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ID1119202900

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    Plenarprotokoll 11/192 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 192. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. Januar 1990 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Haar 14779 A Nachträgliche Überweisung eines Gesetzentwurfs — Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz — an den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 14779 A Tagesordnungspunkt 11: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahreswirtschaftsbericht 1990 der Bundesregierung (Drucksache 11/6278) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Sondergutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit dem Titel: „Zur Unterstützung der Wirtschaftsreform in der DDR; Voraussetzungen und Möglichkeiten" (Drucksache 11/6301) Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 14779C Roth SPD 14783 C Hinsken CDU/CSU 14784 B Hoss GRÜNE 14784 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 14784 D Wissmann CDU/CSU 14788 B Frau Unruh fraktionslos 14789 A Müller (Pleisweiler) SPD 14790 A Stratmann GRÜNE 14791 B Kittelmann CDU/CSU 14792 D Frau Unruh fraktionslos 14793 C Dr. Sperling SPD 14795 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 14796 A Menzel SPD 14796 B Dr. Sperling SPD 14797 A Schreiner SPD 14797 B Reuschenbach SPD 14798 A Stratmann GRÜNE 14798 A Frau Dr. Skarpelis-Sperk SPD 14802 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 14804 D Stratmann GRÜNE 14805 A Schreiner SPD 14806C, 14807 C Müller (Wadern) CDU/CSU 14807 A Schäfer (Offenburg) SPD 14809 C Frau Vennegerts GRÜNE 14810 C Hauser (Krefeld) CDU/CSU 14812 A Frau Saibold GRÜNE 14814 D Hinsken CDU/CSU 14816A Dr. Briefs GRÜNE 14817 A Dr. Jens SPD 14819 B Kittelmann CDU/CSU 14821 D Schreiner SPD 14823 A Müller (Wadern) CDU/CSU 14823 D Dr. Briefs GRÜNE 14824 D Rossmanith CDU/CSU 14825 C Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU . . . 14826 D Vizepräsidentin Renger 14828 C Nächste Sitzung 14828 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14829* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 14829* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Januar 1990 14379 192. Sitzung Bonn, den 26. Januar 1990 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 26. 01. 90 * Andres SPD 26. 01. 90 Frau Becker-Inglau SPD 26. 01. 90 Frau Conrad SPD 26. 01. 90 Dr. Ehrenberg SPD 26. 01. 90 Frau Eid GRÜNE 26. 01. 90 Eylmann CDU/CSU 26. 01. 90 Gallus FDP 26. 01. 90 Gattermann FDP 26. 01. 90 Dr. Geißler CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. von Geldern CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Götz CDU/CSU 26. 01. 90 Grünbeck FDP 26. 01. 90 Frau Dr. Hartenstein SPD 26. 01. 90 Hasenfratz SPD 26. 01. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Hämmerle SPD 26. 01. 90 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 26. 01. 90 Heimann SPD 26. 01. 90 Heistermann SPD 26. 01. 90 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Hensel GRÜNE 26. 01. 90 Hiller (Lübeck) SPD 26. 01. 90 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Hoyer FDP 26. 01. 90 Jung (Limburg) CDU/CSU 26. 01. 90 Jungmann (Wittmoldt) SPD 26. 01. 90 Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Kastner SPD 26. 01. 90 Klein (München) CDU/CSU 26. 01. 90 Kolbow SPD 26. 01. 90 Kretkowski SPD 26. 01. 90 Lattmann CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 26. 01. 90 Louven CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Mahlo CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Mechtersheimer GRÜNE 26. 01. 90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 26. 01. 90 Dr. Müller CDU/CSU 26. 01. 90 * Nagel SPD 26. 01. 90 Petersen CDU/CSU 26. 01. 90 ** Dr. Pfennig CDU/CSU 26. 01. 90 Schanz SPD 26. 01. 90 Dr. Scheer SPD 26. 01. 90 Scherrer SPD 26. 01. 90 Frau Schilling GRÜNE 26. 01. 90 Schluckebier SPD 26. 01. 90 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 26. 01. 90 Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Schmude SPD 26. 01. 90 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Schoppe GRÜNE 26. 01. 90 Frhr. von Schorlemer CDU/CSU 26. 01. 90 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Schreiber CDU/CSU 26. 01. 90 Schröer (Mülheim) SPD 26. 01. 90 Seiters CDU/CSU 26. 01. 90 Sieler (Amberg) SPD 26. 01. 90 Dr. Sprung CDU/CSU 26. 01. 90 Straßmeir CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Struck SPD 26. 01. 90 Toetemeyer SPD 26. 01. 90 Frau Trenz GRÜNE 26. 01. 90 Frau Walz FDP 26. 01. 90 Weisskirchen (Wiesloch) SPD 26. 01. 90 Weiß (Kaiserslautern) CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Will-Feld CDU/CSU 26. 01. 90 Wischnewski SPD 26. 01. 90 Würtz SPD 26. 01. 90 Zeitler SPD 26. 01. 90 Dr. Zimmermann CDU/CSU 26. 01. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Innenausschuß Drucksache 11/4991 Drucksache 11/5507 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/4227 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 11/4451 Nr. 2.1 Finanzausschuß Drucksache 11/5277 Nr. 2.1 Haushaltsausschuß Drucksache 11/5642 Nr. 3.2 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/5642 Nr. 3.20 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/3117 Nr. 2.11 Drucksache 11/4405 Nr. 3.6, 3.7 Drucksache 11/4758 Nr. 2.30 Drucksache 11/5051 Nr. 39 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/2724 Nr. 35
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    Rede von Matthias Wissmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Da ich nur 15 Minuten Redezeit habe und sonst gerne auf Zwischenfragen antworte, bitte ich, zu verstehen, daß ich jetzt keine weitere Zwischenfrage mehr zulassen kann.
    Die Regierung in Ost-Berlin hat in den letzten Tagen einige richtige Aussagen getroffen zur Notwendigkeit der Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit, zur Beseitigung des prohibitiven Steuersystems und zu
    anderen wichtigen Maßnahmen zur Belebung der Selbständigkeit in der DDR. Wir unterstützen das, und wir hoffen, daß das so schnell wie möglich in die Tat umgesetzt wird. Aber damit sind noch nicht alle Hindernisse beseitigt.
    Bis heute sind kleine und mittlere Betriebe in der DDR gezwungen, ihren Mitarbeitern durchschnittlich 30 % weniger Löhne zu zahlen, als sie Mitarbeiter in Kombinaten bekommen. Und wann hat man das je erlebt: Vor wenigen Tagen sind in Halle Unternehmer aus der DDR auf die Straße gegangen — Unternehmer! —

