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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/179 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 179. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 30. November 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 13733 A Erklärung zum Mordanschlag auf den Sprecher der Deutschen Bank, Dr. Alfred Herr-hausen 13744 A Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksachen 11/5000, 11/5321, 11/5389) Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Waltemathe SPD 13733 C Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 13736 D Frau Wollny GRÜNE 13739 D Dr. Weng (Gerlingen) FDP 13741 A Schäfer (Offenburg) SPD 13742 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 13744 C Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft Frau Dr. Wegner SPD 13748 C Frau Männle CDU/CSU 13750 C Frau Hillerich GRÜNE 13753 B Kastning SPD 13754 D Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 13757 B Wetzel GRÜNE 13758 D Möllemann, Bundesminister BMBW . . 13760B, 13766 D Frau Odendahl SPD 13764 C Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Sieler (Amberg) SPD 13768B Strube CDU/CSU 13770 B Hoss GRÜNE 13772D Zywietz FDP 13774 D Dreßler SPD 13779 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA 13782 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 13788 A Scharrenbroich CDU/CSU (Erklärung nach § 32 GO) 13788 C Andres SPD (Erklärung nach § 32 GO) . 13789 C Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Frau Conrad SPD 13790 B Kalb CDU/CSU 13793 A Frau Schoppe GRÜNE 13795 A Zywietz FDP 13796 D Link (Diepholz) CDU/CSU 13798 D Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 13801 C Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 13804 C Frau Matthäus-Maier SPD 13807 B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 179. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. November 1989 Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . 13808C, 13824 C Kühbacher SPD 13809 B Deres CDU/CSU 13812 D Such GRÜNE 13815A Frau Seiler-Albring FDP 13817 A Dr. Nöbel SPD 13819D Gerster (Mainz) CDU/CSU 13822 B Wüppesahl fraktionslos 13826 D Duve SPD 13828 C Kühbacher SPD (Erklärung nach § 31 GO) 13829A Frau Dr. Vollmer GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13829 C Gerster (Mainz) CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 13829 D Lüder FDP (Erklärung nach § 31 GO) . 13830 B Kleinert (Marburg) GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13830 C Namentliche Abstimmungen 13831 A Ergebnisse 13851B, 13852D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksache 11/5576) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt IV: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 123 zu Petitionen (Drucksache 11/5150) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt V: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Fuchs (Verl), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rücktritt der Bundesrepublik Deutschland von dem Entwicklungsvorhaben „Europäisches Jagdflugzeug/Jagdflugzeug 90" zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Ausscheiden der Bundesrepublik Deutschland aus dem Entwicklungsvorhaben Jagdflugzeug 90 (Drucksachen 11/3018, 11/3592, 11/4269) Horn SPD 13832 B Müller (Wadern) CDU/CSU 13834 A Kleinert (Marburg) GRÜNE 13837 B Frau Seiler-Albring FDP 13839 D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg . 13842 D Kühbacher SPD 13846 A Dr. Friedmann CDU/CSU 13849 A Namentliche Abstimmung 13850 B Ergebnis 13854 D Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidial- amt 13854 A Einzelplan 03 Bundesrat 13854 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag 13854 B Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht Dr. de With SPD 13856 B von Schmude CDU/CSU 13858 A Häfner GRÜNE 13859 A Irmer FDP 13860 B Engelhard, Bundesminister BMJ 13862 D Haushaltsgesetz 1990 (Drucksachen 11/5579, 11/5580) 13864 D Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1989 bis 1993 (Drucksachen 11/5001, 11/5322, 11/5390, 11/5731) . . 13865A Nächste Sitzung 13865 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 13867* A 179. Sitzung Bonn, den 30. November 1989 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 01.12.89* Amling SPD 30.11.89 Austermann CDU/CSU 01.12.89 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 01.12.89 Frau Blunck SPD 30.11.89 Börnsen (Ritterhude) SPD 30.11.89 Büchner (Speyer) SPD 01.12.89 * Frau Dempwolf CDU/CSU 01.12.89 Dr. Dollinger CDU/CSU 01.12.89 Frau Fuchs (Verl) SPD 30.11.89 Dr. Haack SPD 01.12.89 Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 01.12.89 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 01.12.89 Höffkes CDU/CSU 01.12.89 Hörster CDU/CSU 30.11.89 Ibrügger SPD 01.12.89 Jaunich SPD 01.12.89 Kißlinger SPD 01.12.9 Klein (Dieburg) SPD 01.12.89 Klein (München) CDU/CSU 30.11.89 Kolbow SPD 01.12.89 Dr. Kreile CDU/CSU 01.12.89 Kreuzeder GRÜNE 01.12.89 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Linsmeier CDU/CSU 01.12.89 Lowack CDU/CSU 01.12.89 Frau Luuk SPD 01.12.89 Meneses Vogl GRÜNE 01.12.89 Müller (Düsseldorf) SPD 30.11.89 Niegel CDU/CSU 01.12.89 * Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 01.12. 89 Paterna SPD 01.12.89 Pfeifer CDU/CSU 01.12.89 Repnik CDU/CSU 30.11.89 Frau Rock GRÜNE 01.12.89 Frau Schilling GRÜNE 01.12.89 Schreiber CDU/CSU 30.11.89 Schröer (Mülheim) SPD 01.12.89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 01.12.89 Seiters CDU/CSU 30.11.89 Sielaff SPD 30.11.89 Dr. Stavenhagen CDU/CSU 30.11.89 Tietjen SPD 01.12.89 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 01.12.89 Frau Trenz GRÜNE 01.12.89 Verheugen SPD 30.11.9 Vogt (Düren) CDU/CSU 30.11.89 Dr. von Wartenberg CDU/CSU 01.12.89 Frau Wilms-Kegel GRÜNE 01.12.89 Dr. Zimmermann CDU/CSU 30.11.89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Bartholomäus Kalb


