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ID1119201600

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    Plenarprotokoll 11/192 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 192. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. Januar 1990 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Haar 14779 A Nachträgliche Überweisung eines Gesetzentwurfs — Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz — an den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 14779 A Tagesordnungspunkt 11: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahreswirtschaftsbericht 1990 der Bundesregierung (Drucksache 11/6278) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Sondergutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit dem Titel: „Zur Unterstützung der Wirtschaftsreform in der DDR; Voraussetzungen und Möglichkeiten" (Drucksache 11/6301) Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 14779C Roth SPD 14783 C Hinsken CDU/CSU 14784 B Hoss GRÜNE 14784 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 14784 D Wissmann CDU/CSU 14788 B Frau Unruh fraktionslos 14789 A Müller (Pleisweiler) SPD 14790 A Stratmann GRÜNE 14791 B Kittelmann CDU/CSU 14792 D Frau Unruh fraktionslos 14793 C Dr. Sperling SPD 14795 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 14796 A Menzel SPD 14796 B Dr. Sperling SPD 14797 A Schreiner SPD 14797 B Reuschenbach SPD 14798 A Stratmann GRÜNE 14798 A Frau Dr. Skarpelis-Sperk SPD 14802 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 14804 D Stratmann GRÜNE 14805 A Schreiner SPD 14806C, 14807 C Müller (Wadern) CDU/CSU 14807 A Schäfer (Offenburg) SPD 14809 C Frau Vennegerts GRÜNE 14810 C Hauser (Krefeld) CDU/CSU 14812 A Frau Saibold GRÜNE 14814 D Hinsken CDU/CSU 14816A Dr. Briefs GRÜNE 14817 A Dr. Jens SPD 14819 B Kittelmann CDU/CSU 14821 D Schreiner SPD 14823 A Müller (Wadern) CDU/CSU 14823 D Dr. Briefs GRÜNE 14824 D Rossmanith CDU/CSU 14825 C Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU . . . 14826 D Vizepräsidentin Renger 14828 C Nächste Sitzung 14828 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14829* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 14829* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Januar 1990 14379 192. Sitzung Bonn, den 26. Januar 1990 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 26. 01. 90 * Andres SPD 26. 01. 90 Frau Becker-Inglau SPD 26. 01. 90 Frau Conrad SPD 26. 01. 90 Dr. Ehrenberg SPD 26. 01. 90 Frau Eid GRÜNE 26. 01. 90 Eylmann CDU/CSU 26. 01. 90 Gallus FDP 26. 01. 90 Gattermann FDP 26. 01. 90 Dr. Geißler CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. von Geldern CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Götz CDU/CSU 26. 01. 90 Grünbeck FDP 26. 01. 90 Frau Dr. Hartenstein SPD 26. 01. 90 Hasenfratz SPD 26. 01. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Hämmerle SPD 26. 01. 90 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 26. 01. 90 Heimann SPD 26. 01. 90 Heistermann SPD 26. 01. 90 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Hensel GRÜNE 26. 01. 90 Hiller (Lübeck) SPD 26. 01. 90 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Hoyer FDP 26. 01. 90 Jung (Limburg) CDU/CSU 26. 01. 90 Jungmann (Wittmoldt) SPD 26. 01. 90 Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Kastner SPD 26. 01. 90 Klein (München) CDU/CSU 26. 01. 90 Kolbow SPD 26. 01. 90 Kretkowski SPD 26. 01. 90 Lattmann CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 26. 01. 90 Louven CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Mahlo CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Mechtersheimer GRÜNE 26. 01. 90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 26. 01. 90 Dr. Müller CDU/CSU 26. 01. 90 * Nagel SPD 26. 01. 90 Petersen CDU/CSU 26. 01. 90 ** Dr. Pfennig CDU/CSU 26. 01. 90 Schanz SPD 26. 01. 90 Dr. Scheer SPD 26. 01. 90 Scherrer SPD 26. 01. 90 Frau Schilling GRÜNE 26. 01. 90 Schluckebier SPD 26. 01. 90 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 26. 01. 90 Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Schmude SPD 26. 01. 90 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Schoppe GRÜNE 26. 01. 90 Frhr. von Schorlemer CDU/CSU 26. 01. 90 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Schreiber CDU/CSU 26. 01. 90 Schröer (Mülheim) SPD 26. 01. 90 Seiters CDU/CSU 26. 01. 90 Sieler (Amberg) SPD 26. 01. 90 Dr. Sprung CDU/CSU 26. 01. 90 Straßmeir CDU/CSU 26. 01. 90 Dr. Struck SPD 26. 01. 90 Toetemeyer SPD 26. 01. 90 Frau Trenz GRÜNE 26. 01. 90 Frau Walz FDP 26. 01. 90 Weisskirchen (Wiesloch) SPD 26. 01. 90 Weiß (Kaiserslautern) CDU/CSU 26. 01. 90 Frau Will-Feld CDU/CSU 26. 01. 90 Wischnewski SPD 26. 01. 90 Würtz SPD 26. 01. 90 Zeitler SPD 26. 01. 90 Dr. Zimmermann CDU/CSU 26. 01. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Innenausschuß Drucksache 11/4991 Drucksache 11/5507 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/4227 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 11/4451 Nr. 2.1 Finanzausschuß Drucksache 11/5277 Nr. 2.1 Haushaltsausschuß Drucksache 11/5642 Nr. 3.2 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/5642 Nr. 3.20 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/3117 Nr. 2.11 Drucksache 11/4405 Nr. 3.6, 3.7 Drucksache 11/4758 Nr. 2.30 Drucksache 11/5051 Nr. 39 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/2724 Nr. 35
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Graf Lambsdorff, ich kenne Ihre Vorzüge und Nachteile so gut, daß ich nicht beleidigt bin, wenn er Sie mit mir verwechselt.

