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    Plenarprotokoll 11/192 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 192. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. Januar 1990 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Haar 14779 A Nachträgliche Überweisung eines Gesetzentwurfs — Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz — an den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 14779 A Tagesordnungspunkt 11: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahreswirtschaftsbericht 1990 der Bundesregierung (Drucksache 11/6278) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Sondergutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit dem Titel: „Zur Unterstützung der Wirtschaftsreform in der DDR; Voraussetzungen und Möglichkeiten" (Drucksache 11/6301) Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 14779C Roth SPD 14783 C Hinsken CDU/CSU 14784 B Hoss GRÜNE 14784 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 14784 D Wissmann CDU/CSU 14788 B Frau Unruh fraktionslos 14789 A Müller (Pleisweiler) SPD 14790 A Stratmann GRÜNE 14791 B Kittelmann CDU/CSU 14792 D Frau Unruh fraktionslos 14793 C Dr. Sperling SPD 14795 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 14796 A Menzel SPD 14796 B Dr. Sperling SPD 14797 A Schreiner SPD 14797 B Reuschenbach SPD 14798 A Stratmann GRÜNE 14798 A Frau Dr. Skarpelis-Sperk SPD 14802 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 14804 D Stratmann GRÜNE 14805 A Schreiner SPD 14806C, 14807 C Müller (Wadern) CDU/CSU 14807 A Schäfer (Offenburg) SPD 14809 C Frau Vennegerts GRÜNE 14810 C Hauser (Krefeld) CDU/CSU 14812 A Frau Saibold GRÜNE 14814 D Hinsken CDU/CSU 14816A Dr. Briefs GRÜNE 14817 A Dr. Jens SPD 14819 B Kittelmann CDU/CSU 14821 D Schreiner SPD 14823 A Müller (Wadern) CDU/CSU 14823 D Dr. Briefs GRÜNE 14824 D Rossmanith CDU/CSU 14825 C Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU . . . 14826 D Vizepräsidentin Renger 14828 C Nächste Sitzung 14828 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14829* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 14829* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Januar 1990 14379 192. Sitzung Bonn, den 26. Januar 1990 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 26. 01. 90 * Andres SPD 26. 01. 90 Frau Becker-Inglau SPD 26. 01. 90 Frau Conrad SPD 26. 01. 90 Dr. Ehrenberg SPD 26. 01. 90 Frau Eid GRÜNE 26. 01. 90 Eylmann CDU/CSU 26. 01. 90 Gallus FDP 26. 01. 90 Gattermann FDP 26. 01. 90 Dr. Geißler CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. von Geldern CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Götz CDU/CSU 26. 01. 90 Grünbeck FDP 26. 01. 90 Frau Dr. Hartenstein SPD 26. 01. 90 Hasenfratz SPD 26. 01. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Hämmerle SPD 26. 01. 90 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 26. 01. 90 Heimann SPD 26. 01. 90 Heistermann SPD 26. 01. 90 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Hensel GRÜNE 26. 01. 90 Hiller (Lübeck) SPD 26. 01. 90 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Hoyer FDP 26. 01. 90 Jung (Limburg) CDU/CSU 26. 01. 90 Jungmann (Wittmoldt) SPD 26. 01. 90 Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Kastner SPD 26. 01. 90 Klein (München) CDU/CSU 26. 01. 90 Kolbow SPD 26. 01. 90 Kretkowski SPD 26. 01. 90 Lattmann CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 26. 01. 90 Louven CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Mahlo CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Mechtersheimer GRÜNE 26. 01. 90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 26. 01. 90 Dr. Müller CDU/CSU 26. 01. 90 * Nagel SPD 26. 01. 90 Petersen CDU/CSU 26. 01. 90 ** Dr. Pfennig CDU/CSU 26. 01. 90 Schanz SPD 26. 01. 90 Dr. Scheer SPD 26. 01. 90 Scherrer SPD 26. 01. 90 Frau Schilling GRÜNE 26. 01. 90 Schluckebier SPD 26. 01. 90 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 26. 01. 90 Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Schmude SPD 26. 01. 90 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Schoppe GRÜNE 26. 01. 90 Frhr. von Schorlemer CDU/CSU 26. 01. 90 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Schreiber CDU/CSU 26. 01. 90 Schröer (Mülheim) SPD 26. 01. 90 Seiters CDU/CSU 26. 01. 90 Sieler (Amberg) SPD 26. 01. 90 Dr. Sprung CDU/CSU 26. 01. 90 Straßmeir CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Struck SPD 26. 01. 90 Toetemeyer SPD 26. 01. 90 Frau Trenz GRÜNE 26. 01. 90 Frau Walz FDP 26. 01. 90 Weisskirchen (Wiesloch) SPD 26. 01. 90 Weiß (Kaiserslautern) CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Will-Feld CDU/CSU 26. 01. 90 Wischnewski SPD 26. 01. 90 Würtz SPD 26. 01. 90 Zeitler SPD 26. 01. 90 Dr. Zimmermann CDU/CSU 26. 01. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Innenausschuß Drucksache 11/4991 Drucksache 11/5507 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/4227 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 11/4451 Nr. 2.1 Finanzausschuß Drucksache 11/5277 Nr. 2.1 Haushaltsausschuß Drucksache 11/5642 Nr. 3.2 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/5642 Nr. 3.20 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/3117 Nr. 2.11 Drucksache 11/4405 Nr. 3.6, 3.7 Drucksache 11/4758 Nr. 2.30 Drucksache 11/5051 Nr. 39 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/2724 Nr. 35
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ernst Hinsken