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wie schon im Vorjahr weist auch heuer der Haushalt der Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit eine überdurchschnittliche Steigerungsrate auf. Im Laufe des Beratungsverfahrens wurden weitere Erhöhungen, per Saldo um rund 174 Millionen DM, auf rund 22,5 Milliarden DM vorgenommen. Damit wird deutlich, welch große Bedeutung Bundesregierung und Koalitionsfraktionen den Aufgaben und politischen Inhalten dieses Geschäftsbereichs beimessen.
    In der Steigerungsrate des Haushalts spiegeln sich u. a. die Beschlüsse von CDU/CSU und FDP zur Verbesserung des Erziehungs- und des Kindergelds wider. Wir wollen damit die familienorientierte Politik verstärkt fortsetzen. In keinem Jahr der SPD-Regierung wurde den Belangen der Familie und speziell der Frauen so stark Rechnung getragen wie unter dieser Regierung.

    (Zander [SPD]: Das glaubt doch keiner!)

    Die Einführung des Erziehungsgeldes und die Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der Rente sowie die steuerliche Entlastung von Familien sind beachtliche Leistungen dieser Regierung. Gerade mit diesen Maßnahmen haben wir es ermöglicht, leichter ja zum Kind und ja zur Familie zu sagen. Das Ja zum Kind ist für Frauen heute zunehmend auch davon abhängig, wie sehr sie Familie und Beruf vereinbaren können, und auch davon, wie schwierig oder wie leicht es ist, nach Zeiten der Kindererziehung wieder in den Beruf einzusteigen. Wir unterstützen dieses Anliegen der Frauen nachdrücklich sowohl bei der Teilzeitarbeit als auch beim Angebot flexibler Arbeitszeiten.
    Wir bemühen uns in besonderer Weise um Bildung und Fortbildung und um die nötige Qualifikation für den Wiedereinstieg in das Berufsleben. Daß wir hier auf dem richtigen Weg sind, zeigen konkrete Zahlen: 800 000 Arbeitsplätze mehr für Frauen seit der Wende 1982/83!

    (Purps [SPD]: Was denn für Arbeitsplätze?)

