Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, entscheidend wäre, daß sich alle wichtigen Parteien im Deutschen Bundestag darauf verständigen, daß wir uns alle getäuscht haben, daß wir ständig dazulernen
und daß auch das, was heute hier gesagt wird, noch nicht der letzte Vorschlag sein kann,
sondern daß wir uns in einer großen demokratischen Anstrengung mit richtigen währungs- und wirtschaftspolitischen Ergebnissen und Antworten offenhalten müssen, wenn die DDR, die nach wie vor ein souveränes Land ist, ihre Entscheidung getroffen hat, meine Damen und Herren.
Deshalb ist es richtig, daß wir heute den Bürgern in der DDR sagen: Die DDR hat von allen Ländern in Osteuropa die besten Voraussetzungen und die bestqualifizierten Menschen. Wir haben die besten Voraussetzungen und die größten Mittel, um ein deutschdeutsches Wirtschaftswunder schnell in Gang zu setzen, meine Damen und Herren. Deshalb sollten die Menschen in der DDR bleiben.
Meine Damen und Herren, wir wollen nicht lange über die Ausgangslage streiten. Aber wahr ist auch, daß sich die Sozialdemokraten heute mit der guten, stabilen D-Mark schmücken und daß wir hier viele Diskussionen über eine andere Geldmengensteuerung und über mehr Kreditprogramme erlebt haben. Wenn wir dem gefolgt wären, hätte die D-Mark heute in der DDR nicht diesen guten Klang. Auch das gehört zur historischen Wahrheit.
Wahr ist, Frau Kollegin, daß Sie unsere Wachstumsraten jetzt gerne in der DDR mit verteilen würden. Wahr ist aber auch, daß Sie immer gegen die Steuerreform waren, daß Sie von Anfang an die Senkung der Lohnzusatzkosten bekämpft haben und daß Sie immer gegen die Änderung des Ladenschlusses waren. Das heißt, all die Maßnahmen, meine Damen und Herren, die uns wirtschaftlich stark gemacht haben, wurden von Ihnen zunächst bekämpft. Deshalb sage ich: Wir, die Koalition der christlichen Union und der Freien Demokraten, haben diese Erfolge mit unserer Politik erreicht, und daher bestimmen wir jetzt, wie wir der DDR am besten helfen.
Entscheidend ist neben den notwendigen Sofortmaßnahmen, die ja eingeleitet sind, bei denen wir aber das Problem haben, daß sie kurzfristig nicht greifen können, weil der Mittelstand nicht mehr vorhanden ist, weil das Kammerwesen nicht mehr da ist, weil vieles in den SED-Bezirks- und Kommunalregierungen versickert — das ist ja nicht ein Geldmangel, sondern ein Strukturmangel in der DDR —, die Perspektive „Marktwirtschaft und D-Mark" , und insofern kommt der Währung eine enorme, eine entscheidende psychologische Bedeutung für die Zukunftspläne der Menschen zu. Deshalb hat die Bundesregierung heute entschieden, daß wir unverzüglich in konkrete Verhandlungen über eine künftige Währungsunion mit durchgreifenden Wirtschaftsreformmaßnahmen eintreten.
Meine Damen und Herren, eine Währungsunion alleine, ohne radikale Wirtschaftsreformen, wäre sinnlos, ja sie würde indirekt auch die gute deutsche D-Mark gefährden. Das heißt, Währungsunion ohne Gewerbefreiheit, ohne Privateigentum, ohne Steuerreform macht keinen Sinn.
Insofern müssen diese beiden Elemente eng miteinander verbunden bleiben, und ich nehme zur Kenntnis, daß die Sozialdemokraten nach ihrer bisherigen ausschließlichen Betonung der Währungsfrage inzwischen auch Fragen der Wirtschaftsreform ernster nehmen.
Ich halte das für einen großen Fortschritt.
Nun gebe ich zu, daß der bisherige Weg, mit SED-Vertretern zu besseren Ergebnissen zu kommen, im Grunde gescheitert ist. Wir haben leider viel Zeit verloren.
Die Abmachungen wurden nicht eingehalten. Insofern macht es nur Sinn, sich jetzt rechtzeitig auf die Situation nach dem 18. März vorzubereiten, und die Bundesregierung wird das in enger Kooperation mit der Deutschen Bundesbank tun.
Es gibt, wie die heutige Kabinettsitzung gezeigt hat, keinerlei Meinungsverschiedenheiten, und deshalb wiederhole ich, an die Bürger in der DDR gewandt: Ein gemeinsames deutsch-deutsches Wirtschaftswunder ist möglich. Die DDR hat die besten Voraussetzungen. Sie hat fleißige, motivierbare Menschen. Die Bundesregierung hat das Wissen; die deutsche Privatwirtschaft hat das Kapital, um viele neue zukunftsorientierte Arbeitsplätze aufzubauen. Eines muß klar sein: Platz für Steuererhöhungen und Platz für Arbeitszeitverkürzungen gibt es in dieser Situation nicht mehr.