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Es gibt einen gewissen Strukturwandel. Den hat es in der Vergangenheit gegeben, den wird es auch in der Zukunft geben. Aber Ihnen möchte ich nur sagen, daß der Drang in die Selbständigkeit gerade im letzten Jahr so stark war wie in den vergangenen zehn Jahren nicht. Allein 36 000 bis 38 000 Handwerker haben erklärt, sie wollten sofort nach ihrer Meisterprüfung in die Selbständigkeit gehen und das Risiko der Selbständigkeit auf sich nehmen, obwohl solche komischen Töne von den GRÜNEN immer wieder in der Öffentlichkeit zu hören sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ergänzend zu dem, was ich ausführte, möchte ich aber noch sagen, daß gerade die Novellierung des Kartellrechts ein entscheidender Beitrag dazu war — und darum geht es uns auf Grund des Sozialen in der Marktwirtschaft in erster Linie —, den kleinen und den mittleren Betriebsinhaber zu stützen, wenn er den Wettbewerbsverzerrungen als solchen zu sehr ausgesetzt ist und diesen nicht mehr standhalten kann.

    (Wissmann [CDU/CSU]: So ist es!)

    Ich möchte deshalb an Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, die Bitte richten, eine notwendige Korrektur auch beim UWG vorzunehmen, die dringend erforderlich ist, weil die Rechtsprechung dem Willen des Gesetzgebers eben nicht Rechnung trägt, sondern diese Aussage von uns unterläuft.

    (Beifall des Abg. Dr. Schwörer [CDU/CSU])

    Und hier geht es mir um das Selbstverständnis des Parlaments: daß wir das Notwendige an Korrekturen hier möglichst bald vornehmen, damit die Gerichte in Zukunft in unserem Sinne entscheiden können.
    Meine Damen und Herren, wir erleben heute wieder eine Renaissance des Mittelstandes. Ein vitaler, motivierter und zu Investitionen bereiter Mittelstand ist, wie die Praxis belegt, durch nichts zu ersetzen.

    (Zywietz [FDP]: Ja!)