    (Heiterkeit)

    Meine Damen und Herren, ich meine, es geht jetzt um konkrete und direkte Hilfe. Jetzt geht es auch



    Roth
    darum, daß Chancen eröffnet werden. Ich bin deshalb sehr froh, daß das in der Wirtschaft zum Teil erkannt wird. Der Vorstandsvorsitzende von VW, Hahn, hat öffentlich erklärt, er sei auch nicht zufrieden mit den gesetzlichen Grundlagen für eine Beteiligung bis zu 49 %, die Modrow bzw. Frau Luft jetzt schaffen wollten, aber er gehe über dieses Übergangsproblem jetzt hinweg und entscheide sich für eine Investition in Höhe von etwa 4 Milliarden DM in der DDR zur Produktion von 240 000 Automobilen in dem Gemeinschaftsunternehmen zwischen VW und dem DDR-Partner. Das heißt: VW geht in einer schwierigen Zeit voll ins Risiko. Ich muß sagen, ich habe Respekt vor dem Vorstand von VW, daß er dieses Signal gesetzt hat. Es ist gerade im Automobilsektor ein richtiges Signal.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir wissen doch, auf welchen Gebieten Notwendigkeit zum Handeln besteht. Ich nenne beispielsweise den Bereich der Währung. Herr Bundeswirtschaftsminister, es ist zutreffend: Eine Währungsunion kann man nicht erreichen, indem man einen Schalter umlegt, aber man kann erste konkrete Schritte machen. Auch die SPD in der DDR fordert beispielsweise, relativ schnell feste Wechselkurse zu erreichen. Feste Wechselkurse haben Sie in einem Fall, nämlich beim Umtausch für die Reisekasse, in kleinem Umfang ja schon eingeführt. Ich bin der Meinung, daß Sicherheit bei der Kalkulation von Exporten in der DDR jetzt genauso notwendig ist wie unsere Sicherheit damals in der Zeit des Wiederaufbaus durch den festen Wechselkurs zwischen D-Mark und Dollar. Die DDR kann Investitionen und Aktivitäten für den Export nur vornehmen, wenn sie über klare kalkulatorische Grundlagen verfügt.
    Ich bin übrigens froh, daß sich inzwischen Tyll Nekker, der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, dieser Auffassung, die ich seit Dezember in diesem Hause mehrfach wiederholt habe, angeschlossen hat. Das ist ein Fortschritt. Aber wirken Sie mit uns zusammen auf die Bundesbank ein, daß sie bereit ist, hier einen Teil Verantwortung zu übernehmen!
    Ich sage diese Dinge ja nicht, um Ihnen nun Vorwürfe zu machen, sondern wirklich aus einer großen Sorge heraus, denn ich glaube, daß der Übersiedlerstrom nur so gestoppt werden kann.
    Übrigens sieht ja die Debatte gegen Oskar Lafontaine, die Sie angezettelt haben, zur Zeit ganz anders aus als vor einigen Wochen. Damals sah es ja so aus, als ob es Ihnen gelänge, hier jemanden zu diffamieren, der aus einer großen Sorge heraus die richtige Diskussion begonnen hat.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Heute haben wir übereinstimmend erkannt, daß Sonderhilfen für Übersiedler nicht mehr akzeptabel sind, weil Berufswechsel und Arbeitsplatzwechsel für den Staat kein Förderungstatbestand sind.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Aber Asylanten rein!)

