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ID1119206400

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    Plenarprotokoll 11/192 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 192. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. Januar 1990 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Haar 14779 A Nachträgliche Überweisung eines Gesetzentwurfs — Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz — an den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 14779 A Tagesordnungspunkt 11: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahreswirtschaftsbericht 1990 der Bundesregierung (Drucksache 11/6278) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Sondergutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit dem Titel: „Zur Unterstützung der Wirtschaftsreform in der DDR; Voraussetzungen und Möglichkeiten" (Drucksache 11/6301) Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 14779C Roth SPD 14783 C Hinsken CDU/CSU 14784 B Hoss GRÜNE 14784 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 14784 D Wissmann CDU/CSU 14788 B Frau Unruh fraktionslos 14789 A Müller (Pleisweiler) SPD 14790 A Stratmann GRÜNE 14791 B Kittelmann CDU/CSU 14792 D Frau Unruh fraktionslos 14793 C Dr. Sperling SPD 14795 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 14796 A Menzel SPD 14796 B Dr. Sperling SPD 14797 A Schreiner SPD 14797 B Reuschenbach SPD 14798 A Stratmann GRÜNE 14798 A Frau Dr. Skarpelis-Sperk SPD 14802 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 14804 D Stratmann GRÜNE 14805 A Schreiner SPD 14806C, 14807 C Müller (Wadern) CDU/CSU 14807 A Schäfer (Offenburg) SPD 14809 C Frau Vennegerts GRÜNE 14810 C Hauser (Krefeld) CDU/CSU 14812 A Frau Saibold GRÜNE 14814 D Hinsken CDU/CSU 14816A Dr. Briefs GRÜNE 14817 A Dr. Jens SPD 14819 B Kittelmann CDU/CSU 14821 D Schreiner SPD 14823 A Müller (Wadern) CDU/CSU 14823 D Dr. Briefs GRÜNE 14824 D Rossmanith CDU/CSU 14825 C Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU . . . 14826 D Vizepräsidentin Renger 14828 C Nächste Sitzung 14828 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14829* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 14829* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Januar 1990 14379 192. Sitzung Bonn, den 26. Januar 1990 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 26. 01. 90 * Andres SPD 26. 01. 90 Frau Becker-Inglau SPD 26. 01. 90 Frau Conrad SPD 26. 01. 90 Dr. Ehrenberg SPD 26. 01. 90 Frau Eid GRÜNE 26. 01. 90 Eylmann CDU/CSU 26. 01. 90 Gallus FDP 26. 01. 90 Gattermann FDP 26. 01. 90 Dr. Geißler CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. von Geldern CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Götz CDU/CSU 26. 01. 90 Grünbeck FDP 26. 01. 90 Frau Dr. Hartenstein SPD 26. 01. 90 Hasenfratz SPD 26. 01. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Hämmerle SPD 26. 01. 90 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 26. 01. 90 Heimann SPD 26. 01. 90 Heistermann SPD 26. 01. 90 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Hensel GRÜNE 26. 01. 90 Hiller (Lübeck) SPD 26. 01. 90 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Hoyer FDP 26. 01. 90 Jung (Limburg) CDU/CSU 26. 01. 90 Jungmann (Wittmoldt) SPD 26. 01. 90 Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Kastner SPD 26. 01. 90 Klein (München) CDU/CSU 26. 01. 90 Kolbow SPD 26. 01. 90 Kretkowski SPD 26. 01. 90 Lattmann CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 26. 01. 90 Louven CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Mahlo CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Mechtersheimer GRÜNE 26. 01. 90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 26. 01. 90 Dr. Müller CDU/CSU 26. 01. 90 * Nagel SPD 26. 01. 90 Petersen CDU/CSU 26. 01. 90 ** Dr. Pfennig CDU/CSU 26. 01. 90 Schanz SPD 26. 01. 90 Dr. Scheer SPD 26. 01. 90 Scherrer SPD 26. 01. 90 Frau Schilling GRÜNE 26. 01. 90 Schluckebier SPD 26. 01. 90 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 26. 01. 90 Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Schmude SPD 26. 01. 90 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Schoppe GRÜNE 26. 01. 90 Frhr. von Schorlemer CDU/CSU 26. 01. 90 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Schreiber CDU/CSU 26. 01. 90 Schröer (Mülheim) SPD 26. 01. 90 Seiters CDU/CSU 26. 01. 90 Sieler (Amberg) SPD 26. 01. 90 Dr. Sprung CDU/CSU 26. 01. 90 Straßmeir CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Struck SPD 26. 01. 90 Toetemeyer SPD 26. 01. 90 Frau Trenz GRÜNE 26. 01. 90 Frau Walz FDP 26. 01. 90 Weisskirchen (Wiesloch) SPD 26. 01. 90 Weiß (Kaiserslautern) CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Will-Feld CDU/CSU 26. 01. 90 Wischnewski SPD 26. 01. 90 Würtz SPD 26. 01. 90 Zeitler SPD 26. 01. 90 Dr. Zimmermann CDU/CSU 26. 01. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Innenausschuß Drucksache 11/4991 Drucksache 11/5507 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/4227 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 11/4451 Nr. 2.1 Finanzausschuß Drucksache 11/5277 Nr. 2.1 Haushaltsausschuß Drucksache 11/5642 Nr. 3.2 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/5642 Nr. 3.20 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/3117 Nr. 2.11 Drucksache 11/4405 Nr. 3.6, 3.7 Drucksache 11/4758 Nr. 2.30 Drucksache 11/5051 Nr. 39 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/2724 Nr. 35
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Stratmann, ich bitte um Ihr gütiges Verständnis. Ich dachte schon, Sie wollten mich zur Teilnahme an der Fraktionssitzung der GRÜNEN auffordern. Das können Sie mir aber nicht antun. Das geht nun wirklich nicht.