    Insofern eröffnet unsere erfolgreiche Wirtschaftspolitik auch bessere Chancen und Alternativen für die Frauen. Die Wirtschaft wird sich in den nächsten Jahren gezwungen sehen, mehr Arbeitsplätze anzubieten, die auch den unterschiedlichen Bedürfnissen von Frauen gerecht werden.
    Ziel unserer Politik ist es, die Entscheidungspielräume für die einzelne Familie und für die einzelnen Personen zu erweitern, indem wir finanzielle Belastungen für die Familien verringern. In diesem Sinne ist auch die Verlängerung des Erziehungsgeldes und des Erziehungsurlaubs auf 15 und dann auf 18 Monate zu verstehen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Unionsgeführte Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg werden das Erziehungsgeld ihrerseits weiter verlängern. Wo bleiben eigentlich die familienpolitischen Leistungen der SPD-geführten Länder?

    (Zander [SPD]: Die haben mehr Kindergärten und Ganztagsschulen!)

    Niemand hindert sie daran, Gleiches zu tun.

    (Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Schauen Sie sich die Arbeitsplätze in Bayern an!)

    Von seiten der Opposition wurden unsere familienpolitischen Anstrengungen mit so bösen Worten wie „Familienideologie" oder „dumpfe Familienidylle" kritisiert. Bitte, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, nehmen Sie zur Kenntnis: Wir diskriminieren niemanden, der sich, aus welchen Gründen auch immer, anders entscheidet.

    (Zander [SPD]: Das wäre auch verfassungswidrig!)

    Aber wir wollen auch in diesem Punkt unserer moralischen Verpflichtung und dem Auftrag des Grundgesetzes — ich danke für das Stichwort — gerecht werden, das Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt.

    (Zander [SPD]: So ist es!)

    Familien haben nicht nur materielle Sorgen. Eltern sorgen sich oft noch mehr um die Zukunft ihrer Kinder. Dabei spielen Fragen der Ausbildung und der Berufswahl eine zentrale Rolle.
    Seit 1985 hat sich das Verhältnis von Angebot an Ausbildungsplätzen zur Nachfrage erheblich verbessert. Wie der Berufsbildungsplan 1989 ausweist, standen noch 1985 für 100 nachgefragte Ausbildungsplätze nur 95 als Angebot zur Verfügung. 1988 kamen dagegen auf 100 nachgefragte bereits 106 angebotene Ausbildungsplätze. Der 1988 erreichte Angebotsüberhang an Ausbildungsplätzen von 5,9 % und die weiter günstige Entwicklung stellen eine enorme Verbesserung der Chancen für Jugendliche dar. Dieses Ergebnis ist das beste der letzten zehn Jahre.
    Die Jugendarbeitslosigkeit — Sie haben sie heuer nicht mehr erwähnt; im letzten Jahr war sie noch zentraler Bestandteil Ihrer Rede, Frau Kollegin — liegt so niedrig wie noch nie. Ich erinnere mich noch gut an jene Zeiten noch vor wenigen Jahren, als besorgte Eltern nach 30, 40 vergeblichen Bewerbungen zu uns in die Bürgersprechstunden kamen und um Unterstützung für ihre Söhne und Töchter bei den Bewerbungen baten.

    (Zuruf von der SPD: Zu mir kommen die immer noch!)

    Heute ist die Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt und Arbeitsmarkt für Jugendliche völlig umgekehrt. Dies liegt nicht nur an den inzwischen schwächer werdenden Jahrgangsstärken, sondern ist ganz wesentlich eine Folge der ausgezeichneten wirtschaftlichen Entwicklung. Wir sollten den jungen Leuten ruhig sagen, daß eine gute Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftspolitik ihre ganz persönlichen Möglichkeiten, Chancen und Zukunftsperspektiven entscheidend verbessert hat.
    Darüber hinaus wird es notwendig sein, die Jugend in diese Gesellschaft hineinzunehmen, ihr Aufgaben



