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ID1117922300

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    6. Kühbacher.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/179 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 179. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 30. November 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 13733 A Erklärung zum Mordanschlag auf den Sprecher der Deutschen Bank, Dr. Alfred Herr-hausen 13744 A Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksachen 11/5000, 11/5321, 11/5389) Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Waltemathe SPD 13733 C Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 13736 D Frau Wollny GRÜNE 13739 D Dr. Weng (Gerlingen) FDP 13741 A Schäfer (Offenburg) SPD 13742 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 13744 C Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft Frau Dr. Wegner SPD 13748 C Frau Männle CDU/CSU 13750 C Frau Hillerich GRÜNE 13753 B Kastning SPD 13754 D Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 13757 B Wetzel GRÜNE 13758 D Möllemann, Bundesminister BMBW . . 13760B, 13766 D Frau Odendahl SPD 13764 C Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Sieler (Amberg) SPD 13768B Strube CDU/CSU 13770 B Hoss GRÜNE 13772D Zywietz FDP 13774 D Dreßler SPD 13779 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA 13782 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 13788 A Scharrenbroich CDU/CSU (Erklärung nach § 32 GO) 13788 C Andres SPD (Erklärung nach § 32 GO) . 13789 C Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Frau Conrad SPD 13790 B Kalb CDU/CSU 13793 A Frau Schoppe GRÜNE 13795 A Zywietz FDP 13796 D Link (Diepholz) CDU/CSU 13798 D Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 13801 C Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 13804 C Frau Matthäus-Maier SPD 13807 B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 179. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. November 1989 Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . 13808C, 13824 C Kühbacher SPD 13809 B Deres CDU/CSU 13812 D Such GRÜNE 13815A Frau Seiler-Albring FDP 13817 A Dr. Nöbel SPD 13819D Gerster (Mainz) CDU/CSU 13822 B Wüppesahl fraktionslos 13826 D Duve SPD 13828 C Kühbacher SPD (Erklärung nach § 31 GO) 13829A Frau Dr. Vollmer GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13829 C Gerster (Mainz) CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 13829 D Lüder FDP (Erklärung nach § 31 GO) . 13830 B Kleinert (Marburg) GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13830 C Namentliche Abstimmungen 13831 A Ergebnisse 13851B, 13852D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksache 11/5576) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt IV: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 123 zu Petitionen (Drucksache 11/5150) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt V: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Fuchs (Verl), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rücktritt der Bundesrepublik Deutschland von dem Entwicklungsvorhaben „Europäisches Jagdflugzeug/Jagdflugzeug 90" zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Ausscheiden der Bundesrepublik Deutschland aus dem Entwicklungsvorhaben Jagdflugzeug 90 (Drucksachen 11/3018, 11/3592, 11/4269) Horn SPD 13832 B Müller (Wadern) CDU/CSU 13834 A Kleinert (Marburg) GRÜNE 13837 B Frau Seiler-Albring FDP 13839 D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg . 13842 D Kühbacher SPD 13846 A Dr. Friedmann CDU/CSU 13849 A Namentliche Abstimmung 13850 B Ergebnis 13854 D Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidial- amt 13854 A Einzelplan 03 Bundesrat 13854 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag 13854 B Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht Dr. de With SPD 13856 B von Schmude CDU/CSU 13858 A Häfner GRÜNE 13859 A Irmer FDP 13860 B Engelhard, Bundesminister BMJ 13862 D Haushaltsgesetz 1990 (Drucksachen 11/5579, 11/5580) 13864 D Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1989 bis 1993 (Drucksachen 11/5001, 11/5322, 11/5390, 11/5731) . . 13865A Nächste Sitzung 13865 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 13867* A 179. Sitzung Bonn, den 30. November 1989 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 01.12.89* Amling SPD 30.11.89 Austermann CDU/CSU 01.12.89 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 01.12.89 Frau Blunck SPD 30.11.89 Börnsen (Ritterhude) SPD 30.11.89 Büchner (Speyer) SPD 01.12.89 * Frau Dempwolf CDU/CSU 01.12.89 Dr. Dollinger CDU/CSU 01.12.89 Frau Fuchs (Verl) SPD 30.11.89 Dr. Haack SPD 01.12.89 Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 01.12.89 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 01.12.89 Höffkes CDU/CSU 01.12.89 Hörster CDU/CSU 30.11.89 Ibrügger SPD 01.12.89 Jaunich SPD 01.12.89 Kißlinger SPD 01.12.9 Klein (Dieburg) SPD 01.12.89 Klein (München) CDU/CSU 30.11.89 Kolbow SPD 01.12.89 Dr. Kreile CDU/CSU 01.12.89 Kreuzeder GRÜNE 01.12.89 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Linsmeier CDU/CSU 01.12.89 Lowack CDU/CSU 01.12.89 Frau Luuk SPD 01.12.89 Meneses Vogl GRÜNE 01.12.89 Müller (Düsseldorf) SPD 30.11.89 Niegel CDU/CSU 01.12.89 * Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 01.12. 89 Paterna SPD 01.12.89 Pfeifer CDU/CSU 01.12.89 Repnik CDU/CSU 30.11.89 Frau Rock GRÜNE 01.12.89 Frau Schilling GRÜNE 01.12.89 Schreiber CDU/CSU 30.11.89 Schröer (Mülheim) SPD 01.12.89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 01.12.89 Seiters CDU/CSU 30.11.89 Sielaff SPD 30.11.89 Dr. Stavenhagen CDU/CSU 30.11.89 Tietjen SPD 01.12.89 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 01.12.89 Frau Trenz GRÜNE 01.12.89 Verheugen SPD 30.11.9 Vogt (Düren) CDU/CSU 30.11.89 Dr. von Wartenberg CDU/CSU 01.12.89 Frau Wilms-Kegel GRÜNE 01.12.89 Dr. Zimmermann CDU/CSU 30.11.89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Mittelpunkt der Diskussionen dieser Woche stehen aus gutem Grund immer wieder die dramatischen Veränderungen in Osteuropa, die großen Fortschritte hin zu Freiheit und Demokratie, ausgelöst durch machtvolle Volksbewegungen. Damit steht auch die Frage zur



