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ID1117904100

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    6. Wetzel.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/179 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 179. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 30. November 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 13733 A Erklärung zum Mordanschlag auf den Sprecher der Deutschen Bank, Dr. Alfred Herr-hausen 13744 A Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksachen 11/5000, 11/5321, 11/5389) Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Waltemathe SPD 13733 C Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 13736 D Frau Wollny GRÜNE 13739 D Dr. Weng (Gerlingen) FDP 13741 A Schäfer (Offenburg) SPD 13742 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 13744 C Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft Frau Dr. Wegner SPD 13748 C Frau Männle CDU/CSU 13750 C Frau Hillerich GRÜNE 13753 B Kastning SPD 13754 D Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 13757 B Wetzel GRÜNE 13758 D Möllemann, Bundesminister BMBW . . 13760B, 13766 D Frau Odendahl SPD 13764 C Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Sieler (Amberg) SPD 13768B Strube CDU/CSU 13770 B Hoss GRÜNE 13772D Zywietz FDP 13774 D Dreßler SPD 13779 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA 13782 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 13788 A Scharrenbroich CDU/CSU (Erklärung nach § 32 GO) 13788 C Andres SPD (Erklärung nach § 32 GO) . 13789 C Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Frau Conrad SPD 13790 B Kalb CDU/CSU 13793 A Frau Schoppe GRÜNE 13795 A Zywietz FDP 13796 D Link (Diepholz) CDU/CSU 13798 D Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 13801 C Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 13804 C Frau Matthäus-Maier SPD 13807 B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 179. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. November 1989 Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . 13808C, 13824 C Kühbacher SPD 13809 B Deres CDU/CSU 13812 D Such GRÜNE 13815A Frau Seiler-Albring FDP 13817 A Dr. Nöbel SPD 13819D Gerster (Mainz) CDU/CSU 13822 B Wüppesahl fraktionslos 13826 D Duve SPD 13828 C Kühbacher SPD (Erklärung nach § 31 GO) 13829A Frau Dr. Vollmer GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13829 C Gerster (Mainz) CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 13829 D Lüder FDP (Erklärung nach § 31 GO) . 13830 B Kleinert (Marburg) GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13830 C Namentliche Abstimmungen 13831 A Ergebnisse 13851B, 13852D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksache 11/5576) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt IV: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 123 zu Petitionen (Drucksache 11/5150) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt V: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Fuchs (Verl), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rücktritt der Bundesrepublik Deutschland von dem Entwicklungsvorhaben „Europäisches Jagdflugzeug/Jagdflugzeug 90" zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Ausscheiden der Bundesrepublik Deutschland aus dem Entwicklungsvorhaben Jagdflugzeug 90 (Drucksachen 11/3018, 11/3592, 11/4269) Horn SPD 13832 B Müller (Wadern) CDU/CSU 13834 A Kleinert (Marburg) GRÜNE 13837 B Frau Seiler-Albring FDP 13839 D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg . 13842 D Kühbacher SPD 13846 A Dr. Friedmann CDU/CSU 13849 A Namentliche Abstimmung 13850 B Ergebnis 13854 D Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidial- amt 13854 A Einzelplan 03 Bundesrat 13854 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag 13854 B Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht Dr. de With SPD 13856 B von Schmude CDU/CSU 13858 A Häfner GRÜNE 13859 A Irmer FDP 13860 B Engelhard, Bundesminister BMJ 13862 D Haushaltsgesetz 1990 (Drucksachen 11/5579, 11/5580) 13864 D Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1989 bis 1993 (Drucksachen 11/5001, 11/5322, 11/5390, 11/5731) . . 13865A Nächste Sitzung 13865 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 13867* A 179. Sitzung Bonn, den 30. November 1989 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 01.12.89* Amling SPD 30.11.89 Austermann CDU/CSU 01.12.89 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 01.12.89 Frau Blunck SPD 30.11.89 Börnsen (Ritterhude) SPD 30.11.89 Büchner (Speyer) SPD 01.12.89 * Frau Dempwolf CDU/CSU 01.12.89 Dr. Dollinger CDU/CSU 01.12.89 Frau Fuchs (Verl) SPD 30.11.89 Dr. Haack SPD 01.12.89 Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 01.12.89 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 01.12.89 Höffkes CDU/CSU 01.12.89 Hörster CDU/CSU 30.11.89 Ibrügger SPD 01.12.89 Jaunich SPD 01.12.89 Kißlinger SPD 01.12.9 Klein (Dieburg) SPD 01.12.89 Klein (München) CDU/CSU 30.11.89 Kolbow SPD 01.12.89 Dr. Kreile CDU/CSU 01.12.89 Kreuzeder GRÜNE 01.12.89 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Linsmeier CDU/CSU 01.12.89 Lowack CDU/CSU 01.12.89 Frau Luuk SPD 01.12.89 Meneses Vogl GRÜNE 01.12.89 Müller (Düsseldorf) SPD 30.11.89 Niegel CDU/CSU 01.12.89 * Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 01.12. 89 Paterna SPD 01.12.89 Pfeifer CDU/CSU 01.12.89 Repnik CDU/CSU 30.11.89 Frau Rock GRÜNE 01.12.89 Frau Schilling GRÜNE 01.12.89 Schreiber CDU/CSU 30.11.89 Schröer (Mülheim) SPD 01.12.89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 01.12.89 Seiters CDU/CSU 30.11.89 Sielaff SPD 30.11.89 Dr. Stavenhagen CDU/CSU 30.11.89 Tietjen SPD 01.12.89 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 01.12.89 Frau Trenz GRÜNE 01.12.89 Verheugen SPD 30.11.9 Vogt (Düren) CDU/CSU 30.11.89 Dr. von Wartenberg CDU/CSU 01.12.89 Frau Wilms-Kegel GRÜNE 01.12.89 Dr. Zimmermann CDU/CSU 30.11.89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Graf Alois von Waldburg-Zeil