    Kalb
    zuzuweisen und ihr Verantwortung für Staat und Gesellschaft zu übertragen. Wir sollten wirklich überlegen, ob wir nicht bewußt wieder mehr Freiräume für das Engagement junger Menschen schaffen können.
    Ich persönlich war sehr positiv überrascht, mit welchem Idealismus und mit welcher Einsatzbereitschaft viele Jugendliche gemeinsam mit den Helfern der Hilfsorganisationen daran mitgearbeitet haben, den Zustrom der DDR-Übersiedler gerade auch im ostbayerischen Raum, wohin der erste Ansturm aus Ungarn kam, zu bewältigen und diese Menschen zu betreuen. Ich will das auch hier sehr dankbar erwähnen.
    In den Dank einschließen möchte ich die vielen engagierten Beamten, insbesondere die jungen Beamten des Bundesgrenzschutzes und der Polizeien der Länder, die eine Arbeit bis an die Grenze der physischen und psychischen Belastbarkeit geleistet haben. Das hat auch Mut gemacht und, von mir aus gesehen, wieder Hoffnungen für diese und in diese junge Generation geweckt.
    Angesichts der dramatischen Veränderungen im Osten insgesamt und in der DDR im besonderen sowie der vielen Übersiedler und Besucher aus der DDR könnte ich mir schon etwas mehr an Aktivität und Kreativität einiger offizieller bundesdeutscher Jugendverbände vorstellen. Unglaublich ist ein Vorgang bei der Sozialistischen Jugend Deutschlands „Die Falken" , welche in ihrem Verbandsorgan „Sozialistische Zeitung"

    (Zuruf von der SPD: Was du alles liest!)


    (Botschafts(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Dieser soeben geschilderte Vorgang ist schlicht ein Skandal. Der Zusammenbruch und das Scheitern des Sozialismus im Osten scheint angesichts des Zerbrechens jahrelang gehegter und geliebter Illusionen und Träume für die Sozialisten im Westen noch schmerzhafter, ja, sogar mit Höllenqualen verbunden zu sein. Anders ist ein solcher Vorgang überhaupt nicht zu erklären. Dabei birgt die jetzige Entwicklung ungeheure Aufgaben und Chancen für die Jugend unseres Landes und für die Jugend in West- und in Osteuropa. Wir haben deshalb gerne die Mittel für den internationalen Jugendaustausch aufgestockt. Die Jugend kann hier einen ganz wesentlichen und wichtigen Beitrag für die Begegnung, für Verständigung und Freundschaft der Völker leisten.
    Ein weiterer Bereich, in dem wir die Ansätze im Laufe der Beratung stark erhöht haben, ist die Bekämpfung des Drogen-, Rauschmittel- bzw. Suchtmittelmißbrauchs. Wir begrüßen es sehr, daß die Bundesregierung ein Gesamtkonzept vorgelegt hat, das mehrere Einzelpläne betrifft. Nur so ist das weitere Vordringen internationaler Drogensyndikate einzudämmen. Aufklärung, Beratung, Vorbeugung und erforderlichenfalls Hilfe und Therapie ist die eine Seite; gleichzeitig müssen aber durch nationale Vorsorge und internationale Zusammenarbeit die fast weltweit verbrecherisch tätigen Organisationen bekämpft und deren Operationsmöglichkeiten eingeengt werden.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Ein neuer Schwerpunkt, auch wenn er finanziell nicht so sehr ins Gewicht fällt, ist die Altenpolitik. Angesichts des sich dramatisch veränderten demographischen Aufbaus unserer Bevölkerung sehe ich darin eine entscheidende gesellschaftspolitische Herausforderung. Wir werden beispielsweise den Fragen nachzugehen haben, welche Aufgaben können ältere Mitbürger nach Überschreitung des Renten- oder Pensionsalters übernehmen, welche Freiräume für ehrenamtliches und teilzeitmäßiges Engagement müssen wir unter Umständen neu schaffen, wie können die sozialen Kontakte Alleinstehender, Hochbetagter oder Pflegebedürftiger verbessert werden, welche Einrichtungen sind erforderlich, wie kann das Zusammenleben zweier oder mehrerer Generationen ermöglicht oder wiederhergestellt werden? Das reicht bis zu der Frage, ob wir es uns leisten können, das Wissen, die Erfahrung, die Ideen und die bei durchaus vielen vorhandene Schaffenskraft relativ brachliegen zu lassen.
    Nebenbei bemerkt: Es erscheint mir fraglich, ob wir diese Aufgaben bewältigen können, solange wir uns ständig schamhaft davor drücken, das Wort „alt" in diesem Zusammenhang auszusprechen.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Wenn wir beim amtierenden Präsidenten von einem „alten" Parlamentarier sprechen, dann sagen wir dies mit allem Respekt, mit Hochachtung und Anerkennung für die parlamentarischen Leistungen. Also das Wort „alt" kann in dem Sinne durchaus auch ein hohes Prädikat sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Eines erscheint mir aber — damit komme ich zum Schluß — sehr sicher: Wir können keinesfalls — die Kollegin Unruh ist ja nicht mehr da — die weitere Aufsplitterung und generationenbezogene Interessenpolitik gebrauchen. Das führt im Ergebnis zum Gegeneinander und zum Streit zwischen den Generationen. Wir brauchen aber in unserer Gesellschaft mehr Miteinander und weniger Gegeneinander.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren, ich war einen Augenblick etwas unsicher. Mir ist bewußt, daß Tadel gegenüber dem Präsidenten nicht erlaubt ist. Es scheint aber, es war ein Lob.