    (Dr. Jens [SPD]: Und haben für die SPD geworben!)

    und haben nicht nur für ihre eigene Gewerbefreiheit demonstriert, sondern auch dafür, daß sie ihre Mitarbeiter besser bezahlen dürfen.
    Deswegen rufen wir auch nach Ost-Berlin: Beseitigt endlich die Bindung im Bereich von Tarifen! Schafft volle Tarif- und Koalitionsfreiheit! Schafft eine auch lohnmäßige Gleichbehandlung der Mitarbeiter in selbständigen Betrieben!

    (Zuruf der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])

    — Frau Kollegin Unruh, es gibt 400 000 bis 500 000 Mitarbeiter in kleinen und mittleren Betrieben der DDR.
    Wir alle wissen doch: In den Kombinaten, die ineffizient sind, die etwa die Hälfte der Produktivität vergleichbarer Betriebe in der Bundesrepublik haben, werden in den kommenden Monaten und Jahren dringende Rationalisierungsmaßnahmen stattfinden müssen. Dann werden auch Mitarbeiter freigesetzt. Wenn man die Frage stellt: Wohin sollen denn die Menschen gehen?, dann sage ich: Am ehesten haben sie eine Chance in einem produktiven, sich belebenden, von uns ermutigten Mittelstand in der DDR.
    Deswegen ist es auch wichtig, daß unsere kleinen und mittleren Betriebe in Handwerk, Handel und Gewerbe nicht länger behindert werden rüberzugehen.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Sie sind ja bereit dazu!)