    (Roth [SPD]: Da wären Sie schon wegen der Publizistik hingegangen!)

    — Das ist dasselbe wie damals, als ich zu Egon Franke in den „Kessenicher Hof" gegangen bin, was Sie auch nicht so schön fanden.

    (Roth [SPD]: Keinen Gag auslassen!)

    Zu dieser Arbeitsgruppe werde ich nicht kommen. Ich
    bitte um Verständnis dafür, daß ich an der Unterarbeitsgruppe nicht teilnehmen werde. Wir haben sehr
    sachkundige Kollegen, die sich mit dieser Frage beschäftigen. Ich kann beim besten Willen nicht alles treiben; das geht nun wirklich nicht.
    Meine Damen und Herren, die Politik der Verbesserung der Angebotsbedingungen — ich wiederhole das — trägt jetzt reiche Früchte. Wir werden dafür sorgen, daß der Boden, auf dem unsere Wirtschaft gedeiht, weiterhin fruchtbar und ertragreich sein wird. Die Perspektiven für 1990 und darüber hinaus sind gut. Herr Bundeswirtschaftsminister Haussmann hat dies in seiner Einbringungsrede überzeugend dargelegt.
    Jetzt ist Herr Stratmann gerade weg; — nein, er ist noch nicht weg.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Er geht zur „Unterarbeitsgruppe" !)

    Er versammelt sich bei dem grünen Sozialdemokraten. Das hat Herr Sperling mir von sich in einem Wahlkampfzusammentreffen schon vor einigen Jahren gesagt.
    Ich will nur eines sagen, Herr Stratmann. Auch wenn man es sottovoce, mit etwas piano Stimme vorbringt, — so geht das nicht, daß Sie dem Bundeswirtschaftsminister hier Bilanzfälschung, Lügen vorwerfen und ihn als Förderer des Rechtsradikalismus hinstellen. Ich sage das in aller Ruhe, ohne große Aufregung. So geht es nicht.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Das ist eine unglaubliche Äußerung! — Zustimmung des Abg. Roth [SPD])

    Wir dürfen bei aller Freude über das Erreichte nicht übersehen, daß es eine Reihe von gravierenden und auch schwierigen Herausforderungen gibt, die gemeistert werden müssen. Um so wichtiger ist es, daß die Politik des Erfolgs konsequent fortgesetzt wird.
    Der Jahreswirtschaftsbericht stellt das Thema DDR in den Vordergrund. Die Ausführungen dazu, Herr Haussmann, finden die Unterstützung der FDP-Fraktion.
    Sie waren am Dienstag in Berlin. Sie haben mit der deutsch-deutschen Wirtschaftskommission die Diskussion über konkrete Reformschritte aufgenommen. Da geschieht vieles von dem, was Sie, Herr Roth, mit Recht erwähnt haben. Aber Sie tun so, als gäbe es das gar nicht. Die gestrigen Meldungen verbessern wohl die Aussicht, daß dieser Dialog bald zu greifbaren und akzeptablen Lösungen führt, die vor allem — darauf kommt es an — den Bürgern in der DDR Hoffnung machen können. Das ist das Entscheidende.
    Die gütige Bereitschaft, ein zinsverbilligtes Kreditangebot nun endlich anzunehmen, reicht dafür wohl nicht aus.