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei Haushaltsdebatten pflegt das wichtigste Kriterium der Aufwuchs oder der Abmangel zu sein. In früheren Debatten hat die Opposition immer wieder darauf hingewiesen, es sei ein zu geringer Aufwuchs oder gar ein Abmangel vorhanden. In diesem Jahr wäre in dieser Beziehung quantitativ mit dem Aufwuchs von 10,1 % im Bildungsbereich Anlaß zur Freude.
    Ich möchte es heute aber genauso sagen, wie ich es früher gesagt habe: Die Frage der Menge von Mitteln, die man für einen Bereich auswirft, ist noch nicht das Entscheidende. Die entscheidende Frage ist vielmehr die der Schwerpunktsetzung.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte Sie, Frau Kollegin Hillerich, kurz ansprechen, weil Sie die Frage der Schwerpunktsetzung angesprochen haben und in diesem Zusammenhang Aus-
    drücke wie „Gipfel der Ignoranz", „unglaubliche Dummheit" und dergleichen genannt haben.

    (Kuhlwein [SPD]: Sie meint einen Bestimmten!)

    Frau Kollegin, ich kenne Sie aus dem Ausschuß und aus der Kommission, wo wir zusammenarbeiten, und da diskutieren wir sehr sachlich und sehr angemessen. Ich weiß nicht, warum es sein muß, daß man im Parlament mit solchen Ausdrücken um sich wirft. Ich glaube, daß wir auch den Bürgern gegenüber deutlich machen sollten, daß hier — ganz gleich, ob es sich um Regierung, um Parlament oder um Ausschüsse handelt — eine sehr intensive und sachbezogene Arbeit geleistet wird, und wir sollten uns nicht selbst mit solchen Ausdrücken abwerten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD — Frau Hillerich [GRÜNE]: Lesen Sie einmal genau nach, was ich als Dummheit bezeichnet habe! Da werden Sie zustimmen müssen!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, neben dem quantitativen Aufwuchs gibt es in der Tat ein paar Schwerpunktsetzungen. Frau Männle hat ja auf die große Zahl bereits hingewiesen; deshalb möchte ich ein paar Schwerpunkte gebündelt nennen. Das erste ist der Schwerpunkt, daß man einen zentralen Begriff der Bildungsreformdiskussion, den der Chancengerechtigkeit, in einem Bereich aufgestockt hat, in dem er aus der Hand zu gleiten drohte. Das ist die Frage der Bundesausbildungsförderung im studentischen Bereich; wo folgendes geschehen war: Zwar ist derjenige, dessen Eltern ein ganz geringes Einkommen haben, durchaus in die Vollförderung hineingekommen; aber dann, wenn das Einkommen angestiegen ist und damit die Transferzahlungen gesunken sind, mußten die Eltern aus voll versteuertem Einkommen die Bildungsleistungen aufbringen, und dadurch ist eine Lücke in der Chancengerechtigkeit eingetreten.