    Gott sei Dank fällt jetzt endlich die 49-%-Grenze. Hoffentlich fällt sie auch im Gesetz der Regierung in Ost-Berlin; denn das Joint-venture, das Gemeinschaftsunternehmen des Bauhandwerkers bei uns und des Bauhandwerkers in der DDR kann beispielsweise helfen, damit die Bausubstanz in den vielen Gemeinden und Städten der DDR, wo sie verfallen ist, erneuert wird. Oder das Gemeinschaftsunternehmen des Händlers in der Bundesrepublik und des Händlers in der DDR, der bereit ist, selbständig zu werden, kann helfen, die Lebensmittelversorgung in der DDR beispielsweise auch mit Gemüse, mit Obst zu verbessern. Oder das Gemeinschaftsunternehmen für Baumärkte, Heimwerkermärkte, das jetzt im April und Mai in verschiedenen Städten der DDR geschaffen werden soll, kann helfen, die Lage dort zu verbessern.
    Privates Investitionskapital, meine Kollegen von der SPD, muß fließen, damit Menschen bleiben können. Kapital muß zu den Menschen wandern, d. h. Menschen dürfen nicht angezogen werden vom Kapi-



    Wissmann
    tal in der Bundesrepublik. Dafür müssen die Voraussetzungen geschaffen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: Haha! — Schreiner [SPD]: Sprücheklopfer! — Weitere Zurufe von der SPD und der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])

    Meine Damen und Herren von der SPD und von den GRÜNEN, ich will es klar sagen: Was die Menschen in der DDR von uns erwarten, ist die Beseitigung alles dessen, was drüben noch an Hindernissen besteht, und dann, Herr Kollege Roth, die engagierte Hilfe durch uns. Deswegen öffnen wir das Eigenkapitalhilfeprogramm für die DDR. Deswegen öffnen wir das ERP-Sondervermögen, also die Existenzgründungshilfen für Selbständige in der DDR.

    (Dr. Jens [SPD]: Dann sollten Sie einen Antrag stellen!)

    Ein letzter Punkt. Wenn Sie in grünen und SPD-Reihen endlich klar werden in Sachen Soziale Marktwirtschaft, wenn Sie in Ihrem politischen Kurs klar werden, dann helfen Sie mit, daß die Veränderung in ganz Deutschland Platz greifen kann. Wir brauchen hier einen klaren Kompaß der Sozialen Marktwirtschaft für unsere eigene Wirtschaftspolitik, und wir brauchen drüben die Wende zu einer wirklichen Sozialen Marktwirtschaft.
    Ludwig Erhard ist lebendiger denn je. Meine Damen und Herren von der SPD und den GRÜNEN, Sie können es wenden, wie Sie wollen: Karl Marx ist tot, überall in Europa und hoffentlich bald auch in Ihren eigenen Reihen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Stratmann.

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    Rede von Eckhard Stratmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Liebe Mitbürgerinnen! Liebe Mitbürger!

    (Kraus [CDU/CSU]: Warum nicht „Genossen"?)

    Bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts vor wenigen Tagen hat sich Wirtschaftsminister Haussmann in der Pose des Triumphators dargestellt.

    (Oh-Rufe von der FDP und der CDU/CSU — Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: Eher als Meßdiener mit Weihrauchfaß! — Weiterer Zuruf von der SPD: Das schafft er nicht!)

    Er behauptet, der Jahreswirtschaftsbericht sei die Bilanz der wirtschaftlichen Entwicklung seit Ende 1982. Sie sei durch stetiges Wachstum mit kräftigem Beschäftigungsanstieg bei Preisstabilität gekennzeichnet. Auf der Basis dieser Bilanz feiern Sie, Herr Haussmann, die Soziale Marktwirtschaft als den Weg, die Herausforderungen der 90er Jahre zu bewältigen.

    (Rauen [CDU/CSU]: So ist es!)

    Und Sie preisen die Soziale Marktwirtschaft — Herr Wissmann hat das gerade ebenfalls getan — als den dritten Weg zwischen dem real zerbrechenden Sozialismus und dem Kapitalismus.
    Ich widerspreche Ihnen in jeder Hinsicht.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP] : Begründen können werden Sie das nicht!)

    Die sogenannte Soziale Marktwirtschaft ist nicht der dritte Weg. Sie ist nicht in der Lage, die Herausforderungen der 90er Jahre zu bewältigen, so wie sie auch die Herausforderungen der 80er Jahre nicht zu bewältigen vermochte.