    Das ist inzwischen akzeptiert. Was Sie noch nicht akzeptiert haben, sind direkte Einzelmaßnahmen.
    Ich mache jetzt Vorschläge.
    Erstens. Mit Sofortmaßnahmen muß der Teilzusammenbruch der DDR-Industrie verhindert werden. Man braucht dort jetzt unbürokratisch Ersatzteillieferungen im Produktionsbereich, im Baubereich, teilweise auch in der Energieversorgung. Hier könnte zum Teil natürlich die Wirtschaft einspringen, aber es gibt immer Bereiche, in denen das Privatrisiko noch zu groß ist, um das zu finanzieren.
    Zweitens. Wir sollten jetzt direkt einige Großinvestitionen im Bereich der Infrastruktur beginnen, beispielsweise im Verkehrsbereich, beispielsweise im Eisenbahnnetz. Ich weiß nicht, wer von Ihnen in „Panorama" den Bericht über den Zerfall der Reichsbahn gesehen hat. Auch Verbesserungen im Telefonnetz müßten jetzt finanziert werden.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Das läuft doch!)

    Drittens. Ein besonders weites Feld bieten die Stadterneuerung und die Erhaltung der Wohnsubstanz.

    (Bohl [CDU/CSU]: Das hättet ihr 1987 sagen sollen, als ihr euer Strategiepapier gemacht habt!)

    Eine besondere Ursache für die Bewegung der DDR-Bürger ist die schlechte Wohnsituation. Lassen Sie uns da in einer Zusammenarbeit zwischen Bauwirtschaft und öffentlicher Hand schnell helfen!
    Viertens. Ein besonders schlimmes Kapitel in der DDR ist die ökologische Zerstörung. Wenn wir in die ökologische Sanierung investieren, sind das Maßnahmen, die nicht nur den DDR-Bürgern helfen, sondern auf Grund der Umweltsituation natürlich auch unseren Bürgern. Wir sollten jetzt jenseits der begonnenen Pilotprojekte Aktivitäten beginnen.
    Fünftens. Wir müßten in einem Zusammenspiel zwischen Staat und privater Wirtschaft Qualifikationsmaßnahmen in der DDR in großem Umfang beginnen. Wir reden immer über den Übergang von der Kommandowirtschaft zur Marktwirtschaft. Dort gibt es keine Rechnungsgrundlagen, dort gibt es keine hinreichende Bilanzierung für eine Marktwirtschaft. Also müssen wir schnell Hilfen geben, um diesen Übergangsprozeß in der DDR zu unterstützen und mitzutragen. Machen Sie doch auf diesem Gebiet mit; die Wirtschaft hat schon begonnen.
    Sechstens. Ein entscheidendes Zeichen, das Hoffnung geben könnte, sind Hilfen zur Gründung von Privatunternehmen in der DDR. Ich bin froh, daß jetzt endgültig dieses Existenzgründungsprogramm in Gang gesetzt wird. Ich hoffe auch, daß es unbürokratisch läuft. Wir unterstützen dieses Programm.
    Ich stehe sicher ebenso wie ein paar Kollegen aus der Union und der FDP unter dem Eindruck der abendlichen Diskussion bei der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer am Montagabend im Presseclub hier in Bonn. Dort waren die beiden Vorsitzenden und der Geschäftsführer des neugegründeten Unternehmerverbands der DDR anwesend. Der Vorsitzende dieses Verbands, der liebenswürdigerweise nicht nur ausführte, daß er bei der nächsten Wahl die SPD in der DDR unterstützen werde, sondern der vor allem inhaltlich sehr viel Subtantielles beige-