    (Frau Unruh [fraktionslos]: Sie können mit Geld doch nicht alles machen! Denken Sie doch mal an sich selbst!)

    Es bleibt jetzt nicht mehr viel Zeit, Konzepte hin- und herzuwenden. Es liegen viele auf dem Tisch. Der Sachverständigenrat hat sie in seinem Sondergutachten überzeugend und systematisch aufbereitet.



    Dr. Graf Lambsdorff
    Es kann auch nicht mehr — da stimme ich der Opposition und auch der Bundesregierung zu; da sind wir völlig einig — lange zugewartet werden. Es ist die Zeit gekommen — wir haben das auch in der deutschlandpolitischen Debatte hier gesagt —, in der die praktischen Dinge, die pragmatischen Fortschritte rasch angegangen werden müssen. Der zweite Teil ist dann eine Vertragsgemeinschaft mit einer völkerrechtlichen Bindung. Das kann erst nach den Wahlen der DDR geschehen. Die Bürger in der DDR müssen sehr bald eine überzeugende Zukunftsperspektive bekommen und haben.
    Nur, Herr Stratmann, wenn sie Ihre Zukunftsperspektive bekommen, dann werden sich wohl noch mehr auf die Strümpfe machen, als das im Augenblick schon der Fall ist. Es war nicht sehr hilfreich, was Sie denen für ihre wirtschaftliche Entwicklung in Aussicht gestellt haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Auswanderung und die Übersiedlung liegen ja weder im Interesse der DDR noch im Interesse der Bundesrepublik, aber sie liegen noch viel weniger im Interesse der DDR als in unserem. Genauer gesagt: Die Probleme, die daraus entstehen, sind für die DDR viel größer als für uns. Die Menschen in der DDR müssen wieder hoffen können, vielleicht auch etwas mehr als früher. Sie müssen Zuversicht gewinnen können und nicht nur Hoffnung. Sie müssen Licht am Ende des Tunnels sehen.
    In einem Gespräch mit dem Bund der Evangelischen Kirchen am vergangenen Sonntag in Berlin ist mir wieder deutlich geworden, daß wir der Bevölkerung der DDR unsere Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft erklären müssen, um Fragen zu beantworten und auch um Ängste zu nehmen.

    (Wissmann [CDU/CSU]: So ist es!)

    Wie sollen die Menschen — 40 Jahre real existierender Sozialismus und alles, was dazugehört — in der Lage sein, das zu verstehen, was hier bei uns tägliches Brot, tägliche Erfahrung und erfolgreiche Erfahrung ist. Ich wünschte mir — ich habe diesen Vorschlag gemacht, und ich will ihn auch weiter verfolgen —, daß einige bei uns, die aus der aktuellen politischen Streitsituation heraus sind, dazu beitragen, unsere Wirtschaftsordnung der DDR verständlicher zu machen. Ich könnte mir denken — ich hoffe doch, es wird Ihre Zustimmung finden — , daß das ein Mann wie Karl Schiller vorzüglich könnte. Er wäre bestens in der Lage, das klarzumachen.
    Wir müssen dabei ehrlich sagen — wir versuchen das in den Gesprächen und Unterhaltungen mit unseren Gesprächspartnern in der DDR — : Ohne vorübergehende reale Einkommenseinbußen der Arbeitnehmer sind die Probleme nicht zu lösen. Anpassung ist immer mit Friktionen verbunden. Unverzichtbar ist dabei, daß Rentner, Kranke und Arbeitslose sozial abgesichert werden. Sonst geht das nicht.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich bin völlig sicher, daß die DDR das wirtschaftliche
    Niveau der Bundesrepublik in einem überschaubaren
    Zeitraum erreichen kann, wenn es richtig gemacht
    wird. Das kann man hier nicht im einzelnen darlegen, aber zwei Punkte will ich erwähnen.
    Erstens. Die unerläßliche Verbesserung der Produktivität in der DDR. Die Erkenntnis von einem meiner Gesprächspartner — ich würde das nicht aus eigenen Erfahrungen zitieren — in der DDR: Leben wie in der Bundesrepublik und arbeiten wie in der DDR, das geht nicht. Darin steckt viel an Wahrheit, ohne daß das eine kritische Wahrheit etwa gegen mangelnden Fleiß ist. Das liegt eben am Zustand der DDR-Wirtschaft, in dem die Voraussetzungen für produktives Arbeiten nicht mehr gegeben sind.
    Zweitens. Es bedarf einer mutigen Politik, die auf Wettbewerb und Leistung setzt. Nur so können die katastrophalen Ergebnisse sozialistischen Wirtschaftens in der DDR überwunden werden.
    Es gibt hier ein Problem, meine Damen und Herren. Die neue SPD in der DDR war die erste neue Partei, die sich zur sozialen Marktwirtschaft bekannte. Die SPD in der Bundesrepublik werkelt an Programmen, die die Soziale Marktwirtschaft aushöhlen werden und funktionsunfähig machen.