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang sehr lobend erwähnen, wie in dieser schwierigen Frage vorgegangen worden ist. Man hat eine Kommission eingesetzt, in der die Beteiligten mit vertreten waren, und ich glaube, es steht uns an, an dieser Stelle Professor Dams einen Dank auszusprechen, der als Vorsitzender dieser Kommission die schwierigen Beratungen geleitet hat und bei diesen Beratungen nicht auf Maximalforderungen aus gewesen ist, sondern durchaus die Realität begrenzter Staatsfinanzen gesehen und nun geprüft hat, wie man durch Umschichtungen und durch entsprechende Gewichtung der Mittel diese Problematik des sogenannten Mittelstandsloches beseitigen kann. Nun wird also durch die Erhöhung der relativen Elternfreibeträge immerhin eine Anzahl von 30 % mehr Studenten gefördert werden können, als dies früher der Fall gewesen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nun steckt in dem Schwerpunkt BAföG ein Zweites — Herr Kollege Kastning, Sie haben es in anderem Zusammenhang angesprochen — , nämlich die Frage des Zeitbudgets. Wir sprechen sehr viel theoretisch davon, daß man die Studienzeit verkürzen sollte, aber in der Praxis haben wir Probleme. Wenn etwa über



    Graf von Waldburg-Zeil
    80 % der BAföG-Geförderten in der vorgesehenen Studienzeit nicht in der Lage sind, ihr Studium abzuschließen,

    (Kastning [SPD]: Dann muß man fragen: warum?)

    dann ist hier eine Situation, bei der man abhelfen muß.
    Hier ist vor allem zu berücksichtigen, daß es sehr unterschiedliche Situationen gibt, und deshalb wird jetzt die Möglichkeit der Verlängerung durch eine Studienabschlußförderung geschaffen. Gleichzeitig wird durch eine Zeitkomponente in der leistungsbezogenen Erlaßregelung dafür gesorgt, daß es nicht zu einer generellen Verlängerung der Studienzeit kommt, sondern daß demjenigen, der sein Studium nach kürzerer Zeit abschließen kann, tatsächlich ein entsprechender Anreiz gegeben wird. Es ist also ein Prinzip der Flexibilität in die Studiendauer hineingekommen, daß mir außerordentlich positiv erscheint. Zum Beispiel darf ich auch noch anführen, daß Frauen, die Kinder bis zu drei Jahren aufziehen, ebenfalls länger studieren können. Auch für Behinderte ist eine besondere Regelung vorgesehen worden.
    Ein weiterer gewichtiger Punkt ist die Halbierung in Förderung und Zuschuß. Sie wissen, daß ich selbst eigentlich immer ein Vertreter des Gedankens der Bildungsinvestition gewesen bin und deshalb die volle Darlehensgewährung insbesondere im Hinblick darauf gar nicht so negativ gesehen habe, daß auch im Arbeitnehmerbereich Volldarlehen gegeben werden.
    Das Problem, das hier gesehen werden mußte, war eine psychologische Barriere. Gerade Kinder aus Familien — das ist ja in früheren Debatten vorgetragen worden — in denen wenig Einkommen vorhanden war,

