Rede von
Eckhard
Stratmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)
Herr Kittelmann, das ist mir bewußt, genau das habe ich ja mit Zick-Zack-Kurs bei Ihnen gemeint. Im November noch melden Sie Eilbedürftigkeit an, im Dezember Beratungsbedarf, also keine Eilbedürftigkeit mehr, weil die Rüstungslobby in Ihrem Rücken Beratungsbedarf geltend gemacht hat.
Beratungsbedarf heißt Korrekturbedarf an dem, was sie ursprünglich gewollt haben.
Die internationale Komponente zur Verhinderung und Untersagung von Waffenexport ist folgende — und da nehmen wir ein Element des SPD-Antrages auf und wollen den Antrag etwas nach vorne treiben — : Wir wollen die Frühjahrskonferenz der KSZE zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Europa nutzen, um eine Ost-West-Vereinbarung, eine KSZE-Vereinbarung, zum Verbot von Waffenexport auszuhandeln und zu unterzeichnen. Eine solche KSZE-Vereinbarung wäre umfassender als die entsprechenden Elemente der derzeitigen COCOM-Liste und wäre ein internationaler und friedenstiftender Beitrag, auch zur Blocküberwindung.
Wir GRÜNEN teilen als eine Stoßrichtung des SPD-Antrages die Auffassung, daß zur Intensivierung der Ost-West-Beziehungen, insbesondere auch der deusch-deutschen Beziehungen, ein Ausbau der Handelsbeziehungen, insbesondere auch mit Hochtechnologiegütern, notwendig ist. Wir haben völligen Konsens darin, daß es absurd wäre, beispielsweise zum ökologischen Umbau der DDR die DDR mit zweitrangigen Technologiegütern, nach Möglichkeit mit Technologiegütern auszurüsten, die bei uns schon gebraucht worden sind und die dann als ZweiteHand-Güter hinübergeliefert werden.
Die osteuropäischen und mitteleuropäischen Länder einschließlich der DDR brauchen für ihren ökologischen und ökonomischen Umbau Spitzentechnologie. Soweit wir ihnen dabei helfen können, sollten wir ihnen dabei helfen. Soweit besteht Gemeinsamkeit.
Entscheidend ist allerdings, wie die technologische und wissenschaftliche Zusammenarbeit konkret ausgestaltet wird. Hier bestehen Differenzen zwischen den GRÜNEN und der SPD.
Ich habe eine erste kritische Frage. Sie fordern in Ihren Entschließungsantrag u. a., daß Institutionen und Unternehmen der DDR im Rahmen der wissenschaftlich-technologischen Zusammenarbeit das Recht eingeräumt werden sollte, Anträge direkt an die Bundesregierung zu richten, um nach den BRD-Bestimmungen entsprechende finanzielle Unterstützung zu bekommen. Ich weise auf die Gefahr hin, daß die DDR-Regierung mit Lockangeboten der Bundesregierung ausgehebelt wird. Nicht mehr die DDR-Regierung, sondern die BRD-Regierung wäre dann direkter Ansprechpartner für DDR-Institutionen und -Unternehmen. Damit wird die BRD-Regierung auch auf Grund ihrer ökonomischen Stärke und ihrer finanziellen Leistungskraft als Nebenregierung in der DDR etabliert. Ob Sie wollen oder nicht: Das wird faktisch auf einen Alleinvertretungsanspruch in wirtschaftlicher Hinsicht hinauslaufen. Wir lehnen dieses Instrument deswegen ganz entschieden ab.
— Dann erläutern Sie es gleich.
Sie schlagen zweitens vor, daß im Bereich von Wissenschaft und Technologie ein interministerieller Ausschuß gebildet werden soll, der die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit organisieren soll. Herr Vosen, dazu habe ich folgende Frage: In den letzten Tagen haben sowohl die Wirtschaftsgruppen des „Neuen Forum" als auch die Umweltverbände in der DDR — vorgestern noch — gefordert, in den jetzt einzurichtenden deutsch-deutschen Kommissionen zu den Themenbereichen Umwelt, Wirtschaft, Technologie sollten nicht nur Vertreter der DDR-Regierung, die nicht legitimiert ist, sondern auch Vertreter von nichtstaatlichen Verbänden, von Umweltverbänden und auch von Oppositionsgruppen, als gleichberechtigte Partner sitzen. Dies ist in Ihrem Antrag nicht vorgesehen. Wir GRÜNEN schließen uns dieser Forderung an. Die DDR-Regierung ist nicht legitimiert, vor den Wahlen am 6. Mai in der DDR allein Absprachen mit der Bundesregierung zu treffen. Die BRD ist dazu in der jetzigen Umbruchsphase auch nicht legitimiert,
technologische, umweltpolitische und ökonomische Weichenstellungen vorzunehmen, die möglicherweise schon nach einem halben Jahr nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
Ich nenne einen dritten Punkt, der deutlich macht, daß Ihr Entschließungsantrag einen ökologischen Pferdefuß enthält. Sie schlagen in der Begründung Ihres Antrags vor, daß im Rahmen der wissenschaftlich-technologischen Zusammenarbeit auch der Stromverbund zwischen der BRD und der DDR ausgebaut werden sollte. Hiermit zeigen Sie, daß Sie — wie auch die SED-geführte Regierung der DDR — auf Zentralismus in der Energieversorgung gepolt sind. Mit einem solchen zentralistischen Ausbau des Stromverbundes nutzen Sie zwar den Energiemono-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1989 14425
Stratmann
polen bei uns, verhindern aber den Aufbau einer ökologischen und dezentralen Energiestruktur in der DDR. Diese Struktur wollen wir. Dies wollen auch die sich allmählich artikulierenden ökologischen Gruppen in der DDR. Gerade weil sie es wollen, müssen sie in den entsprechenden Kommissionen sitzen, und zwar auch vor dem 6. Mai, um dort ökologische Interessen artikulieren und auch durchsetzen zu können.
Ich nenne einen vierten Kritikpunkt. Was den Bereich der Hochtechnologie angeht, so sagen Sie nichts zum Export von Atomtechnologie. Ich erinnere mich an Ihren Antrag zum Thema Brasilien, in dem Sie ausdrücklich gefordert haben, die KWU solle ermächtigt werden, den Schrottreaktor ANGRA I in Brasilien, der derzeit stilliegt, mit bundesdeutschem Know-how wieder aufzumöbeln, um ihn ans Netz zu nehmen. Ich fürchte, Sie meinen, schrottreife Atomreaktoren in der DDR, statt sie stillzulegen, mit Hilfe der KWU wieder aufmöbeln zu können mit dem Ziel, daß sie dann noch zehn, zwanzig Jahre weiterlaufen.
Dies lehnen wir ab. Wir wollen im Bereich der Hochtechnologie weder den Export von Atomtechnologie noch den Export von Gentechnologie.
Wir könnten Ihrem Antrag nur dann zustimmen, wenn Klarheit in dieser Beziehung herrschte. Weil dies nicht klar ist, werden wir uns bei der Abstimmung über Ihren Antrag der Stimme enthalten.
Ich danke Ihnen.