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    Plenarprotokoll 11/179 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 179. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 30. November 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 13733 A Erklärung zum Mordanschlag auf den Sprecher der Deutschen Bank, Dr. Alfred Herr-hausen 13744 A Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksachen 11/5000, 11/5321, 11/5389) Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Waltemathe SPD 13733 C Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 13736 D Frau Wollny GRÜNE 13739 D Dr. Weng (Gerlingen) FDP 13741 A Schäfer (Offenburg) SPD 13742 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 13744 C Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft Frau Dr. Wegner SPD 13748 C Frau Männle CDU/CSU 13750 C Frau Hillerich GRÜNE 13753 B Kastning SPD 13754 D Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 13757 B Wetzel GRÜNE 13758 D Möllemann, Bundesminister BMBW . . 13760B, 13766 D Frau Odendahl SPD 13764 C Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Sieler (Amberg) SPD 13768B Strube CDU/CSU 13770 B Hoss GRÜNE 13772D Zywietz FDP 13774 D Dreßler SPD 13779 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA 13782 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 13788 A Scharrenbroich CDU/CSU (Erklärung nach § 32 GO) 13788 C Andres SPD (Erklärung nach § 32 GO) . 13789 C Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Frau Conrad SPD 13790 B Kalb CDU/CSU 13793 A Frau Schoppe GRÜNE 13795 A Zywietz FDP 13796 D Link (Diepholz) CDU/CSU 13798 D Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 13801 C Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 13804 C Frau Matthäus-Maier SPD 13807 B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 179. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. November 1989 Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . 13808C, 13824 C Kühbacher SPD 13809 B Deres CDU/CSU 13812 D Such GRÜNE 13815A Frau Seiler-Albring FDP 13817 A Dr. Nöbel SPD 13819D Gerster (Mainz) CDU/CSU 13822 B Wüppesahl fraktionslos 13826 D Duve SPD 13828 C Kühbacher SPD (Erklärung nach § 31 GO) 13829A Frau Dr. Vollmer GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13829 C Gerster (Mainz) CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 13829 D Lüder FDP (Erklärung nach § 31 GO) . 13830 B Kleinert (Marburg) GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13830 C Namentliche Abstimmungen 13831 A Ergebnisse 13851B, 13852D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksache 11/5576) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt IV: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 123 zu Petitionen (Drucksache 11/5150) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt V: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Fuchs (Verl), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rücktritt der Bundesrepublik Deutschland von dem Entwicklungsvorhaben „Europäisches Jagdflugzeug/Jagdflugzeug 90" zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Ausscheiden der Bundesrepublik Deutschland aus dem Entwicklungsvorhaben Jagdflugzeug 90 (Drucksachen 11/3018, 11/3592, 11/4269) Horn SPD 13832 B Müller (Wadern) CDU/CSU 13834 A Kleinert (Marburg) GRÜNE 13837 B Frau Seiler-Albring FDP 13839 D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg . 13842 D Kühbacher SPD 13846 A Dr. Friedmann CDU/CSU 13849 A Namentliche Abstimmung 13850 B Ergebnis 13854 D Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidial- amt 13854 A Einzelplan 03 Bundesrat 13854 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag 13854 B Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht Dr. de With SPD 13856 B von Schmude CDU/CSU 13858 A Häfner GRÜNE 13859 A Irmer FDP 13860 B Engelhard, Bundesminister BMJ 13862 D Haushaltsgesetz 1990 (Drucksachen 11/5579, 11/5580) 13864 D Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1989 bis 1993 (Drucksachen 11/5001, 11/5322, 11/5390, 11/5731) . . 13865A Nächste Sitzung 13865 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 13867* A 179. Sitzung Bonn, den 30. November 1989 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 01.12.89* Amling SPD 30.11.89 Austermann CDU/CSU 01.12.89 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 01.12.89 Frau Blunck SPD 30.11.89 Börnsen (Ritterhude) SPD 30.11.89 Büchner (Speyer) SPD 01.12.89 * Frau Dempwolf CDU/CSU 01.12.89 Dr. Dollinger CDU/CSU 01.12.89 Frau Fuchs (Verl) SPD 30.11.89 Dr. Haack SPD 01.12.89 Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 01.12.89 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 01.12.89 Höffkes CDU/CSU 01.12.89 Hörster CDU/CSU 30.11.89 Ibrügger SPD 01.12.89 Jaunich SPD 01.12.89 Kißlinger SPD 01.12.9 Klein (Dieburg) SPD 01.12.89 Klein (München) CDU/CSU 30.11.89 Kolbow SPD 01.12.89 Dr. Kreile CDU/CSU 01.12.89 Kreuzeder GRÜNE 01.12.89 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Linsmeier CDU/CSU 01.12.89 Lowack CDU/CSU 01.12.89 Frau Luuk SPD 01.12.89 Meneses Vogl GRÜNE 01.12.89 Müller (Düsseldorf) SPD 30.11.89 Niegel CDU/CSU 01.12.89 * Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 01.12. 89 Paterna SPD 01.12.89 Pfeifer CDU/CSU 01.12.89 Repnik CDU/CSU 30.11.89 Frau Rock GRÜNE 01.12.89 Frau Schilling GRÜNE 01.12.89 Schreiber CDU/CSU 30.11.89 Schröer (Mülheim) SPD 01.12.89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 01.12.89 Seiters CDU/CSU 30.11.89 Sielaff SPD 30.11.89 Dr. Stavenhagen CDU/CSU 30.11.89 Tietjen SPD 01.12.89 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 01.12.89 Frau Trenz GRÜNE 01.12.89 Verheugen SPD 30.11.9 Vogt (Düren) CDU/CSU 30.11.89 Dr. von Wartenberg CDU/CSU 01.12.89 Frau Wilms-Kegel GRÜNE 01.12.89 Dr. Zimmermann CDU/CSU 30.11.89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Werner Müller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich habe das indirekt schon ausgeführt. Sie wissen ja, daß bei dieser allgemein günstigen wirtschaftlichen Lage gerade der Beruf des Soldaten in Konkurrenz steht zu einer ganzen Reihe von neuen, attraktiven Chancen, die es in der Wirtschaft gibt. Deswegen machen wir ja gerade dieses Programm. Ich bin davon überzeugt, daß die Attraktivität des Dienstes erheblich verbessert wird, wenn dieses Programm erst einmal greifen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, dieser Verteidigungsetat gibt unserer Bundeswehr die notwendigen Finanzmittel. Sie sind knapp — zugegeben — , sind aber ausreichend, um die Aufgaben zu erfüllen. Sie verbessern die Lage der Soldaten und ihrer Familien. Insofern ist das auch als Dank an die Angehörigen der Soldaten der Bundeswehr zu sehen. Darauf möchte ich besonders hinweisen. Auch die Familien haben entscheidend dazu beigetragen, daß der Friede in Europa durch die Politik der Bundesrepublik Deutschland eingehalten werden konnte und inzwischen unsere Vorstellungen von Freiheit,