    (Rixe [SPD]: An die wollen wir denken!)

    sind von der Vorstellung des riesigen rückzahlbaren Darlehens abgeschreckt worden. Tatsächlich wäre das bei den geringen Rückzahlungsraten und den langen Freistellungsfristen gar nicht so tragisch gewesen. Aber das eigentliche Problem ist die psychologische Barriere. Die wird hiermit wieder abgebaut.
    Schließlich konnte der Bereich Schülerförderung im Komplex der beruflichen Bildung wieder ausgedehnt werden. Aber wir haben ja noch genügend Zeit, bei der Beratung des BAföG-Gesetzes auf die Einzelheiten einzugehen.
    Ich möchte einen zweiten Schwerpunkt ansprechen, der die erheblichen Erhöhungen im Bereich des Hochschulbaus und des studentischen Wohnungsbaus betrifft. Es ist zu erkennen, daß wir hier einer Entwicklung folgen, die so nicht vorhergesehen worden ist. Es ist interessant, in den vielfältigen Debatten — auch in der Komission „Bildung 2000" — zu sehen, daß Bildungsplanung immer obsoleter wird. Rechnen wir die Zeit, die man bis zum Abitur braucht, zum Geburtsjahrgang hinzu, dann hätte die Jahrgangsstärke die zwischen 1960 und 1970 hoch war und ab 1970 stark abgenommen hat, ab 1988 beim Hochschulzugang abrupt abnehmen müssen. Statt dessen
    sind die Studentenzahlen nicht zurückgegangen, sondern hoch geblieben, ja sogar noch gestiegen.

    (Frau Odendahl [SPD]: Das hat andere Gründe!)

    Die Entscheidung, im Hochschulbau und im studentischen Wohnungsbau etwas zu tun, beinhaltet gleichzeitig das Anerkenntnis: Wenn es der Wunsch der jungen Leute ist, in erhöhtem Maße zu studieren, und wenn die Studentenzahlen bis zum Jahrhundertende bei 1,5 Millionen bleiben werden, stellen wir uns eben darauf ein und sagen nicht: Wir rechnen mit Überlastquoten unendlich weiter in der Hoffnung, daß die Studentenzahlen wieder sinken.
    Ein Letztes — Frau Männle hat es schon angesprochen — : Bei der Forschungsförderung hat man auf ein Reservoir zurückgegriffen, das bisher vielleicht zuwenig genutzt worden ist. Es geht um die Forschungsmöglichkeiten, die sich im Fachhochschulbereich ergeben. Ich möchte den Punkt nicht weiter vertiefen; denn meine Redezeit geht zu Ende.
    Ich darf abschließend sagen, daß es in diesem Etat nicht nur um einen finanziellen Aufwuchs geht, sondern um eine tatsächliche bildungspolitische Schwerpunktsetzung, die ich außerordentlich begrüße.
    Herzlichen Dank.


Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Wetzel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fällt schwer, sich an diesem Vormittag wieder auf das Alltagsgeschäft des Parlaments zu konzentrieren. Aber das muß wohl sein.
    Ich möchte im Zusammenhang mit dem vorgelegten Haushalt nur einen Aspekt herausgreifen — das ist sicherlich einer der zentralen Aspekte — , nämlich die Art und Weise, wie in diesem Haushalt mit den krisengeschüttelten Hochschulen umgegangen wird. Ich möchte dabei Ihre Aufmerksamkeit auf ein ganz zentrales, grundsätzliches Problem lenken.
    Statt mit einer konzeptionell durchdachten Haushaltspolitik haben wir es — das sehen wir als das grundsätzliche Problem an — im Hause Möllemann inzwischen mit einer hektischen Politik der Sonderprogramme zu tun. Das beinhaltet weitreichende Gefahren für die Zukunft. Der Unterschied zwischen einem Sonderprogramm und regulärer Haushaltspolitik liegt doch wohl darin: Sonderprogramme mögen für die Bewältigung kurz- und höchstens mittelfristiger Notlagen tauglich sein, aber für die Lösung von strukturellen, langfristigen Problemen, wie sie gegenwärtig im Hochschulsystem existieren, sind Sie ungeeignet.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Ich frage Sie, Herr Möllemann: Halten Sie die Überlastung der Hochschulen tatsächlich für ein kurz- oder mittelfristiges Problem? Ich weiß, die Antworten kennen Sie selber. Die Überlast hat sich bereits tief in die Strukturen unserer Hochschulen hineingefressen. Wenn sich nichts ändert, bleibt die Überlastmisere der Normalzustand der Hochschulen in den nächsten



