Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich im Rahmen der dritten Lesung des Bundeshaushalts wieder auf haushalts- und finanzpolitische Möglichkeiten zurückkomme, dann fasse ich zusammen, was im Rahmen dieser Woche gesagt wurde.
Es werden drei Linien sichtbar.
Erstens. Haushalts-, finanz- und wirtschaftspolitisch sind wir weiterhin auf dem richtigen Weg. Auch die Opposition erkannte erstmals unseren Erfolg an; denn die Konjunktur ist großartig. Aber sie ist nicht geschenkt, sondern durch eine kluge Politik herbeigeführt.
Zweitens. Die Opposition befindet sich auf einem schweren Schlingerkurs.
Ich spreche jetzt nicht mehr von der Deutschlandpolitik; da sind die Wendehälse inzwischen bekannt. Ich beziehe mich auf den Finanzkurs der Sozialdemokraten und der GRÜNEN; denn wieder einmal hat die eine Gruppe mehr Geld zum Ausgeben gefordert und
die anderen Genossen eine zu hohe Verschuldung bemängelt. Eine klare Linie ist das nicht. Aber konsequent mag sie sein; denn mit derartiger Unsolidität ging es mit der SPD-Finanzpolitik schon einmal den Bach hinunter.
Drittens. Um von der eigenen Unzulänglichkeit abzulenken, versuchte sich die Opposition wieder in den alten Tricks der Demagogie, des Klassenkampfes und des Neids.
Letztlich erreichte die Opposition mit diesem Horrorgemälde aber gar nichts.
Im Gegenteil: Wie der Kölner Dom zwar von Tauben beschmutzt werden kann und trotzdem nichts von seiner Großartigkeit verliert, so gut steht auch die Erfolgsbilanz dieser Koalition im objektiven Fachurteil da.
Deshalb, meine Damen und Herren, zunächst einige Fakten: Im Gegensatz zum SPD-Kurs der 70er Jahre ist unser Markenzeichen: Seit 1983 ist das durchschnittliche Ausgabenwachstum mit 2,5 % nur halb so hoch wie das nominale Bruttosozialprodukt. Bei der SPD lag es bei 8 oder 9 %; das war weit mehr als das Sozialprodukt. Die SPD hat also mehr ausgegeben als eingenommen.
Im Gegensatz zum SPD-Kurs der 70er Jahre ist unser Markenzeichen: Seit 1983 geht der prozentuale Zuwachs der Neuverschuldung deutlich zurück. Hatte die SPD 1982 bei einem geringeren Haushaltsvolumen als heute sage und schreibe 37,7 Milliarden DM neue Schulden gemacht, so kamen wir in diesem Jahr auf unter 17 Milliarden DM und werden auch nächstes Jahr mit 26,9 Milliarden DM trotz Steuerreform und bei geringerer Ansetzung des Bundesbankgewinns deutlich unter der SPD-Hochwassermarke liegen.
Genau gesagt stiegen die SPD-Schulden von 1969 bis 1982 um 15,9 % pro Jahr. Im Finanzplanungszeitraum bis 1993, also unter unserer Verantwortung, werden es nur mehr rund 5 % sein.
Die Zinsen für die alte SPD-Verschuldung belaufen sich auf jährlich mehr als 30 Milliarden DM,
also auf deutlich mehr als die heutige Nettokreditaufnahme. Das heißt, ohne die SPD-Schulden könnten wir tatsächlich alle bestehenden Probleme beseitigen.
Dann würde aber der traurige Zustand eintreten, daß wir keine Opposition mehr brauchten; dann wäre es ein bißchen langweilig.
Deshalb noch ein drittes Faktum. Die SPD wollte immer Beschäftigungsprogramme und deshalb hö-
13888 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Freitag, den 1. Dezember 1989
Dr. Rose
here Steuern. Am Ende standen nicht nur 5 % Inflation, sondern auch hohe Schulden und Zinsen sowie eine hohe Arbeitslosigkeit. Wir lehnten staatliche Beschäftigungsprogramme ab, senkten die Steuern und haben jetzt 1,3 Millionen neue Arbeitsplätze. Wir haben niedrige Zinsen, wir haben eine geringe Geldentwertung und endlich wieder nahezu unglaublich zurückgeschraubte Steuer- und Staatsquoten.
Meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, daß wir diesen Kurs für richtig halten und ihn im Interesse der Deutschen auch lange fortsetzen wollen.
Daß durch die Beratungen im Haushaltsausschuß noch zusätzliche Verbesserungen der Rahmendaten möglich wurden, freut uns und gibt uns die Zuversicht auf nächstes Jahr; denn auch für 1991 werden wir so solide, so rechtzeitig und sachgerecht wie bisher den Haushalt beraten.
Ich möchte nicht unter Vorwegnahme auf den Vorsitzenden, den verehrten Kollegen Walther, aber als sein Stellvertreter allen Kolleginnen und Kollegen für die zurückliegenden Wochen herzlich danken und auch schon im voraus aufrichtigen Dank sagen, wenn wir im nächsten Jahr trotz Wahljahrs ebenfalls gut beraten werden.
In dieser Woche zeichnete sich noch etwas ab, auch darüber sollte man reden: Während die zehn Punkte des Herrn Bundeskanzlers zur Zukunft Deutschlands bei den Sozialdemokraten zumindest am Anfang Zuspruch fanden, geht eine schleichende Welle für einen neuen Sozialismus um, diesmal mit einem menschlichen Antlitz oder mit einem demokratischen Aufkleber. Man wird doch nicht durch die Hintertür einer neuen Deutschlandpolitik auf neue Mehrheiten für olle Kamellen hoffen.
Meine Damen und Herren, bitte nehmen Sie zur Kenntnis: 1945 war ganz Deutschland ein Trümmerhaufen. Später, schon nach 15 bis 20 Jahren, war jener Teil Deutschlands mit der Marktwirtschaft die stärkste Wirtschaftsmacht Europas und die zweitgrößte Handelsmacht der Welt. Der andere Teil, jener mit der Planwirtschaft, blieb zurück und gesteht jetzt sein Scheitern ein. Das liegt einerseits an Ludwig Erhard und andererseits an Karl Marx. Das liegt aber auch an der Architektur eines modernen, freiheitlichen, leistungsfähigen sozialen Rechtsstaats.
Wir halten nun einmal die Einheit für richtig: demokratischer Rechtsstaat, parlamentarische Demokratie, Soziale Marktwirtschaft.
Man kann keines dieser Elemente herauslösen, ohne daß die beiden anderen über kurz oder lang ausgehöhlt und zum Einsturz gebracht werden.
Die Soziale Marktwirtschaft ist damals gegen die SPD erkämpft und durchgesetzt worden, wie übrigens vieles andere auch. Wir lassen sie nicht über den
Umweg eines falsch verstandenen neuen Deutschlands kaputtmachen. Wir wollen bei uns weder einen demokratischen Sozialismus noch einen Steinzeitsozialismus, noch einen postkommunistischen Sozialismus. Wir wollen gar keinen Sozialismus.
Denn wir lieben Land und Leute und wollen nicht, daß unsere Mitbürger ihrer Heimat davonlaufen müssen, weil sie es nicht mehr aushalten, weil sie die Nase voll haben.
Wir erleben derzeit wieder das leidige Thema: Marx und sein Erbe. Die SPD ist unfähig, sich von Marx zu trennen.
Sie ist aber auch außerstande, sich offen zu ihm zu bekennen, und das schafft Verklemmungen.
Wir müssen aufpassen, daß sich die Geschichte nicht wiederholt.
Das plötzliche Auftauchen Willy Brandts — es klang heute schon an — läßt Ahnungen aufkommen. Es werden doch nicht seine 69er Visionen wiederkommen, seine Träumereien, seine Heilspläne. Von Sprüchen wie damals, „Wir fangen mit der Demokratie erst an", hatten wir bald genug. Wir brauchen jetzt auch nicht die Sprüche vom Anfang eines demokratischen Sozialismus, denn schon damals ging es schief.
Bald nach dem Neubeginn ab 1974 begann die hohe Dauerarbeitslosigkeit, die Staatsfinanzen gerieten durcheinander, die Schuldenpolitik begann. Am Schluß, Ende 1982, gab es das Fiasko.