    Roth
    tragen hat, hat folgendes gesagt: Im Grunde dürfen wir zur Zeit keine Investitionen tätigen, weil uns der bürokratische Staat noch behindert. Im Grunde muß ich meine Leute schlechter bezahlen, als ich das eigentlich will, und schlechter bezahlen, als notwendig wäre, um eine Bewegung in den Betrieb zu bringen. Was mache ich? Ich warte nicht auf die Verordnungen des Hauses Modrow, sondern fange jetzt an. Die sollen mir dann die Volkspolizei ins Haus schicken; das werde ich schon durchstehen.
    Etwa so war seine Position. Ich finde, von diesem Geist müßte mehr in die politische Debatte der Bundesrepublik statt zögern, hinhalten, abwarten, was ich immer noch beobachte.

    (Beifall bei der SPD)

    Das bedeutet, daß man auch Finanzmittel in die DDR bringen muß. Ich glaube, es wird für uns auf die Dauer viel billiger, wenn wir aus unserem Budget diese umfassenden Infrastrukturhilfen geben, statt die Übersiedlerwellen bei uns im Wohnungsbau, bei der Arbeitslosigkeit usw. zu finanzieren. Sie kennen ja die Probleme.
    Im Nachtragshaushalt von Herrn Waigel stehen insgesamt 3 Milliarden DM für Hilfen, die mit der DDR zu tun haben.

    (Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: Lächerlich! )

    Das sind 0,15 % oder ein Siebenhundertstel des Bruttosozialprodukts. Diese 3 Milliarden DM werden zum überwiegenden Teil, nämlich in Höhe von fast 2 Milliarden DM, für den Devisenreisefonds verwendet. 1 Milliarde DM oder ein Zweitausendstel des Bruttosozialprodukts bleiben für Infrastrukturmaßnahmen in der DDR im Jahre 1990 übrig.
    Meine Damen und Herren, diese Dimension zeigt die ganze Absurdität des Herangehens an die Probleme in der DDR zum jetzigen Zeitpunkt.

    (Beifall bei der SPD — Zustimmung des Abg. Stratmann [GRÜNE])