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Diskussion, was das für uns bedeutet: die Neubestimmung unserer Politik.
    Ich glaube schon, daß diese kurz angedeuteten Entwicklungen uns und die Politik der Allianz, des Bündnisses, vor Aufgaben in einer Größenordnung stellen, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht gekannt haben. Es gilt, die neuen Chancen zu nutzen. Es gilt, unseren Landsleuten in der DDR und den Völkern Osteuropas nach Kräften zu helfen, um die sehr schwierige Aufgabe des Wandels erfolgreich zu bewältigen.
    Dabei sind allerdings nicht Illusionen, sondern realistische Zukunftsperspektiven zur schrittweisen Neuorganisation Europas gefragt. Zu einer realistischen Perspektive gehört übrigens auch, daß wir uns unverändert auf verschiedene mögliche Abläufe vorzubereiten haben,

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    auf positive, die wir mit allem Nachdruck fördern wollen, aber möglicherweise auch auf negativere.
    Gerade die Entwicklungen der letzten Jahre haben nach meiner Überzeugung unseren außen- und sicherheitspolitischen Kurs und unsere anhaltende Kritik an der bisherigen expansiven Ausrichtung der sowjetischen Politik bekräftigt. Unsere Standfestigkeit auch in sehr kritischen Phasen und unsere sicherheitspolitischen Vorkehrungen erweisen sich heute im Rückblick als berechtigt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zu diesen Vorkehrungen gehört auch unser deutscher Verteidigungsbeitrag im Bündnis der Demokratien. Ich möchte unterstreichen: Ohne das hervorragende Engagement unserer Soldaten, der Bundeswehr wäre das Bündnis nicht so erfolgreich geworden,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    wie es heute für jedermann, der nicht verblendet ist, erkennbar ist. Unsere Politik hat so — wir sagen das wirklich ohne Überheblichkeit — einen maßgeblichen Anteil an den weltpolitischen Wandlungen und auch an der deutlich gewachsenen Bereitschaft zur Abrüstung im Osten.

    (Gerster [Worms] [SPD]: An der in den 70er Jahren vor allem!)

    — Die Zeit reicht nicht aus, nun den Weg seit den 50er Jahren nachzuzeichnen.
    Demgegenüber müssen wir heute Fragen an diejenigen stellen, die in den vergangenen Jahren unseren politischen Kurs gegenüber dem Osten heftig kritisiert haben. Dazu gehören nun viele — auch in Ihren Reihen —,

    (Zuruf von der SPD: Aber auch zu Recht! — Bindig [SPD]: Wir haben Kurs gehalten! Sie sind Zickzack gefahren!)

    die sowohl in unserer Bundeswehr als auch in unseren verteidigungspolitischen Prinzipien sogar einen Beitrag zur Kriegsvorbereitung sehen wollten. Wären wir Ihnen gefolgt, dann hätten wir heute nicht die Möglichkeit, gemeinsam mit unseren Verbündeten in
    Westeuropa und Nordamerika den Wandel in den West-Ost-Beziehungen dynamisch voranzutreiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir wissen allerdings auch: Der Ausgang der östlichen Reformbestrebungen unter kommunistischen Vorzeichen, etwa Gorbatschows Konzept für die Sowjetunion, und unter nichtkommunistischen demokratischen Vorzeichen wie in anderen Ländern Osteuropas ist noch ungewiß. Im Augenblick muß man leider sagen: Mehr politische Freiheit geht mit einer sich dramatisch verschlechternden wirtschaftlichen Lage und wachsenden inneren Konflikten — vor allem in der Sowjetunion — parallel. Zwar ist auch im ungünstigen Fall, wie ich glaube, eine bloße Restauration alter Machtverhältnisse nicht mehr vorstellbar. Dazu hat sich das Bewußtsein der Menschen zu sehr verändert.

    (Sehr wahr! bei der SPD — Weiterer Zuruf von der SPD: Aber Ihr Bewußtsein nicht!)

    Aber man kann längere Perioden des Rückschritts, der Verhärtung nicht ausschließen. Darüber sind sich auch einige ernsthafte sozialistische Politiker in Westeuropa — im Gegensatz zu einem Zwischenrufer in den hinteren Reihen — mit mir einig.

