6293 zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/4410 Drucksache 11/4881 Drucksache 11/5496 Innenausschuß Drucksache 11/1762 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/3758 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 11/6285 Nr. 2.12 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/4534 Nr. 2.23 Drucksache 11/4758 Nr. 2.33 Drucksache 11/5051 Nr. 52 Drucksache 11/5145 Nr. 3.35 Drucksache 11/5642 Nr. 3.22
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen! Wir beraten diese Gesetzentwürfe zum Ausländerrecht in einer für die Betroffenen ja seltsamen Stimmungslage: Einerseits müssen sie nicht mehr so oft als schlagzeilenträchtige Streitobjekte herhalten, auch nicht mehr so oft als Sündenböcke für die Wohnungsmisere und Beschäftigungsprobleme, andererseits fühlen sie sich bei der sozialen und der menschlichen Zuwanderung angesichts der neuen Ströme der Zuwanderer, also der Aus- und Übersiedler, noch weiter an das Ende der Schlange geschubst. Staunend und verbittert registrieren viele, daß dieser Staat, von dem sie früher ja so oft Begriffe im Katastrophenjargon wie „Flüchtlingsschwemme", „Dammbruch" und „Das Boot ist voll" hörten, jetzt mit Tempo und Ideen seine Aufnahmefähigkeit unter Beweis stellt.
    Um es klar zu sagen: Ich freue mich darüber, daß das möglich ist. Nur, es bleibt festzuhalten, daß der Wahrheitsgehalt von Parolen, mit denen jahrelang eine restriktive Politik gegenüber Menschen außerhalb der EG verteidigt wurde, vom Sturm dieser neuen Entwicklung hinweggefegt worden ist. Eine so turbulente Phase, wie wir sie jetzt erleben, eine Phase, die alte Grenzen und nationale Trennungen überflüssig macht und die ein neues nachbarschaftliches Miteinander eröffnet, verlangt auch ein Ausländerrecht, das nicht nur zur Stabilisierung beiträgt, Herr Minister, sondern das mit dem Blick nach vorn Weltoffenheit, Humanität und Liberalität gewährleistet. Als ein solches Signal verstehen wir Sozialdemokraten unseren Gesetzentwurf.
    Die Vorlagen der Bundesregierung werden diesem Anspruch nicht gerecht. Geliefert wird da ein Reglementierungsinstrument, kühl kalkuliert, doch bar jeder Mühe, auf Fragen von morgen eine Antwort zu finden. Die betroffenen Ausländer und ihre Organisationen, nicht nur die hier so viel zitierten Verbände, wittern Schikanen. Das Schlimme ist, die Urheber der Gesetzentwürfe haben mit ihren Absichtserklärungen Erwartungen erweckt, die der Text einfach nicht erfüllt. Vieles wirkt so, als würde da mit Gönnermiene eine Tür weit geöffnet, um sie dann mit lauter Hürden unpassierbar zu machen.
    Ich will das an einigen wenigen Beispielen erläutern: Das Ausländerrecht — so beteuern ja alle — soll eine sichere Lebensplanung ermöglichen. Wer zu uns kommt, will und soll wissen, woran er ist. Aber diese „Lebensplanung" darf ja nicht heißen: jahrelanges Hangen und Bangen in Ungewißheit, immer auf Abruf und vorsichtig, ob der Ablauf langer Fristen und schwierige Bedingungen auch eingehalten wird bzw. erfüllt werden.
    Deswegen schlagen wir Sozialdemokraten ein klar gegliedertes, stufenweises Aufenthaltsrecht vor, schließlich nach acht Jahren das Niederlassungsrecht. Und es ist nun einmal einer der schwersten Mängel des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, daß er dieses Niederlassungsrecht nicht enthält.
    Am Anwerbestopp halten auch wir Sozialdemokraten, um es deutlich zu sagen, grundsätzlich fest. Aber wir wollen Erwerbstätigkeit dann ermöglichen, wenn die Bundesanstalt für Arbeit sie befürwortet und wenn der Arbeitgeber Wohnraum zur Verfügung stellt. Das heißt: Wir nehmen diejenigen in die Pflicht, die ein Interesse an der Beschäftigung von Ausländern haben. Wer unter diesen Umständen kommt, der muß aber eine Daueraufenthaltsgenehmigung erhalten.
    Deswegen halten wir die Pläne der Bundesregierung, den Aufenthalt zwecks Arbeitsaufnahme vorübergehend zu bewilligen, für unakzeptabel, für familienfeindlich und gesellschaftspolitisch bedenklich. Denn das wäre unserer Meinung nach ein Einstieg ins Rotationsprinzip, das Ausländer zur Manövriermasse, zu Lückenbüßern auf dem Arbeitsmarkt degradiert.
    Das nächste Beispiel: der vielbeschworene Ehegatten- und Familiennachzug. Jahrlang wurden die menschlichen Härten der bisherigen Praxis beklagt. Wenn Ausländerinnen nicht als Erwerbstätige, sondern als Ehepartnerinnen kamen, mußten sie drei bis fünf Jahre warten, um ihren Aufenthaltsstatus überhaupt abzusichern. Wenn der Mann starb oder bei Scheidung oder Trennung liefen Frauen Gefahr, ungewollt in ihr Heimatland zurückgeschickt zu werden. Und überdies haben Männer diese Rechtslage oft als Druckmittel benutzt, um ihre Frauen zu Wohlverhalten zu zwingen.
    Die SPD fordert deswegen für nachgezogene Ehegatten ein wirklich eigenständiges Daueraufenthaltsrecht, ebenso für Kinder bis 16 und unter bestimmten Voraussetzungen bis 18 Jahre.
    Die Bundesregierung knüpft dagegen die Nachzugsmöglichkeit an zahlreiche Bedingungen, z. B. an die strengen Kriterien ausreichenden Wohnraums. Und da muß ich hier einmal sagen: Schon die Geburt eines weiteren Kindes kann eine Familie, die bisher mit sogenanntem ausreichenden Wohnraum versorgt war, vor schier unlösbare Probleme stellen. Denn der akute Wohnungsmangel drückt ja die Chancen ausländischer Familien ohnehin auf Null herunter. Wohnungsknappheit, von der Bundesregierung verschuldet, wird so zum Instrument der Ausgrenzung und Abschottung, und das können wir nicht dulden. Und für deutsch-ausländische Paare sollen Verbesserungen, die jahrelang gefordert wurden, entfallen.
    Mit anderen Worten, meine Damen und Herren: Der grundgesetzlich verbriefte Schutz von Ehe und Familie wird eben doch nicht gewährleistet. Das ist ein Armutszeugnis für eine Regierung, die sich wegen ihrer angeblichen familienpolitischen Leistungen so gerne selbst auf die Schulter klopft.