    (Roth [SPD]: Na! Na! Na!)

    Jetzt wird berichtet, daß die DDR-SPD Wirtschafts- und Sozialräte fordert. Macht sich da ihr schlechter Einfluß schon bemerkbar?
    Meine Damen und Herren, das Stichwort Währungsunion — es kam ja auch hier heute — geistert als Patentrezept für die Eröffnung positiver Perspektiven durchs Land. Im Ziel gibt es keine Auffassungsunterschiede zwischen uns und dem, was Frau Matthäus-Maier gesagt hat. Aber sie will, daß die Bundesregierung oder die Bundesbank die Last der Stabilisierung der Währungsbeziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten trägt. Das bedeutet — ich gehe nur auf dieses eine Argument ein —,

    (Roth [SPD]: Das kommt!)

    daß die Bundesrepublik die wirtschaftspolitische Führung in der DDR übernimmt und die DDR in einem
    wichtigen Teilbereich Souveränität aufgeben müßte.

    (Stratmann [GRÜNE]: Richtig!)

    Der Vorschlag läuft darauf hinaus, die DDR zu entmündigen. Das kann man vermeiden, wenn die DDR eine Lösung — aber sie selber — nach dem Muster Österreich sucht und dabei die D-Mark als Stabilitätsanker benutzt. Das ist aber ein ganz anderer Weg als Sie ihn vorgeschlagen haben.
    Im übrigen, Herr Roth, lesen Sie bitte Herrn Necker nach. Er hat sich ausdrücklich gegen feste Wechselkurse ausgesprochen.

    (Roth [SPD]: Wer?)

    — Herr Necker, den Sie hier fälschlicherweise zitiert haben. Es ist gut, daß Sie ihn zitieren, aber Sie müssen ihn richtig zitieren.
    Meine Damen und Herren, der Weg zu einer Wirtschafts- und Währungsunion zwischen den beiden deutschen Staaten, zu dem die FDP sich bekennt, muß solide sein, auch wenn Eile geboten ist. Der Sachverständigenrat ebenso wie die Bundesbank haben dazu die Richtung zutreffend gewiesen. Es gibt keine über-



    Dr. Graf Lambsdorff
    zeugende Alternative zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung, die sich auf Wettbewerb, Marktpreise und innere Währungsstabilität stützt. Das ist der Weg zur Währungsunion und zur Eröffnung neuer Perspektiven.

    (Vorsitz: Vizepräsidentin Renger)

    Der Sachverständigenrat hat sich in sehr differenzierender und überzeugender Argumentation zum Problem der Übersiedler geäußert. Die Koalition tut gut und richtig daran, sich dieser Problematik mit Sorgfalt und mit Verantwortung zu widmen. Die FDP findet es unverantwortlich, wie der saarländische Ministerpräsident mit den Fragen und Problemen der Übersiedler umgeht.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Nach der Mauer aus Stacheldraht und Stein baut er eine neue Mauer der Unbarmherzigkeit und der Paragraphen auf.

    (Zuruf von der SPD: Das ist doch Quatsch!)

    Seine Ausführungen sind politisch gefährlich, und sie sind ökonomisch falsch.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Es besteht ja gar kein Zweifel und gar keine Meinungsverschiedenheit: Wie immer in der Sozialpolitik: Mißbräuchen muß entgegengewirkt werden; man muß versuchen, sie abzustellen. Ganz — das wissen wir — schafft man es nie. Aber eine generelle Leistungseinschränkung, wie sie Herr Lafontaine fordert, ist der falsche Weg. Die Folgen solcher Ankündigung heißen nur: Die Leute packen noch schneller ihre Koffer, um hierherzukommen, bevor es ihrer Meinung nach zu spät ist.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Genau so ist es!)