    Und ich darf ergänzen: Nach ersten Hochrechnungen zeigt sich, daß es im vergangenen Jahr 332 000 Existenzgründungen gegeben hat, denen nur 262 000 Liquidationen gegenübergestanden haben. Das ergibt Gott sei Dank einen Positivsaldo von ca. 70 000 Gründungen. Über 13 000 Gründungen wurden mit dem ERP-Existenzgründungsprogramm gefördert, fast 9 000 Gründungen erfolgten mit dem Eigenkapitalhilfeprogramm. Bei diesem Programm ergibt sich angesichts der eingesetzten Fördermittel, daß jeder neue Arbeitsplatz mit öffentlichen Mitteln in Höhe von 600 DM jährlich für einen Zeitraum von fünf Jahren gefördert wird. Und da möchte ich die Gegenrechnung aufstellen und den Beweis erbringen, wie sinnvoll und vernünftig es ist, dieses Eigenkapitalhilfe- und Existenzgründungsprogramm weiterzuführen: Ein Arbeitsloser kostet uns durchschnittlich in etwa 25 000 DM jährlich, eine ABM-Stelle sogar 39 000 DM. Deshalb: Geben wir der Wirtschaft subsidiär die Möglichkeit, Arbeisplätze vermehrt zur Verfügung zu stellen! Dann sind wir weiterhin auf dem richtigen Weg.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Arbeitsstättenzählung hat 1987 ergeben, daß sich die Zahl der Arbeitsstätten gegenüber 1970 von ca. 2,3 Millionen auf ca. 2,6 Millionen erhöht hat. Hinter dieser Zahl stecken auffällige Gewichtszunahmen der kleinen und mittleren Unternehmen. Eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeit kommt zu dem Ergebnis, daß in den Jahren von 1977 bis 1985 in den Betrieben mit 500 Beschäftigten 225 000 Arbeitsplätze abgebaut wurden, in den mittleren Betrieben aber — zwischen 20 und 500 Beschäftigten — der Arbeitsplatzbestand unverändert blieb und vor allem bei den Kleinbetrieben — bis zu 20 Beschäftigten —580 000 Arbeitsplätze neu entstanden sind.
    Gerade Sie von der Opposition sollten wissen, daß die Trendwende in der Mittelstandspolitik die Wachstumspolitik in der Bundesrepublik Deutschland nach sich zog. Statt aber nun alles daran zu setzen, die Bundesrepublik Deutschland international wettbewerbsfähig zu halten oder diese Wettbewerbsfähigkeit gar auszubauen, soll die Belastbarkeit der Wirtschaft erneut einem Härtetest unterworfen werden. Ich verstehe nicht — das zeigt sich ja momentan bei den beginnenden Tarifverhandlungen —, daß die Gewerkschaften an diesem Härtetest weiter arbeiten, indem sie ihre Forderung nach der 35-Stunden-Woche für alle nach wie vor unbeirrt vertreten. Wir haben international die kürzeste Arbeitszeit. Mehr Arbeitsplätze durch kürzere Arbeitszeit — diese Rechnung kann besonders im wirtschaftlichen Mittelstand nicht aufgehen.

    (Beifall des Abg. Dr. Schwörer [CDU/CSU])




    Hinsken
    Arbeitskräfte für fast 89 % der freien Stellen fehlen in diesem Mittelstand, der schon in der Vergangenheit die zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen hat.
    Wichtige Rahmendaten für die Zukunft setzen die Tarifparteien. Die Vereinbarung pauschaler Arbeitszeitverkürzungen wäre kontraproduktiv. Möglich ist meiner Meinung nach eine Flexibilisierung der Jahresarbeitszeit, die die Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährdet. Wie allgemein bekannt ist, treten in verschiedenen Branchen saisonal bedingt Spitzen auf. Hier könnte eine Flexibilisierung der Arbeitszeit Abhilfe schaffen, z. B. im Baugewerbe: längere Arbeitszeit im Sommer und dafür zusätzliche Freizeit im Winter oder Herbst; oder z. B. im Konditor- und Bäckerhandwerk: längere Arbeitszeiten vor Weihnachten und vor Ostern und dafür zusätzliche Freizeit im Sommer bzw. zur Faschingszeit.
    Auch der Bereich der Gastronomie könnte hier neben anderen genannt werden. Wer sich dieser Forderung nach Flexibilisierung widersetzt, muß wissen, daß er weder Arbeitsplätze schafft noch langfristig in der Lage sein wird, die kurze Jahresarbeitszeit, die wir in der Bundesrepublik Deutschland haben, wo wir Weltmeister sind, auf Dauer zu sichern.

    (Dr. Briefs [GRÜNE]: Das sind aber ganz, ganz kleine Brötchen, die Sie jetzt backen!)

    Insbesondere die Gewerkschaften müssen auf dem Teppich bleiben. Denn die Wirtschaft muß stark und die Finanzen müssen gesund bleiben. Anders sind die außerordentlichen Herausforderungen durch die Entwicklungen in der DDR und in Mittel- und Osteuropa nicht zu bewältigen. Es gibt angesichts der Hinterlassenschaft von 40 Jahren SED viel zu tun. 40 Jahre SED, das hieß, wie Tyll Necker so treffend formulierte: Trümmer schaffen ohne Waffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Kommunistische, sozialistische, real sozialistische Wirtschaft und was es noch alles an Begriffen für Plan- und Funktionswirtschaft gibt, haben abgewirtschaftet.

    (Frau Weyel [SPD]: Und die CDU-Ost dazu!)

    Sie sind heute Synonyme für Versagen, Mißwirtschaft, Korruptheit, Bevormundung usw.

    (Dr. Briefs [GRÜNE]: Und Ihre CDU in der DDR war daran beteiligt!)

