Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich freue mich, daß hier eine Debatte zur europäischen Forschungspolitik möglich ist; eine solche haben wir noch nicht sehr oft geführt. Ich freue mich noch mehr, daß wir hier ein sehr großes Maß an Übereinstimmung in den Grundlinien haben — wenn ich einmal von der Rede von Herrn Briefs an dieser Stelle absehe.
Zur Beschreibung der Situation kann ich nur das aufgreifen, was der Kollege Jäger am Anfang hier dargestellt hat. Wir sind in einer Situation, wo das Programm schon beraten worden ist. Was hier an Ergebnissen vom Forschungsausschuß parallel erarbeitet worden ist, haben wir natürlich, soweit es irgend möglich war, in die Verhandlungen eingebracht.
Die ganze Anlage der europäischen Forschungspolitik haben wir seit 1982 sehr konsequent aufgebaut. Wir haben sie in jedem Jahr verstärkt. Weil hier Kritik geäußert wurde, daß das nächste Programm nicht so stark wüchse — Herr Vosen und Herr Catenhusen haben darauf hingewiesen — , möchte ich Zahlen nennen: Die Programme der Europäischen Gemeinschaft haben sich seit 1982 verdreifacht. Sie werden sich Anfang der 90er Jahre verdoppeln. Wir haben die Zahlen bis 1992 endgültig festgelegt und dann eine Revision des Programms vorgesehen. Bis dahin, bis 1992, bleiben wir nur um 7 % unterhalb dessen, was der Forschungsausschuß vorgeschlagen hat.
14646 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 189 Sitzung Bonn, Freitag, den 19. Januar 1990
Bundesminister Dr. Riesenhuber
Dann werden wir neu, auch unter Betrachtung des gesamten EG-Haushalts und seiner Entwicklung, zu beraten haben. Mir scheint dieser Weg strategisch richtig und vernünftig zu sein. Wenn wir darüber reden, müssen wir gleichzeitig sehen, daß europäische Forschungspolitik nicht nur Politik der Europäischen Gemeinschaft ist.
Die Zusammenarbeit in der ESA hat sich in den letzten sieben Jahren verdoppelt. Wir liegen bei Beträgen, die heute absolut höher sind als die in der Europäischen Gemeinschaft. Eureka hat sich mit einer Dynamik entwickelt, die niemand vorhersehen konnte. Genau das, was Herr Catenhusen beschrieb, nämlich auf dem Weg von unten nach oben Forschung zu organisieren und sie nicht von oben her zu dekretieren, ist in Eureka Wirklichkeit. Ich habe schon im Sommer letzten Jahres mit den Kollegen aus der DDR darüber gesprochen, daß wir dies als allgemeines Prinzip zunehmend in die Zusammenarbeit mit der DDR einbringen sollten.
Dazu gehören auch die Projekte der Grundlagenforschung, die großen gemeinsamen Forschungsinstitute, die Forschungsverbände, gemeinsame Projekte, CERN und ILL, der Transschall-Windkanal, die Synchrotron-Strahlungsquelle, die wir in Grenoble errichten. Wir haben also eine ungemein reiche Landschaft.
Dazu gehören auch die bilateralen Projekte. Innerhalb der bilateralen Projekte — dies sage ich nur, weil die regenerativen Energien wieder angesprochen worden sind — haben wir Projekte zu Wohnungen mit Griechenland, zu Wind mit Irland, zu Sonne mit Spanien. Wir haben eine Fülle bilateraler Projekte. Was dieses konkrete EG-Programm anbetrifft, sage ich folgendes. Die Delegation der Bundesrepublik hat mit größtem Nachdruck darauf gedrängt, daß die Programme über regenerative Energien so stark erhöht werden, wie dies innerhalb eines Konsenses möglich ist. Wir gingen sogar so weit, daß wir an anderen Programmen, die wir für wichtig hielten, Abstriche hingenommen haben, um dieses Wachstum, das jetzt erreicht worden ist, zu ermöglichen.
Wir haben zur Struktur der Programme eine Übereinstimmung, die hier in mehreren Reden deutlich geworden ist. Das Prinzip der Subsidiarität, das die Einheitliche Europäische Akte festschreibt, war schon, bevor es hier festgelegt worden war, Prinzip unserer Forschungspolitik in Europa. Denn die Kriterien, die unter deutscher Präsidentschaft Anfang 1983 eingebracht worden waren, sind nichts anderes als Subsidiarität.
Wir haben gesagt: Europäisch soll das geschehen, was national nicht oder nicht sinnvoll geschehen kann: die Entwicklung von neuen Normen und Standards und Infrastrukturen, die technisch begründet werden.
Sie weisen hier auf hochauflösendes Fernsehen hin, Herr Kollege Catenhusen. Das Ziel ist in der Tat, einen gemeinsamen weltweiten Standard zu bekommen. Das erreichen wir aber nur dann, wenn alle sich gemeinsamen Standards öffnen. Nur dadurch, daß wir Technik und Standards europäisch gemeinsam entwickelt haben und gleichzeitig immer erklärt haben, daß wir bereit sind, an gemeinsamen weltweiten Standards mitzuarbeiten, haben wir überhaupt die Situation bekommen, wie sie heute besteht, daß sich die Sowjetunion bereit erklärt hat, sich unseren Standards anzuschließen, daß die Erklärung der Amerikaner, sich japanischen Standards anzuschließen, zurückgenommen wurde, daß also alle gemeinsam verhandeln. Auch hier haben wir eine europäische Strategie gehabt, weil es in gemeinsamen Normen und Standards und Infrastrukturen Grundlagen zu legen gilt für eine Kooperation bei sehr großen Projekten, bei grenzüberschreitenden Aufgaben.
Herr Kollege Vosen, es wurde hier über Umweltschutz gesprochen und darüber, daß dieser hier nicht so groß sei. Er wächst innerhalb des Programms, das ich beschrieben habe, weit überproportional. Wir haben im EG-Programm, das sonst nur auf den wettbewerbs-, aber marktorientierten Bereich bezogen war, von Anfang an darauf gedrängt, daß die Möglichkeiten von Umwelt verstärkt aufgenommen werden. Hier haben wir sehr große Fortschritte erzielt.
Das, was sich in dem Programm jetzt abzeichnet, ist eine Verdoppelung des jährlichen Programmvolumens auf 4 Milliarden DM bis 1992. Das ist ein dramatisches Wachstum. Ich glaube, das entspricht auch dem, was der Forschungsausschuß beschlossen hat, und der Richtung, die wir wollen. Die Aufschlüsselung in die 15 Einzelprogramme mit knapper Inhaltsbeschreibung und spezifischer Ausweisung der entsprechenden Beträge gibt die Grundlagen hierfür.