Rede von
Dr.
Jürgen
Rüttgers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute über eine doppelte Weichenstellung für eine neue Phase der deutschen Weltraumpolitik: Mit der Vereinbarung über die Internationale Raumstation „Freedom" vollzieht Westeuropa einen entscheidenden Schritt von einer gelegentlichen Weltraumpräsenz zur ständigen Präsenz. Mit dem Raumfahrtaufgabenübertragungsgesetz wird die Rechtsgrundlage für ein leistungsfähiges Raumfahrtmanagement geschaffen. Ich bin froh, daß man mir seitens des Ministeriums versichert hat, daß der bürokratische Name dieses Gesetzes kein Omen für die Arbeit der DARA sein soll.
Wir sind uns einig, verehrter Herr Catenhusen: Die Neuordnung des Raumfahrtmanagements ist notwendig. Die deutsche und europäische Luft- und Raumfahrtindustrie ist — das wissen wir alle, und darüber haben wir in diesem Hause bereits mehrfach diskutiert — auf dem Weg zu neuen Strukturen, weil uns allen klar ist, daß wir im globalen Wettbewerb der Zukunft nur so bestehen können.
Die Europäische Weltraumorganisation steht vor der Durchführung von wichtigen Großprojekten. Das DARA-Konzept der Bundesregierung trägt dieser neuen Dimension Rechnung. Es handelt sich nicht um eine Projektträgerschaft im klassischen Sinn, es handelt sich auch nicht um eine bloße Ausgliederung der entsprechenden Abteilung des Ministeriums,
sondern es geht um eine qualitativ neue Form der Durchführung von Verwaltungsaufgaben.
Dabei sind Effizienz, Eigenverantwortung und Bündelung der Aufgaben entscheidend.
Auf dem Hintergrund dieser berechtigten Erwartungen müssen beim Aufbau der DARA — verehrter Herr Kollege Catenhusen, es geht hier nicht um die Frage der Besoldung irgendwelcher Mitarbeiter, die man gern in der DARA haben möchte —
zwei inhaltliche Gesichtspunkte im Vordergrund stehen, und zwar erstens Rahmenbedingungen, die die Mitarbeit in der DARA auch für qualifiziertes Personal aus der Industrie attraktiv machen; zweitens die zügige Übertragung der Raumfahrtaufgaben von den Ressorts auf die Agentur.
Der Gesetzestext zeigt, daß keine Verpflichtung zur Aufgabenübertragung aufgenommen wurde. Der Grund ist einfach: Es gäbe hier verfassungsrechtliche Bedenken. Eine solche generelle Verpflichtung wäre auch praxisfern. Um so bedeutsamer ist der Kabinettsbeschluß der Bundesregierung, in dem eindeutig festgehalten ist: Die Aufgabenübertragung ist der Regelfall. Alles andere sind Ausnahmen; sie müssen im Einzelfall besonders begründet werden.
Mit diesem Gesetz verschaffen wir der DARA heute die Rechtsgrundlage für ihre eigentliche Aufgabe. Und ich meine, Kollege Fischer, wir sollten vorsichtig damit sein, über das Profil und die Wirkung dieser Neuorganisation jetzt, knapp 100 Tage nach der Gründung, ein abschließendes Urteil zu fällen, bevor sie endgültig aufgebaut werden konnte.
Die DARA ist das Instrument zur Verbesserung des Managements. Für die Inhalte der Weltraumpolitik bleibt die Bundesregierung verantwortlich und bleibt der Deutsche Bundestag, Kollege Wetzel, der rechte Ort der Debatte. Davon, daß die Zuständigkeit des Parlaments für die Kontrolle im Bereich der Raumfahrt durch die DARA eingeschränkt wurde, kann keine Rede sein.
Deshalb ist es richtig, daß wir heute auch über ein Kernelement der deutschen Raumfahrtstrategie diskutieren, nämlich über die Beteiligung an der Internationalen Raumstation. Ich will für meine Fraktion hier klar sagen: Wir stellen heute keine Blankoschecks für Columbus aus.
Wenn die Vereinigten Staaten die Raumstation umplanen wollen, dann müssen sie mit ihren Partnern verhandeln. Versuche einseitiger Veränderung haben mit Geist und Buchstaben dieser Vereinbarung nichts zu tun. Im Gegenteil: Sie gefährden sogar die Kooperation.
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1989 14413
Dr. Rüttgers
Die Verschiebung von Startterminen, die Reduzierung von Versorgungsleistungen oder die Erhöhung von Betriebskosten durch technische Änderungen auf amerikanischer Seite betreffen uns bei einem gemeinsamen Projekt natürlich unmittelbar.
Darüber hinaus ist es so, daß diese Ungewißheiten die europäische Planung belasten. Eine Zusammenarbeit um jeden Preis bei diesem Projekt wird es nicht geben. Aber die Konsultationsmechanismen, die in diesem Vertrag vorgesehen sind, müssen sich jetzt bewähren. Denn nur so kommen wir zu Klarheit über Strukturen, Kosten und Termine.
Geschäftsgrundlage für diese Debatte können nur die vorliegenden Texte sein. Insofern machen Sie es sich zu einfach, wenn Sie sagen: Da stimmen wir nicht zu, das machen wir nicht. Denn dann kann das vereinbarte Konsultationsverfahren, das man braucht, um eine Klärung herbeizuführen, natürlich nicht mehr funktionieren.
Das Regierungsabkommen ist ebenso wie die Durchführungsvereinbarung zwischen NASA und ESA ein gutes Dokument. — Und, verehrter Herr Catenhusen, Sie wissen auch: Wenn über einen Vertrag fünf Jahre verhandelt wird, um ein sehr komplexes System wie eine Raumstation zu bauen, dann sind damit nicht alle Probleme gelöst. Vielmehr müssen bei jedem Schritt, bei jeder neuen technischen Erkenntnis weitere Gespräche folgen.