    (Rauen [CDU/CSU]: Na, na!)

    Und, Herr Haussmann: Ihr Jahreswirtschaftsbericht ist keine Bilanz. Ich bezichtige Sie vielmehr der Bilanzverfälschung,

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Sie haben noch nie in Ihrem Leben eine Bilanz gemacht und reden hier über Bilanzen! — Rauen [CDU/CSU]: Witzbold!)

    weil Sie die Passivseite der wirtschaftlichen Entwicklung seit 1982 systematisch unterschlagen. Ihre Bilanz seit 1982 müßte die Überschrift tragen: Stetiges Wachstum mit kräftig steigender Umweltzerstörung, mit stabiler Massenerwerbslosigkeit bei zunehmender Armut.

    (Frau Saibold [GRÜNE]: So ist es!)

    Deshalb straft die bei uns herrschende Marktwirtschaft den Anspruch, sozial zu sein, offenkundig Lüge. Diese Lüge kann sich auf ihren kurzen Beinen halten, weil sich die scheinbare Alternative, der real existierende Sozialismus, vor aller Augen blamiert hat. Wir GRÜNEN weinen dieser diktatorischen, bürokratischen, ineffektiven und umweltzerstörerischen Wirtschaftsordnung keine Träne nach.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Sie suchen schon den vierten Weg!)

    Im Gegenteil: Eine komplexe Wirtschaft kann ohne einen entwickelten Marktmechanismus nicht effektiv gesteuert werden. Aber die kapitalistische Ausprägung der Marktwirtschaft, wie wir sie hier in der Bundesrepublik haben, hat entscheidende Funktionsfehler. Ihr innerer Zwang zum Wachstum zerstört unsere Lebensgrundlagen. Ihr Charaktermerkmal sind zyklische Wirtschaftskrisen, hohe Erwerbslosigkeit und Armut. Und auch sie funktioniert zutiefst undemokratisch. Vor den Werkstoren hört die Demokratie auf. Großkonzerne schnüren den Gestaltungsspielraum der demokratisch gewählten politischen Institutionen zunehmend ein.
    Der sogenannten Sozialen Marktwirtschaft, Herr Haussmann und Herr Wissmann, erwächst daher gerade nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus eine neue Konkurrenz:

    (Rauen [CDU/CSU]: Was ist denn Ihr Weg? Erzählen Sie einmal, ich bin gespannt!)

    die Aussicht darauf, wie es anders und besser sein könnte, ohne daß diese ökologische und demokratische Alternative, mit dem Finger auf den real versagenden Sozialismus zeigend, länger diffamiert werden könnte. Unsere grüne Alternative zur sogenann-



    Stratmann
    ten Sozialen Marktwirtschaft ist die ökologische Wirtschaftsdemokratie.

    (Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Ja, Selbstverwaltung! — Kittelmann [CDU/ CSU]: Das ist doch eine Phrase! — Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Der vierte oder der fünfte Weg?)

    Ich möchte unsere Kritik und unsere Alternativen in drei zentralen Bereichen skizzieren.
    Erster Bereich: Das Verhältnis von Ökologie und Wachstum. Herr Haussmann, Sie heben mit stolz-geschwellter Brust das Wachstum des Bruttosozialprodukts von 4,3 % im Jahre 1989 hervor und prognostizieren für 1990 ein Wachstum um die 3%. Was Sie im Jahreswirtschaftsbericht weiterhin systematisch verschweigen — obwohl die öffentliche Debatte, auch die Debatte im Wirtschaftsausschuß, darüber längst begonnen hat — , ist, daß noch schneller als das Bruttosozialprodukt die mit dem Produktionswachstum einhergehende Umweltzerstörung ansteigt, prozentual sogar noch mehr steigt. Der Grad des Anstiegs des Wachstums der Umweltzerstörung ist höher als die Zuwachsrate beim Bruttosozialprodukt — und das von Jahr zu Jahr.

    (Frau Unruh [fraktionslos]: Das muß man ja hinnehmen, daß das so ist!)

