Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der grüne Kollege Klei-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Freitag, den 1. Dezember 1989 13893
Dr. Weng
nert hat heute morgen geäußert, bei einmütigen Parlamentsbeschlüssen sei Deutschland immer auf schlimme Wege gekommen. Ich halte diese Äußerung vor einem Parlament frei gewählter Abgeordneter für eine Frechheit.
Diese Äußerung enthält außerdem Geschichtsklitterung, weil nicht dargestellt ist, welche Art Parlament unter welchen Umständen bestimmte Beschlüsse gefaßt hat, die Deutschland in schwere Lagen gebracht haben.
Ich sage Ihnen etwas anderes. Wer sich an die Vorstellung des Kollegen Kleinert hier erinnert, weiß, was ich meine: Das deutsche Volk war immer besonders schlecht beraten, wenn es unkritisch hinter Schreihälsen hergelaufen ist.
Was der Haushaltsausschuß in sorgfältiger detaillierter Beratung seit September erarbeitet hat, hat der Deutsche Bundestag nach der Debatte dieser Woche gestern abend in zweiter Lesung verabschiedet. Heute geht es in dritter Lesung erneut um den Etat des Jahres 1990. Natürlich stand die Plenardebatte zu Beginn unter dem Eindruck der ernormen Umwälzungen in unseren östlichen Nachbarländern, insbesondere in der DDR. Der Herr Bundeskanzler hat im Rahmen dieser Haushaltsdebatte seine politische Führungsaufgabe klar ergriffen und mit seinem ZehnPunkte-Programm zur Entwicklung des Verhältnisses zur DDR die Vorgaben gesetzt, an denen sich die künftige Politik orientieren muß. Unsere Fraktion, die das Ziel eines Europas freier Bürger seit langen Jahren konsequent verfolgt hat, ist ihm hierbei gefolgt. Es ist auch der richtige Augenblick, dem Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und unserem Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Mischnick nochmals herzlich für ihr politisches Wirken zu danken, das zu der jüngsten Entwicklung einen wichtigen Beitrag geleistet hat.
Die notwendigen haushaltspolitischen Konsequenzen werden wir in der Folge ziehen, wenn wir auf Grund von Fakten handeln müssen und handeln können.
Wir beraten heute in dritter Lesung über einen Bundeshaushalt, der auf der Basis solider Finanzierung und bestmöglicher wirtschaftspolitischer Gegebenheiten entstanden ist: Trotz der erheblichen Mehrbelastungen z. B. durch die wichtigen wohnungsbaupolitischen Beschlüsse und auch durch bereits geleistete Vorsorge zur Integration von Aus- und Übersiedlern konnte das Ausgabenvolumen gegenüber dem Regierungsentwurf von 301,3 Milliarden DM um 1,3 Milliarden DM auf ca. 300 Milliarden DM gesenkt werden, was eine Steigerungsrate der Ausgabenseite des Haushalts von nur 3 % bedeutet. Die günstige Prognose bei der Steuerschätzung ermöglichte es uns, zusätzlich die Nettokreditaufnahme gegenüber dem Regierungsentwurf um 6,7 Milliarden DM auf weniger als 27 Milliarden DM zu reduzieren, und dies trotz
der großen Steuerentlastung, die mit der Steuerreform zu Beginn kommenden Jahres in Kraft treten wird, eine Steuerreform — ich sage dies erneut — , die eine der großen Leistungen der Koalition in dieser Wahlperiode ist und bleibt.
Das laufende Haushaltsjahr 1989 wird nach dem augenblicklichen Stand der Haushaltsrechnung möglicherweise mit einer Schuldensituation enden, die erstmals seit langen Jahren echte interne Stabilität bedeutet, daß heißt, die Zinsquote im Bundeshaushalt steigt nicht mehr an. Das konnten wir für das kommende Jahr in der Prognose der Finanzplanung noch nicht erreichen. Es bleibt unser Ziel, dies langfristig zu erreichen. Die Stabilität unserer Währung und die Inflationsfestigkeit wären gefährdet, wenn wir das Ziel einer weiteren Senkung der Schulden aus dem Auge verlören.
Und es benötigt, meine Damen und Herren, deutliches wirtschaftliches Wachstum, wenn wir in der kommenden Wahlperiode, wie es ja auch hier von der Bundesregierung in der Haushaltsdebatte angekündigt worden ist, Spielräume für weitere notwendige steuerliche Entlastungen in der Wirtschaft zur Verfügung haben wollen. Solche Entwicklungen sind erwünscht, sie sind notwendig, sie müssen aber wie seither solide finanziert werden.