    (Zurufe von der SPD)

    — Ich wollte es nicht für die ganze Sozialdemokratie reklamieren, was ich kritisch sage.
    Gesicherte Verteidigungsfähigkeit bleibt daher auch nach dem erfolgreichen Abschluß der Wiener Verhandlungen wichtiger Maßstab unserer Politik. Auch bei den sich abzeichnenden chancenreichen Veränderungen im Ost-West-Verhältnis und einer Verringerung ihres militärischen Kräftepotentials will die Sowjetunion ihren Status als Weltmacht und Großmacht in Europa beibehalten. So bleibt die Bundesrepublik Deutschland auch in Zukunft auf das Atlantische Bündnis angewiesen. Gerade in Zeiten des Wandels kommt den transatlantischen Bindungen entscheidende Bedeutung zu.
    Wer heute — wir tun es alle — von den Plänen über eine Neugestaltung Europas spricht, muß sich bewußt sein, daß wir diese Aufgabe nur gemeinsam mit unseren nordamerikanischen Verbündeten erfüllen können. Langfristig kann es bei einer günstigen Entwicklung zu einer erheblichen Strukturveränderung im Bündnis kommen. Das Gewicht der Aufgaben kann sich ändern. Dies alles ist vorstellbar.
    Aber wer, wie es manche jetzt tun — unter ihnen in den letzten Tagen leider auch ein hochverdienter pensionierter General — , von der bevorstehenden Auflösung der NATO redet, zeigt keine realistische Urteilsfähigkeit. Ich drücke mich hier ganz höflich aus.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wer einmal den Blick auf die weitergehenden Probleme der Weltpolitik und der Weltwirtschaft in den nächsten 20, 30 Jahren richtet, weiß doch, daß wir mehr transatlantische Zusammenarbeit und Verbindung zwischen Europa und Amerika brauchen und



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    nicht weniger, wenn wir die großen Herausforderungen in den nächsten Jahrzehnten meistern wollen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP — Gerster [Worms] [SPD]: Aber NATO und Wiedervereinigung passen nicht zusammen!)

    Meine Damen und Herren, diese enge Verbundenheit ist auch für Verhandlungsergebnisse zur Rüstungskontrolle und beiderseitigen Abrüstung wich-fig. Vor allem die VKSE-Gespräche in Wien haben nach nur acht Monaten Dauer zu sehr ermutigenden Fortschritten geführt. Dies begründet die Erwartung, von der wir ausgehen, auch als Bundesregierung, daß wir im nächsten Jahr einen Vertrag erreichen, der unseren Vorstellungen und Sicherheitsinteressen entspricht. Er soll den Abbau der drastischen Überlegenheit der Sowjetunion vor allem in Zentraleuropa gewährleisten.
    Es wäre übrigens sehr schön, wenn einer von Ihnen in den schon fast ritualhaften Attacken gegen den Jäger 90 auch einmal darüber redete, daß die Sowjetunion unter Gorbatschow ein vergleichbares Kampfflugzeug bereits entwickelt und auf internationalen Flugschauen vorgestellt hat. Die Einäugigkeit ist bei Ihnen immer noch da, meine verehrten Kollegen von der SPD.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diese Verhandlungen sollen dann in einem weiteren parallelen Schritt eine Verringerung des Umfangs der Waffensysteme und Streitkräfte unseres Bündnisses bringen. Ich würde es gern einmal in einer tragenden Rede im Protokoll des Deutschen Bundestags auch von Ihnen lesen. Bisher muß ich Fehlanzeige sagen, meine Damen und Herren.
    Alle Regierungen im Bündnis sind sich zugleich einig, daß wir weiterhin eine gesicherte Verteidigungsfähigkeit brauchen, wenn auch — das ist unser Ziel — mit vergleichsweise weniger Waffensystemen und weniger Soldaten. Das ist übrigens auch das Einvernehmen in den letzten Tagen auf der Ministertagung in Brüssel gewesen.

    (Zuruf des Abg. Kühbacher [SPD])

    — Ich trage es Ihnen einmal vor. Es ist doch interessant, das einmal zu hören, Herr Kühbacher.
    Wenn die Vereinigten Staaten jetzt, ausgehend von ihrer anhaltenden Budgetkrise und den gesetzlichen Auflagen des Gramm-Rudmann-Gesetzes — das darf man in einer Haushaltsdebatte ja auch einmal erwähnen —,

    (Horn [SPD]: Sehr richtig!)

    weitere drastische Einsparungen oder Steuererhöhungen nach diesem Gesetz vornehmen müssen — 35 Milliarden allein im nächsten Jahr — , dann kann es doch niemanden überraschen, daß neben zivilen Programmen, die gekürzt werden, auch die jetzige Verteidigungsplanung reduziert wird. Das ist der Ausgangspunkt für eine Neubestimmung der Streitkräfteplanung, die der Kollege Cheney eingeleitet hat und die ich gut verstehe.

    (Horn [SPD]: Die auch in die außenpolitischen Rahmendaten paßt!)

    — Genauso wie die von mir vorgelegte neue Bundeswehrplanung hineinpaßt. Dazu sage ich noch etwas, Herr Kollege Horn.
    Unter diesen Vorzeichen ist es doch richtig, wenn sich in Zukunft, gemessen an der bisherigen Relation zwischen dem amerikanischen Beitrag für die Sicherheit Westeuropas und dem europäischen Beitrag, ein vergleichsweise höherer Beitrag Westeuropas abzeichnet. Darauf haben meine Kollegen und ich uns erlaubt hinzuweisen, Herr Kollege Kleinert. Ich sage das, damit Sie mich nächstes Mal richtig zitieren, wenn Sie sich noch mal mit mir auseinandersetzen.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Ich habe Sie richtig zitiert!)