    Aber bei der Geschwindigkeit, mit der Oskar Lafontaine Positionen, Ansichten und Urteile zu wechseln pflegt, würden wir uns gar nicht wundern, wenn er demnächst zur Begrüßung von Rumäniendeutschen im Durchgangslager auftauchte, mit Fernsehbegleitung natürlich.
    Die SPD-Spitze bringt zur Zeit ein erstaunliches Kunststück fertig — alle Achtung — : In der DDR ist sie für die deutsche Einheit, im Saarland dagegen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Roth [SPD]: Unfug! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Ich habe von Herrn Lafontaine — ich habe ihn öffentlich dazu aufgefordert — noch nicht ein einziges Mal ein Bekenntnis zum Thema deutsche Einheit im Sinne von Willy Brandt und anderen gehört.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Er wird gerade auf Ihre Aufforderung zu sprechen reagieren! — Lennartz [SPD]: Am Sonntag kriegen Sie eine überzeugende Antwort der Wählerinnen und Wähler!)

    Meine Damen und Herren, das alles beherrschende Thema in diesen Tagen sind die Vorgänge in der DDR, und das ist nicht zu kritisieren, denn es finden ja fundamentale Entwicklungen von historischer Tragweite statt, die uns Deutsche besonders berühren.
    Aber wir dürfen nicht in die Gefahr verfallen, nur uns selber zu sehen. Wir dürfen darüber nicht vergessen, daß unsere ökonomische und unsere politische Basis Europa und die Gemeinschaft der Länder des Westens sind. Ich weiß, daß wir heute nicht über diese Frage diskutieren, aber aus dem Auge verlieren dürfen wir sie nicht. Die Entwicklung der deutsch-deutschen Beziehungen und auch unserer Beziehungen zu den anderen Ländern des Ostens müssen in eine Politik zur Stärkung des europäischen Einigungsprozesses und in eine gemeinsame westliche Friedenspolitik eingebettet und eingepaßt werden. Es besteht aller Anlaß, darüber mit unseren Freunden und Partnern im Westen zu sprechen.
    Wer das Interview von Frau Thatcher gestern im „Wallstreet Journal" zur Kenntnis genommen hat, der wird mir zugeben, daß hier die deutsche Frage in aus unserer Sicht unzutreffender Weise behandelt wird, die Zusammenhänge mit dem Schicksal Gorbatschows unzutreffend dargestellt werden und daß auch die Haltung zu Europa und zur Frage einer unabhängigen Zentralbank nicht zufriedenstellend beantwortet wird. Es gibt — das sollte man der Korrektheit halber hinzufügen — auch ganz andere Stimmen. Der heutige Leitartikel des „Economist" zur deutschen Frage zeigt das, und was Henry Kissinger vorige Woche in der „Los Angeles Times" geschrieben hat, zeigt das auch.

    (Roth [SPD]: Und Delors!)

    — Völlig einverstanden; das habe ich in der vorigen Woche hier zum Ausdruck gebracht. — Dies bedarf jedenfalls unserer Aufmerksamkeit.
    Meine Damen und Herren, zurück zum Jahreswirtschaftsbericht. Der Sachverständigenrat warnt zu Recht vor der Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale, die unweigerlich zu wirtschaftlichem Rückschlag führen müßte. Hier sind vor allem die Tarifpartner in der Verantwortung.

    (Reuschenbach [SPD]: Preis-Lohn-Spirale! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Hören Sie bitte zu: Ich spreche von beiden Partnern. Nicht daß das Geschrei wieder losgeht, ich meinte nur die Gewerkschaften. Ich sage das, damit die Protestrufe nicht wieder losgehen.

    (Lennartz [SPD]: Wer schreit denn hier?)