    Wetzel
    zwei Jahrzehnten, bleibt deren Bewältigung also politisch eine Langfristaufgabe, die nicht mit Sonderprogrammen zu lösen ist.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN und der SPD)

    Weder die Überlastproblematik noch die Probleme des wissenschaftlichen Nachwuchses noch die Probleme bezüglich der studentischen Wohnheime noch die besonderen Probleme der Fachhochschulen noch die großen Defizite in der autonomen Hochschulforschung sind kurz- oder mittelfristig zu bewältigende Probleme. Sie verlangen eine Gesamtkonzeption. Sie vertragen keine Sonderprogrammhektik. Sie verlangen nach einer stetigen und regulären Haushaltspolitik.
    Meine Damen und Herren, aber nicht allein daß im Ministerium weder an einem inhaltlichen noch an einem entsprechenden finanzpolitischen Konzept gearbeitet würde bzw. daß ein derartiges vorläge, nein, Herr Möllemann benutzt nach unserem Dafürhalten seine Politik der Sonderprogramme als Schutzschild, als Versteck. Wenn es einmal nicht so klappt, wie es angekündigt wurde, dann haben eben — das ist die Standardausrede — die Länder schuld.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: So ist es ja auch!)

    Vor allem die Finanzminister der Länder sind dann schuld.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: So ist es!)

    — Sicher, Herr Kollege. Auch ich halte die letztens dargelegte Position der Finanzminister der Länder für reichlich übergeschnappt.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    In der Sicht der Finanzminister der Länder sind ja von den 1,5 Millionen, die heute in der BRD studieren, ungefähr 500 000 Phantomstudenten. Sie gelten als „nicht belastungsrelevant". Das ist zweifellos ein gefährlicher Unsinn, gefährlich, weil hier die Fundamente der zukünftigen Wissenschafts- und Hochschulpolitik zur Disposition gestellt werden.
    Aber je verrückter die Finanzminister, um so leichter können Sie sich, Herr Möllemann — und das tun Sie in letzter Zeit ständig — , hinter der Rolle eines Ankündigungsministers von Sonderprogrammen verstecken. Ich kann dies hier aus Zeitgründen nur an einem Beispiel deutlich machen, an der Nachwuchsförderung und dort vor allem an der Frauenförderung:
    Herr Minister, ich nehme an, Ihre Ministerialbeamten haben Sie mittlerweile darüber informiert, daß Sie zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses keine Sonderprogrammvereinbarungen mit den Ländern benötigen, sondern eigene Kompetenzen haben.

    (Frau Odendahl [SPD]: Ja!)

    Und ich frage: Wie nehmen Sie diese Kompetenzen eigentlich wahr? In der Studienförderung z. B. verzeichnen wir vom Haushalt 1989 auf den Haushalt 1990 einen Zuwachs von ganzen 0,5 Millionen DM,

    (Zuruf von den GRÜNEN: Lächerlich!)

    in der Promotionsförderung einen Zuwachs von 0,5 Millionen DM. Da muß ich Frau Männle korrigieren — ich sehe jetzt gar nicht, wo sie sitzt; sie ist nicht mehr da — , denn sie sprach von einem Zuwachs von 3 Millionen DM. Das ist ein Rechenkunststück; denn ursprünglich war der Ansatz um 2,5 Millionen DM gekürzt.

