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    Plenarprotokoll 11/192 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 192. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. Januar 1990 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Haar 14779 A Nachträgliche Überweisung eines Gesetzentwurfs — Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz — an den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 14779 A Tagesordnungspunkt 11: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahreswirtschaftsbericht 1990 der Bundesregierung (Drucksache 11/6278) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Sondergutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit dem Titel: „Zur Unterstützung der Wirtschaftsreform in der DDR; Voraussetzungen und Möglichkeiten" (Drucksache 11/6301) Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 14779C Roth SPD 14783 C Hinsken CDU/CSU 14784 B Hoss GRÜNE 14784 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 14784 D Wissmann CDU/CSU 14788 B Frau Unruh fraktionslos 14789 A Müller (Pleisweiler) SPD 14790 A Stratmann GRÜNE 14791 B Kittelmann CDU/CSU 14792 D Frau Unruh fraktionslos 14793 C Dr. Sperling SPD 14795 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 14796 A Menzel SPD 14796 B Dr. Sperling SPD 14797 A Schreiner SPD 14797 B Reuschenbach SPD 14798 A Stratmann GRÜNE 14798 A Frau Dr. Skarpelis-Sperk SPD 14802 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 14804 D Stratmann GRÜNE 14805 A Schreiner SPD 14806C, 14807 C Müller (Wadern) CDU/CSU 14807 A Schäfer (Offenburg) SPD 14809 C Frau Vennegerts GRÜNE 14810 C Hauser (Krefeld) CDU/CSU 14812 A Frau Saibold GRÜNE 14814 D Hinsken CDU/CSU 14816A Dr. Briefs GRÜNE 14817 A Dr. Jens SPD 14819 B Kittelmann CDU/CSU 14821 D Schreiner SPD 14823 A Müller (Wadern) CDU/CSU 14823 D Dr. Briefs GRÜNE 14824 D Rossmanith CDU/CSU 14825 C Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU . . . 14826 D Vizepräsidentin Renger 14828 C Nächste Sitzung 14828 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14829* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 14829* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Januar 1990 14379 192. Sitzung Bonn, den 26. Januar 1990 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 26. 01. 90 * Andres SPD 26. 01. 90 Frau Becker-Inglau SPD 26. 01. 90 Frau Conrad SPD 26. 01. 90 Dr. Ehrenberg SPD 26. 01. 90 Frau Eid GRÜNE 26. 01. 90 Eylmann CDU/CSU 26. 01. 90 Gallus FDP 26. 01. 90 Gattermann FDP 26. 01. 90 Dr. Geißler CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. von Geldern CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Götz CDU/CSU 26. 01. 90 Grünbeck FDP 26. 01. 90 Frau Dr. Hartenstein SPD 26. 01. 90 Hasenfratz SPD 26. 01. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Hämmerle SPD 26. 01. 90 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 26. 01. 90 Heimann SPD 26. 01. 90 Heistermann SPD 26. 01. 90 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Hensel GRÜNE 26. 01. 90 Hiller (Lübeck) SPD 26. 01. 90 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Hoyer FDP 26. 01. 90 Jung (Limburg) CDU/CSU 26. 01. 90 Jungmann (Wittmoldt) SPD 26. 01. 90 Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Kastner SPD 26. 01. 90 Klein (München) CDU/CSU 26. 01. 90 Kolbow SPD 26. 01. 90 Kretkowski SPD 26. 01. 90 Lattmann CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 26. 01. 90 Louven CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Mahlo CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Mechtersheimer GRÜNE 26. 01. 90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 26. 01. 90 Dr. Müller CDU/CSU 26. 01. 90 * Nagel SPD 26. 01. 90 Petersen CDU/CSU 26. 01. 90 ** Dr. Pfennig CDU/CSU 26. 01. 90 Schanz SPD 26. 01. 90 Dr. Scheer SPD 26. 01. 90 Scherrer SPD 26. 01. 90 Frau Schilling GRÜNE 26. 01. 90 Schluckebier SPD 26. 01. 90 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 26. 01. 90 Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Schmude SPD 26. 01. 90 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Schoppe GRÜNE 26. 01. 90 Frhr. von Schorlemer CDU/CSU 26. 01. 90 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Schreiber CDU/CSU 26. 01. 90 Schröer (Mülheim) SPD 26. 01. 90 Seiters CDU/CSU 26. 01. 90 Sieler (Amberg) SPD 26. 01. 90 Dr. Sprung CDU/CSU 26. 01. 90 Straßmeir CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Struck SPD 26. 01. 90 Toetemeyer SPD 26. 01. 90 Frau Trenz GRÜNE 26. 01. 90 Frau Walz FDP 26. 01. 90 Weisskirchen (Wiesloch) SPD 26. 01. 90 Weiß (Kaiserslautern) CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Will-Feld CDU/CSU 26. 01. 90 Wischnewski SPD 26. 01. 90 Würtz SPD 26. 01. 90 Zeitler SPD 26. 01. 90 Dr. Zimmermann CDU/CSU 26. 01. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Innenausschuß Drucksache 11/4991 Drucksache 11/5507 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/4227 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 11/4451 Nr. 2.1 Finanzausschuß Drucksache 11/5277 Nr. 2.1 Haushaltsausschuß Drucksache 11/5642 Nr. 3.2 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/5642 Nr. 3.20 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/3117 Nr. 2.11 Drucksache 11/4405 Nr. 3.6, 3.7 Drucksache 11/4758 Nr. 2.30 Drucksache 11/5051 Nr. 39 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/2724 Nr. 35
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Weihrauch statt Fakten und Lösungsvorschlägen, damit nebeln die Bundesregierung und auch die Debattenredner der Koalition zu Jahresbeginn die deutsche Öffentlichkeit ein. Sie tun im Jahreswirtschaftsbericht 1990 so, als sei die günstige Konjunkturlage hausgemacht, als habe Helmut Haussmann die Exportaufträge persönlich akquiriert und als sei auch im Inland in jeder Hinsicht und in jeder Region alles bestens.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Im Vergleich zu den Sprüchen, die wir vorher von Schmidt hörten, ist das alles sehr bescheiden!)