(Heiterkeit)

Frau Abgeordnete Schoppe, Sie haben das Wort.




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Waltraud Schoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal an das anknüpfen, was Herr Blüm gesagt hat. Herr Blüm hat von der Armut geredet. Das ist immerhin ein Fortschritt. Wenn nämlich der Herr Bundeskanzler sich in seinen Regierungserklärungen einmal in sozialpolitisches Gebiet versteigt, hört man nie etwas von der Armut. Wie das aber Herr Blüm diskutiert und wie das in der Tendenz hier immer diskutiert wird, ist es so, daß man zwar Armut benennt, aber immer mit der Intention, zu beweisen, daß es bei uns die richtige Armut überhaupt nicht gebe. Das finde ich falsch. Ich glaube, wenn man Politik macht, dann muß man sich als Politiker und als Politikerin darauf einlassen können, damit man eine richtige Politik macht, daß es hier in der Bundesrepublik tatsächliche und wirkliche Armut gibt.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Das ist leider so!)

    Ich sage dies auch aus einem anderen Grunde, womit ich ebenfalls an das anknüpfe, was Herr Blüm gesagt hat. Bei den vielen Menschen, die aus der DDR zu uns gekommen sind, ist es natürlich so, daß wir alle miteinander wollen, daß es diesen Menschen hier gutgeht, daß sie eine Wohnung haben, daß sie Arbeit haben, daß ihre Kinder Kindergärten haben, daß sie gute Schulen haben, Spielplätze und alles Mögliche. Wenn aber so viele Menschen zu uns kommen und wenn wir gleichzeitig wissen, daß wir im Osten den Demokratisierungsprozeß unterstützen müssen, daß wir die Wirtschaft unterstützen müssen, damit die Versorgung der Menschen dort besser wird, daß wir sie unterstützen müssen, damit sie in der Lage sind, einen ökologischen Umbau der Gesellschaft dort vorzunehmen, dann müssen wir uns darauf einlassen, daß wir in dieser Gesellschaft, die eine reiche Gesellschaft ist, lernen müssen zu teilen

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    und daß möglicherweise auch Menschen, die jetzt sehr viel haben, lernen müssen, etwas abzugeben. Ich sage das, weil ich die Befürchtung habe, daß angesichts der Entwicklungen, die da im Osten ablaufen, und angesichts der neuen Aufgaben, die wir übernehmen müssen, hier in der Gesellschaft einfach ein Teil der Gesellschaft vergessen wird, daß Politik gemacht wird, indem ein großes Maß an Ungleichheit einfach akzeptiert wird und diese Menschen aus ihrer Bedrängnis und aus ihrer Not nicht herauskommen.
    Ich hätte es viel besser gefunden, wenn nicht ein Zehn-Punkte-Katalog vom Bundeskanzler vorgelegt worden wäre, der nach meiner Einschätzung etwas sehr Paternalistisches an sich hat, weil er im Grunde genommen vorschreibt, wie die Leute in der DDR ihren Reformprozeß gestalten sollen. Ich hätte es besser gefunden, wenn man die Finger davon gelassen hätte, wenn man auf die Eigenständigkeit und das Selbstbestimmungsrecht dieser Menschen Rücksicht genommen hätte

    (Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Das steht doch drin!)