    Es geht um einen politischen Beitrag, und es geht nicht um höhere Rüstungsausgaben. Von denen habe ich in diesem Zusammenhang nicht gesprochen.
    Dies alles ist auch ein Ausgangspunkt für die neue Bundeswehrplanung, die nunmehr vom Kabinett nach intensiven und, wie ich sagen kann, positiven Vorgesprächen abschließend beraten wird. Wir gehen davon aus, daß wir insbesondere aufgrund der demographischen Entwicklung und der Begrenzung der Ressourcen die Zahl der aktiven Soldaten bis 1995 zurückführen müssen und auch können. Wir müssen in diesen Zusammenhang den Friedensumfang neu bestimmen.

    (Horn [SPD]: Aha! — Kühbacher [SPD]: Wie denn?)

    Ein Anpassungsprozeß über mehrere Jahre ist erforderlich, nicht zuletzt Hand in Hand mit den sich über mehrere Jahre vollziehenden Änderungen der Rahmenbedingungen.

    (Kühbacher [SPD]: Ja!)

    Dafür brauchen wir auch eine kontinuierliche Haushaltsplanung, um eine gewisse Sicherheit in mittelfristigen Entscheidungen zu haben. Der Verteidigungshaushalt 1990 sieht, wie Sie wissen, jetzt Ausgaben in Höhe von 54,230 Milliarden DM vor. Damit sollen der Bundeswehr gegenüber dem verfügbaren Soll des Jahres 1989 insgesamt 1,48 Milliarden DM mehr zu Verfügung stehen. Das ist in der Vorlage des Haushaltsausschusses eine Steigerungsrate von nominal 2,8 %.
    Damit Sie die Dinge doch etwas, ich will einmal sagen: nüchterner betrachten, will ich, auch nach gestrigen Reden in diesem Hohen Haus, festhalten: Seit Anfang der 80er Jahre haben wir ein betont verhaltenes Wachstum des Verteidigungsetats. Sein Anteil am Bundeshaushalt betrug 1983 und 1984 18,9 bzw. 19 %.

    (Zuruf der Abg. Frau Dr. Sonntag-Wolgast [SPD])

    — Das waren die Zahlen, die Sie uns aus langjähriger sozialdemokratischer Tätigkeit hinterlassen haben, Frau Kollegin. Aber damals waren noch andere Leute federführend, Leute wie etwa Georg Leber als hervorragender Vertreter der hessischen SPD, die durch vielleicht nicht ganz so hervorragende heute abgelöst sind. — Damals waren es 18,9 bzw. 19 %. 1988 waren es noch 18,6 % und 1989 18,4 %. 1990 sollen es 18,1 % werden.



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Auch der Anteil der verteidigungsbezogenen Ausgaben am Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik Deutschland ist seit längerer Zeit rückläufig. 1982 und 1983 waren es 2,8 %, 1985 2,6 %. Für 1990 und 1991 rechnen wir mit 2,3 %.
    Ich sage das mal in einer Haushaltsdebatte, weil es völlig irreführend ist, wenn manche Sprecher der SPD und der GRÜN/Alternativen immer wieder behaupten, die Rüstungsausgaben stiegen ungezügelt und ungebremst oder wir seien nicht bereit, Konsequenzen aus einer sich ändernden internationalen Situation zu ziehen.
    In Wahrheit ist ein solches verhaltenes Wachstum mit einem rückläufigen Anteil unter dem Vorzeichen einer stärker dynamisch wachsenden Wirtschaft vertretbar. Ich sage das als Bundesminister der Verteidigung.
    Allerdings will ich genauso klar sagen: Wir brauchen weiterhin ein, wenn auch verhaltenes, nominales Wachstum in den nächsten Jahren, wie es die Finanzplanung der Bundesregierung vorsieht. Wir sind nämlich bei steigenden Personalkosten — und da übertreffen Sie uns ja noch in bestimmten Anträgen, meine Damen und Herren der SPD — und bei steigenden Kosten insgesamt darauf angewiesen.

    (Kühbacher [SPD]: Bloß 7 Millionen! Das ist doch ein Wahnsinn!)

    Wir sind nicht bereit, die Bundeswehr zu demontieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sage das zu Ihren Anträgen und vorhergehenden Debatten. Wir sind nicht bereit, den Soldaten das vorzuenthalten, was sie zur Erfüllung ihres Auftrags brauchen.

    (Kühbacher [SPD]: Ich werde hören, was Sie am 6. Dezember sagen!)

    Wie schon gesagt: Wir sind nicht bereit, den Verteidigungshaushalt beliebig als Steinbruch zu benutzen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das würde unsere Bündnisfähigkeit ebenso gefährden wie die berufliche und soziale Situation der Soldaten und der zivilen Mitarbeiter.

    (Beifall des Abg. Ronneburger [FDP])

    Die Formel, Herr Kollege Horn: „Wir wollen die Feldwebel befördern, aber den Bundesetat für Verteidigung zusammenstreichen", nehmen Ihnen die Feldwebel nicht ab. Die nimmt Ihnen überhaupt niemand mehr in Deutschland ab.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Horn [SPD]: 7 Millionen!)

    Ihre Verteidigungs- und die Haushaltspolitiker haben sich vor diesen Beratungen tagelang öffentlich gestritten, ob man um 3 oder um 8 Milliarden kürzen soll.

    (Horn [SPD]: 7 Millionen!)

    Die einen haben den anderen Unseriosität vorgeworfen.

    (Horn [SPD]: Das können Sie aus dem Werbeetat nehmen!)

    Das zeigt nur die völlige Richtungslosigkeit, in der Sie sich gegenwärtig bewegen.

