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    Plenarprotokoll 11/192 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 192. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. Januar 1990 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Haar 14779 A Nachträgliche Überweisung eines Gesetzentwurfs — Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz — an den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 14779 A Tagesordnungspunkt 11: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahreswirtschaftsbericht 1990 der Bundesregierung (Drucksache 11/6278) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Sondergutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit dem Titel: „Zur Unterstützung der Wirtschaftsreform in der DDR; Voraussetzungen und Möglichkeiten" (Drucksache 11/6301) Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 14779C Roth SPD 14783 C Hinsken CDU/CSU 14784 B Hoss GRÜNE 14784 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 14784 D Wissmann CDU/CSU 14788 B Frau Unruh fraktionslos 14789 A Müller (Pleisweiler) SPD 14790 A Stratmann GRÜNE 14791 B Kittelmann CDU/CSU 14792 D Frau Unruh fraktionslos 14793 C Dr. Sperling SPD 14795 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 14796 A Menzel SPD 14796 B Dr. Sperling SPD 14797 A Schreiner SPD 14797 B Reuschenbach SPD 14798 A Stratmann GRÜNE 14798 A Frau Dr. Skarpelis-Sperk SPD 14802 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 14804 D Stratmann GRÜNE 14805 A Schreiner SPD 14806C, 14807 C Müller (Wadern) CDU/CSU 14807 A Schäfer (Offenburg) SPD 14809 C Frau Vennegerts GRÜNE 14810 C Hauser (Krefeld) CDU/CSU 14812 A Frau Saibold GRÜNE 14814 D Hinsken CDU/CSU 14816A Dr. Briefs GRÜNE 14817 A Dr. Jens SPD 14819 B Kittelmann CDU/CSU 14821 D Schreiner SPD 14823 A Müller (Wadern) CDU/CSU 14823 D Dr. Briefs GRÜNE 14824 D Rossmanith CDU/CSU 14825 C Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU . . . 14826 D Vizepräsidentin Renger 14828 C Nächste Sitzung 14828 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14829* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 14829* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Januar 1990 14379 192. Sitzung Bonn, den 26. Januar 1990 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 26. 01. 90 * Andres SPD 26. 01. 90 Frau Becker-Inglau SPD 26. 01. 90 Frau Conrad SPD 26. 01. 90 Dr. Ehrenberg SPD 26. 01. 90 Frau Eid GRÜNE 26. 01. 90 Eylmann CDU/CSU 26. 01. 90 Gallus FDP 26. 01. 90 Gattermann FDP 26. 01. 90 Dr. Geißler CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. von Geldern CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Götz CDU/CSU 26. 01. 90 Grünbeck FDP 26. 01. 90 Frau Dr. Hartenstein SPD 26. 01. 90 Hasenfratz SPD 26. 01. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Hämmerle SPD 26. 01. 90 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 26. 01. 90 Heimann SPD 26. 01. 90 Heistermann SPD 26. 01. 90 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Hensel GRÜNE 26. 01. 90 Hiller (Lübeck) SPD 26. 01. 90 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Hoyer FDP 26. 01. 90 Jung (Limburg) CDU/CSU 26. 01. 90 Jungmann (Wittmoldt) SPD 26. 01. 90 Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Kastner SPD 26. 01. 90 Klein (München) CDU/CSU 26. 01. 90 Kolbow SPD 26. 01. 90 Kretkowski SPD 26. 01. 90 Lattmann CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 26. 01. 90 Louven CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Mahlo CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Mechtersheimer GRÜNE 26. 01. 90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 26. 01. 90 Dr. Müller CDU/CSU 26. 01. 90 * Nagel SPD 26. 01. 90 Petersen CDU/CSU 26. 01. 90 ** Dr. Pfennig CDU/CSU 26. 01. 90 Schanz SPD 26. 01. 90 Dr. Scheer SPD 26. 01. 90 Scherrer SPD 26. 01. 90 Frau Schilling GRÜNE 26. 01. 90 Schluckebier SPD 26. 01. 90 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 26. 01. 90 Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Schmude SPD 26. 01. 90 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Schoppe GRÜNE 26. 01. 90 Frhr. von Schorlemer CDU/CSU 26. 01. 90 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Schreiber CDU/CSU 26. 01. 90 Schröer (Mülheim) SPD 26. 01. 90 Seiters CDU/CSU 26. 01. 90 Sieler (Amberg) SPD 26. 01. 90 Dr. Sprung CDU/CSU 26. 01. 90 Straßmeir CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Struck SPD 26. 01. 90 Toetemeyer SPD 26. 01. 90 Frau Trenz GRÜNE 26. 01. 90 Frau Walz FDP 26. 01. 90 Weisskirchen (Wiesloch) SPD 26. 01. 90 Weiß (Kaiserslautern) CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Will-Feld CDU/CSU 26. 01. 90 Wischnewski SPD 26. 01. 90 Würtz SPD 26. 01. 90 Zeitler SPD 26. 01. 90 Dr. Zimmermann CDU/CSU 26. 01. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Innenausschuß Drucksache 11/4991 Drucksache 11/5507 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/4227 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 11/4451 Nr. 2.1 Finanzausschuß Drucksache 11/5277 Nr. 2.1 Haushaltsausschuß Drucksache 11/5642 Nr. 3.2 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/5642 Nr. 3.20 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/3117 Nr. 2.11 Drucksache 11/4405 Nr. 3.6, 3.7 Drucksache 11/4758 Nr. 2.30 Drucksache 11/5051 Nr. 39 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/2724 Nr. 35
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    Rede von Prof. Dr. Uwe Jens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich an dieser schlagwortartigen Diskussion, wie sie hier von den Koalitionsfraktionen geführt worden ist, nicht beteiligen. Ich glaube, das trägt nicht zur Weiterbildung der Öffentlichkeit bei, sondern es vernebelt die Geister.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Das ist hier keine Weiterbildungsveranstaltung, sondern eine politische Diskussion!)