    — Ruhe! —

    (Heiterkeit — Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: Ruhe rechts und Beifall links!)

    und wenn man zunächst einmal einen Zehn-PunkteKatalog vorgelegt hätte zu der Frage: Wie wollen wir auch unter sozialpolitischen Gesichtspunkten hier im Lande mit dem Problem fertig werden?

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Garbe [GRÜNE])

    Wo ist denn das sozialpolitische Konzept, das die neuen Aufgaben, die auf uns zukommen, einbezieht?
    Ich will Ihnen einmal ein ganz kleines Beispiel nennen. Das mag Ihnen vielleicht etwas abwegig erscheinen, aber das zeigt auf, an wie vielen verschiedenen Punkten die Probleme auf uns zukommen. — In Berlin herrscht unter den Huren eine große Aufregung. Warum? — Es kommen neuerdings Frauen aus der DDR, die in das Gewerbe einsteigen und die einmal die Preise drücken und zum anderen — das ist das, was die Frauen dort so aufgeregt macht — ohne Gummis arbeiten. Jetzt haben die Frauen nach großen Kämpfen durchgesetzt, daß die Huren angesichts von AIDS in unserer Gesellschaft mit Gummis arbeiten, und nun kommen die Frauen und machen das ohne Gummis.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Das mag nun Gelächter hervorrufen, gerade bei den Männern. Aber ich habe einmal ein solches Beispiel gewählt, weil ich zeigen wollte, daß es viele andere Punkte gibt, über die wir überhaupt noch nicht nachgedacht haben, bei denen wir überhaupt nicht gedacht haben, daß sie auf uns zukommen.
    Ich sage Ihnen: Da kommt noch viel anderes auf uns zu. Unter diesen Bedingungen dann auch noch das Aufklärungsprogramm für AIDS in unserem Haushalt zu streichen, halte ich für völlig danebengegriffen.
    Ich möchte auch einmal folgendes wissen — darüber ist hier ebenfalls noch nicht nachgedacht worden — : Wie werden die vielen jungen Menschen, die hierhergekommen sind, die hier völlig andere Sozialisationsbedingungen erfahren als in der DDR, mit diesem Leben hier fertig?

    (Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Schneller als Sie glauben!)

    Ich sage Ihnen: Nicht alle werden mit dem Leben hier fertig werden. Wir brauchen sehr viele Institutionen, sehr viele Menschen, die sich dieser Menschen annehmen. Wir brauchen Kommunikationszentren, damit man sich gegenseitig kennenlernt und damit sie sich hier stabilisieren.

    (Beifall der Abg. Frau Garbe [GRÜNE]) Das alles kostet viel Geld.

    Ich will jetzt an noch einem Punkt deutlich machen, daß das mit der ganzen Sozialpolitik irgendwie nichts ist. Im Grunde genommen greift alles viel zuwenig. Ich nehme als Beispiel die Alleinerziehenden. —12,8 To der Kinder in unserer Gesellschaft wachsen bei Alleinerziehenden auf. Meist sind es alleinerziehende