    Alles sähe gut aus — so liest es sich — , gäbe es nicht die DDR-Zuwanderer und die Aussiedler, die diesen kleinen, eher marginalen Störfaktor — so hörte man es bei der Rede von Herrn Lambsdorff — der fast unverändert hohen Massenarbeitslosigkeit von zwei Millionen Menschen verursachen. Aber der Jahreswirtschaftsbericht 1990 und das Sondergutachten des Sachverständigenrates suggerieren uns, daß auch dieses Problem zu lösen ist, wenn nur die DDR-Regierung die Marktwirtschaft zügig übernimmt.
    Null Problemo also? Mein Kollege Wolfgang Roth hat schon dargestellt, wie kurzsichtig und zögernd diese Bundesregierung mit Worten jongliert, wo sie zügig Taten folgen lassen müßte, wo sie nicht wohlfeilen Rat, sondern Taten anbieten,

    (Beifall bei der SPD)

    wie sie dort flickschustert und kleckert, wo sie klotzen müßte.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Bundesregierung und Koalitionsdebattenredner
    — leider auch der Sachverständigenrat — entwerfen lieber euphorisch neue ordnungspolitische Leitbilder für die DDR, statt konkret die schwierigen Probleme bei uns und drüben aufzulisten, denkbare Lösungen zu beschreiben und konkrete Hilfen, aber auch Geldmittel anzubieten.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Frau Kollegin, haben Sie den Jahreswirtschaftsbericht überhaupt gelesen?)

    — Selbstverständlich, Herr Kollege, gerade Sie müßten aus der gemeinsamen Zusammenarbeit wissen, daß ich die Unterlagen immer gründlich lese.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Das, was Sie sagen, läßt nicht darauf schließen!)