    Sie sollten sich wirklich überlegen, ob Sie den Leuten immer wieder Ihre penetranten Schlagworte um die Ohren hauen. Es bringt wirklich nichts ein.

    (Beifall bei der SPD — Hinsken [CDU/CSU]: Dann hören wir mal, was Sie uns sagen wollen!)

    Man kann in der kurzen Redezeit, die hier zur Verfügung steht, nicht alles kritisieren, was an diesem Jahreswirtschaftsbericht und an der Politik dieser
    Bundesregierung im wirtschaftlichen Bereich zu kritisieren wäre.

    (Zywietz [FDP]: Da ist so wenig zu kritisieren!)

    Aber ich will einige wichtige Punkte kurz vortragen und noch einmal deutlich machen, daß es wirklich nicht angeht, in einer derartigen Weise, wie die Regierung das tut, eine Sache hochzujubeln und überhaupt nicht auf die wirklich gravierenden Probleme in unserer Gesellschaft hinzuweisen.
    Ich möchte zunächst einen formalen Punkt aufgreifen: Die Abgeordneten haben am Montag dieser Woche den Jahreswirtschaftsbericht bekommen — wenn sie privilegiert waren. Der Jahreswirtschaftsbericht ist am Montag im Kabinett behandelt worden. Am Freitag davor hat Herr Schlecht, der zuständige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, ein internes Pressegespräch über den Jahreswirtschaftsbericht geführt und dafür gesorgt, daß die ersten Meldungen schon am Samstag aus der Presse zu entnehmen waren. Ich kann dazu nur sagen: Diese Umgehensweise mit dem Deutschen Bundestag geht nicht.

    (Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Der Bundeswirtschaftsminister kann nach der Besprechung im Kabinett eine Pressekonferenz machen, das ist sein gutes Recht, aber, bitte sehr, erst nachdem auch wir Abgeordneten die Möglichkeit gehabt haben, in diesen Jahreswirtschaftsbericht hineinzublikken. So geht das nicht. Das ist eine Unsitte, die im Wirtschaftsministerium eingerissen ist, und die muß geändert werden.

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Werden wir denen wieder austreiben!)

    Wir Sozialdemokraten freuen uns über die konjunkturelle Entwicklung. Die Zahlen sind beständig seit sieben Jahren etwas nach oben gegangen. Aber ich sage Ihnen: Die Entwicklung in allen westlichen Industrienationen war ausgesprochen gut. Nicht nur bei uns, sondern überall in den OECD-Ländern hat es kräftigen Aufschwung gegeben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Bei uns war es noch besser!)

    Die Wurzeln für diesen Aufschwung wurden schon 1982 gelegt,

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Als ihr die Regierung hattet?)

    als die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen überdurchschnittlich gestiegen sind. Aber vor allem greift diese Bundesregierung auf ein ungewolltes Konjunkturprogramm durch die Ölpreissenkung von 30 Milliarden DM alljährlich zurück, was sie wirklich nicht verdient hat, aber was ihr kostenlos gewissermaßen in den Schoß gefallen ist.

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Deshalb brauchten wir nichts Zusätzliches zu machen, wie ihr wolltet! Jeder bekommt, was er verdient!)




    Dr. Jens
    Wir haben seinerzeit in der sozialliberalen Koalition den Schutt der Ölpreisexplosion weggeräumt, und Sie profitieren jetzt von der enormen Preissenkung.

    (Frau Würfel [FDP]: Nun gönnen Sie uns das doch mal!)

    — Ich gönne Ihnen manches. Aber Sie sollten das dann auch ehrlich ansprechen.

    (Frau Würfel [FDP] : Tun wir doch!)

    Auch darüber wird im Jahreswirtschaftsbericht kein Wort gesagt. Das ist nicht in Ordnung.
    Es kommt hinzu, daß der Binnenmarkt 1992 aus unserer Sicht eine Idee ist, die der Wirtschaft durchaus Dynamik verliehen hat.

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Das ist auch von uns!)

    Genauso ist es mit der Entwicklung in der DDR. Ich glaube nicht, daß auf die deutsche Bevölkerung große Belastungen zukommen, sondern ich glaube, daß auf diese Art und Weise eine neue Schubkraft für die wirtschaftliche Entwicklung ausgelöst worden ist.
    Tatsache ist auf alle Fälle: Wenn Sie sich, bitte sehr, einmal die internationalen Daten ansehen, die Sie dem Sachverständigengutachten entnehmen können, dann hatten wir bei einem Vergleich zwischen der Bundesrepublik und den zehn wichtigsten Industrienationen bezüglich der Preisentwicklung, Beschäftigung, Leistungsbilanz und Einkommensentwicklung noch bis zu den 80er Jahre eine Spitzenstellung. Mittlerweile sind wir in das Mittelfeld zurückgefallen. Die Bundesregierung hat die guten Chancen, die die Konjunktur bietet, offenbar nicht richtig genutzt.
    Ein Blick auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den zehn wichtigsten Industrienationen zeigt: Großbritannien und die Vereinigten Staaten, aber auch Frankreich sind mit dem Problem der Arbeitslosigkeit besser fertiggeworden als die Bundesregierung. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts war in Frankreich, Belgien, in den Niederlanden und den USA deutlich höher als in der Bundesrepublik. Vergleichen wir die Realeinkommen der unselbständig Beschäftigten, dann stellen wir fest, daß diese in Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten stärker stiegen als bei uns.

    (Hinsken [CDU/CSU] : Von welcher Ausgangsbasis aus, Herr Kollege Dr. Jens?)

    Ich stelle noch einmal fest: Die konservative Regierung hat die wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre verschlafen. Sie hat sie nicht richtig genutzt. Einige wenige haben davon profitiert; die breiten Schichten haben nichts abbekommen.
    Selbst nach sieben Jahren Konjunkturaufschwung, meine Damen und Herren, haben wir zur Zeit immer noch erhebliche wirtschaftspolitische Probleme. Auch das läßt sich doch nicht leugnen. Ich erinnere an die Massenarbeitslosigkeit. Immer noch 2 Millionen Menschen sind in dieser Republik arbeitslos. Da bringt es überhaupt nichts ein, wenn man über die Statistik schimpft oder wenn man möglicherweise das Monopol der Arbeitsvermittlung kaputtmachen will. Das löst das Problem überhaupt nicht. Sorgen Sie dafür, daß Arbeitsplätze geschaffen werden! Das wäre das Gebot unserer Zeit.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich erinnere auch an die Einkommensverteilung — Wolfgang Roth hat schon davon gesprochen — : Der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen ist gegenüber dem von vor sieben, acht Jahren um 7 % gesunken. Wenn die Relation konstant geblieben wäre, hieße das, daß die breiten Schichten etwa 100 Milliarden DM mehr zur Verfügung haben müßten, als sie zur Zeit zur Verfügung haben.


Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
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    Rede von Prof. Dr. Uwe Jens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein, Frau Präsidentin, es tut mir furchtbar leid, aber die Zeit ist knapp, und das ergibt keinen Sinn.
    Schließlich das Problem der Leistungsbilanz. Auch hier haben wir einen Überschuß von 115 Milliarden DM erwirtschaftet — die USA haben ein etwa vergleichbares Defizit —, aber wir schippen unser Geld ins Ausland. Das ist die Gegenposition. Wir hätten es hier in sinnvollen Infrastrukturmaßnahmen anlegen können.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Ich tue das zum Beispiel! Ich stecke es in meinen Betrieb!)

    Schlimmer ist es allerdings noch mit den Vereinigten Staaten — das gebe ich gerne zu —; denn sie finanzieren ihr Defizit durch Geld aus der Bundesrepublik und aus den Entwicklungsländern. Das ist nun völlig verfehlt. Aber beide Länder — die Bundesrepublik und die Vereinigten Staaten — entpuppen sich als weltwirtschaftliche Störenfriede.
    Ich glaube, Wirtschaftsminister Haussmann hat manche Fehler gemacht. Er hat vielleicht auch bestimmte Leistungen vollbracht; das will ich überhaupt nicht bezweifeln.

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Dann kommen Sie einmal zu den Leistungen!)

    Aber er hat manche Fehler gemacht. Ich werfe ihm erstens vor: Es mangelt ihm an Durchsetzungsvermögen. Ich werfe ihm zweitens vor: Er kümmert sich manchmal um Dinge, für die er überhaupt nicht zuständig ist.

    (Hinsken [CDU/CSU]: So?)

    Ich werfe ihm drittens vor, falsche Hoffnungen zu wecken. Viertens, glaube ich, fördert er die Konzentration und nicht etwa den Wettbewerb in dieser Gesellschaft.

    (Dr. Briefs [GRÜNE]: Ganz eindeutig!)

    Ich komme zum ersten Punkt. Der schlimmste Fehler dieser Bundesregierung im Bereich der Ordnungspolitik war die Genehmigung für die Mammutfusion Daimler-Benz/MBB.

    (Dr. Briefs [GRÜNE]: Sehr richtig! Das ist praktizierter Stamokap! — Rossmanith [CDU/CSU]: Jetzt hören Sie doch mit der Geschichte auf!)




    Dr. Jens
    Hier sollten Sie zugeben, daß Sie eine Fehlentscheidung getroffen haben. Ich glaube, Herr Haussmann, Sie haben das Recht verloren, sich in Zukunft als Hüter einer marktwirtschaftlichen Ordnung aufzuspielen.

    (Beifall bei der SPD)

    Erlauben Sie mir aus meiner Sicht die Anmerkung: Daß Sie jetzt kleinkariert die Fusion MAN/Sulzer verbieten, ein Volumen um ein Tausendfaches niedriger, zeichnet Sie auch nicht besonders aus, sondern zeigt nur, daß es Ihnen an bestimmter ordnungspolitischer Gelassenheit fehlt.
    Schließlich: Sie haben wiederholt auch hier Eingriffe in die Tarifautonomie vorgenommen. Wir wissen mittlerweile alle, daß die Tarifverhandlungen weitgehend öffentlich geführt werden. Sie schlagen sich immer einseitig auf die Seite der Arbeitgeber. Ich finde, dies geht nicht. Für mich und für uns Sozialdemokraten ist die Tarifautonomie ein Eckpfeiler unserer Wirtschaftsordnung, und wir lassen uns diesen nicht kaputtmachen, auch nicht von einem Wirtschaftsminister Haussmann.

    (Beifall bei der SPD — Hinsken [CDU/CSU]: Wer will das denn kaputtmachen?)

