Herr Laermann, der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Fraktion besteht darin, daß wir diese Diskussion zwischen 1985 und 1987 kontrovers durchgeführt haben und Sie jetzt dabei sind, diese Diskussion zu beginnen, die wir zu einem guten Abschluß geführt haben.
Meine Damen und Herren, wir haben nachdrücklich vor den Folgen der Beschlüsse zur bemannten Raumfahrt gewarnt, die heute und in diesem Jahr offen zutage getreten sind. Es fehlen in den Kassen des Bundes bis zum Jahre 2000 7 Milliarden DM. Herr Professor Wild hat recht: Ohne zusätzliche Gelder ist ein vernünftiges Programm der unbemannten Raumfahrt, dem wir offen gegenüberstehen, wo es viele sinnvolle Dinge geben kann, nicht vorstellbar. Der Zeit- und Kostenplan für Columbus und Hermes ist schon jetzt ins Rutschen gekommen. Von den notwendigen Kosten für die Infrastruktur am Boden redet ja heute noch keiner. Herr Rüttgers hat ja recht: Ein Nutzungskonzept für die bemannte Raumfahrt ist heute auch noch gar nicht erkennbar.
Meine Damen und Herren, Herr Wild hat in einem zweiten Punkt auch recht: Ohne weitere zusätzliche Raumfahrtmilliarden wird die Raumstation ein Haus ohne Möbel sein, das keinen Wohnwert hat, und die Möblierung wird noch sehr teuer bezahlt werden. Herr Rüttgers, wir sind uns doch einig, daß die Möbel der Staat bezahlen muß.
Vielleicht kriegen wir es hin, daß die Blumenvasen von der Industrie mitfinanziert werden.
Meine Damen und Herren, in dieser Situation bleibt einem doch die Spucke weg, wenn dann Herr Riesenhuber als erster Europäer flottweg erklärt, die Bundesrepublik sei ganz offen zur Teilnahme an einem bemannten oder unbemannten Projekt der Reise zum Mars interessiert. Ein amerikanischer Senator hat doch recht, wenn er sagt, auch wir können unsere Raumfahrt in den nächsten Jahren nun nicht nur mit der Scheckkarte bezahlen. Nach meiner Einschätzung, meine Damen und Herren, setzt die Raumfahrtpolitik der Bundesregierung zu einer konzeptionellen und finanziellen Bruchlandung an.
Meine Damen und Herren, es ist doch erkennbar gewesen, daß die undurchdachten wissenschafts- und technologiepolitisch nicht zu rechtfertigenden Entscheidungen, an den Projekten Columbus und Hermes teilzunehmen, heute in der Industrie immer offener mit Spott und Kritik bedacht werden, abgesehen natürlich von den Zuwendungsempfängern der Raumfahrtindustrie. Selbst der Beirat des Bundesforschungsministeriums für Fragen der Mikrogravitation ist doch der festen Überzeugung, daß es gar keinen Sinn macht, der Forschung unter Schwerelosigkeit einen besonderen Stellenwert beizumessen.
Herr Rüttgers, Sie konnten es ja in der ersten Debatte zu diesen Fragen gar nicht schnell genug haben. Ich zitiere einmal aus dem Plenarprotokoll von vor einem Jahr:
Ohne Hermes wird sich Europa nur aus der bemannten Raumfahrt und damit gleichzeitig aus dem Luftverkehr des nächsten Jahrhunderts verabschieden.
Nun vermelden die klugen Köpfe der „FAZ" über Herrn Rüttgers:
Vor allem für den Raumgleiter Hermes stellte Rüttgers die Grundsatzfrage, ob er überhaupt noch für die bemannte Raumfahrt weiterentwikkelt werden soll, da voraussichtlich nennenswerte Nutzlast nicht transportiert werden könnte.