Meine Damen und Herren, in der Ökonomiewissenschaft wird gerne von Konjunkturzyklen geredet. Der Herr Finanzminister hat am Mittwoch bereits davon gesprochen, daß die biblische Zahl sieben aufgelöst ist, daß sie von uns außer Kraft gesetzt wurde. Aber wir haben ein anderes Gesetz, das gilt: Wenn es eine christlich-liberale Regierung gibt, dann stellt sich eine gute Konjunktur ein; wenn die sozialliberale Regierung kam, ging es mit der Konjunktur abwärts; dann kamen wir wieder mit der christlich-liberalen Regierung, da ging es wieder aufwärts.
Aber wir wollen nicht, daß es wieder zu einer sozialliberalen, sozial-grünen oder irgendwie sonstigen Truppe kommt, die uns das konjunkturelle Klima kaputtmacht.
Wir haben also in den sieben Jahren der jetzigen Koalition wieder Boden unter den Füßen bekommen. — Kollege Weng, Sie haben natürlich völlig recht, wenn Sie sagen, daß ich die Liberalen völlig herausgelassen habe; denn so etwas würden sie nie mehr wieder machen, dafür garantieren ja Sie. — Wir haben also wieder Boden unter den Füßen bekommen. Den lassen wir uns nicht entziehen. Die Deutschen haben es nicht verdient, in den 90er Jahren wieder auf die
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schiefe Bahn zu kommen. Deshalb werden wir auch alle jüngsten Vorschläge und Bemerkungen der Opposition, besonders in Berlin bei der rot-grünen Tomatentruppe, genau registrieren, natürlich auch, was bei unserem Gedankenaustausch hier im Haus gesagt wurde.
Vogel, Matthäus-Maier, Wieczorek und Genossen, sie alle malten das Bild der Armut und der sozialen Ungerechtigkeit an die Wand.
Den Arbeitnehmern gehe es schlecht, hieß es bei Ihnen, Wohnungen fehlten, das Geld zum Studieren fehle, die Zahl der Sozialhilfeempfänger nehme zu, und was Sie sonst noch alles erzählt haben. Ich gestehe: Natürlich sind auch wir kein Land ohne Probleme.
Hunderttausende von Aus-, Um- und Übersiedlern müssen erst einmal versorgt werden. Wir nehmen uns aber der Herausforderung an, im Gegensatz zu Lafontaine, der diese Leute als unerwünscht betrachtet.
Wir nehmen uns auch der neuen Studentenexplosion an, die vom Wunsch unserer jungen Menschen nach qualifizierter Bildung zeugt. Es sind ja nicht mehr die Soziologen, Politologen oder auch Philologen, die die Hörsäle bevölkern, es sind jetzt die jungen Studierenden, die Informatiker, Techniker, Chemiker, Physiker oder Diplom-Ingenieure werden wollen. Davon braucht unsere Gesellschaft in Zukunft noch mehr. Deshalb unterstützen wir die neue Kraftanstrengung der Bundesregierung und der Länder, soweit sie mitmachen können und wollen.
Populistisch hat Frau Matthäus-Maier gesagt, sie sei für Wohnungen statt Kasernen.
Sie sind ja so sympatisch, es ist im Grunde genommen alles nett, was Sie sagen, nur es muß nicht stimmen.
Aber Sie reden wohl nicht mit den SPD-Verteidigungspolitikern, denn sonst würden Sie auch wissen, daß auch in den Kasernen die Soldatenbuden modernisiert werden müssen und daß im Verteidigungshaushalt einiges dafür getan wird.
Sie reden offensichtlich auch nicht mit dem Münchener Oberbürgermeister, Ihrem Parteigenossen Kronawitter, der nämlich in einem Brief vor einem Monat an den Gewerkschaftsvorsitzenden Ernst Breit die Verkaufsabsicht der Neuen Heimat Bayern als ein verwerfliches Geschäft bezeichnet hat.
Aber wir sind es ja gewohnt, hier die großen Moraltöne zu hören und dann knurrend die Fehltritte von SPD-Wirtschaftskritikern zu erleben.
— Herr Kollege Kansy, Sie haben recht, Onkel Lappas läßt grüßen.