    Ich will nur einmal zwei Probleme aus der Bundesrepublik anschneiden, und zwar die regionalen Probleme: die weiter bestehende ungleiche Regionalentwicklung, die in der Bundesrepublik immer noch ärmere von reicheren Regionen trennt, und die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen der Abrüstung in den Regionen. Darüber ist im Jahreswirtschaftsbericht nur wenig, genauer gesagt, nur ein einziger optimistischer Satz zu lesen. Wer sich jedoch die Fakten ansieht, wird diesen Optimismus kaum nachvollziehen können. Sicher, die weltweite Konjunktur hat auch in den Regionen geholfen, aber die massiven Differenzen zwischen den Regionen bestehen weiterhin, wenn sie sich auch nicht verschärft haben.
    Weiterhin gibt es auch nach den langen Jahren der Hochkonjunktur bundesweit 700 000 Langzeitarbeitslose, ein großer Teil davon Frauen, und Jahr für Jahr kommen 80 000 Jugendliche ohne Ausbildung zu diesen Unglückseligen unserer Arbeitsgesellschaft hinzu: an den Rand gedrängt, ohne Chancen und politisch von Ihnen vergessen oder mißachtet.
    Noch immer ist die Arbeitslosigkeit in der Region Schleswig-Holstein/Hamburg mit 10,3 % im Jahresdurchschnitt 1989 mehr als doppelt so hoch wie in Baden-Württemberg mit 4,5

    (Jäger [CDU/CSU]: Wer regiert denn da?)

    und in Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen doppelt so hoch wie in der Arbeitsmarktregion Südbayern. Diese Zahlen können Sie doch nicht einfach als Erfolg verkünden. Vergessen Sie bitte nicht: Einige dieser Regionen werden seit mehreren Jahrzehnten von Ihnen regiert. Diese billigen Sprüche kann man doch in diesem Parlament nicht so einfach bringen.

    (Beifall bei der SPD)

    Nein, die strukturellen und regionalen Probleme sind nur konjunkturell überdeckt, nicht aber für die Zukunft substantiell gelöst.
    Nun zu einem zusätzlichen dritten Problem: Die sich abzeichnende erfreuliche Abrüstung mit ihren Konsequenzen für uns in Europa — die Verminderung der Soll-Stärke der Bundeswehr, der absehbare Abzug fremder Truppen auch aus der Bundesrepublik —



    Frau Dr. Skarpelis-Sperk
    wird, so begrüßenswert sie ist, nicht alle Regionen gleich treffen.

    (Abg. Hinsken [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Kollegin?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein, wir haben genügend Gelegenheit, im Ausschuß zu diskutieren.

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU] : Warum reden Sie überhaupt hier? Das können Sie auch im Ausschuß machen!)

    Sosehr sich die betroffenen Einwohner z. B. auf die geringere Fluglärmbelästigung und frei werdende Wohnungen freuen: Bundeswehrstandorte bedeuten gerade in ländlichen Regionen eine Menge von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Die Rüstungsproduktion, die jetzt zurückgefahren werden muß, bedeutet für Zehntausende, ja Hunderttausende häufig recht gut bezahlte Arbeit.
    Von Ihnen, Herr Haussmann, dürfen die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch die Industrien und Dienstleistungsbereiche zu Recht eine Antwort erwarten, in welche Bereiche und in welche Regionen Sie die frei werdenden Haushaltsmittel zu lenken gedenken, um dieses zu kompensieren. Das ist sicherlich nicht akut für den Haushalt 1990, aber Sie werden sehr bald konkrete Antworten geben müssen, bevor wir es mit einem massiven Problem zu tun haben und vor allem der ländliche Raum mit seinen zahlreichen Betroffenen zu einem billigen Agitationsspielraum für Ewiggestrige wird. Die Entwicklung in der Landwirtschaft sollte für uns ein Warnzeichen sein.
    Aber auch für die drängenden Probleme in der DDR hat die Bundesregierung viele, viele Empfehlungen, aber nur wenige und vor allem den Problemen materiell nicht angemessene Mittel zu bieten. Sicher, der Sachverständigenrat hat eine Reihe von Problemen benannt, die Bundesregierung auch, beginnend mit dem Infrastrukturbedarf und dem umfassenden Modernisierungsbedarf der DDR-Industrie.
    Aber Bundesregierung wie Sachverständigenrat spiegeln der Öffentlichkeit vor, man komme mit dem Sesam, öffne dich! Sozialer Marktwirtschaft und ein bißchen bundesrepublikanischer Finanzhilfe ganz leicht und schnell in Aladins Schatzhöhle. Damit belügen sie sich, die Menschen bei uns und in der DDR.
    Allein dem zurückgestauten Infrastrukturbedarf bei Bahn und Straße, Telekommunikation und Umwelt und der von Ihnen völlig übergangenen Sanierung des Wohnungsbaubestandes in der DDR kann mit den im Nachtragshaushalt anvisierten Mitteln nicht einmal in der ersten Stufe Rechnung getragen werden. Ich konzediere Ihnen dabei, daß im Jahre 1990 bei Bahn und Post nicht mehr so viele Mittel verplant und ausgegeben werden können. Aber in den kommenden Jahren werden wir, wenn sich an den Lebensverhältnissen in der DDR für den einzelnen etwas spürbar ändern soll, nicht so billig davonkommen. Das muß man der Bevölkerung in der DDR jetzt ankündigen, damit sie an unseren finanziellen Dimensionen und Hilfsversprechen sieht, daß wir es ernst meinen, und viele Menschen in der DDR ihre Probleme nicht mehr durch Übersiedlung meinen losen zu können.