    (Gerster [Worms] [SPD]: Wer ist „unsere"? Die CDU oder wer?)

    Selbstbestimmung und Menschenrechten für viele Bürger, auch für die Bürger in der DDR und den Staaten in Mittel- und Osteuropa, greifbar am Horizont erscheinen.
    Ich bedanke mich sehr herzlich, daß Sie mir zugehört haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert (Marburg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hubert Kleinert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Müller, was ich zu Ihrer Rede sagen soll, ich weiß es nicht. Wenn man das ernst nähme, wenn man Ihrer Logik folgte, müßte man eigentlich feststellen: Abrüstung geht nie, Abrüstung bringt nichts, und die Bundeswehr ist an sich eine Veranstaltung zur Beglückung der Menschheit.

    (Breuer [CDU/CSU]: Sie haben gar nicht zugehört! — Zuruf von der FDP: Quatsch! — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie sind böswillig! So etwas kann man nach der Rede nicht unterstellen! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Der ist gar nichts! — Breuer [CDU/ CSU]: Das hat er gestern schon aufgeschrieben! Das wußte er vorher!)

    — Jetzt beruhigt euch doch erst mal.
    Selten beschreiben Fernsehbilder eine Situation so treffend wie jener Bericht in der Nachrichtensendung „heute" von der NATO-Tagung in Brüssel am vergangenen Dienstag. Während nämlich alle NATO- Verteidigungsminister zum schönen Erinnerungsfoto versammelt waren, fehlte einer. Das war der Herr Minister Stoltenberg. Der Herr Minister Stoltenberg mußte nämlich zur gleichen Zeit der Presse erklären, wie nun in der Bundesrepublik auf die verschiedenen Pläne der US-Regierung reagiert werden solle, drastische Einschnitte bei den Rüstungsausgaben vorzunehmen. Man war nun gespannt: Was würde Herr Stoltenberg wohl erklären? Als dann zu hören war, was er zu sagen hatte, konnte man eigentlich nur glauben, sich verhört zu haben; denn Herr Stoltenberg brachte tatsächlich die Erklärung zustande, nunmehr kämen „auf die europäischen NATO-Partner noch größere Verpflichtungen für die Aufrechterhaltung einer glaubwürdigen Verteidigung zu" . Wer nicht glaubt, daß Herr Stoltenberg dies tatsächlich gesagt hat, mag es in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 29. November nachlesen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Jetzt seien Sie doch mal still. Das ist furchtbar hier in diesem kleinen Raum mit diesen vielen Leuten, die immer nur rummeckern können. Seien Sie doch mal still. Wirklich, das macht mich ganz rappelig.