    (Horn [SPD]: Das sind Ausreden!)

    — Ich könnte Ihnen die Texte hier vorlesen.
    Ich will einige Schwerpunkte besonders hervorheben. Wir investieren mehr in unsere Soldaten und zivilen Mitarbeiter. Das ist notwendig wegen der starken erfreulichen Zunahme der Beschäftigtenzahlen in unserer Wirtschaft vor allem in den letzten zwei Jahren.
    Zentrale Bedeutung hat in der Tat das 400-Millionen-DM-Attraktivitätsprogramm. Es führt zu deutlich günstigeren Laufbahnerwartungen für Berufs- und Zeitsoldaten, setzt Akzente für Reservisten und Grundwehrdienstleistende, und wir müssen es in einigen Punkten ergänzen.
    Wir haben die genannten neuen Planstellen — ich brauche es nicht zu wiederholen, es ist gesagt — , für die Soldaten bessere Beförderungsmöglichkeiten und auch bestimmte Verbesserungen im Bereich der zivilen Mitarbeiter.
    Ein besonderer Schwerpunkt des jetzt zur Verabschiedung anstehenden Haushaltes gilt dem Umweltschutz. Wir haben dafür erhebliche Mittel vorgesehen: Baumaßnahmen im Zusammenhang mit Luftreinhaltung, Gewässerschutz und Lärmschutz, auch bei unseren Ausbildungseinrichtungen im Ausland.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    Wir werden Simulatoren verstärkt für die Reduzierung des Schießlärms einsetzen und die Entwicklung des ersten Simulators zum Thema Reduzierung der Belastung durch Tiefflüge vorantreiben.

    (Horn [SPD]: Vernünftig!)

    Erstmals haben wir Personalstellen für die hauptamtliche Wahrnehmung des Umweltschutzes vorgeschlagen. Ich bin dem Deutschen Bundestag dankbar, daß er sie bewilligt hat.
    Bei den Rüstungsausgaben steigern wir vorrangig die Mittel für Forschung, Entwicklung und Erprobung. Aber trotz einer Verstärkung um rund 300 Millionen DM können wir nur die wichtigsten laufenden Entwicklungen plan- und zeitgerecht fortsetzen. Wir müssen die Verteidigungsfähigkeit langfristig qualitativ sichern. Dazu gehört auch eine Entwicklung moderner Waffensysteme, bei dem finanziellen Rahmen allerdings mit noch härteren Prioritätsentscheidungen.
    Alles in allem stellt der Verteidigungshaushalt die wichtigsten Erfordernisse der Bundeswehr sicher, allerdings zum Teil auch mit Konsequenzen in Einschränkungen, die in den Folgen den einen oder anderen kritisch berühren werden. Wir sind dazu bereit, weil wir das Notwendigste erreichen.
    Wir müssen einen berechenbaren Kurs steuern, auch im Interesse des internationalen Gewichts der Bundesrepublik Deutschland in dieser für unser Volk und Europa so bedeutsamen Zeit.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)




    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Für uns bleibt eine moderne Bundeswehr unverzichtbar,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    auch wenn wir die Zahl der aktiven Soldaten mit Blick auf Mitte der 90er Jahre planerisch ein Stück reduzieren, auch mit Folgen für den Friedensumfang. Eine moderne Bundeswehr behält ihren Auftrag, Frieden und Freiheit für das deutsche Volk zu sichern. Das ist unabhängig von Strukturveränderungen gültig und es ist nicht von sich verändernden sogenannten Bedrohungsanalysen abhängig.
    Wir sind bereit, das Notwendige zu tun, auch im Rahmen einer vertretbaren Reduzierung ihres Umfangs. Aber es bleibt unsere Politik, Spannungen in Europa abzubauen und für die Sicherheit der Demokratien des Westens weiterhin den erforderlichen Beitrag zu leisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Kühbacher.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Klaus-Dieter Kühbacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachher folgen zwei namentliche Abstimmungen. Ich denke, ich sage Ihnen gleich vorweg: Die Sozialdemokraten werden in beiden namentlichen Abstimmungen zustimmen, einmal, weil sie eine selber beantragt haben, zum zweiten, weil DIE GRÜNEN in ihrer namentlicher Abstimmung das gleich Petitum noch einmal wegen einer Vorlage im Petitionsausschuß wiederholen. Wir diskutieren beide Male über den Jäger 90. — Das sage ich nur für die Kollegen oben an den Lautsprechern, damit sie wissen, daß gleich abgestimmt wird.
    Nun mein Redebeitrag.

    (Ganz [St. Wendel] [CDU/CSU]: Wie lange dauert es denn noch?)

    — 14 Minuten, Herr Kollege Ganz; Sie halten es aus. Dann sind auch alle hier.
    Herr Minister, Sie haben hier eine staatsmännische Rede gehalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Struck [SPD]: Er hat es versucht!)

    — Doch, doch. — Aber an einer Stelle muß ich Sie, Herr Minister, der unseriösen Argumentation zeihen: Herr Minister, Sie werfen der Sozialdemokratischen Partei bei ihren Haushaltsanträgen, die ich im September hier vorgetragen habe, eine Demontage der Bundeswehr vor.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch so!)