    (Zustimmung des Abg. Kittelmann [CDU/ CSU])

    Denn diese Übersiedlung kostet uns eine Menge Geld. Ich meine nicht nur den Sozialleistungsbereich, der uns alle bundespolitisch beunruhigt. Was wir bei uns den Kommunen und den Ländern allein durch diese Übersiedlung im Wohnungsbau, Wohnumfeld und an Erziehungsinfrastruktur abverlangen, ist gewaltig und wird uns auf Dauer mehr kosten als eine wirksame und substantielle Hilfe für die DDR.

    (Beifall bei der SPD)

    Wer da so tut, als gehe das alles sogar mit Unternehmensteuersenkungen, wie wir jetzt gehört, wie der Sachverständigenrat, aber leider auch Sie, Graf Lambsdorff, gesagt haben, gehört entweder in die Rubrik Märchenerzähler, bloßer Unternehmenslobbyist oder will in Wirklichkeit substantiell gar nicht helfen. Ich will das einmal an Hand von drei Beispielen erläutern.
    Beispiel eins: Das Wohnungsproblem in der DDR. Das ist für die Unfähigkeit der Bundesregierung, Problemlösungen schnell und wirksam zu organisieren, ein Paradebeispiel. Sie haben nämlich — übrigens auch der Sachverständigenrat — das Problem offensichtlich vergessen. Als ob die unbefriedigende Wohnungssituation nicht ein wesentlicher wanderungsauslösender Faktor wäre.
    Frau Hasselfeldt hat dafür in den nächsten Jahren 500 Millionen DM für vier Pilotprojekte in den Städten Meißen, Weimar, Stralsund und Brandenburg zur Verfügung gestellt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hervorragend!)

    250 Millionen DM sollen der Bauforschung dienen. Mit solchen Maßnahmen werden Sie einzelne schöne DDR-Städte in ein Freilichtmuseum verwandeln, das sich die Abgewanderten mit leiser Wehmut in einigen Jahren ansehen können — nach dem Reisebüromotto „So schön war die Heimat — Rundreise für Rentner". Wäre es nicht besser, Sie würden einen angemessenen Beitrag — und das bedeutet Milliarden; das muß uns klar sein — bereitstellen, um in der DDR Bau- und Heimwerkermärkte zu installieren, knappes Bau- und Installationsmaterial zu liefern, Know-how für Wärmedämmung und rationelle Energienutzung zur Verfügung zu stellen und mitzuhelfen, eine leistungsfähige Bauindustrie in der DDR aufzubauen? Meinen Sie nicht auch, privates, selbstgenutztes Wohnungseigentum und ausreichende Sanierungsmöglichkeiten für diese Wohnungen sind eine bessere Bindung an die Heimat als tausend Politikerappelle im Deutschen Bundestag?

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Nun zum Beispiel zwei: Ostbindung der DDR-Wirtschaft. Der Sachverständigenrat zerbricht sich den Kopf über ein neues Währungsmodell für die DDR, das de facto bedeutet, daß die Währungshoheit der



    Frau Dr. Skarpelis-Sperk
    DDR in Frankfurt am Main beim Zentralbankrat abgegeben wird.