Die Geldpolitik der Deutschen Bundesbank spielt für uns eine wichtige Rolle, nicht nur wegen der Geldmengenpolitik, sondern auch ganz direkt wegen der Höhe der Zinsen, die ja inzwischen einen der großen Ausgabeposten im Bundeshaushalt darstellen. Die Deutsche Bundesbank ist unabhängig in ihren Entscheidungen, im Unterschied zu anderen Ländern, wo die dortigen Zentralbanken politisch bestimmt sind. Damit ist auch das Urteil der Deutschen Bundesbank und ihre Flankierung für unsere handelnde Politik von besonderer Bedeutung. Zustimmung der Bundesbank, meine Damen und Herren, das ist so wie Zustimmung des Sachverständigenrats, da kann man sich als Haushaltspolitiker in seiner Entscheidung zusätzlich sicher fühlen.
Ich möchte nochmals auf die enorm verbesserte Situation am Arbeitsmarkt hinweisen, wo seit dem Herbst 1983 1,3 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen worden sind. Und ich will besonders darauf hinweisen, daß auch für das kommende Jahr der Sachverständigenrat mit rund 400 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen rechnet. Die Finanz-, die Wirtschafts- und die Haushaltspolitik der Koalition, die wir konsequent fortsetzen, hat diesen Erfolg ermöglicht.
Auch heute muß die Opposition und muß insbesondere die SPD daran erinnert werden, welche Entwicklung von ihr als Ergebnis der Politik der Koalition vorausgesagt und immer wieder beschrien wurde. Zahlen von 3 oder 4 Millionen Arbeitslosen wurden in den Raum gestellt, Zahlen von 40 Milliarden DM Nettoneuverschuldung waren nicht zu hoch, um in der Öffentlichkeit Horrorgemälde vorzuführen.
13894 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Freitag, den 1. Dezember 1989
Dr. Weng
Es ist auch in der Debatte der vergangenen Tage wieder deutlich geworden, an welcher Stelle die Sozialdemokraten munter werden: wenn es darum geht, die Bürger stärker zu belasten, wenn es darum geht, höhere Steuern, mehr Abgaben, Sonderopfer zu verlangen, und wenn es darum geht, von staatlicher Seite aus ganz viel Geld auszugeben.
Die Diskussion über den Etat des Umweltministeriums hat das ja besonders verdeutlicht. Sie erinnern sich an die Ausführungen der Frau Matthäus-Maier ganz zu Beginn der Haushaltsdebatte. Anstatt die großen Erfolge im Bereich der Umweltpolitik, Verbesserung von Luft und Wasser, diese offensichtlichen Erfolge zu begrüßen, anstatt die internationale Zusammenarbeit zu begrüßen, ohne die es auf der „kleiner gewordenen" Erde letztendlich überhaupt keinen Sinn macht, Umweltpolitik zu betreiben, wird am Volumen eines Einzelhaushalts herumgemäkelt, der nun wirklich keinerlei Aussagekraft über die tatsächlich erreichten Fortschritte in der Umweltpolitik hat.
Die Koalition ist geradlinig und auf gesicherter Grundlage ihren Weg durch die Haushaltsberatungen gegangen. Das gilt für den Ausschuß in gleicher Weise wie hier in dieser Woche für das Plenum des Deutschen Bundestages. Die Haushaltsdebatte als eine „Stunde der Opposition" , wie es eigentlich sein sollte, als Generalabrechnung mit der Regierungspolitik, als Darstellung eigener Alternativen der Opposition, meine Damen und Herren, hat nicht stattgefunden.
Wenn das oft unsubstantiierte und — ich erinnere an die Diskussion über den Verteidigungsetat — rein emotionale Feldgeschrei zur Seite bleibt, dann kann man mit Gelassenheit und natürlich auch mit der Freude des Erfolgreichen feststellen: Die Opposition hat keine ernstzunehmende Alternative zur Regierungspolitik geboten.
— Das sind, Herr Kollege Soell, Fakten.
Und wenn Sie in dem Umfang, wie ich es in dieser Woche als Sprecher meiner Fraktion für diesen Bereich getan habe, hier die Debatte verfolgt hätten, dann würden Sie mir recht geben, anstatt hier negativ zwischenzurufen.
Die FDP-Fraktion befindet sich an der Seite der leistungsbereiten Bürger, die den Staat tragen und den Wohlstand unserer Menschen erarbeiten. Die Attraktivität der Bundesrepublik wird uns ja nun wirklich zur Zeit täglich eindrucksvoll vor Augen geführt. Unser Weg ist der richtige.
Meine Damen und Herren, die Regierungspolitik der Koalition der Mitte, die im vorliegenden Haushalt
für 1990 ihre konsequente Fortsetzung findet, hat Bestand. Die Bundestagsfraktion der FDP als bewegende und tragende Kraft stimmt dem Bundeshaushalt 1990 auch in der dritten Lesung zu.