    Was habe ich denn gewagt? Ich haben den Kollegen und Ihnen vorgeschlagen, im Jahre 1990 10 000 ausscheidende Zeitsoldaten nicht zu ersetzen. Ich habe es gewagt, Sie aufzufordern, im nächsten Jahr 10 000 Wehrpflichtige nicht einzuberufen. Sie sagen, das sei eine Demontage. Sie wissen doch ganz genau, daß Sie in der nächsten Woche im Kabinett Ihrer Regierung und Ihrer Koalition ganz andere Kürzungen vorschlagen werden. Das ist doch unseriös, was Sie hier machen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: Aber staatsmännisch!)

    Es ist Ihr Problem, meine Damen und Herren von der Koalition, heute einen Etat zu verabschieden, der Makulatur ist

    (Sehr wahr! bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    — das ist so — , einen Etat, der den Gegebenheiten der Außen- und Sicherheitspolitik, die wir heute haben, schon erkennbar nicht mehr Rechnung trägt, der in gewissen Bereichen geradezu gegensteuert, einen Etat, der bei allem Engagement ihrer einzelnen Kollegen den Menschen im Mittelpunkt beschreibt, tatsächlich den Menschen aber nur als Zweck benutzt und hinten anstellt. Der Verteidigungshaushalt 1990 kann von den Sozialdemokraten nicht gutgeheißen werden. Dieser Etat steht im Widerspruch zur Politik, die, wie vom Bundeskanzler postuliert, Frieden mit immer weniger Waffen schaffen soll, tatsächlich aber eine Rüstungsspirale anheizt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch falsch!)

    Dieser Etat steht im Widerspruch zu einer Politik, die mit starken Worten auf Ausgleich und Entspannung mit dem Osten abhebt, tatsächlich aber Bedrohungsängste schürt und auf Grund ihrer rüstungspolitischen Entscheidungen wirklich Ängste verursacht. Dieser Etat steht im Widerspruch zu einer Politik, die vorgibt, Abrüstung zu fordern, tatsächlich aber — ich weise nur auf die Munitionsbeschaffung hin — Aufrüstung betreibt und alles unterläßt, was Möglichkeiten für Vertrauensbeweise unsererseits durch Unterlassen schädlicher und völlig unnötiger Rüstungsausgaben schaffen würde. Dieser Etat beschreibt das Denken in den sicherheitspolitischen Dimensionen von gestern.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Herr Minister Stoltenberg hat eben selber gesagt: Die sogenannten Bedrohungsanalysen sind überholt. Was wollen wir mehr? — Sie halten aber bei diesem Etat an den Bedrohungsanalysen des kalten Krieges fest, als wenn sich überhaupt nichts geändert hätte, als wenn die Welt um uns herum immer noch im Zustand des kalten Krieges wäre.
    Dieser Etat ist mit seinen Steigerungsraten die geradezu plastische Darstellung eines „Weiter so".

    (Beifall bei der SPD — Frau Matthäus-Maier [SPD]: Jawohl!)

    So untermauert man mit Haushalts- und Steuermitteln keine vernünftige Politik.

    (Zuruf von der SPD: Sehr gut, Klaus-Dieter!)

    Das ist keine Politik, die man nach außen glaubwürdig verkaufen kann; denn sie ist ein Ausdruck Ihrer großen Verunsicherung und Ihrer übermächtigen Hilflosigkeit, weil Sie, meine Damen und Herren in der Regierungskoalition und der Bundesregierung, mit den sich rasch vollziehenden dramatischen Verände-



    Kühbacher
    rungen nicht zurechtkommen. Sie kommen mit neuem Denken gedanklich nicht mehr klar.

    (Nolting [FDP]: Wer hat denn das aufgeschrieben?)

    Es ist geradezu ein Zeichen gedankenloser Unbekümmertheit, daß Sie im Haushalt 1990 Zahlen festschreiben, die bereits in einer Woche obsolet sein werden.
    Ich denke, daß unsere Bundeswehr, unsere Soldaten und Zivielbediensteten einen seriöseren Umgang mit ihrer Art der Arbeitsbewältigung verdienen.
    Wir Sozialdemokraten lehnen den Etat 1990 ganz entschieden ab.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie mich noch einmal unsere Vorstellungen zu einem seriösen Etat vortragen, warum wir für Kürzungen der Haushaltsansätze, warum wir für die Streichung einzelner Programmteile und warum wir zugunsten der Veränderung und Verlagerung der sozialen Belange eingetreten sind. Wir treten für Kürzungen ein, die realistisch sind und unsere Sicherheit nicht gefährden, sondern fördern. Wir waren und sind für Streichungen im Einzelplan 14, der über 54 Milliarden DM beträgt, um 3,2 Milliarden DM.

    (Nolting [FDP]: Was sagt denn Herr Walther dazu?)

    Dies ist sicherheitspolitisch geboten und außerdem unter dem Gesamtaspekt einer vertrauensbildenden Maßnahme nach außen und nach innen richtig. Wir sind für Kürzungen bei diesem Etat von 5,8 % und nicht, so wie Sie das beschlossen haben, von geradezu lächerlichen 237 Millionen DM.

    (Beifall bei der SPD — Nolting [FDP]: Wieviel wollte denn Herr Walther?)

    Nicht einmal ein halbes Prozent haben sich die Kollegen des Haushaltsausschusses zu streichen gewagt. Nicht einmal ein halbes Prozent, meine Damen und Herren! Normalerweise vergißt man solche kleinen Zahlen.

    (Nolting [FDP]: Was sagt Herr Walther dazu?)

    Ich will noch einmal unsere Eckdaten nennen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Du hast doch gar keine! — Unruhe)

    das nennen, was unserer Meinung nach wichtig wäre.