    — Ich nehme den Ausdruck „Geschrei" zurück. (Zurufe von der SPD)

    — Es fällt mir wirklich sehr schwer, Herr Schäfer, das in ihren Augen zu erreichen.
    Mit überhöhten Lohnabschlüssen würde die Tarifpolitik auf einen Konflikt mit der Geldpolitik zusteuern, aus dem letztlich die schlechteste aller möglichen Entwicklungen resultierte: höhere Preise und weniger Beschäftigung.
    Besonnenheit in der Tarifpolitik ist deshalb das Gebot der Stunde. Tarifpolitik ist angesichts des gespaltenen Arbeitsmarktes sicher eine schwierige Aufgabe. Aber das Konzept der IG Metall mit pauschalen



    Dr. Graf Lambsdorff
    Lohnerhöhungen von 8 bis 9 %, die tatsächlich jeden Kontakt zur Wirklichkeit verloren haben,

    (Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: Die Preissteigerungen sind auch pauschal!)

    und zusätzlich mit weiteren Verkürzungen der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich paßt beim besten Willen nicht in die Landschaft.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Würde sich die IG Metall — nicht andere Gewerkschaften; es gibt ja sehr vernünftige Tarifabschlüsse, die völlig ohne Lärm und ohne großes Theater in den letzten Wochen abgeschlossen worden sind — damit durchsetzen, wäre das zum erheblichen Schaden für Wirtschaft und Beschäftigung.
    Übrigens, meine Damen und Herren, sind zum Glück nicht alle Gewerkschaften — ich sagte das — so einsichtslos wie die IG Metall. Der DGB bot seinen Mitarbeitern eine Tarifaufbesserung um 2,36 % an. Sie predigen Wasser und trinken Wein.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, eine vernünftige Tarifpolitik orientiert sich am Produktivitätsanstieg und an den strukturellen Problemen des Arbeitsmarktes. Geboten sind hier — der Bundeswirtschaftsminister hat recht, immer wieder darauf hinzuweisen — Flexibilität und Differenzierung. Dieser Hinweis geht an beide Tarifvertragsparteien, nicht nur an eine.
    Kurze Arbeitszeiten können wir uns ja vielleicht leisten; aber kurze Maschinenlaufzeiten können wir uns nicht leisten. Bei Opel in Bochum haben es Betriebsrat und örtliche IG Metall ganz offensichtlich begriffen.
    Eine vernünftige Tarifpolitik von beiden Seiten gibt auch denen eine Chance, die jetzt arbeitslos vor der Tür stehen, und sie mobilisiert gleichzeitig die Leistungsträger unserer Wirtschaft.
    Ich bin zwar nicht der Meinung, Herr Stratmann, daß es vernünftig ist, die Arbeitslosen die Tarifvertragsverhandlungen mit führen zu lassen. Aber den Gesichtspunkt, daß bei Tarifvertragsverhandlungen gefälligst an diejenigen gedacht wird, die arbeitslos sind, und nicht nur an diejenigen, die in Lohn und Brot stehen und mehr haben wollen, habe ich hier allerdings schon x-mal vorgetragen, und diesen unterstreiche ich.
    Wir setzen deshalb auf das Konzept von mehr Flexibilität, das dem der gewerkschaftlichen Rigidität entgegenstehen muß, und zwar im Interesse der Arbeitnehmer und im Interesse unserer Volkswirtschaft.
    Herr Roth, hierzu eine Bemerkung. Sie haben die sinkenden Lohnquoten beklagt. Sie können seit 1965 an der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik ablesen, daß dann, wenn es sinkende Lohnquoten gab, die Realeinkommen stiegen und die Beschäftigung ebenfalls, und daß wenn es steigende Lohnquoten gab, dann, die Realeinkommen fielen und die Beschäftigung ebenfalls. Den statistischen Nachweis stelle ich Ihnen gerne zur Verfügung.

    (Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: So ein Unsinn ! )

    — Man kann natürlich Statistiken Unsinn nennen; das ist richtig.

    (Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: Nein, die Statistik sollte man lesen!)

    — Ja, die Statistik sollte man auch lesen. Ich trage sie ja nun hier vor, verehrte Frau Kollegin. Sie können auch eine Kopie bekommen.
    Wachstumspolitik — so sagt es der Sachverständigenrat, und so hebt es der Jahreswirtschaftsbericht hervor — ist in erster Linie Wirtschaftsordnungspolitik. Marktwirtschaftlich orientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik bedeutet für die Zukunft die Fortsetzung der Steuerreform und insbesondere der Unternehmensteuerreform. Sie bedeutet die weitere Rückführung der Staatsquote, die Stärkung des Wettbewerbs, Deregulierung und Subventionsabbau. Die fünf Zeilen dazu im Jahreswirtschaftsbericht, Herr Hausmann, sind mir zuwenig. Ich weiß, daß das ein Frustrationsthema ist. Aber Subventionen und Überregulierung höhlen auf Dauer die Funktionsmechanismen einer Marktwirtschaft aus. Auch wenn man glaubt, gegen Windmühlenflügel angehen zu müssen, der Kampf muß fortgesetzt werden, und er darf nicht vernachlässigt werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Genau ein solches Konzept ist im Jahreswirtschaftsbericht dargelegt. Deswegen unterstützen wir ihn. Die FDP wird dafür Sorge tragen, daß der erfolgreiche wirtschaftspolitische Kurs zur Stärkung der Sozialen Marktwirtschaft fortgesetzt wird, und zwar über diese Legislaturperiode hinaus.