    (Beifall bei der SPD — Kühbacher [SPD]: Laß es dir nicht gefallen!)

    — Das ist furchtbar. In dem alten Bundestag ging das wenigstens noch so, daß das nicht so gestört hat. Das ist furchtbar hier. Sie mit Ihrer großen Zahl machen es einem schwer. Das ist ganz billig.

    (Dr. Hoyer [FDP]: Wer austeilt, muß auch ein bißchen einstecken können! — Biehle [CDU/ CSU]: Sie mit Ihren fünf Leuten machen einen Riesenwirbel! — Frau Fischer [CDU/ CSU]: Sie müßten mal Frau Schilling im Ausschuß hören! — Weitere Zurufe)

    — Ich bin gar nicht nervös.

    (Kühbacher [SPD]: Eine starke Truppe! — Biehle [CDU/CSU]: Sie gehen auf wie eine bayerische Dampfnudel!)

    — Kommt, jetzt laßt mich mal ausreden. (Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich verstehe ja mein eigenes Wort nicht, wenn Sie hier so herumkreischen, Herr Biehle.
    Meine Damen und Herren, ich komme zurück zu Herrn Stoltenberg: Wenn man solche Äußerungen hört, dann glaubt man gar nicht, daß man sich noch in derselben Wirklichkeit befindet wie diejenigen, die diese Äußerungen tun. Ich kann das einfach nicht nachvollziehen, muß ich hier ganz ehrlich bekennen.
    Wir haben seit Jahren eine politische Gesamtentwicklung, die alte Feindbilder zunehmend unglaubwürdig macht — wenn man mal unterstellt, daß sie jemals mehr Glaubwürdigkeit gehabt hätten, was ich gar nicht tue. Da verlieren aus gutem Grund alte Bedrohungsszenarien mehr und mehr Wirkungskraft. Da hat der Warschauer Pakt bemerkenswerte Abrü-



    Kleinert (Marburg)

    stungsschritte eingeleitet. Da will Herr Schewardnadse die Auflösung der Militärblöcke. Da ist in den letzten Wochen eine Entwicklung in Gang gekommen, die zusätzliche Chancen bietet. Da findet sich sogar in der Zehn-Punkte-Erklärung des Bundeskanzlers der Satz, daß — ich zitiere — Abrüstung und Rüstungskontrolle beschleunigt werden müßten. — Und dann kommt Herr Stoltenberg daher und erklärt die Notwendigkeit zusätzlicher Rüstungsausgaben. Also, bei allem, was mir bislang hier an merkwürdigen Logiken vertraut war, das begreife ich einfach nicht mehr.

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Das war halt das begrenzte Wissen!)

    — Ich begreife es einfach nicht mehr.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Selbst die USA halten mittlerweile einen Abbau ihrer Streitkräfte in Westeuropa für möglich. Die Parlamente fast aller NATO-Staaten wollen Rüstungsausgaben runterfahren. Ex-General Schmückle glaubt, in den nächsten zehn Jahren werde die NATO überflüssig. — Und die Bundesregierung rechnet mit zusätzlichen Ausgaben und will im nächsten Jahr die Ausgaben im Einzelplan 14 um eine gute Milliarde DM weiter erhöhen.

    (Zuruf des Abg. Biehle [CDU/CSU])

    — Herr Biehle, jetzt halten Sie mal die Klappe!