    (Dr. Struck [SPD]: Herr Kübacher, etwas lauter bitte! — Frau Matthäus-Maier [SPD]: Lauter!)

    — Noch lauter, Herr Kollege Struck? Ich denke, das ist nur das Schreien der Angst der Koalition vor der Wahrheit.

    (Beifall bei der SPD — Wilz [CDU/CSU]: Das ist ja wie im Karneval!)

    Herr Minister Stoltenberg, der von Ihnen mit dem Zahlenwerk des Haushalts vorgelegte Personalumfang — das ist der Kernpunkt — und alle anderen, sich daraus ableitenden Ansätze stimmen nicht mehr, wie wir ja am 6. Dezember von Ihnen hören werden.
    Schlimmer noch: Sie wissen, daß diese Grundzahlen falsch sind, und lassen es zu, daß hier über eine Bundeswehr auf dem Papier beschlossen wird, die gar nicht existieren kann und auch gar nicht existieren wird.
    Sie planen weiterhin großzügig — wie unter Ihrem Vorgänger begonnen — für eine Armee von 456 000 Personen. So der Haushalt 1990! Im Ohr haben Sie vielleicht noch die Zusage Ihres Kanzlers bei der Kommandeurtagung in Travemünde. Dort hat er die Existenz von 495 000 Soldaten für die Bundeswehr bis ans Ende des Jahrhunderts festgeschrieben. — So Ihr Kanzler in Travemünde!

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Wie mit der Quellensteuer!)

    Was von Kanzlerworten in diesem Zusammenhang zu halten ist, haben wir ja bei der Wehrpflichtverlängerung mitbekommen.

    (Wilz [CDU/CSU]: Das haben wir bei Schmidt erlebt!)

    Bei der Wehrpflichtverlängerung ging es ruck, zuck zurück. Das war das Ergebnis der Kanzlerworte!

    (Beifall bei der SPD)

    Ich sage Ihnen, meine Kollegen von der CSU, der CDU und der FDP, auch wenn es weh tut: Sie werden es morgen, wenn Sie die Fernsehberichterstattung noch einmal nachvollziehen — wir hatten ja nicht das Vergnügen; das kam alles schon über den Fernsehschirm —, spätestens am 6. Dezember im Kabinett erfahren und lernen müssen: Die Vorgaben zum Haushalt 1990 sind Makulatur, unrealistisch, irreführend.

    (Beifall bei der SPD)

    Geben Sie es doch zu: Im Ministerium wird schon intensiv und laut geplant für eine Armee von 350 000 bis 380 000 Soldaten Mitte der 90er Jahre. Es wird wieder nachgedacht, nachdem die Parteiideologen, die ja frühere Denkansätze verboten haben, nun nicht mehr das Sagen haben. Geben Sie doch zu: Kein Verantwortlicher rechnet ernsthaft noch damit — die Soldaten sitzen dort auf der Bank; sie wissen ganz genau, mit welchen Zahlen sie gerechnet haben —, mit 456 000 Soldaten Mitte der 90er Jahre zu operieren. Trotzdem stellen Sie die Finanzmittel dafür bereit, als wäre nichts geschehen.
    Ich rede noch gar nicht über die Erfolge in den Abrüstungsverhandlungen, die auch noch kommen werden. Sie wissen das heute. Ich sage: Wider besseres Wissen bestreiten Sie die Zahlen und beschließen einen falschen Haushaltsplan.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Damit komme ich zu einem entscheidenden Punkt. Mit einem solchen erheblich verringerten Umfang der Personalstärke brauchen auch ganz andere Dinge nicht mehr bestellt zu werden. Meine Damen und Herren, was machen Sie denn? Sie lassen alle Rüstungsprogramme für Panzer, für Schiffe, für Flugzeuge, für Forschung so weiterlaufen wie bisher.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Unmöglich!)




    Kühbacher
    Sie, meine Damen und Herren, die Sie ja doch erheblichen Sachverstand haben im Verteidigungsausschuß und im Haushaltsausschuß — das muß ich Ihnen doch ausdrücklich bestätigen —, Sie begegnen diesem Haushalt 1990 nach dem Motto: Nichts sehen, nichts lernen, weiter so.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Garbe [GRÜNE] — Dr. Struck [SPD]: Sehr gut, Klaus-Dieter!)

    Sie rüsten wirklich auf. Ohne Erfordernis bestellen Sie — auf Kosten des Steuerzahlers selbstverständlich —

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Anderen Leuten in die Tasche greifen!)

    zusätzliche Kampfflugzeuge ECR Tornado. Warum denn? — Damit die Produktionslinien aufrechterhalten werden, nicht etwa, weil die Flugzeuge benötigt werden. Sie bestellen zusätzlich Kampfpanzer Leopard. Warum denn? — Damit die Produktionslinien bei Krauss-Maffei aufrechterhalten werden.

    (Dr. Struck [SPD]: Wenn das der Waigel wüßte, Herr Kollege Kühbacher! Der weiß das bloß nicht!)

    — So ist das. — Außerdem haben Sie nach dem Ausstieg Großbritanniens die schon halb gestorbene Fregatte 90 immer noch nicht aus der Liste der Forschungsvorhaben herausgestrichen. Durch die zusätzlichen Mittel und die Aufblähung der Mittel für die Forschung und Entwicklung für den Panzerhubschrauber 2 werden — das wissen Sie genau, Herr Kollege Ganz — eine Unmenge von Mitteln gebunden.