    Das haben Sie von der SPD — darum Ihre Zwischenrufe — natürlich noch nicht begriffen. Denn Ihr Fraktionsvorsitzender Vogel, der dieser außerordentlich wichtigen Wirtschaftsdebatte nur eine halbe Stunde beigewohnt hat,

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Wo ist Ihr Dregger?)

    hat im vergangenen Jahr, vor drei Monaten, an dieser Stelle noch gesagt, der demokratische Sozialismus sei eine Leitidee, die an Bedeutung und Anziehungskraft gewinnen werde. Ich kenne die Welt nicht mehr. Meine Kollegen von der SPD, einmal wird so gesagt, und das andere Mal wird anders gesagt. Dann nehme ich Ihr Programm unter die Lupe. Dort wird zirka
    zehnmal das Wort „demokratischer Sozialismus" aufgegriffen und gepriesen.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Sie wissen nicht, was das ist! Das ist Ihr Problem!)

    Das paßt mit der Sozialen Marktwirtschaft als solcher nicht mehr zusammen. Sozialistische Marktwirtschaft gibt es nicht. Es gibt nur entweder Soziale Marktwirtschaft oder Planwirtschaft,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und gegen letztere wehren wir uns entschieden.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Darüber entscheidet Hinsken! — Dr. Sperling [SPD]: Sie sollten in ein Seminar gehen und nicht hierher!)

    Heute setzt sich in ganz Europa eine Idee durch: die der Sozialen Marktwirtschaft. Wenn der Unternehmer nicht frei entscheiden kann, was er produziert, und dem Verbraucher vorgeschrieben wird, was er kaufen kann, dann wird die Eigeninitiative erstickt, und der wirtschaftliche Niedergang ist eingeleitet. Wirtschaftlicher Erfolg und alles, was darauf aufbaut, kommt nicht automatisch. Die Soziale Marktwirtschaft ist keine Schönwetterveranstaltung. Hier muß alles mühsam und hart erkämpft werden.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP)

    Nach wie vor gilt folgender Dreiklang. Gewinne sind Investitionen. Investitionen sind Beschäftigung und Einkommen.
    Die Wende in der DDR, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, bringt natürlich auch Herausforderungen für den Mittelstand. Ich begrüße, daß z. B. das Handwerk seine Hilfe angeboten hat, den Mittelstandsbazillus in die DDR zu tragen, also dorthin, wo der totalitäre Staatsapparat als Ziel erkoren hatte, Mittelstand, freies Unternehmertum und Eigentum auszurotten. Dem Vorsitzenden des Demokratischen Aufbruchs, Dr. Schnur, den ich gestern bei einer Veranstaltung hören konnte, ist zuzustimmen, wenn er von uns in der Bundesrepublik Deutschland erbittet: Lassen Sie die Leute in Ihren Betrieben Leistungsfähigkeit erleben und sich weiterbilden. Ich nehme das gern auf und möchte an die vielen Betriebsinhaber appellieren: Kommen Sie diesem Wunsch nach. Geben Sie den Mitbürgern aus der DDR die Möglichkeit, das zu vollziehen, was Dr. Schnur hier angesprochen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Weyel [SPD]: Haben Sie schon einen Praktikanten eingestellt?)

    Ich meine auch, bestehende Barrieren müssen abgebaut werden. Die Gewerbefreiheit ist schnellstmöglich zu verwirklichen. Joint-ventures müssen erleichtert, Privateigentum, Investitionsfreiheit, Mehrheitsbeteiligung und Gewinntransfer müssen ermöglicht werden. Die DDR-Regierung muß aber wissen, daß Investitionsentscheidungen der Unternehmen primär von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen abhängig sind. Die Anwendung der verschiedenen Existenzgründungsprogramme, die wir bei uns haben, können echte und wichtige Impulse bringen. Die Sanierung und Reformierung der DDR-Wirtschaft ist nämlich