    Ein weiterer Punkt, an dem es Ihnen an Durchsetzungsfähigkeit mangel. Sie haben ein Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes eingebracht. Wir haben das begrüßt, wir würden Sie sogar unterstützen. Damals waren Sie unter Druck der Vereinigten Staaten. Sie haben angekündigt, am 1. Januar 1990 würde dieses im Gesetzblatt stehen. Es steht immer noch nicht drin, weil Sie offenbar nicht in der Lage sind, Ihre Ansicht in den Koalitionsfraktionen durchzusetzen. Auch hier muß ich Ihnen sagen: Sie haben Versprechungen gemacht, aber Ihre Ankündigungen stimmen nicht. Es wäre sinnvoll und richtig, wenn Sie für Ihre Position wirklich kämpfen würden. Das würde ich respektieren. Aber ich habe bisher noch keinen Beamten Ihres Hauses gesehen, der sich für diese Änderung des AWG in dem von Ihnen vorgelegten Sinne eingesetzt hat.
    Letztlich zu dem, wo Sie falsche Hoffnungen wekken, Herr Minister. Sie haben in der Sache DDR manche Schlagzeile produziert. Ich sage Ihnen: Ich halte es auch für richtig, daß wir uns primär um die kleinen und mittleren Unternehmen kümmern. Auch wir würden das wohl tun. Wir glauben nur, wir müßten uns auch hier, in der Bundesrepublik Deutschland, verstärkt um kleine und mittlere Unternehmen kümmern und nicht nur in der DDR, und da mangelt es manchmal bei Ihnen. Aber tun Sie doch nicht so, als wenn Sie denen morgen helfen könnten. Wo ist denn z. B. das Konkursrecht, das notwendig wäre, wo ist das Handelsgesetzbuch, das notwendig wäre, um diese Ordnung zu installieren, wo sind die entsprechenden Banken, wo sie etwa ihre Kredite geltend machen können? Nein, Herr Minister, es wird viel geredet, aber es wird nicht gehandelt.

    (Beifall bei der SPD — Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Sie können dem Bundeswirtschaftsminister doch nicht vorwerfen, daß es kein Konkursrecht in der DDR gibt!)

    Ich glaube, meine Damen und Herren — das habe ich in Gesprächen wiederholt gehört — : Die kleinen und mittleren Unternehmen in der DDR wählen in der Tat die Sozialdemokraten.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Das begrüßen wir außerordentlich. Die kleinen und mittleren Unternehmen hier sollten auch verstärkt Sozialdemokratie wählen, dann würden sie die wahren Interessenvertreter für ihre Belange wirklich unterstützen.

    (Beifall bei der SPD — Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Wann hat denn der Niedergang des Mittelstandes begonnen? Das war zu Ihrer Regierungszeit!)

    Ich habe auch überhaupt keine Hemmungen, von Sozialer Marktwirtschaft zu sprechen. Zunächst einmal ist es ein Begriff. Es geht darum, ihn mit Leben zu erfüllen.
    Ich will zum Schluß nur noch sagen: Für uns ist das Soziale an der Marktwirtschaft ganz furchtbar wichtig. Ich füge hinzu, Haus Hauser: Leider hat diese Regierung, die Sie auch mit repräsentieren oder unterstützen, dieses Soziale in der letzten Zeit kräftig demontiert.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Für uns ist auch der Wettbewerb, das Dezentrale in dieser marktwirtschaftlichen Ordnung, ganz besonders wichtig. Wir haben entsprechende Gesetze vorgelegt, um den Wettbewerb abzusichern. Sie haben das mit links zur Seite gefegt. Vor allem haben Sie mit Ihrer Politik die Konzentration gefördert. Sehen Sie sich einmal die entsprechenden Daten im Kartellbericht an! Noch nie gab es so viel Unternehmenszusammenschlüsse wie im vergangenen Jahr. Dies ist ständig gestiegen, eine ganz schlimme Entwicklung. Meine Damen und Herren, wenn das so weitergeht, dann vermute ich: Der Karl Marx wird mit vielen seiner ökologischen Thesen in der DDR widerlegt, gar keine Frage, aber hier könnte die Konzentrationstheorie von Karl Marx durchaus Wirklichkeit werden. Dagegen gilt es anzugehen. Wir Sozialdemokraten sind dazu bereit.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei der SPD)