Rede von
Rainer
Funke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem die Dialoge zwischen den GRÜNEN und der SPD beendet sind, darf ich zu meinem Redebeitrag kommen. — Die Diskussion über die COCOM-Liste hat durch die demokratischen Veränderungen in Osteuropa zweifellos eine neue Dimension erreicht. Die friedliche Neugestaltung der Verhältnisse in Polen, Ungarn, der DDR, der Tschechei
und in Bulgarien machen neue Vorstellungen über die Kooperation in ganz Europa erforderlich.
Diese Veränderungen hin zu mehr Demokratie und freier Selbstbestimmung werden nur dann erfolgreich sein, wenn gleichzeitig auch wirtschaftliche Erfolge erzielt werden, die langfristig zu einem besseren Lebensstandard in diesen Ländern führen.
Aus diesem Grunde müssen die osteuropäischen Staaten in die Lage versetzt werden, mit anderen Volkswirtschaften wettbewerbsfähig zu werden.
Hierzu benötigen sie westliche Hilfe, und zwar nicht nur in Form von Krediten, sondern auch durch Vermittlung von technischem Know-how und Lieferung von modernen Investitonsgütern.
Damit sind auch die Voraussetzungen für eine langfristige Ausweitung des Ost-West-Handels zu schaffen.
Das sind sozusagen die Grundsätze.
Sie von der Opposition, auch die GRÜNEN, machen es sich manchmal etwas sehr leicht.
Denn Sie können ja nicht einseitig fordern, daß die COCOM-Liste ausgesetzt wird, sondern Sie wissen genausogut wie ich, daß es sich um eine multilaterale Vereinbarung handelt, die auch nur multilateral — in diesem Fall sogar nur einstimmig — geändert werden kann.
Die COCOM-Liste ist im wesentlichen unter strategischen Gesichtspunkten verfaßt worden. Mit zunehmendem Abbau der Spannungen in Europa, mit zunehmender Abrüstung und mit zunehmenden vertrauensbildenden Maßnahmen verliert diese Liste immer mehr von ihrer strategischen Bedeutung.
Wir wissen, daß das nicht von heute auf morgen möglich ist. Aber so wie sich die Spannungen abbauen, sollten auch die bestehenden Restriktionen der COCOM-Liste automatisch mit gelockert und abgebaut werden.
Insbesondere für Industriegüter, die nicht fundamentale Sicherheitsinteressen des Westens berühren, müssen Erleichterungen zugelassen werden. Dies gilt insbesondere für Werkzeugmaschinen, die ja auch die Voraussetzung dafür sind, daß eine funktionierende Investitionsgüterindustrie im Osten aufgebaut werden kann. Das gleiche gilt für große Teile der Telekommunikation — das ist hier an den Beispielen Polen und Ungarn schon deutlich gemacht worden —; die Verhandlungen gehen meines Erachtens in die richtige Richtung.
Solche Lockerungen sind unseres Erachtens nicht nur zweckmäßig, sondern auch erforderlich, wenn — wie z. B. bei den Verhandlungen mit den Ungarn — die osteuropäischen Länder Garantien für eine militärische Nichtverwendung geben und Kontrollen vor Ort zulassen.
Wir haben allergrößtes Interesse, daß in Osteuropa Anschluß an den Lebensstandard im Westen gefunden wird. Ich weiß, daß es dauert, aber wir müssen diese ersten Schritte gehen. Nur wenn sich diese Wirtschaften gut entwickeln, sind sie langfristig auch Industrieabsatzmärkte für uns, für die westlichen Industrieländer und gleichzeitig auch in der Lage, ihrerseits für den westlichen Markt zu produzieren, mit anderen Worten: ihre Waren auf unseren Märkten preisgünstig abzusetzen.
14426 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1989
Funke
Wirtschaft und Handel können und dürfen keine Einbahnstraße sein. Wir werden langfristig nur profitieren, wenn Teile der gesamten Welt als mögliche Wirtschaftspartner nicht wegfallen. Wir müssen größtes Interesse daran haben, daß wir mit der gesamten Welt wirtschaften und Handel treiben können.
Je größer die weltwirtschaftliche Verflechtung auch der Osteuropäischen Staaten ist, desto mehr sind auch unsere Sicherheitsinteressen gewährleistet.
Eine gute wirtschaftliche Entwicklung der osteuropäischen Länder führt zur Friedenssicherung in Europa und gleichzeitig zu unserem eigenen wirtschaftlichen Vorteil. — Dahinter kommen wir nicht erst jetzt, Herr Vosen, sondern das ist eine Politik, die wir jedenfalls seit 1969 immer betrieben haben. Und wenn Sie einmal Männer wie Pfleiderer, Döring und Flach nachlesen würden, dann würden Sie feststellen können, daß das schon in den 50er Jahren stets unsere Politik gewesen ist.
Wir bitten deswegen auch die Bundesregierung, ihre Anstrengungen fortzusetzen, damit die amerikanischen Partner und die sonstigen westlichen Verbündeten der Lockerung der COCOM-Liste zustimmen.