    Hinsken
    nicht mit staatlicher Hilfe, sondern nur mit der Mobilisierung des privaten Investitionskapitals möglich. Ich möchte deshalb an Sie die Bitte richten, Herr Bundeswirtschaftsminister, erst dann Hilfen für Existenzgründungen in der DDR freizugeben, wenn in steuerlicher Hinsicht Korrekturen nach unten vorgenommen worden sind. Bei 90 % Steuerbelastung kann sich kein Betrieb entwickeln. Das ist auch kein Anreiz, in die Selbständigkeit zu gehen.
    Wenn, wie Kollege Stratmann vorhin gesagt hat, ein westdeutscher Unternehmer sagt: 49 % Beteiligung reichen aus, weil sonst die DDR ausverkauft wird, fällt er denen drüben in den Rücken, die es besser haben wollen. Mit einer solchen Redensart ist das Ausbluten der DDR nicht zu verhindern. Wir wollen hier einen anderen Weg gehen.
    Lassen Sie mich abschließend feststellen: Auch in regionalpolitischer Hinsicht wurde Hervorragendes seitens dieser Bundesregierung geleistet. Ich komme aus einem strukturschwachen Bereich mit einer vernünftigen, tüchtigen Landesregierung. Die hat die Arbeitslosenzahl in meinem Bereich fast um die Hälfte reduziert. In anderen Bereichen, wo vielleicht die Falschen dran sind, ist dieses nicht der Fall. Deshalb, Herr Bundeswirtschaftsminister: Halten Sie an dieser Regionalpolitik als solcher fest. Halten sie auch fest an der Zonenrandförderung, die gerade zum jetzigen Zeitpunkt mehr als dringend erforderlich ist, wo zwischen hüben und drüben das eine oder andere noch nachgeholt werden muß.

    (Frau Weyel [SPD]: Aber Sie sind doch nicht mehr aus dem Zonenrand, Herr Hinsken!)

    Das ist in der heutigen Zeit eine zwingende Notwendigkeit, wenn es darum geht, die Herausforderungen, die uns ins Haus stehen, auch bewältigen zu können.
    Ich darf mich für die Aufmerksamkeit herzlich bedanken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jens.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Uwe Jens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich an dieser schlagwortartigen Diskussion, wie sie hier von den Koalitionsfraktionen geführt worden ist, nicht beteiligen. Ich glaube, das trägt nicht zur Weiterbildung der Öffentlichkeit bei, sondern es vernebelt die Geister.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Das ist hier keine Weiterbildungsveranstaltung, sondern eine politische Diskussion!)

    Sie sollten sich wirklich überlegen, ob Sie den Leuten immer wieder Ihre penetranten Schlagworte um die Ohren hauen. Es bringt wirklich nichts ein.

    (Beifall bei der SPD — Hinsken [CDU/CSU]: Dann hören wir mal, was Sie uns sagen wollen!)

    Man kann in der kurzen Redezeit, die hier zur Verfügung steht, nicht alles kritisieren, was an diesem Jahreswirtschaftsbericht und an der Politik dieser
    Bundesregierung im wirtschaftlichen Bereich zu kritisieren wäre.

    (Zywietz [FDP]: Da ist so wenig zu kritisieren!)

    Aber ich will einige wichtige Punkte kurz vortragen und noch einmal deutlich machen, daß es wirklich nicht angeht, in einer derartigen Weise, wie die Regierung das tut, eine Sache hochzujubeln und überhaupt nicht auf die wirklich gravierenden Probleme in unserer Gesellschaft hinzuweisen.
    Ich möchte zunächst einen formalen Punkt aufgreifen: Die Abgeordneten haben am Montag dieser Woche den Jahreswirtschaftsbericht bekommen — wenn sie privilegiert waren. Der Jahreswirtschaftsbericht ist am Montag im Kabinett behandelt worden. Am Freitag davor hat Herr Schlecht, der zuständige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, ein internes Pressegespräch über den Jahreswirtschaftsbericht geführt und dafür gesorgt, daß die ersten Meldungen schon am Samstag aus der Presse zu entnehmen waren. Ich kann dazu nur sagen: Diese Umgehensweise mit dem Deutschen Bundestag geht nicht.

    (Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Der Bundeswirtschaftsminister kann nach der Besprechung im Kabinett eine Pressekonferenz machen, das ist sein gutes Recht, aber, bitte sehr, erst nachdem auch wir Abgeordneten die Möglichkeit gehabt haben, in diesen Jahreswirtschaftsbericht hineinzublikken. So geht das nicht. Das ist eine Unsitte, die im Wirtschaftsministerium eingerissen ist, und die muß geändert werden.

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Werden wir denen wieder austreiben!)

    Wir Sozialdemokraten freuen uns über die konjunkturelle Entwicklung. Die Zahlen sind beständig seit sieben Jahren etwas nach oben gegangen. Aber ich sage Ihnen: Die Entwicklung in allen westlichen Industrienationen war ausgesprochen gut. Nicht nur bei uns, sondern überall in den OECD-Ländern hat es kräftigen Aufschwung gegeben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Bei uns war es noch besser!)