    (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wenn Sie uns hier jetzt Kürzungen von 270 Millionen DM, wie die Mehrheit im Haushaltsausschuß vorgeschlagen hat, als Abrüstungsinitiative präsentieren wollen, muß ich Ihnen sagen: Auch das hat eher schon Züge von Komik. Nicht einmal ein halbes Prozent der Ausgaben im Einzelplan 14 wird hier zur Kürzung vorgeschlagen. Das Wort Abrüstung zur Kennzeichnung dieser Beschlüsse ist völlig fehl am Platze.
    In einer Zeit des raschen Abbaus von Blockkonfrontation und wachsender Akzeptanzkrise des Militärs tut die Bundesregierung so, als wäre gar nichts passiert. Zunächst, ungefähr in der Zeit vor 1983, hörte man in diesem Hause, im Grunde wolle man Abrüstung. Wie war das damals mit dem Spruch, den Herr Kohl sagte: Frieden schaffen mit immer weniger Waffen. Damals war der Weg zur Abrüstung mehr Aufrüstung — das wurde damals auch offen gesagt —, mehr Aufrüstung deshalb, weil die anderen so gefährlich sind. Deshalb mußten die Rüstungsausgaben leider erhöht werden. Dann wurden die anderen in den Jahren danach eingestandenermaßen weniger gefährlich. Nun hieß es — auch das ist schon wieder ein paar Jahre her — , wir müßten unsere Rüstungsausgaben deshalb weiter erhöhen, weil wir erst noch sehen müssen, ob den Worten der anderen auch Taten folgen.
    Nun hat sich die Lage wieder geändert. Niemand bestreitet, daß Taten gefolgt sind, niemand kann sie leugnen. Geändert bei der Rüstungsausgabenpolitik hat sich immer noch nichts. Es wird weiter aufgerüstet. Was kann man also feststellen: Die Grundlinie bleibt immer dieselbe. Egal was passiert, es wird weiter aufgerüstet, und Herr Stoltenberg tut so, als sei nichts geschehen.
    Meine Damen und Herren, die Bedrohungsszenarien waren noch nie sonderlich realistisch. Aber selbst, wer unterstellt, daß sie es jemals gewesen wären, könnte heute nicht mehr begründen, was Sie politisch betreiben und weiter vorhaben.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Gegen wen wollen Sie uns denn eigentlich verteidigen, gegen wen sollen die weiteren Beschaffungsvorhaben und zusätzlichen Rüstungsschritte eigentlich gerichtet sein? Gegen die demokratische Bewegung in der DDR vielleicht, gegen die nichtkommunistische Regierung in Polen oder gegen die Massenbewegung in der CSSR? Wo sitzt denn der Gegner der Zukunft, der diese Planung in dieser Weise rechtfertigt?
    Meine Damen und Herren, die Relikte des alten Denkens spuken überall bei den Regierungsfraktionen. Herr Waigel hat es gestern als schweren Fehler bezeichnet, den Rüstungsetat — jetzt zitiere ich Herrn Waigel — als „Steinbruch für andere Aufgaben" zu betrachten, und er hat dann darauf verwiesen, daß die Erhöhungen im Einzelplan 14 den Soldaten zugute kämen. Ja, meint denn Herr Waigel tatsächlich, daß das Geld für den Jäger 90 den Soldaten zugute kommt, vielleicht der sozialen Lage der Soldaten? Wollte uns Herr Waigel damit weismachen, daß die größte Gesamtausgabe, die in der Geschichte der Bundesrepublik jemals für Wehrtechnik und Beschaffung ausgegeben wurde, etwa den Soldaten zugute kommt? Ich denke, daß Sie verzweifelt nach immer neuen Begründungen für den weiteren Anstieg von Rüstungsausgaben auf der Suche sind.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Schauen Sie sich doch einmal die Personaltitel an! Sie steigen doch!)

    — Sie wissen doch, Herr Friedmann, was wir für Anträge dazu gestellt haben. Was soll das denn? — Sie finden eine Begründung nicht. Der Jäger 90 ist das herausragende Symbol für Ihre verfehlte Hochrüstungspolitik, die Sie selbst jetzt noch fortsetzen wollen, selbst jetzt noch, wo es ungeahnte Chancen für einen friedlichen Weg der Überwindung der Militärblöcke gibt, jetzt in einer Situation, wo politische Ziele zur realen Möglichkeit werden, die vor kurzem noch visionären Charakter hatten. Zu einem Zeitpunkt, an dem maßgebliche Vertreter selbst der Regierungskoalition in positivem Sinne — ich erinnere an verschiedene Reden von Herrn Genscher — von gesamteuropäischer Friedensordnung sprechen, tun Sie in der Rüstungspolitik so, als wäre das alles nie gesagt worden.
    Mit dem Jäger 90 beschäftigt sich auch die Petition, die hier mit debattiert wird. Wir unterstützen die Zielsetzung dieser Petition ausdrücklich.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, wir Grüne haben in unserem Abrüstungshaushalt Kürzungen und Strei-



    Kleinert (Marburg)

    chungen in einer Größenordnung von 8,4 Milliarden DM vorgeschlagen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Viel weniger als in früheren Jahren!)

    Wir haben im Detail nachgewiesen und vorgerechnet, wie diese Einsparungen im einzelnen auch heute schon zu verwirklichen wären, ohne daß man Ergebnisse der Wiener Verhandlungen erst noch abwarten müßte. Wir haben Ihnen im Detail vorgerechnet, wie man diese Summe einsparen kann und wie man sie für andere, sinnvolle Zwecke einsetzen könnte.

    (Biehle [CDU/CSU]: Im Ausschuß haben Sie aber den Antrag gestellt, den ganzen Einzelplan 14 zu streichen!)

    Dies betrifft Personaleinsparungen, den Verzicht auf die Beschaffung neuer Rüstungsgüter, Einschränkung der militärischen Übungen und anderes. Diese Vorschläge sind sehr realitätsnah ausgerechnet und beziehen sogar bestehende rechtliche Verpflichtungen mit ein. Sie wären unmittelbar umsetzbar und in dem Sinne praktikabel. Das hat Sie alles nicht daran gehindert, diese Vorschläge samt und sonders abzulehnen.
    Meine Damen und Herren, die Ereignisse der letzten Wochen zeigen, daß es auch heute schon realpolitisch möglich wäre, im Tempo der Abrüstung noch schneller voranzugehen. Deshalb haben wir zusätzlich eine Idee der Friedensbewegung aufgegriffen, die eine globale Minderausgabe von 5 Milliarden DM im Rüstungshaushalt vorschlägt. Die Mittel daraus sollen in einen Devisenfonds zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und der DDR eingespeist werden. Diese Forderung wird von Institutionen wie der „Aktion Sühnezeichen" und der Ärztevereinigung gegen den Atomkrieg ebenso unterstützt wie von Einzelpersönlichkeiten wie etwa Pfarrer Albertz, Flottenadmiral Schmähling, von Horst-Eberhard Richter und von Bundestagsabgeordneten aus SPD und GRÜNEN.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir verstehen diesen Antrag als zusätzlichen Antrag zu unserem detailliert ausgearbeiteten Kürzungsantrag. Meine Damen und Herren, an diejenigen, die hier im Hause konservativer als wir denken und die unsere weiterreichenden Vorstellungen in dem anderen Antrag, die detailliert ausgearbeitet sind, nicht mittragen mögen, will ich hier trotzdem noch einmal ausdrücklich appellieren: Stimmen Sie wenigstens diesem bescheideneren Vorschlag, der aus der Friedensbewegung stammt, zu, und lassen Sie uns hier wenigstens dieses eine Zeichen dafür setzen, daß auch in der Bundesrepublik neues Denken vorangekommen ist und mit praktischer Abrüstung wirklich begonnen wird.
    Weil das in besonderer Weise mit den Sozialdemokraten zu tun hat, will ich mich zum Schluß gerade an Sie wenden, was diesen Antrag betrifft. Frau Matthäus-Maier hat gestern zu Recht darauf hingewiesen, daß wir mehr Geld für andere Sachen brauchen. Frau Matthäus-Maier sagte gestern — ich zitiere — :
    Wir brauchen mehr Geld zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit, zur Bekämpfung der Wohnungsnot, für den Umweltschutz, zur Rettung von Nord- und Ostsee, für mehr Chancengleichheit in der Bildung, ... um der zunehmenden Verelendung in der Dritten Welt zu begegnen.
    Recht hat sie, die Frau Matthäus-Maier.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Aber wenn das so ist, dann können Sie sich als Sozialdemokraten doch nicht mit den knapp 3 Milliarden DM bescheiden, die Ihre Fraktion im Einzelplan 14 kürzen will. Geben Sie sich einen Ruck, und stimmen Sie wenigstens dem zweiten Antrag zu, wenn Ihnen, was ja zu befürchten ist, unser erster Antrag als zu weitgehend erscheint!
    Herr Präsident, ich beende meine Rede; ich bin ohnehin fertig.

    (Heiterkeit)

    Aber ich möchte für Leute, die nach mir kommen, eines feststellen: Bei dem ständigen Lärm ist es hier wirklich nahezu unmöglich, konzentriert zu reden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)