Rede von
Eduard
Lintner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unstreitig ist offensichtlich, daß die brisante Situation in der DDR von uns allen verlangt, alle nur denkbaren Anstrengungen zu unternehmen, denn die Deutschen in der DDR — das ist hier vielfach bekräftigt worden — brauchen eine verläßliche und akzeptable wirtschaftliche und soziale Perspektive. Dazu, meine Damen und Herren von der SPD, gehören natürlich nicht nur großzügige Schritte der Bundesregierung. Vielmehr muß vor allem die DDR-Regierung veranlaßt werden, die für eine positive wirtschaftliche Entwicklung in der DDR selbst unbedingt nötigen Reformschritte endlich einzuleiten.
Da helfen Vorschläge nicht weiter, die uns empfehlen, Eintagsfliegen in der DDR zu etablieren, wie etwa im Konsumbereich nun schnell irgend etwas an Ausstattung herbeizuschaffen. Auch, Frau Matthäus-Maier, den Dauervorschlag der SPD, den Verteidigungshaushalt zur Finanzierung herzunehmen,
finde ich allmählich wirklich langweilig, denn wenn man einmal zusammenzählt, wo Sie diesen Vorschlag schon überall gemacht haben, kann man nur sagen: Sie haben den Verteidigungshaushalt schon fünfmal verfrühstückt. Hier eben zum fünften Mal.
Auch die pauschalen Behauptungen, die der Herr Reimann hier so vorgetragen hat, daß die Bundesregierung nichts tue, haben doch mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Sie helfen im übrigen auch nicht weiter. Eine bedenkliche Folge Ihres Verhaltens hier in der Bundesrepublik ist, finde ich, eben die Tatsache, daß Sie mit Ihrer Kampagne aktiv zur Verunsicherung der Menschen in der DDR erst recht noch beitragen.
— Herr Roth, der Runde Tisch ist nicht die DDR-Bevölkerung. Ihre Vorschläge laufen alle darauf hinaus, sozusagen die Panik drüben mit dem Vorwurf noch anheizen, die Bundesregierung würde nichts tun.
Alle Experten und vernünftigen Ratgeber sind sich darin einig, daß die nötigen mutmachenden Impulse nicht allein von der Bundesrepublik ausgehen können. Die konkreten Verhältnisse in der DDR spielen dabei die ganz entscheidende Rolle.
Was aber, muß ich hier feststellen, hört man von der SPD? Verwirrende Forderungen. Ich möchte nur ein Zitat zum besten geben. Der Herr Rau hat nach einer Zeitungsmeldung folgendes von sich gegeben: Rau hat sich für eine schnelle Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion zwischen beiden deutschen Staaten ausgesprochen, zugleich jedoch vor überstürzten Handlungen gewarnt. —
Das ist die Qualität der Vorschläge, die Sie in der Öffentlichkeit machen.
Meine Damen und Herren, andere in der SPD meinen darüber hinaus, die Bundesregierung hätte Geldmittel in Milliardenhöhe längst drüben abliefern sollen. Das sind Ratschläge, die eben doch mehr ein Zeichen Ihrer eigenen Ratlosigkeit sind, als daß sie in der konkreten deutschlandpolitischen Situation hilfreich sind.
Die Bundesregierung tut gut daran, sich der besonnenen Ratschläge der wirklichen Fachleute zu bedienen, etwa der Herren von unserer Bundesbank oder auch anderer Sachverständiger. Sie legen nämlich unmißverständlich dar, daß den Hilfen der Bundesregierung und vor allem der Währungsunion nur dann Erfolg beschieden sein kann, wenn in der DDR die dazu notwendigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Diese zumutbaren Hausaufgaben — ich betone: zumutbaren — aber hat die DDR-Regierung bis heute noch nicht erledigt.
Hier muß eine konstruktive Rolle der SPD als Opposition ansetzen. Unstreitig hat die SPD ja nicht nur beste Beziehungen zur Ost-SPD, sondern Sie haben ja auch noch zu den in der DDR heute real Herrschenden alte Beziehungen.
Denen könnten Sie auf diesem direkten Wege klarmachen, daß es eben kein erfolgversprechendes Rezept ist, Regierung und Opposition in der Bundesrepublik gegeneinander ausspielen zu wollen,
um zu versuchen, nun das Bestmögliche herauszuschinden.
Meine Damen und Herren, außerdem darf von den tatsächlichen Verantwortlichkeiten in der DDR doch nicht abgelenkt werden. Die von der DDR-Bevölkerung so hautnah empfundene Perspektivlosigkeit ist ja vor allem Sache der SED und der von ihr dominierten Regierungen. Der Bankrott geht zu ihren Lasten. Wer die Bundesregierung jetzt dafür verantwortlich machen will, verfälscht aus parteitaktischen Gründen — das muß ich Ihnen vorwerfen — den wahren Sachverhalt.
Die Bundesregierung hat mit ihren heutigen Beschlüssen weitere konstruktive Schritte getan. Sie müssen jetzt real durch die nötigen Reformschritte in der DDR ergänzt werden. Dem sollten die gemeinsamen Anstrengungen gelten. Dazu laden wir Sie ein. Alles andere wäre destruktiv.