    Die Wurzeln für diesen Aufschwung wurden schon 1982 gelegt,

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Als ihr die Regierung hattet?)

    als die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen überdurchschnittlich gestiegen sind. Aber vor allem greift diese Bundesregierung auf ein ungewolltes Konjunkturprogramm durch die Ölpreissenkung von 30 Milliarden DM alljährlich zurück, was sie wirklich nicht verdient hat, aber was ihr kostenlos gewissermaßen in den Schoß gefallen ist.

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Deshalb brauchten wir nichts Zusätzliches zu machen, wie ihr wolltet! Jeder bekommt, was er verdient!)




    Dr. Jens
    Wir haben seinerzeit in der sozialliberalen Koalition den Schutt der Ölpreisexplosion weggeräumt, und Sie profitieren jetzt von der enormen Preissenkung.

    (Frau Würfel [FDP]: Nun gönnen Sie uns das doch mal!)

    — Ich gönne Ihnen manches. Aber Sie sollten das dann auch ehrlich ansprechen.

    (Frau Würfel [FDP] : Tun wir doch!)

    Auch darüber wird im Jahreswirtschaftsbericht kein Wort gesagt. Das ist nicht in Ordnung.
    Es kommt hinzu, daß der Binnenmarkt 1992 aus unserer Sicht eine Idee ist, die der Wirtschaft durchaus Dynamik verliehen hat.

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Das ist auch von uns!)

    Genauso ist es mit der Entwicklung in der DDR. Ich glaube nicht, daß auf die deutsche Bevölkerung große Belastungen zukommen, sondern ich glaube, daß auf diese Art und Weise eine neue Schubkraft für die wirtschaftliche Entwicklung ausgelöst worden ist.
    Tatsache ist auf alle Fälle: Wenn Sie sich, bitte sehr, einmal die internationalen Daten ansehen, die Sie dem Sachverständigengutachten entnehmen können, dann hatten wir bei einem Vergleich zwischen der Bundesrepublik und den zehn wichtigsten Industrienationen bezüglich der Preisentwicklung, Beschäftigung, Leistungsbilanz und Einkommensentwicklung noch bis zu den 80er Jahre eine Spitzenstellung. Mittlerweile sind wir in das Mittelfeld zurückgefallen. Die Bundesregierung hat die guten Chancen, die die Konjunktur bietet, offenbar nicht richtig genutzt.
    Ein Blick auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den zehn wichtigsten Industrienationen zeigt: Großbritannien und die Vereinigten Staaten, aber auch Frankreich sind mit dem Problem der Arbeitslosigkeit besser fertiggeworden als die Bundesregierung. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts war in Frankreich, Belgien, in den Niederlanden und den USA deutlich höher als in der Bundesrepublik. Vergleichen wir die Realeinkommen der unselbständig Beschäftigten, dann stellen wir fest, daß diese in Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten stärker stiegen als bei uns.

    (Hinsken [CDU/CSU] : Von welcher Ausgangsbasis aus, Herr Kollege Dr. Jens?)

    Ich stelle noch einmal fest: Die konservative Regierung hat die wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre verschlafen. Sie hat sie nicht richtig genutzt. Einige wenige haben davon profitiert; die breiten Schichten haben nichts abbekommen.
    Selbst nach sieben Jahren Konjunkturaufschwung, meine Damen und Herren, haben wir zur Zeit immer noch erhebliche wirtschaftspolitische Probleme. Auch das läßt sich doch nicht leugnen. Ich erinnere an die Massenarbeitslosigkeit. Immer noch 2 Millionen Menschen sind in dieser Republik arbeitslos. Da bringt es überhaupt nichts ein, wenn man über die Statistik schimpft oder wenn man möglicherweise das Monopol der Arbeitsvermittlung kaputtmachen will. Das löst das Problem überhaupt nicht. Sorgen Sie dafür, daß Arbeitsplätze geschaffen werden! Das wäre das Gebot unserer Zeit.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich erinnere auch an die Einkommensverteilung — Wolfgang Roth hat schon davon gesprochen — : Der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen ist gegenüber dem von vor sieben, acht Jahren um 7 % gesunken. Wenn die Relation konstant geblieben wäre, hieße das, daß die breiten Schichten etwa 100 Milliarden DM mehr zur Verfügung haben müßten, als sie zur Zeit zur Verfügung haben.