    (Dr. Kappes [CDU/CSU]: Mit Recht!)

    Es ist ja nicht zu übersehen und sollte besonders zu denken geben, daß gerade die Kirchen und nicht nur irgendwelche kleinen Zirkel hier massive Proteste angekündigt haben.
    Die Erfahrung lehrt, daß Kinder und Jugendliche, die mit ihren Eltern in deren Heimat zurückkehren müssen, dort nicht mehr Fuß fassen. Sie fühlen sich ausgeschlossen, diffamiert, sie möchten zurück. Das gilt übrigens in besonderem Maße für Mädchen, die hier so etwas wie den Hauch von Selbstbestimmung der Frau kennengelernt haben

    (Such [GRÜNE]: Aber nur einen Hauch!)




    Frau Dr. Sonntag-Wolgast
    und im Herkunftsland in die traditionelle Rolle der Unterordnung zurückgedrängt werden. Sie wollen zurück in die Bundesrepublik.
    Deswegen haben wir Sozialdemokraten ihnen in einer eigenen Vorlage eine Wiederkehroption eröffnet. Das verspricht auch die Bundesregierung. Aber sie pflastert diesen Weg dann eben wieder mit Hindernissen, auch mit Bedingungen, die an den Lebensverhältnissen vorbeigehen.

    (Dr. Hirsch [FDP]: Mit welchen denn? — Zuruf von der CDU/CSU: Konkreter!)

    Schließlich noch ein Wort zur politischen Betätigung. Sie ist Kernstück jeder Demokratie, muß jedermann zugänglich sein. Der Vorschlag der SPD lautet deshalb knapp und logisch — ich zitiere — : „Die politische Betätigung der Ausländer richtet sich nach dem auch für Deutsche geltenden Versammlungs-, Vereins- und Strafrecht." Was dagegen der Regierungsentwurf hier an Beschränkungs- und Untersagungsmöglichkeiten vorsieht, meine Damen und Herren, ist Gängelung, ist in Paragraphen gefaßtes Mißtrauen und einer selbstbewußten Demokratie unwürdig.

    (Dr. Hirsch [FDP]: Was meinen Sie denn konkret, bitte? — Dr. Kappes [CDU/CSU]: Konkreter!)

    — Lesen Sie bitte den Passus durch. Dann werden Sie sehen, wo die Einschränkungen liegen.

    (Zustimmung bei der SPD — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Leere Worte! — Eine Phrase nach der anderen!)

    Auch wir wissen, meine Damen und Herren, daß das Zusammenleben von Deutschen und Ausländern von sozialen Konflikten begleitet sein kann, auch von Ängsten. Soziale Konflikte zu entschärfen darf aber keine Einbahnstraße zu Lasten der Ausländer sein. Angst muß man nicht mit Abschottungsritualen bekämpfen, sondern mit Gelassenheit und Aufklärung. Deswegen rate ich: Sagen wir doch, daß die Zugewanderten einst von Wirtschaft und Politik gerufen worden sind; und sagen wir, daß sie ganze Branchen schützen und unsere Gesellschaft bereichern, nicht nur mit Pizza und Kebab, sondern mit ihrer Sprache, ihrer Literatur und Musik und nicht zuletzt auch mit ihrer Fähigkeit, Freunde und Familien generationenübergreifend aneinander zu binden.
    Meine Damen und Herren, zum Auftakt der 90er Jahre, mittendrin in einer Phase internationaler Bewegungen, können wir nicht mehr festschreiben, daß die Bundesrepublik, bitte schön, kein Einwanderungsland sei. Sie verkennen da die Zeichen der Zeit, Herr Minister, wenn Sie in Ihrem Ausländergesetz anmerken, daß das, was Sie Integrationszusage an Ausländer nennen, sich nur rechtfertigen läßt — ich zitiere —, „wenn und weil es sich hierbei historisch um einen in dieser Größenordnung einmaligen, d. h. endlichen Vorgang handelt".
    Sehen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, eben darin steckt der Irrtum. Denn die Zuwanderung läßt sich einfach nicht per Knopfdruck abschalten. Sie ist, solange es noch Unfreiheit und wirtschaftliche Not gibt, ganz gewiß kein endlicher Vorgang.

    (Abg. Dr. Hirsch [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    Wir werden auf diesem Gebiet — das ist mein letzter Satz — noch unendlich viel erleben.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Hirsch [FDP]: Da haben Sie aber Glück gehabt! — Heiterkeit — Dr. Penner [SPD]: Ach Gott, Herr Hirsch!)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Als nächster Redner spricht Herr Meneses Vogl.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestern sagte mir ein sozialdemokratischer Kollege, als wir über die jetzige Situation in der Bundesrepublik sprachen, er habe etwas Angst, die bundesdeutsche Demokratie sei nicht so verwurzelt, wie alle glaubten. Sie hat Wohlstand gebracht, Autos, tolle Häuser, Urlaub. Aber sie steht auf wackligen Füßen in kritischen Situationen, wenn es ums Teilen geht, wenn es darum geht, ein bißchen mehr zu geben, als es unser Wohlstand erlaubt.
    Die Demokratie ist wie die Freundschaft. Sie zeigt sich am deutlichsten, wenn es uns nicht gut geht. Die Bundesregierung will demnächst ein Gesetz verabschieden lassen, das Ausländer und Ausländerinnen, nunmehr gesetzlich legitimiert, zu gläsernen Menschen macht. Das heißt konkret, alle Menschen, die nicht deutsch sind, werden vollkommen durchleuchtet, unter der Prämisse einer Gefahrenabwehr.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das ist die glatte Unwahrheit, die Sie da verkünden! — Zuruf von den GRÜNEN: Genauso ist es aber!)

    Das Ausländerzentralregister, meine Damen und Herren, ist eines der perfektioniertesten Erfassungsinstrumente zur vollkommenen und willkürlichen Erfassung, Durchleuchtung und behördlichen Selektierung und Diskriminierung von Ausländerinnen und Ausländern. Es ist ein wahrer Selbstbedienungsladen für Ausländerbehörden, Arbeitsämter, Polizeiämter, Staatsanwaltschaften und Geheimdienste. In diesem Ausländerregister werden weit über 100 Millionen Daten von ca. 10 Millionen Ausländern bis jetzt gespeichert. Man muß sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen. Ich glaube, daß die meisten Kollegen hier im Bundestag, die Öffentlichkeit sowieso, gar nichts davon wissen. 10 Millionen Ausländer werden völlig durchleuchtet, nur weil sie nicht deutsch sind. Ist das wirklich Angst oder ist es Arroganz? Oder ist es nur Arroganz? Auf jeden Fall, gleichgültig ob Angst oder Arroganz, für eine Demokratie ist dieses Register eine Zumutung.
    Eine weitere Zumutung für die Demokratie ist der Entwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Ausländerrechts. Er soll zu einer Zeit im Schnellverfahren durchgepeitscht werden, in der dieses Land nur noch eines kennt, nämlich Deutsche.
    Auch das neue Ausländergesetz folgt dieser Maxime. In der Begründung des Regierungsentwurfs heißt es: „An erster Stelle zu nennen ist die Verpflich-



    Meneses Vogl
    tung zur Aufnahme von Deutschen. " Diese historische Pflicht hat Ihrer Ansicht nach — ich zitiere weiter —„Vorrang vor der Überlegung, Ausländern einen Zuzug in das Bundesgebiet zu ermöglichen".

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Ja natürlich! Selbstverständlich!)

    Diese Argumentation fällt vor dem Hintergrund der Zuwanderung von über 700 000 Aus- und Übersiedlern im letzten Jahr zunehmend auf fruchtbaren Boden. Sie trifft auf einen Boden und ein gesellschaftliches Klima, wo alle Ausländer Platz machen müssen für deutsche Volkszugehörige, die ihre Vorzugsbehandlung allein der Grundgesetzanmaßung zu verdanken haben.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das ist wieder böswillig und gehässig!)

    — Nein, überhaupt nicht. Ich bin keineswegs gegen die Aussiedler und Übersiedler.
    Ich möchte nun auf jene Teile des neuen Gesetzentwurfs eingehen, der die Flüchtlinge betrifft, also Menschen, die bei uns Schutz vor Verfolgung suchen. Um das Grundrecht auf Asyl überhaupt wahrnehmen zu können, müssen Flüchtlinge die Möglichkeit haben, die Grenzen dieses Landes zu erreichen. Der Gesetzentwurf hat hier sehr hohe Hürden errichtet. Ich will die wichtigsten benennen.
    Erstens, es besteht eine generelle Paß- und Visumspflicht. Gelingt es einem Flüchtling in seinem Heimatland, die zumeist gut bewachten deutschen Botschaften zu erreichen, so kann ihm dennoch das Einreisevisum verweigert werden,

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: So ist es auf der ganzen Welt!)

    und zwar ohne Angabe von Gründen, ohne Rechtshilfemittelbelehrung und ohne die Zulassung eines Widerspruchs.
    Zweitens. Ausländer und somit auch Flüchtlinge können nach § 60 schon aus bloßen Verdachtsgründen an der Grenze wieder zurückgewiesen werden.
    Drittens. In den §§ 73 und 74 sind die restriktiven Bestimmungen gegen Beförderungsunternehmen noch weiter verschärft worden. Fluggesellschaften, die Ausländer ohne gültige Einreisedokumente befördern, sollen bis zu 5 000 DM Zwangsgeld entrichten und werden dazu angehalten, grenzschutzpolizeiliche Aufgaben wahrzunehmen.
    Meine Damen und Herren, diese wenigen Beispiele mögen genügen und zeigen, daß die drakonischen Einreiseregelungen dem Grundsatz folgen: Wir müssen draußen bleiben. Von einer angeblichen Weltoffenheit und Liberalität, wie es in der Gesetzesbegründung heißt, kann keine Rede sein. Wenn es dort weiter heißt: Die Integrationskraft der Bundesrepublik sei nicht unerschöpflich, dann meinen Sie damit immer nur die Ausländer und selbstverständlich nicht die Deutschen.
    Der zweite, sehr gravierende Einschnitt im neuen Ausländerrecht betrifft die bei uns geduldeten, das heißt permanent von der Abschiebung bedrohten sogenannten De-facto-Flüchtlinge. Es sind jene rund 300 000 Flüchtlinge, die sich bei ihrer Schutzsuche nicht auf das Grundgesetz, sondern auf die Genfer Flüchtlingskonvention berufen, die Flüchtlingen einen Schutz vor Abschiebung gewährt.
    In allen anderen westeuropäischen Ländern wird die Genfer Flüchtlingskonvention angewendet; hier wird sie ausgehebelt. Zwar ist der Wortlaut dieser Konvention weiterhin im neuen Ausländerrecht übernommen worden, wonach Flüchtlinge aus dringenden humanitären Gründen nicht in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden dürfen, jedoch in der konkreten Ausgestaltung sollen die De-facto-Flüchtlinge künftig dem normalen Asylverfahren unterworfen werden.
    Ich komme mit meiner Redezeit wahrscheinlich nicht zurecht.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Sie kommen auch mit dem Thema nicht zurecht! — Gegenrufe von den GRÜNEN)

    Ich komme jetzt auf weitere, meines Erachtens fatale Konsequenzen, die in der Neuregelung enthalten sind. Nach § 67 wird über den Aufenthalt von Ausländern nur auf der Basis der im Bundesgebiet zugänglichen Erkenntnisse entschieden. Damit sind ausdrücklich die bundesdeutschen Auslandsvertretungen von dem Prinzip der Amtshilfe zu Ermittlungen befreit. Damit wird alles auf den Kopf gestellt. Eigentlich wäre es die Aufgabe des Staates, Flüchtlingen Schutz vor Verfolgung zu gewähren und alle diesbezüglichen Fakten zusammenzutragen. Statt dessen muß bei uns der Flüchtling die Beweislast hinsichtlich der Verfolgungsgründe tragen. Erst nach acht Jahren endlich kann ein De-facto-Flüchtling einen Daueraufenthalt in der Bundesrepublik erhalten.
    Die neue Aufenthaltsbefugnis knüpft übrigens an den eingestampften Ausländer-Referentenentwurf ihres ehemaligen Innenministers Zimmermann an, nur hieß die Befugnis damals noch „Gestattung". Die Neuregelung fällt in diesem Bereich sogar noch schärfer aus als bei Zimmermann. Überhaupt hat der neue Bundesinnenminister ganz kräftig in die Trickkiste gegriffen. Sah der Zimmermann-Entwurf eine Zweiteilung des Ausländerrechts in einen Integrations- und in einen Abschreckungsteil vor, so hebt der neue Entwurf diese Trennung einfach nur auf, ohne jedoch im Kern irgendeinen wichtigen Punkt zurückzunehmen. So ist es bei der Differenzierung in unterschiedliche Aufenthaltstitel geblieben.
    Der zweite Trick des Ministers: er hat als konservativer Technokrat den rechtspopulistischen Ballast des Zimmermann-Entwurfs einfach gestrichen. In der Sache ist der neue Gesetzentwurf gegenüber dem Zimmermann-Entwurf kaum entschärft worden. Die beiden Tricks haben jedoch ausgereicht, der Öffentlichkeit ein angeblich völlig neues Ausländergesetz zu präsentieren. Es reichte auch aus, die einst widerspenstigen Liberalen der FDP an die Leine zu legen.
    Für die GRÜNEN gibt es also von der Sache her — im Unterschied zu den anderen Fraktionen — keinen Grund, dieser Neuregelung des Ausländerrechts zuzustimmen. Für uns bleibt es dabei: das neue Ausländergesetz schafft nicht mehr, sondern weniger Rechtssicherheit. Es ist nicht liberaler, sondern soll den weiteren Zuzug von Ausländern begrenzen und schnellere Abschiebungen ermöglichen. Flüchtlinge



    Meneses Vogl
    genießen immer weniger den Schutz vor Abschiebung, sondern dieser Staat schützt sich überwiegend vor Ausländern und Flüchtlingen. Dies ist die Angst der Mächtigen vor Hilflosen oder die Arroganz der Mächtigen vor hilflosen, zufluchtsuchenden Menschen, die Angst oder die Arroganz der Mächtigen vor den Ohnmächtigen. In einigen Jahren — das werden Sie merken — werden Gesetze nicht mehr ausreichen. Wir werden Mauern und Grenzen mit Stacheldraht errichten müssen, denn die Armut und das Elend in der Welt wachsen, und die Menschen werden weiterhin flüchten. Dann werden wir als Demokraten wahrscheinlich zu Mördern werden müssen.
    Danke schön.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Ihre Rede war eine Zumutung!)