    Wenn ich das mit dem gegenüber 1989 steigenden Verteidigungsetat im Jahre 1990 vergleiche, kann ich das nur noch eine verantwortungslose Haushalts-, Budget- und Gesamtpolitik der Bundesregierung nennen.
    Meine Damen und Herren, in der Währungsfrage müssen wir auch vorankommen. Auch das hat mit Signalen der Hoffnung zu tun. Ein Währungsverbund ist als Ziel unbestritten und muß kommen. Wir müssen auch den DDR-Verantwortlichen klar sagen, auch denjenigen, die künftig Verantwortung tragen, daß in der Währungsfrage die DDR ihre Autonomie verloren hat und auf Grund der Währungsstrukturen in Europa nicht mehr wiedergewinnen wird. Wieviel Autonomie haben wir im Vergleich zu den anderen? — Auch das ist sehr beschränkt. Aber wenn sie das akzeptieren, müssen wir um so mehr helfen, daß sich das dann schnell in eine stabile Situation bewegt.
    Meine Damen und Herren, Herr Haussmann hat heute wieder gesagt: Wir leben in einer sehr positiven wirtschaftlichen Entwicklung. Manchmal haben Sie sogar von einem Superboom geredet. Ich will überhaupt nicht bestreiten, daß wir eine wirtschaftliche Entwicklung haben, die in den letzten beiden Jahren positiver ausgefallen ist, als die meisten nach dem Börsencrash 1987 erwartet haben.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Die richtige Politik!)

    Darüber sind wir froh, und darüber können wir auch froh sein.
    Ich wundere mich nur, warum dann trotz dieser sehr positiven Entwicklung die wirklichen strukturellen Probleme in der Bundesrepublik nicht angegangen werden.
    Punkt eins: Die Einkommensverteilung wird jetzt Jahr für Jahr und Monat für Monat wieder ungerechter. Die Lohnquote ist die niedrigste seit dem Jahre 1960. Die Arbeitslosigkeit bleibt trotz Superboom stabil bei 2 Millionen. Die ökologische Erneuerung und die Umweltverbesserung im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Investitionsentscheidungen kommt nicht voran. Es gibt neue ökologische Probleme, die Tag für Tag dramatischer werden; z. B. das Verkehrschaos in der Bundesrepublik Deutschland. Die katastrophale Lage auf dem Wohnungsmarkt wird verharmlost. Es reichen die Mittel nicht zur Lösung des Wohnungsproblems, obgleich Sie dauernd sagen, die Wirtschaft läuft ganz enorm. Der Konzentrationsprozeß hat eine unglaubliche Geschwindigkeit erreicht.
    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat den Blick für die soziale Symmetrie in unserem Land längst verloren.

    (Frau Teubner [GRÜNE]: Hatte sie die überhaupt?)

    Daß Sie, Herr Haussmann, heute wieder Mahnungen in Richtung auf die Gewerkschaften, und zwar nur auf die Gewerkschaften, richten, hat jedenfalls nichts mit der Wirklichkeit der Verteilungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland zu tun.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Unternehmereinkommen sind praktisch explodiert, und zur Zeit ist es sogar so, daß der BDI freundlichere Worte zu den Gewerkschaften findet als der Bundeswirtschaftsminister.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Das ist in den letzten Wochen mehrfach geschehen.

    (Bohl [CDU/CSU]: Na! Na! Na! Denken Sie einmal an den Herrn Otto von Co op!)

    Konkret fällt Ihnen zur Arbeitslosigkeit nur ein, das Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit einzuschränken oder gar aufzuheben. Ich glaube, daß das der falsche Weg ist. Die Bundesanstalt für Arbeit hat sich bewährt.
    Heute haben Sie nun erneut in den Tarifkonflikt eingegriffen. Meine Meinung ist, daß die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland höher wäre, wenn wir nicht in den letzten Jahren Arbeitszeitverkürzungen gehabt hätten. Meine Meinung ist sogar, daß unsere Exportsituation ohne Arbeitszeitverkür-



    Roth
    zung schlechter wäre. Denn es war auch ein Anreiz zu Produktivitäts- und Leistungssteigerung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Arbeit besteht aus Arbeit und nicht aus Nichtstun!)

    Meine Meinung ist, daß im Grunde die Möglichkeit eines Kompromisses zwischen den Tarifpartnern da ist; auf der einen Seite gibt es sicherlich ein Ja zur Arbeitszeitverkürzung, und auf der anderen Seite gibt es sicherlich auch ein Ja zu mehr Flexibilität und zu mehr Beweglichkeit in der Arbeitszeit.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Da sind wir einer Meinung!)

    Das letztere gilt auch deshalb, meine Damen und Herren, weil die Arbeitnehmer es ja selbst wünschen. Wir kennen sehr viele, die es wollen und die ja sagen zur flexibleren Arbeitszeit. Diese Menschen sagen: Dann kann ich meine berufliche Situation mit meiner gesellschaftlichen und meiner familiären Situation besser in Einklang bringen. Ich glaube, an der Ecke hätte ein Wirtschaftsminister die Aufgabe, zum Kompromiß und für den Kompromiß zu werben, statt die Gewerkschaften in die Ecke zu stellen und wieder von „dumm", „töricht" und „absurd", wenn auch in anderen Worten, anzufangen.

    (Beifall bei der SPD)

    Das war schon 1984 falsch und ist diesmal genauso falsch.
    Wir wissen, daß wir Qualifikationsprobleme in der Bundesrepublik haben und daß insofern unbestreitbar Arbeitszeitverkürzung auch Probleme aufwirft, weil natürlich manche Arbeit im Überschuß vorhanden ist, andere Arbeit, Angebote, Qualifikationen knapp sind. Wenn ich dann weiß, daß die Tarifpartner wahrscheinlich in irgendeiner Zeit dieses Jahres zu einem Kompromiß über Arbeitszeitverkürzung kommen werden — davon gehe ich jedenfalls aus, daß ein Kompromiß in der Richtung kommt — , würde ich als Wirtschaftsminister, statt mich in den Tarifkonflikt einzumischen, die Qualifikationsanstrengungen des Bundes und der Länder und aller Beteiligten verstärken, statt zu akzeptieren, daß gerade im Qualifikationsbereich im letzten Jahr noch gestrichen worden ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist die Alternative, die wir zu dieser Tarifdiskussion vorschlagen.
    Ich hätte mir auch gewünscht, daß der Bundeswirtschaftsminister etwas Konkreteres zur Regionalpolitik sagt, und zwar unter zwei Aspekten. Selbst die Zögerndsten werden ja irgendwann akzeptieren, daß wir abrüsten müssen und dürfen. Ich sage mal „dürfen". Ich glaube, daß wir irgendwann dann tatsächlich die 240 000 Soll-Stärke der Bundeswehr erreichen, die jetzt in die Diskussion gekommen ist. Wir unterstützen das. Aber das wirft natürlich in Rheinland-Pfalz, in anderen Regionen der Bundesrepublik regionale Probleme auf, weil viel Beschäftigung im militärnahen Bereich vorhanden war. Ich bin für Abrüstung, aber ich bin dann gleichzeitig dafür, daß man diesen Regionen konkret durch eine neue Regionalpolitik
    hilft, daß dort die ausfallenden Arbeitsplätze ersetzt werden. — Kein Wort zu diesem Thema!

    (Beifall bei der SPD — Hinsken [CDU/CSU]: Das wird er sicherlich machen!)

    Der andere Aspekte, regional gesehen: Wir reden immer noch über die Zonenrandförderung. Ich glaube, dort muß man völlig neue Gedanken entwikkeln. In diesem Zonenrand braucht man natürlich eine besonders schnelle Förderung zur Wiederherstellung der grenzübergreifenden Infrastruktur. Bahn, Straßen, vieles ist unterbrochen, was zusammengehört. Dort braucht man viele Infrastrukturinvestitionen. Aber ich glaube nicht, daß wir heute noch irgendwelche Subventionen bei privaten Investitionen brauchen. Wir müssen da also umdenken. Ich bitte auch die Kollegen aus diesen Bereichen, mitzuhelfen, daß wir diese Schwerpunktverlagerung gemeinsam tragen. Dann ist das einfacher, als wenn sich jeder neben den anderen stellt und jeweils jede Einzelmaßnahme sinnioserweise verteidigt.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Dann müssen Sie auch die Sozialdemokraten in Hamburg einbeziehen!)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum letzten Punkt kommen, was die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung anbetrifft. Wir mahnen seit Jahren an, Umweltpolitik und Wirtschaftspolitik nicht nur zu versöhnen, sondern ineinander zu verzahnen, völlig abzustimmen. Dazu haben wir erfreulicherweise von einigen Kollegen aus dem Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages Initiativen gehabt. Professor Biedenkopf gehört dazu, Herr Stratmann gehört dazu und Herr Sperling.

    (Stratmann [GRÜNE]: Frau Saibold auch!) — Das wußte ich nicht. Vielen Dank.

    Die Grundidee ist: Sie sagen, mit der Meßziffer Bruttosozialprodukt, die ja nur das Wachstum und nicht die Qualität mißt, haben wir keine hinlängliche Grundlage für die Orientierung unserer Wirtschaftspolitik. Es ist nun einmal wahr: Nicht immer ist mehr auch besser, und nicht immer ist mehr auch lebenswerter. Wie Wachstumsprozesse heute auf das Wohlbefinden der Menschen wirken, ist sehr differenziert zu sehen. Wir sehen es ja beim Übermaß der Autonutzung, daß dann Wachstum plötzlich zur Absurdität wird und das eigentlich hervorragende Mobilitätsinstrument Auto zu einem Instrument der Unbeweglichkeit wird. Aus dem „Fahrzeug" wird das „Stehzeug".
    Es gibt hier also dramatische Probleme, da Quantität nicht gleichzeitig Qualität ist. Ich fände eigentlich, daß wir in der Wirtschaftspolitik diesen Umdenkungsprozeß unterstützen müssen. Wir müssen unterstützen, daß das Statistische Bundesamt nun neue Meßziffern zu erarbeiten versucht. Ich bin den Kollegen dankbar, die an einem Gesetzesvorschlag gearbeitet haben, der das Wachstums- und Stabilitätsgesetz an dieser Stelle qualitativ erneuern soll. Das ist eine wichtige Aufgabe.
    Aber noch entscheidender ist, daß man eben nicht so platt Wachstumspolitik vertritt, wie der Bundes-



    Roth
    wirtschaftsminister es in der Debatte vorher noch einmal getan hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Es geht doch in der Debatte nicht um die Frage: Nullwachstum — ja oder nein?

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Das haben Sie doch jahrelang gefordert!)

    Das Wachstum eines Sozialprodukts insgesamt besteht aus unendlich vielen Prozessen des Mehr und teilweise auch des Weniger. Es ist notwendig, Schwerpunkte zu setzen und Rahmenbedingungen für die private Wirtschaft zu schaffen, damit sie ihre Investitionsprozesse in eine ökologisch vertretbare Richtung entwickelt. Das ist die Aufgabe der nächsten Jahre.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Wir müssen wegkommen von der globalen Aussage hin zu einer qualitativen Aussage.

    (Bohl [CDU/CSU]: Nur Brandt ist wolkiger!)