    (Zuruf von der SPD)

    — Natürlich über diese Legislaturperiode hinaus! Herr Roth hat ja vorhin gesagt: Immer mehr ist nicht immer besser, und immer mehr ist nicht immer lebenswerter. Nun, immer mehr sozialdemokratische Stimmen sind nicht „immer besser" , und immer mehr grüne Stimmen sind keineswegs „immer lebenswerter" ; darüber sind wir uns ja sicher einig.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Roth [SPD]: Vice versa!)

    Meine Damen und Herren, die vergangenen acht Jahre haben uns gezeigt, zu welchen wirtschaftlichen Leistungen marktwirtschaftliche Systeme fähig sind. Schon das hat ja dem ordnungspolitischen Denken bei uns, aber nicht nur bei uns in der Bundesrepublik Auftrieb gegeben. Ich will jetzt keine Sozialismus-Debatte anfangen und will mit Ihnen auch gar nicht darüber rechten, ob Karl Marx tot ist oder lebt. In Ungarn erzählt man sich, er sei wiedergekommen, habe um Sendezeit für ein Statement im Fernsehen gebeten, die habe man ihm eingeräumt, und er sei dann mit dem Spruch vor die Fernsehkameras getreten: „Proletarier aller Länder, verzeiht mir."

    (Heiterkeit bei der FPD und der CDU/CSU)

    Jetzt ist zu diesem ordnungspolitischen Denken die Entwicklung in der DDR hinzugekommen, die von uns verlangt, daß wir uns wieder stärker mit diesem Gedankengut befassen — da stimme ich Herrn Wissmann zu — und daß wir uns auf das besinnen, was die Basis unseres wirtschaftlichen Erfolges ist. Das gibt Hoffnung für die Zukunft, das gibt Hoffnung, daß wir



    Dr. Graf Lambsdorff
    auch auf diesen ordnungspolitischen Feldern, die bisher etwas ins Hintertreffen geraten sind, vorankommen. Diese Felder sind — ich sage es noch einmal — Subventionsabbau und Deregulierung.
    Aber es geht noch weiter: Seit den Ursprüngen im vergangenen Jahrhundert steht der Liberalismus im Kampf um die Freiheit und um die Würde des Menschen. Wir erleben in der DDR ebenso wie in Osteuropa nicht nur Reformen, die zu mehr wirtschaftlicher Entfaltung und Selbständigkeit des einzelnen führen, sondern auch den Triumph der Freiheit über sozialistische Unterdrückung und Gängelei. Ganz Europa besinnt sich auf die fundamentalen Rechte der Menschen und auf die Werte demokratischer Ordnung. Wir wollen — und ich denke, wir müssen — diesen Aufbruch zur Freiheit und zur Selbstbestimmung nach Kräften unterstützen, damit sich diese historische Entwicklung in einer gemeinsamen europäischen, ja in einer weltweiten Friedensordnung vollziehen kann. In erster Linie die Bundesrepublik Deutschland kann und muß — deshalb sage ich das in einer Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht und das Sachverständigengutachten — einen Beitrag zu dieser Entwicklung leisten, indem sie ihr wirtschaftliches Potential zur Sicherung des politischen Erfolges bei der Demokratisierung Europas zur Verfügung stellt.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Skarpelis-Sperk.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Weihrauch statt Fakten und Lösungsvorschlägen, damit nebeln die Bundesregierung und auch die Debattenredner der Koalition zu Jahresbeginn die deutsche Öffentlichkeit ein. Sie tun im Jahreswirtschaftsbericht 1990 so, als sei die günstige Konjunkturlage hausgemacht, als habe Helmut Haussmann die Exportaufträge persönlich akquiriert und als sei auch im Inland in jeder Hinsicht und in jeder Region alles bestens.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Im Vergleich zu den Sprüchen, die wir vorher von Schmidt hörten, ist das alles sehr bescheiden!)