    Frau Schoppe
    Mütter. 84 % der alleinerziehenden Mütter, die arbeiten, arbeiten in ungelernten oder angelernten Berufen. Was die verdienen, kann man sich dann vorstellen. Die verdienen sehr wenig.
    Eine Untersuchung hat gezeigt, daß ein Drittel der Alleinerziehenden sagt: Meine Kinder haben ganz wenig Freunde. — Woran das jetzt hängt, weiß ich nicht. Ich denke, es hängt damit zusammen, daß Kinder von Alleinerziehenden auch sehr viele Aufgaben im Haushalt übernehmen müssen und gar nicht soviel Zeit haben zu spielen. Hinzu kommt noch, daß Alleinerziehende einen sehr starren und standardisierten Zeitrhythmus haben, den auch die Kinder übernehmen müssen. Jetzt frage ich Sie: Wo gibt es im gesamten Bundeshaushalt einen Posten oder eine Maßnahme, wo man sagen kann, damit werde die finanzielle, psychische und soziale Not der an Zahl zunehmenden Alleinerziehenden in unserer Gesellschaft bekämpft? Die gibt es nicht, das sage ich Ihnen. Da kann man viele andere Beispiele nehmen.
    Ich möchte, weil wir ja immer sehr wenig Zeit haben, nach diesem Beispiel nur punktuell aus einem Bereich noch ein paar Maßnahmen vorstellen. Wir haben lange darüber nachgedacht, welche Regelung man angesichts des Emanzipationsprozesses bei den Frauen treffen kann, damit viele Frauen zwar Mutter sein und eine Zeitlang zu Hause bleiben, dann aber auch unbedingt wieder erwerbstätig sein können. Während der Erwerbstätigkeit muß die Versorgung der Kinder zwischen Mann und Frau geteilt werden. Wir haben uns gefragt: Wie fängt man das an, daß die Männer begreifen, daß es zu ihren Aufgaben gehört, sich ebenfalls um die Kinder zu kümmern. Wenn sie diese Aufgabe übernehmen, werden sie übrigens auch merken, daß es schön ist, mit den Kindern zusammen zu sein und sich um die Kinder zu kümmern.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Das wissen nämlich die meisten gar nicht, besonders die nicht, die immer hier sitzen und sowieso nur am Wochenende zu Hause sind.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das gilt aber für Sie genauso!)

    Bei unserem Nachdenken sind wir darauf gekommen: Den Erziehungsurlaub, der jetzt ja nur für Paare gilt, die geheiratet haben, muß man ausweiten auf — wie heißt das? — Männer, die nicht verheiratet sind, aber auch Kinder haben. Natürlich müssen auch Soldaten Erziehungsurlaub nehmen. Natürlich müssen außer den Wehrdienstleistenden auch Zivildienstleistende Erziehungsurlaub nehmen. Wenn es Zivildienstleistende und Wehrdienstleistende getroffen hat und sie Vater geworden sind, dann sollen sie Erziehungsurlaub nehmen, dann ist das der Friedensdienst an der Wickelkommode, und damit ist alles andere abgegolten.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Wir haben uns eine zweite Maßnahme überlegt angesichts der Tatsache, daß von der Möglichkeit, Erziehungsurlaub zu nehmen, bisher nur 1,2 % der Männer
    Gebrauch machen. Ich glaube, es sind nicht immer finanzielle Gründe, die dazu führen, daß Männer keinen Erziehungsurlaub nehmen, sondern es existiert eine Barriere, für längere Zeit aus dem Berufsleben auszuscheiden: es ist die Furcht, den Anschluß zu verlieren und die Karriere zu gefährden. Deshalb sind wir auf folgende Idee gekommen. Das Mutterschutzgesetz, das heute nur für Mütter gilt und auch weiterhin für Mütter gelten muß — es ist ja eine Tatsache, daß die Mütter während der Schwangerschaft immer zu zweit herumlaufen — , soll ein Vater- und Mutterschutzgesetz werden. Eine Woche vor der voraussichtlichen Geburt kann der Vater aussteigen, damit er bei der Geburt seines Kindes anwesend sein kann, und acht Wochen nach der Geburt sind Vater und Mutter zu Hause; denn wir müssen die Vaterschaft genauso schützen wie die Mutterschaft. Eine Familie, die ein Kind oder ein weiteres Kind bekommt, muß sich völlig neu organisieren. Für die Neuorganisation und für die Gewöhnung daran, daß da ein Kind oder noch ein Kind ist, braucht eine Familie Zeit.
    Meine Damen und Herren, ich bitte um Unterstützung der Vorschläge, die wir gemacht haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)