Rede von
Peter
Kittelmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Roth, erstens könnten Sie das nachher direkt die Bundesregierung fragen. Wir Parlamentarier kontrollieren die Bundesregierung.
Zweitens zitieren Sie im Detail falsch: Es sind damals nicht alle COCOM-Regeln mit der Volksrepublik China aufgegeben worden, sondern Teilbereiche der COCOM-Regeln, die im einzelnen begründet wurden. Ich würde mich freuen, wenn Sie mit Ihren Zwischenfragen keinen falschen Eindruck erweckten.
Meine Damen und Herren, wenn dieser Prozeß, den darzustellen ich vor der Zwischenfrage von Herrn Roth begonnen hatte, durchgängig wird — viele Zeichen deuten darauf hin — , dann wird das auch Anlaß sein, die Bedingungen der COCOM-Vereinbarungen in der bisherigen Form zu relativieren. Das ist die Antwort auf die Frage des Kollegen. Aber so weit ist es noch nicht. Solange Kooperationsstrukturen innerhalb des Comecon noch einseitig auf die Sowjetunion und ihre übermäßig aufgeblähte Rüstungsindustrie ausgelegt sind, kann die vollständige Öffnung der Schleusen für den Technologietransfer noch nicht Wirklichkeit werden. Es ist doch wohl ein Treppenwitz, daß wir auf der einen Seite um die Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes und des Kriegswaffenkontrollgesetzes bemüht sind und Sie auf der anderen Seite für eine totale Abschaffung von COCOM sind. Das ist in sich widersinnig und auch nicht schlüssig.
Anders wird die Situation sein, wenn die Verhandlungen über die Reduzierung der konventionellen Waffen in Wien erfolgreich sind. Wir sind den Menschen, die für die Verwirklichung der freiheitlich-demokratischen Rechte in Warschau, Danzig und in Prag auf die Straße gegangen sind, verpflichtet. Bundeskanzler Kohl hat in Polen gesagt — und wird es auch in der nächsten Woche in Ungarn wieder unzweideutig sagen — : Wer bereit ist, Marktwirtschaft zu verwirklichen, der braucht Chancengleichheit, um wettbewerbsfähig zu werden. Wenn wir nicht bereit sind, auch modernste Technologien zu liefern, bleiben diese Länder chancenlos.
Die wirtschaftliche Kooperation ist nicht nur für die Menschen in den Reformstaaten des Warschauer Paktes wichtig, sondern auch für unsere Arbeitsplätze in der Bundesrepublik. Mit ihrem Exportangebot an modernster Technologie,
z. B. im Maschinenbau und in der Elektronik, gehört die deutsche Wirtschaft zu den meistgesuchten Partnern in aller Welt. Wir wissen, ein Drittel unserer Arbeitsplätze hängt vom Export ab, aber lediglich 3,5 der Exporte gehen gegenwärtig in den Comecon. Hier liegt also nicht nur für die Bundesrepublik Deutschland, sondern auch für die gesamte westliche Welt ein erheblicher Wachstumsmarkt. Die Erfahrungen, die auch mit dem wirtschaftlichen Aufbau Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg gesammelt wurden, beweisen jetzt auch immer mehr in den Ostblockstaaten, aber eben erst jetzt langsam immer stärker, daß die Hilfe zur Selbsthilfe im beiderseitigen Interesse von Ost und West liegt.
Die Bundesregierung hat die volle Unterstützung der CDU/CSU. Die COCOM-Liste muß entschlackt
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1989 14423
Kittelmann
werden. Die Parlamentarische Versammlung der Westeuropäischen Union hat vor einer Woche einen sechsstufigen Plan vorgeschlagen, den ich hier nachdrücklich unterstützen möchte und von dem ich zumindest zwei, drei Punkte nennen will.
Die Westeuropäische Union ist der Meinung, daß erstens eine grundlegende Neueinschätzung des derzeitigen sowjetischen Technologiestandes stattfinden muß. Zweitens. Auf der Grundlage einer klaren Analyse der sowjetischen Technologie müßte dann die COCOM-Liste vollständig mit dem Ziel überprüft werden, sie auf den wirklichen Kern strategisch relevanter Technologien zu beschränken. Es kann nicht als Embargogrund ausreichen, daß die betreffende Technologie auch militärisch genutzt werden kann. Es kommt darauf an, daß sie für militärische Produktion wesentlich ist.
Das, was die Westeuropäische Union gesagt hat, ist für uns sehr wichtig. Herr Roth, Sie tun immer so, als wenn die Bundesrepublik Deutschland allein entscheiden könnte. Wir sind im internationalen Verbund mit den COCOM-Staaten. Deswegen können wir nicht groß hallo schreien. Wenn das jemand hört, klingt es so, als wenn das nur von Herrn Beckmann oder von Herrn Bangemann abhinge.
— Verzeihung, von Herrn Haussmann. Sie sehen daran, daß die Kontinuität bei mir so groß ist — das sind beides sympathische und gute Minister —, daß ich Herrn Haussmann nicht verletzt habe, indem ich Herrn Bangemann noch erwähne.
Lassen Sie mich zusammenfassen. Wir brauchen erstens eine Neueinschätzung des sowjetischen Technologiestandes, zweitens eine grundsätzliche Entschlackung der COCOM-Liste, drittens gemeinsame Export- und Reexportkontrollen auch mit den Staaten des Ostblocks, viertens verbindliche Endverbleibserklärungen der Empfängerländer, fünftens Verhandlungen über den Ost-West-Handel mit Spitzentechnologie im Rahmen der Konferenz über wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa und sechstens die Schaffung eines Expertenkomitees im Rahmen der KSZE, das Empfehlungen für den Ost-West-Handel mit Spitzentechnologie ausarbeiten soll.
Ich denke, meine Damen und Herren, daß das ein Weg wäre, den wir ungeachtet aller Polemik, die Herr Roth zum Teil in die heutige Debatte gebracht hat,
gemeinsam gehen können.
Ich danke Ihnen.