    (Dr. Graf Lambsdorff [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)

    Haben Sie sich flankierend einmal überlegt, welche Konsequenzen die schnelle Installierung dieses Modells, aber auch der Marktwirtschaft in der DDR für Osteuropa haben wird?
    60 % der DDR-Exporte gehen in den RGW-Bereich. Soll die DDR nun vertragsbrüchig werden und aus ihren langfristigen Lieferverpflichtungen ausbrechen? Was passiert, wenn die DDR — marktwirtschaftlich durchaus korrekt — , um an harte Devisen heranzukommen, lieber im Westen als gegen marode Zloty, Forint, Kronen oder Rubel verkauft? Haben wir wirklich ein Interesse daran, die Ökonomien Osteuropas und der Sowjetunion kurz- und mittelfristig zu destabilisieren, den Abrüstungsprozeß zu gefährden und den Demokratisierungsprozeß in ganz Europa ins Stocken zu bringen?
    Davon, Herr Kollege Wissmann, von diesen sehr realen Problemen des Zusammenwachsens der beiden deutschen Staaten und ihrer Ökonomien, kann man in Ihren allgemeinen Formeln und schönen Phrasen kein einziges Wort hören.

    (Beifall bei der SPD)

    Wollen wir wirklich die DDR-Betriebe aus ihren bisherigen Lieferbeziehungen ohne weiteres herausbrechen, statt deren Erfahrungen und Verbindungen zu den Wirtschaften Osteuropas zu nutzen, so unbefriedigend sie in der Vergangenheit zum Teil auch gewesen sein mögen?
    Ich will ein drittes Beispiel nehmen: die Qualifizierung des DDR-Managements und den Know-howTransfer. Der Sachverständigenrat und die Bundesregierung empfehlen unisono eine schnelle Übernahme der Marktwirtschaft und ihrer Regeln durch die DDR-Ökonomie. Sie übersehen dabei — wie Kurt Biedenkopf in einem Interview ausführte — , daß Menschen — das gilt auch für Betriebsleiter —, die 40 Jahre lang eine andere Art des Wirtschaftens trainiert haben, nicht von einem Tag auf den anderen imstande sein werden, sich im Wettbewerb zu behaupten.

    (Dr. Jens [SPD]: Recht hat Herr Biedenkopf!)

    Einen Wurf Hauskatzen kann man auch nicht in ein Wolfsrudel stecken und sagen: Nun heult mal schön mit. — Wenn man will, daß sie überleben, brauchen sie zumindest ein Überlebenstraining in einem Kurs „Wie werde ich Tiger?".
    Scherz beiseite: Wir müssen, wenn wir keinen unnötigen Kapazitäts- und Arbeitsplatzabbau in der DDR und keinen Ausverkauf der DDR haben wollen, dafür sorgen, daß die Manager dort im Prozeß der Umstellung nicht über den Tisch gezogen und überfordert werden. Das bedeutet auch, daß wir — über Betriebspraktika und Weiterbildung hinaus — ein
    Netz von Gemeinschaftseinrichtungen und industrienahe Infrastruktur mit organisieren helfen müssen,

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Frau Kollegin, das wird im Fernsehen übertragen, was Sie da sagen!)

    das vergleichbar — aber sicherlich nicht identisch — mit dem ist, was wir in der Bundesrepublik haben — übrigens auch staatlich subventioniert. Ich möchte hier nur wenige Beispiele wie das RKW, die IHKs, Fachinformationszentren und vieles andere nennen.
    Jedenfalls: So billig und einfach, wie Sie und der Sachverständigenrat es sich mit Ihren Vorschlägen gemacht haben, werden wir nicht davonkommen. Je früher wir als verantwortliche Politiker das unserer Bevölkerung sagen, um so besser. Sie als Regierung sind aufgefordert, Ernsthafteres und Substantielleres als Ihre bisherigen Schnellschüsse in Gang zu setzen. Niemand erwartet von Ihnen, daß Sie bei der Geschwindigkeit der Prozesse in der DDR und in Osteuropa fertige Rezepte, ausgefeilt bis ins letzte, aus der Schublade ziehen. Aber was wir von Ihnen als Regierung zu Recht erwarten können, ist, daß Sie an die Schicksalsfragen der Menschen in der Bundesrepublik und in der DDR nicht mit Schaumschlägereien und Wunschträumen herangehen, sondern endlich anfangen, einen Prozeß schnell und kompetent mit zu organisieren, der zur Lösung der gewaltigen Probleme substantiell und adäquat beiträgt.

    (Beifall bei der SPD)