    (Ganz [St. Wendel] [CDU/CSU]: Wer im Glashaus sitzt — — ! )

    Durch die Bewilligung von Mitteln — Herr Ganz, nun geht es in Ihre Region — für einen Höhenaufklärer, an dem nichts weiter deutsch ist als die Finanzmittel, die dort hineinkommen, geben Sie Milliardenbeträge aus.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie wollen in allem Ernst in diesem Jahr — nach Abzug der für die Übungen notwendigen Munition — für 1,8 Milliarden DM die Kriegsvorräte im nächsten Jahr erhöhen. Dabei spreche ich überhaupt nicht über die Verpflichtungsermächtigungen.

    (Frau Seiler-Albring [FDP]: Verteidigungsvorräte!)

    — Frau Kollegin Seiler-Albring, warum stimmen Sie denn dem Vorhaben zu, die Kriegsvorräte zu erhöhen? Was soll denn dieser Unsinn? Sie können das auch Verteidigungsvorräte nennen. Wenn das vornehmer ist, schließe ich mich gerne an. Selbstverständlich haben wir nur eine Verteidigungsarmee, wenn Sie das noch einmal bestätigt haben wollen. Trotzdem ist die Beschaffung Unsinn.
    Meine Damen und Herren, alle Dimensionen sprengt nun einmal die Beschaffung des Jägers 90 und dessen Entwicklung. Frau Kollegin Seiler-Albring, das hat mir ja nun ernsthaft Spaß gemacht, daß die Freien Demokraten auf einem Parteitag wirklich beschließen, daß man mal für die Entwicklung eines
    Flugzeuges 7 Milliarden DM Steuermittel ausgibt und sich dann überlegt, ob man es beschafft oder nicht — bei einer Stückzahl von 200! Wollen Sie das denn im Ernst einem Wähler, einem Steuerzahler zumuten, daß Sie 7 Milliarden brauchen, um zu Erkenntnissen zu kommen? Also, dies ist eine teure FDP, das sage ich Ihnen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der FDP)

    Man kann sich nicht immer aus der Verantwortung herausmogeln. Sie müssen schon auf Ihren Parteitagen ja oder nein sagen. Immer dabeisein, das geht nicht. Man muß schon Mut haben.
    Meine Damen und Herren, alle diese Rüstungsinvestitionen sind mit Vernunft und Einsicht nicht zu rechtfertigen, und sie hindern Sie natürlich auch daran, für die Soldaten selber etwas zu tun. Kommen Sie mir nicht mit dem Argument, daß Sie ja die Besoldungsgruppe A 1 abschaffen wollen, daß Sie für die Hauptleute im Stau etwas getan hätten, weil es zusätzliche Stellen gibt. Diese Dinge sind sowieso so lange sozial überfällig, daß es heute eigentlich nur noch eine Erwähnung braucht, daß Sie das fünf Jahre nicht geleistet haben.
    Aber, meine Damen und Herren, jetzt komme ich noch einmal auf den wunden Punkt. Das Rückgrat unserer Bundeswehr im Umgang mit den Wehrpflichtigen sind die Unteroffiziere. Wir Sozialdemokraten haben Sie gebeten, für diese Unteroffiziere und ihre Laufbahnerwartungen 7 Millionen DM zur Verfügung zu stellen, damit die Oberfeldwebel erkennen können, ob sie denn die Chance haben, Hauptfeldwebel, Stabsfeldwebel oder, wenn sie besonders hervorragend geeignet sind, Oberstabsfeldwebel zu werden. 7 Millionen DM haben wir von Ihnen erbeten. Was haben Sie gemacht, obwohl dieser Etat 54 Milliarden groß ist? Sie haben diese 7 Millionen wegen Finanzknappheit abgelehnt. Wer soll denn das noch glauben? Und Sie sagen: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Da gibt es einen ganz blöden Spruch bei der Bundeswehr, den Sie den Unteroffizieren jetzt unmittelbar bestätigen: Der Mensch ist für Sie nicht Mittelpunkt, er ist Mittel — Punkt. So ist es nämlich.

    (Beifall bei der SPD)

    Ja, meine Damen und Herren, es ist ganz traurig.
    Ich sage es noch einmal ausdrücklich, Sie werben um die Zustimmung der Bundeswehrfamilien mit einigen guten Sachen. Es wird einiges geändert. Aber an dieser Stelle, an der man für die Unteroffiziere mit relativ bescheidenen Beträgen etwas tun könnte, sperren Sie sich. Warum, können Sie sich wahrscheinlich selber nicht erklären: weil es der Finanzminister nicht wollte, die Hardthöhe nicht für notwendig gehalten hat. Sie haben als frei gewählte Abgeordnete nicht den Mut, die Unteroffiziere wirklich in die Richtung zu stellen, die notwendig ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem ich gesagt habe, was ich von der Union halte, wenn sie zu einem Haushalt ja sagt, der Makulatur ist, kann ich



    Kühbacher
    Sie nur noch bitten, unseren Anträgen zuzustimmen,

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/ CSU)

    den Jäger 90 jetzt abzulehnen, damit nicht noch mehr Geld in den Bach hinausgeht — der Steuerzahler hat das nicht verdient —,

    (Beifall bei der SPD)

    und bei den anschließenden namentlichen Abstimmungen — der Kollege Vogel zeigt das schon — zweimal mit blau zu stimmen.
    Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD)