Rede von
Wolfgang
Lüder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Im Zusammenhang mit der Präsenz in Prozenten sollten wir immer vorsichtig miteinander umgehen.
Meine Damen und Herren, wenn sich die Koalitionsfraktionen mit der Bundesregierung auf eine Novellierung des Ausländergesetzes verständigen werden und wenn wir alle hier über eine Neufassung des Ausländerrechts diskutieren, dann müssen wir meines Erachtens vorweg zweierlei grundsätzlich feststellen — ich bin für die Klarstellung dankbar, die auch Herr Bull hier gegeben hat — : Wir haben ein geltendes Ausländerrecht, und dieses geltende Ausländerrecht ist für uns Liberale nicht befriedigend. Wir werden einer Neufassung des Ausländerrechts nur dann zustimmen — dieses wollen wir — , wenn Verbesserungen für die Menschen mit dem ausländischen Paß erreicht werden. Aber die Ausländerdebatte fängt doch nicht bei Adam und Eva an, oder — um es ein bißchen polemisch zu sagen — : Wir wollen — um im Bilde zu bleiben — nicht vergessen, daß auch Adam und Eva in unserem Lande Ausländer wären, gegen die Ausländerbehörden das ausländerrechtliche Instrumentarium anzuwenden versuchen würden.
Ich bin über die Intervention von Herrn Schröer überrascht, der praktisch die Anhörung schon vorweggenommen hat. Wir gehen offen in die Anhörung. Ich unterstreiche das, was Herr Kollege Hirsch hier gesagt hat: Wir haben Eckdaten, über die wir uns verständigt haben. Auf Grund dieser Eckdaten werden wir offen weiter beraten. Vieles aus dem Entwurf ist nicht in den Eckdaten festgeschrieben. Deshalb verstehe ich nicht, wieso Sie, Herr Kollege Penner, vorhin signalisierten, daß es weitere Gespräche nicht geben werde.
Wenn wir uns gemeinsam um ein Ausländergesetz bemühen, das ausländerrechtliche Debatten in Zukunft versachlichen könnte, dann wäre doch wirklich ein Vorteil auch für die Menschen mit einem ausländischen Paß erreicht.
Wir wollen, daß durch die Anhörung auch das berücksichtigt wird, was vielleicht an der einen oder anderen Stelle — an manchen Stellen mit Sicherheit — nicht akzeptabel hereingeschrieben ist. Aber Kritik an den Eckdaten, über die sich die Koalition verständigt hat, habe ich bisher auch von den Kirchen nicht gehört. Die Eckdaten sind ausländerfreundlich, und die Eckdaten sind ausländerrechtlich ein Fortschritt gegenüber dem, was wir haben.
Wir wollen uns folgender Gesichtspunkte bewußt bleiben, von denen wir uns bei den Beratungen leiten lassen:
Erstens. Bundesjustizminister Engelhard hat gestern aus guten Gründen erklärt, daß unser Grundgesetz eine gute Grundlage für eine Verfassung des einheitlichen Deutschlands werden könnte. Der liberale Minister hat dabei selbstverständlich das Asylrecht nicht ausgenommen. Die Unantastbarkeit des Grundrechts auf Asyl für jeden politisch Verfolgten gilt uneingeschränkt. Wir Liberalen werden das weder durch Bundesrecht einschränken noch durch europäische Maßnahmen unzulässig begrenzen lassen. Wir sind uns unserer Verantwortung vor der Geschichte bewußt. Liberale wurden in jeder Diktatur zu Opfern, die nach Asyl suchen mußten.
Zweitens. Wir sehen die Gefahr, daß, wer vom Ausländer spricht, schon im Wort den Aussätzigen mitschwingen läßt. Man muß als Anwalt nur einmal eine Ausländerbehörde besucht haben, um zu sehen, wie diskriminierend schon der Ausländerbegriff für viele unserer Verwaltungen ist. Es sollte uns nachdenklich stimmen, daß Diktaturen unerwünschte Personen willkürlich zu Ausländern machen. Nur so ist erklärbar, daß wir nach bisheriger offizieller DDR-Terminologie für unsere Landsleute drüben zu Ausländern erklärt wurden. Es muß uns auch nachdenklich stimmen, daß in keinem europäischen Land der negative Mißklang bei der Erwähnung des Ausländers so geartet ist wie bei uns.
Drittens. Wir haben gerade beim Zusatzabkommen zum Schengener Abkommen gesehen, daß unsere Vertragspartner im Gegensatz zu uns europäische Mitbürger nicht als Ausländer, als foreigner, bezeichnen; wir greifen zur Hilfskonstruktion des Drittausländers mit allem Gusto, der in dieser Deklassierung liegt. Ich glaube, wir müssen miteinander nach Wegen suchen, um auch zu einer ausländerrechtlichen Sprache zu finden, die als Ausländer wirklich denjenigen bezeichnet, der hier gemeint ist, und die Ausländer, Drittausländer, EG-Ausländer und andere nicht differenzierend behandelt.
Viertens. In der gestrigen rechtspolitischen Debatte bestand Einigkeit zwischen allen Fraktionen, daß das Recht von der Akzeptanz durch den Bürger lebt. Wir werden nur dann ein akzeptierbares Ausländerrecht erreichen, wenn wir im Ausländer auch den Mitbürger sehen, der Anspruch auf Solidarität und Hilfe in Notfällen hat.
Lassen Sie mich in aller Offenheit sagen, Herr Minister: Die Frage der doppelten Staatsangehörigkeit, die auch in meiner Partei durchaus diskussionsfähig ist und diskutiert wird, werden wir, wenn wir uns mit dem deutschen Parlament in Berlin wiedertreffen, sicherlich noch viel offener und viel weltläufiger behandeln als jetzt. Zwei Pässe in einer Brieftasche wird man akzeptieren müssen. Die Frage des Bruchs mit der Identität des Ausländers, der hier jahrelang gelebt hat und der trotzdem Deutscher werden will, werden wir — davon bin ich überzeugt; ich sage das als meine persönliche Meinung — später sicherlich anpacken müssen, und wir werden sie anpacken.
Meine Damen und Herren, wir wollen mit diesem Ausländerrecht Verbesserungen erreichen. Wir gehen offen in die Anhörung hinein. Wir haben die Karten auf den Tisch gelegt; wir haben dargelegt, von welchen Eckdaten, von welchen Ausgangspunkten wir ausgehen. Wir sind überzeugt davon, daß wir in dieser Legislaturperiode für unsere Mitbürger mit dem falschen Paß, mit dem Fremdenpaß, mit dem Ausländerpaß hier Regelungen finden, die von den Deutschen dann auch akzeptiert werden.