    Diesem Problem der dem Wachstum immanenten Umweltzerstörung wenden Sie sich an keiner Stelle zu.
    Ich bedauere das um so mehr, als wir im Wirtschaftsausschuß eine alle Fraktionen übergreifende Initiative gestartet haben — Herr Roth hat schon darauf Bezug genommen — , wo wir den zunehmenden gesamtwirtschaftlichen Folgeschäden des Wirtschaftswachstums unsere Aufmerksamkeit widmen. Wir haben dazu im Mai letzten Jahres eine Anhörung des Wirtschaftsausschusses gehabt. Diese Anhörung des Wirtschaftsausschusses hat u. a. beim Statistischen Bundesamt Erhebliches in Bewegung gesetzt. Das Statistische Bundesamt hat im Herbst letzten Jahres gesagt, daß es noch im Sommer 1990 eine umweltökonomische Gesamtrechnung in Ansätzen vorlegen wolle und daß dieses Instrument der umweltökonomischen Gesamtrechnung in zwei bis drei Jahren als Basis auch der Wirtschaftspolitik zugrunde gelegt werden könne. Wir haben in der Unterarbeitsgruppe des Wirtschaftsausschusses unter Einschluß aller Fraktionen, auch der FDP, Konsens darüber erzielt, daß die Bundesregierung durch eine Änderung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes sowie des Gesetzes über die Bildung des Sachverständigenrats aufgefordert werden solle, dafür Sorge zu tragen, daß jährlich auf der Grundlage umweltökonomischer statistischer Erhebungen ein Bericht über die ökologischen und sozialen Folgeschäden des Wachstums vorgelegt wird.
    Herr Lambsdorff, wie ich höre, gibt es u. a. bei Ihnen Bedenken gegen dieses Instrument. Mir persönlich liegt sehr an dieser Initiative und auch daran, daß wir mit allen Fraktionen gemeinsam, auch der FDP, eine solche Initiative starten können. Eine gemeinsame Initiative in diesem zentralen Bereich ist wesentlich
    wichtiger als die parteipolitische Profilierung irgendeiner Fraktion, auch von uns GRÜNEN.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD sowie der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])

    Deswegen ist mir die Gemeinsamkeit wichtig. Ich wäre Ihnen deswegen dankbar, Herr Lambsdorff, wenn Sie in Ihrem Redebeitrag Ihre Einwände vorbringen könnten, damit wir uns gemeinsam und auch öffentlich damit auseinandersetzen können.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Er wird Wichtigeres zu tun haben!)

    Wir GRÜNEN haben über diese gemeinsame interfraktionelle Initiative hinaus einen Gesetzentwurf zur Streichung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes in Arbeit. Dieser Torso an Gesetz aus dem Jahre 1967 schreibt als wirtschaftpolitisches Ziel das Wachstum vor und beherrscht damit nach wie vor die Ideologie der herrschenden Wirtschaftspolitik. Wir halten es aus den genannten Gründen für notwendig, das Wachstum aus dem wirtschaftspolitischen Zielkatalog zu streichen und arbeiten derzeit an dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung einer umwelt- und sozialverträglichen Wirtschaftsweise.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Ohne Wachstum?)

    Das Wachstum muß aus dem Zielkatalog gestrichen werden.

    (Lennartz [SPD] : Ohne Wachstum?)

    Zentrale Zielorientierung muß sein, daß die Wirtschaftsweise ökologischen Zielen dient — das interessiert die Bevölkerung —, daß sie sozialen Zielen dient, daß Verteilungsgerechtigkeit erreicht wird, daß sinnvolle Arbeit für alle gewährleistet wird.

    (Rauen [CDU/CSU]: Und das ohne Wachstum?)

    Wenn diese Ziele bei Wirtschaftswachstum erreicht werden können, sperren wir uns nicht aus dogmatischen Gründen gegen Wirtschaftswachstum. Wenn sich aber zeigt, daß z. B. das ökologische Ziel in mehreren Jahren nur bei Schrumpfung absolut umweltzerstörerischer Branchen möglich ist, z. B. Teilen der Chemiebranche, die zum Teil — ich sage das nicht pauschal — eine Giftbranche ist, Teilen der Automobilbranche, Ersetzung der Atomkraftwerksbranche durch den Aufbau von Kapazitäten zur alternativen Produktion von Energie, dann sagen wir: Die Ökologie ist wichtiger als das Wirtschaftswachstum. Das ist auch eine Herausforderung für Sie.