Rede von
Dr.
Hermann
Schwörer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vielgeschmähte COCOM-Liste hat die ihr gestellte Aufgabe, den Warschauer Pakt am freien Zugang zu modernster westlicher Technologie zu hindern, weitgehend erfüllt. So hat das COCOM-System sicher auch zur Abrüstungsbereitschaft der Sowjetunion beigetragen.
Heute aber, nach 40 Jahren COCOM und den dramatischen Veränderungen im Ostblock, ist es sicher angebracht, die Liste und das Verfahren zu überprüfen; nicht wegzuwerfen, sondern zu überprüfen, Herr Kollege Vosen. Die USA, die hier das entscheidende Wort sprechen, haben Änderungen angekündigt. Man hört von einem Dreistufenplan, der etwa in der dritten Stufe die Absenkung auf das Niveau, das für die Kontrollmaßnahmen gegenüber der Volksrepublik China gilt, zum Ziel hat. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zum Verhältnis zur Sowjetunion nichts ausgesagt. Gerade hier sind Änderungen nötig, wenn die Reformbemühungen im Osten gelingen sollen.
Dabei kann es nicht darum gehen, Kriegsmaterial in den Ostblock zu exportieren. Das soll nach wie vor nicht möglich sein. Es kann nur darum gehen, mit moderner Technologie die wirtschaftliche Gesundung im Ostblock zu unterstützen, die auch den Frieden in der Welt weiterhin absichern soll.
Die COCOM-Regeln sind im Bereich des Dual use nur noch teilweise praktikabel. Ich möchte dies an einigen Beispielen erläutern, z. B. an der Frage der
Reaktorsicherheit. Wenn wir heute mit der Sowjetunion verhandeln, um ein zweites Tschernobyl durch bessere Sicherheitseinrichtungen zu verhindern. dann müssen wir Steuerungselemente und Computer einbauen, die wir nach den COCOM-Regeln nicht liefern dürfen. Computertechnologie für die Fabrikation von Konsumgütern kann genausogut in einer Waffenfabrik eingesetzt werden.
Ein anderes Beispiel: Telekommunikationssysteme — das ist heute schon ein paar Mal angeklungen — können beiderseitig: zur Verbesserung der wirtschaftlichen Verbindungen, aber auch natürlich zu besseren militärischen Verbindungen eingesetzt werden. Es ist bekannt, daß hier beide Möglichkeiten des Einsatzes gegeben sind. Deshalb glauben wir, daß hier über manche Änderungen nachgedacht werden muß.
Besonders gilt dies aber für den innerdeutschen Handel. Während im Außenwirtschaftsgesetz grundsätzlich von der Freiheit des Handels ausgegangen wird und nur in einzelnen Fällen Einschränkungen vorgesehen sind, sind im innerdeutschen Handel Lieferungen von sicherheitsrelevanten Gütern und Informationen grundsätzlich einzelgenehmigungspflichtig. Hier gibt es einen besonderen Ausschuß, den SCOM, der seine Entscheidungen im schriftlichen Verfahren nach COCOM-Maßstäben trifft. Wenn es nun in der DDR zu freien Wahlen kommt und sich unsere Landsleute für die Demokratie entscheiden — was wir alle miteinander hoffen und wovon wir ausgehen —, dann werden uns durch SCOM die Hände gebunden sein, wenn wir Unterstützungsmaßnahmen für die Industrie, wenn wir Modernisierungsmaßnahmen in der Wirtschaft durchführen wollen. Das paßt uns auch nicht. Wir sehen den engen Zusammenhang zwischen einer übertriebenen Exportkontrolle und der Regelung der deutschen Frage.
Ich möchte noch einmal sagen: Wir sind nach wie vor für die Aufrechterhaltung von Exportkontrollen für militärische Güter. Wir sind aber auch dafür, daß diese Dual-use-Güter und der innerdeutsche Handel, von dem ich gerade gesprochen habe, mit vernünftigen und praktikablen Regeln ausgestattet werden. Ich habe sehr gerne von dem Herrn Staatssekretär gehört, daß die Bundesregierung dabei ist, hier einen Vorstoß zu unternehmen. Wir bitten die Bundesregierung, einige Punkte bei diesen Verhandlungen anszusprechen, die ich jetzt gleich aufführen möchte.