Wie wahr, sagen wir nur. Man kann Ihnen nur sagen: Herr Rüttgers, Sie hätten im letzten Jahr darüber schweigen sollen. Ihre Rede verdeutlicht mir allerdings, daß Sie im Moment nicht zu einer Wende ansetzen, sondern zu einem Schlingerkurs hier im Plenum — ich sage das einmal sehr viel verdeckter — und im vertrauten Kreis der Journalisten ein bißchen draufhauen. Vielleicht hat ja Ihre Fraktion das auch nicht so gut gefunden.
Aber, meine Damen und Herren, in unserem Antrag heißt es: „Die Bundesregierung dringt darauf, daß das Projekt Hermes abgebrochen wird, da es bei seiner Fertigstellung ein bereits veraltetes System sein wird und auch auf Grund seiner minimalen Nutzlast keine interessanten Einsatzmöglichkeiten hat. " Dies ist, Herr Rüttgers, wieder ein kleiner Schritt auf die Position der SPD zu. Der Druck der finanziellen Verhältnisse wird in den nächsten Jahren auch das Nachdenken bei Herrn Rüttgers beschleunigen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie, Herr Laermann und Herr Rüttgers, uns 1987 nicht glauben wollten, daß eine technologiepolitische Rechtfertigung dieser Großprojekte nicht möglich ist, und wenn Sie
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1989 14417
Catenhusen
nicht auf uns hören wollten, die wir Ihnen zu Recht vorwerfen, daß die entscheidenden Motive zum Beitritt zu diesem Programm — ich sage das einmal —Prestigedenken und Rücksichtnahme auf europäische und amerikanische Verbündete waren,
dann hätten Sie sich doch vielleicht zu diesem Zeitpunkt ernsthaft mit der Kritik der Industrie auseinandersetzen sollen. Ich nenne nur Herrn Heraeus, dessen Argumente genauso wie die Argumente der Sozialdemokraten und die Argumente der GRÜNEN durch die weitere Entwicklung voll bestätigt werden.
Es wäre vielleicht ganz gut, meine Damen und Herren, wenn es sich, was man nicht unbedingt erwarten kann, häufen würde, daß mir Leute aus dem Bundesverband der Deutschen Industrie erzählen: Endlich einmal ein vernünftiger Mann von der CDU, der sich zu Weltraumfragen geäußert hat; das waren Sie mit Ihrer Kritik an Hermes. Ich hoffe, daß sich das wiederholt.
Dann, meine Damen und Herren, hat Herr Rüttgers anspruchsvoll noch vor einem Jahr die Gründung einer Raumfahrtagentur als ein Zeichen — ich zitiere — für die Deregulierung staatlicher Aufgaben gewertet.
Also, Herr Rüttgers, davon kann ja nun wirklich keine Rede sein.
Ich füge hinzu: Ich bedauere Herrn Wild und seine Mitarbeiter; denn sie treten ihr Amt zu einer Zeit an, wo für konzeptionelle Arbeit kein Bedarf da ist, weil kein Geld vorhanden ist. Die Raumfahrtmittel für die nächsten 15 Jahre haben Sie in einer Art und Weise verfrühstückt, daß schon heute die Schäden für den Bereich Informationstechnik und für die weitere Förderung der kleineren und mittleren Unternehmen deutlich erkennbar sind.
Meine Damen und Herren, ich höre heute mit Interesse, es sei alles noch nicht festgeklopft. Sie wollen Ihre politischen Blankoschecks, die Sie 1987 alle ausgeteilt haben, offensichtlich doch noch, soweit es geht, wieder einsammeln, obwohl Sie genau wissen, daß vor allem die blumigen Aussagen des Herrn Bundeskanzlers und des Bundesaußenministers Ihnen da kaum einen Spielraum lassen.
Aber, meine Damen und Herren, eine Kurskorrektur in der bundesdeutschen Weltraumpolitik ist im Interesse der deutschen Industrie, im Interesse der deutschen Wissenschaft und der deutschen Steuerzahler dringend erforderlich. Wir haben in unserem Antrag genau die Zielsetzung genannt. Es geht nicht nur um die Überprüfung der Großprojekte und nicht nur um ein Abmagern und Strecken der Projekte, sondern darum, daß die Beteiligung der Bundesrepublik an Hermes und Columbus aufgegeben wird.