    Alles sähe gut aus — so liest es sich — , gäbe es nicht die DDR-Zuwanderer und die Aussiedler, die diesen kleinen, eher marginalen Störfaktor — so hörte man es bei der Rede von Herrn Lambsdorff — der fast unverändert hohen Massenarbeitslosigkeit von zwei Millionen Menschen verursachen. Aber der Jahreswirtschaftsbericht 1990 und das Sondergutachten des Sachverständigenrates suggerieren uns, daß auch dieses Problem zu lösen ist, wenn nur die DDR-Regierung die Marktwirtschaft zügig übernimmt.
    Null Problemo also? Mein Kollege Wolfgang Roth hat schon dargestellt, wie kurzsichtig und zögernd diese Bundesregierung mit Worten jongliert, wo sie zügig Taten folgen lassen müßte, wo sie nicht wohlfeilen Rat, sondern Taten anbieten,

    (Beifall bei der SPD)

    wie sie dort flickschustert und kleckert, wo sie klotzen müßte.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Bundesregierung und Koalitionsdebattenredner
    — leider auch der Sachverständigenrat — entwerfen lieber euphorisch neue ordnungspolitische Leitbilder für die DDR, statt konkret die schwierigen Probleme bei uns und drüben aufzulisten, denkbare Lösungen zu beschreiben und konkrete Hilfen, aber auch Geldmittel anzubieten.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Frau Kollegin, haben Sie den Jahreswirtschaftsbericht überhaupt gelesen?)

    — Selbstverständlich, Herr Kollege, gerade Sie müßten aus der gemeinsamen Zusammenarbeit wissen, daß ich die Unterlagen immer gründlich lese.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Das, was Sie sagen, läßt nicht darauf schließen!)

    Ich will nur einmal zwei Probleme aus der Bundesrepublik anschneiden, und zwar die regionalen Probleme: die weiter bestehende ungleiche Regionalentwicklung, die in der Bundesrepublik immer noch ärmere von reicheren Regionen trennt, und die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen der Abrüstung in den Regionen. Darüber ist im Jahreswirtschaftsbericht nur wenig, genauer gesagt, nur ein einziger optimistischer Satz zu lesen. Wer sich jedoch die Fakten ansieht, wird diesen Optimismus kaum nachvollziehen können. Sicher, die weltweite Konjunktur hat auch in den Regionen geholfen, aber die massiven Differenzen zwischen den Regionen bestehen weiterhin, wenn sie sich auch nicht verschärft haben.
    Weiterhin gibt es auch nach den langen Jahren der Hochkonjunktur bundesweit 700 000 Langzeitarbeitslose, ein großer Teil davon Frauen, und Jahr für Jahr kommen 80 000 Jugendliche ohne Ausbildung zu diesen Unglückseligen unserer Arbeitsgesellschaft hinzu: an den Rand gedrängt, ohne Chancen und politisch von Ihnen vergessen oder mißachtet.
    Noch immer ist die Arbeitslosigkeit in der Region Schleswig-Holstein/Hamburg mit 10,3 % im Jahresdurchschnitt 1989 mehr als doppelt so hoch wie in Baden-Württemberg mit 4,5

    (Jäger [CDU/CSU]: Wer regiert denn da?)

    und in Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen doppelt so hoch wie in der Arbeitsmarktregion Südbayern. Diese Zahlen können Sie doch nicht einfach als Erfolg verkünden. Vergessen Sie bitte nicht: Einige dieser Regionen werden seit mehreren Jahrzehnten von Ihnen regiert. Diese billigen Sprüche kann man doch in diesem Parlament nicht so einfach bringen.

    (Beifall bei der SPD)

    Nein, die strukturellen und regionalen Probleme sind nur konjunkturell überdeckt, nicht aber für die Zukunft substantiell gelöst.
    Nun zu einem zusätzlichen dritten Problem: Die sich abzeichnende erfreuliche Abrüstung mit ihren Konsequenzen für uns in Europa — die Verminderung der Soll-Stärke der Bundeswehr, der absehbare Abzug fremder Truppen auch aus der Bundesrepublik —



    Frau Dr. Skarpelis-Sperk
    wird, so begrüßenswert sie ist, nicht alle Regionen gleich treffen.

    (Abg. Hinsken [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)