    Meine Damen und Herren, die Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland nutzt nach meiner Überzeugung die Chancen dieser Jahre nicht. Die qualitative, die strukturelle Erneuerung der Wirtschaft stünde auf der Tagesordnung, und Sie erfreuen sich am Boom und an nichts als am Boom.
    Ich glaube, es ist gut, daß es im Kollegenkreis in allen Fraktionen immer wieder Leute gibt, die hier in einer anderen Richtung denken und bereit sind, in dieser Phase des wirtschaftlichen Wachstums die qualitative, die umweltorientierte Erneuerung in der Volkswirtschaft in den Mittelpunkt zu stellen. Das wollen wir tun, und das ist, glaube ich, das, was jetzt wirtschaftspolitisch auf der Tagesordnung steht und uns Chancen gibt.
    Vielen Dank für das Zuhören.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Wissmann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Matthias Wissmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Jahreswirtschaftsbericht in seiner erfreulicherweise gestrafften Form ist ein hervorragendes Kursbuch für die heutige und künftige Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung. Er beschreibt, Herr Kollege Roth, ganz präzise unsere Absichten und unsere Schritte zu den großen Herausforderungen, zur Unterstützung des Reformkurses in Mittel- und Osteuropa, zur Schaffung eines europäischen Binnenmarktes, zur weiteren Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt und zu dem zuletzt von Ihnen erwähnten Thema, zur ökologischen Verankerung der Sozialen Marktwirtschaft.
    Herr Kollege Roth, es war erfreulich, daß Sie sich heute das erste Mal in einer Wirtschaftsdebatte der letzten sechs Jahre dazu haben durchringen können, von einer positiven Wirtschaftsentwicklung zu sprechen. Sie haben noch 1988 und 1989 den Zusammenbruch der Konjunktur vorausgesagt.
    Jetzt hätte ich Sie nur noch glaubwürdiger gefunden, wenn Sie einen Schritt weitergegangen wären. Sie haben damals bei Ihren Untergangsprognosen immer gesagt, die Regierung sei an dieser vermuteten negativen Entwicklung schuld. Jetzt wäre es doch schön gewesen, Sie hätten hier gesagt: Daß es besser gekommen ist, ist vor allem den tüchtigen Arbeitnehmern und Unternehmern in der Bundesrepublik, aber eben auch einer vernünftigen Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung zuzuschreiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dann, glaube ich, wären Ihre Aussagen glaubwürdiger gewesen.

    (Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: Was ist mit der internationalen Konjunktur?)

    Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Mit 4 To brachte das Jahr 1989 das stärkste Wirtschaftswachstum seit zehn Jahren. Die „Wirtschaftswoche" spricht z. B. von einem Wachstumswunder.
    Die sich zunehmend verbessernde Ertragslage, günstige Finanzierungsbedingungen, die Auslastung der Kapazitäten mit fast 90 % und das damit verbundene wachsende Vertrauen in die Absatzmöglichkeiten haben dazu geführt, daß die Investitionen der Unternehmen, und zwar nicht nur der großen, sondern auch vieler kleiner und mittlerer Unternehmen, in den letzten beiden Jahren um jeweils rund 10 % expandierten.
    Die Auftragseingänge haben bis in die letzten Tage in den meisten Unternehmen zugenommen. Die Produktion steigt weiter. Die Kapazitätsauslastung nimmt weiter zu.
    Auch 1990 — das ist für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, die zuhören, wichtig — ist mit einem kräftigen Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen um 7 bis 8 % zu rechnen. Bei den Bauinvestitionen wird mit einem Anstieg um 4 bis 5 % gerechnet.
    Meine Damen und Herren, man kann heute sagen, die Investitionsschwäche, die seit Mitte der siebziger Jahre bis in die erste Hälfte der achtziger Jahre hinein anhielt, ist heute überwunden. Das bestätigen ja inzwischen auch internationale Wirtschaftszeitungen.
    Meine Damen und Herren, wenn man heute nach etwas über sieben Jahren eine Bilanz der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung Helmut Kohl zieht, dann kann man sagen: Sie ist die erfolgreichste Regierung in Europa.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Von Ende 1983 bis Ende 1989 — lassen Sie mich das einmal in einer Zahl sagen, die für Millionen Mitbürger wichtig ist — stieg die Zahl der Beschäftigten um über 1,5 Millionen. Als Vergleichszahl: Zwischen 1973 und 1982, also in Ihrer Verantwortungszeit, war die Zahl der Erwerbstätigen um 1,2 Millionen gesunken.
    Ein zweites Beispiel, meine Damen und Herren: 1989 konnte der Bundesfinanzminister die niedrigste Nettokreditaufnahme seit 15 Jahren vorweisen. In den letzten sieben Jahren stiegen die Ausgaben des Bundes um durchschnittlich 2,3 %. Eine Vergleichs-



    Wissmann
    zahl: Von 1970 bis 1982 waren sie jährlich um 8,6 erhöht worden.