    (Frau Odendahl [SPD]: So ist das!)

    Dann ist in den Haushaltsberatungen diese Kürzung rückgängig gemacht worden, und 0,5 Millionen DM sind dazugekommen. Also nicht um 3 Millionen DM, sondern gerade mal um 500 000 DM ist die Promotionsförderung in dieser gegenwärtigen Notsituation erhöht worden, von der wir alle wissen, daß sie vor allem auch eine Situation des Mangels an wissenschafltichem Nachwuchs ist.
    Ähnlich sieht es in der Förderung des promovierten wissenschaftlichen Nachwuchses aus. Hier haben wir einen Zuwachs von ganzen 100 000 DM. Bei der Förderung im Rahmen des Heisenberg-Programms haben wir schließlich einen Zuwachs in Höhe von 0,0 Millionen DM.
    So nehmen Sie Ihre Kompetenzen im Rahmen der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses wahr! Herr Möllemann, da muß ich fragen: Für wie dumm halten Sie die Öffentlichkeit eigentlich? Da wir gerade bei einer Haushaltsberatung sind: Man muß sich doch inzwischen wirklich auch fragen, wie teuer diese Unmengen von Sand sind, die Sie hier der Öffentlichkeit in die Augen streuen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD — Kastning [SPD]: Es gibt auch billigen Sand!)

    Auf der einen Seite jammern Sie völlig zu Recht in der Öffentlichkeit mehr als ein halbes Jahr lang, wie notwendig doch ein Bund-Länder-Sonderprogramm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sei. Sie wollten es mit stolzen 480 Millionen DM aus Bundesmitteln ausstatten. Wenn es dagegen um die reguläre Haushaltspolitik geht, wo Sie unmittelbare Eingriffs-, Zugriffs- und Konzeptualisierungschancen haben, dann sind Sie, wie wir an den geschilderten Beispielen sehen, gerade noch bereit, 1,1 Millionen DM zuzulegen. Also — einmal umgerechnet — ganze 0,2 % Ihrer öffentlichen Versprechungen für Sonderprogramme bringen Sie in Ihrer eigenen regulären Haushaltspolitik unter.
    Meine Damen und Herren, da werden die Sonderprogramme und der Widerstand der Länder und ihrer Finanzminister plötzlich zu einem Verschiebebahnhof, bei dem übrigbleibt, daß hochschulpolitisch nichts Entscheidendes passiert. Ich nenne das eine systematische Unterlassungs- und Vernebelungspolitik. Gerade für die Frauen verbirgt sich dahinter eine Entwicklung, die deprimierend und verheerend ist. — Ich sehe gerade die rote Lampe leuchten. Diesen Gedanken darf ich aber kurz noch zu Ende führen.
    Sie haben völlig recht, Herr Minister und die anderen Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie davon ausgehen, daß ab 1995 in den darauffolgenden zehn Jahren eine große Nachwuchslücke klafft, weil mehr als 50 % der Lehrstuhlinhaber ausscheiden werden. Gerade hier besteht die große Chance, das extreme Un-



    Wetzel
    Bleichgewicht zwischen Männern und Frauen an den Hochschulen durch eine systematische Nachwuchsförderung für Frauen zu korrigieren. Indem aber die Förderung insgesamt unterbleibt, werden die Frauen ein weiteres Mal auf, ich schätze, einen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren vertröstet, bis sie an den Hochschulen endlich eine Chance als Wissenschaftlerinnen bekommen können.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Meine Damen und Herren, mit dieser Politik sind wir im Grundsätzlichen und im Detail nicht einverstanden. Was aussteht, sind eine hochschulpolitische Konzeption und entsprechende Finanzierungsmodelle und eine öffentliche Debatte darüber, wie das gemeinsam mit Bund und Ländern zu realisieren ist.
    Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)