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ID1117708100

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    Plenarprotokoll 11/177 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 177. Sitzung Bonn, Dienstag, den 28. November 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 13479 A Nachträgliche Überweisung eines Antrages — Drucksache 11/5692 — an den Haushaltsausschuß 13479 B Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik der Straßenverkehrsunfälle (Straßenverkehrsunfallstatistikgesetz) (Drucksache 11/5464) . . 13479A Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksachen 11/5000, 11/5321, 11/5389) Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes Dr. Vogel SPD 13479 D Dr. Bötsch CDU/CSU 13488 C Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 13492 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 13496 A Dr. Kohl, Bundeskanzler 13502 D Voigt (Frankfurt) SPD 13514 B Bohl CDU/CSU 13516A Frau Eid GRÜNE 13518 C Genscher, Bundesminister AA 13520 B Dr. Meisner, Senator des Landes Berlin . 13523 C Wüppesahl fraktionslos 13525 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 13527 A Roth SPD 13527 D Austermann CDU/CSU 13529 C Jungmann (Wittmoldt) SPD 13532 A Namentliche Abstimmung 13533 D Ergebnis 13536 B Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen Hiller (Lübeck) SPD 13534 A Dr. Neuling CDU/CSU 13538 A Frau Frieß GRÜNE 13541 D Hoppe FDP 13544 A Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . 13545 D Frau Terborg SPD 13548 D Lintner CDU/CSU 13550 D Heimann SPD 13552 C Weisskirchen (Wiesloch) SPD 13553 B Stratmann GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13555 A Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts Waltemathe SPD 13555 C Dr. Rose CDU/CSU 13557 C Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 13561 B Hoppe FDP 13563 A Stobbe SPD 13564 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 28. November 1989 Frau Beer GRÜNE 13567 D Genscher, Bundesminister AA 13568 C Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Diller SPD 13572 C Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 13574 B Frau Flinner GRÜNE 13576 C Bredehorn FDP 13578 C Kiechle, Bundesminister BML 13579 C Koltzsch SPD 13582 B Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für Post und Telekommunikation Frau Faße SPD 13584 B Bohlsen CDU/CSU 13587 D Hoss GRÜNE 13589 C Funke FDP 13590 D Dr. Schwarz-Schilling, Bundesminister BMPT 13591 D Nächste Sitzung 13594 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 13595* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 28. November 1989 13479 177. Sitzung Bonn, den 28. November 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 01. 12. 89 * Amling SPD 28.11.89 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 01. 12. 89 Frau Dempwolf CDU/CSU 01. 12. 89 Dr. Dollinger CDU/CSU 01. 12. 89 Engelsberger CDU/CSU 29.11.89 Graf SPD 28.11.89 Dr. Haack SPD 01. 12. 89 Frhr. Heereman von CDU/CSU 28. 11. 89 Zuydtwyck Dr. Hennig CDU/CSU 29. 11. 89 Frau Hensel GRÜNE 28. 11. 89 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 28. 11. 89 Höffkes CDU/CSU 01. 12.89 Hörster CDU/CSU 28. 11.89 Kißlinger SPD 01. 12.89 Klein (Dieburg) SPD 01. 12. 89 Dr. Klejdzinski SPD 28. 11. 89* Linsmeier CDU/CSU 01. 12.89 Frau Luuk SPD 01. 12. 89 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Lüder FDP 28.11.89 Meneses Vogl GRÜNE 01. 12. 89 Mischnick FDP 28.11.89 Niegel CDU/CSU 01. 12. 89 * Poß SPD 28. 11.89 Rappe (Hildesheim) SPD 28. 11. 89 Frau Rock GRÜNE 01. 12. 89 Frau Schilling GRÜNE 28. 11. 89 Frau Schoppe GRÜNE 28. 11. 89 Schreiber CDU/CSU 30. 11.89 Schröer (Mülheim) SPD 01. 12. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 01. 12. 89 Singer SPD 28. 11.89 Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 28. 11. 89 Dr. Stoltenberg CDU/CSU 28. 11. 89 Tietjen SPD 01. 12.89 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 28. 11. 89 Verheugen SPD 30. 11.89 Vosen SPD 28. 11.89 Dr. Warnke CDU/CSU 28. 11. 89 Werner (Ulm) CDU/CSU 28. 11. 89 Frau Wilms-Kegel GRÜNE 01. 12. 89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Dr. Klaus Rose


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der außenpolitischen Sensationen dieses insgesamt ereignisreichen Jahres 1989 kann man trotz einer Debatte über den Etat des Außenministeriums nicht einfach haushälterisch von Zahlen und Planstellen reden. Ich möchte deshalb in meinem Beitrag zur zweiten Lesung drei Schwerpunkte setzen: erstens unsere Antwort auf die Freiheitsrufe aus Osteuropa, zweitens unsere Chancen einer friedlicher werdenden Entwicklung im südlichen Afrika und drittens als Fortsetzung zu einer europäischen Friedensordnung auch unseren Beitrag zu einer neuen Weltfriedensordnung, die ihren sozialistischen Fehlgeschmack verloren hat.

    (V o r sitz : Vizepräsident Stücklen)

    Trotzdem sollen auch die Zahlen nicht unter den Tisch fallen. Immerhin sind durch die Beratungen im Haushaltsausschuß und durch das Engagement der Berichterstatter strukturelle Verbesserungen erreicht worden.

    (Koschnick [SPD]: Das ist wahr!)

    Sie eröffnen neue Chancen. — Ich bedanke mich, daß Herr Koschnick sagt, das ist wahr. Es ist tatsächlich wahr, weil wir z. B. noch den chinesischen Stipendiaten geholfen haben und eine Reihe anderer Forderungen, die auch vom Fachausschuß vertreten wurden, umgesetzt haben, weil wir auch innerhalb des Parlaments ein angenehmes Klima wünschen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Bei diesem Berichterstatter muß es so sein! — Beifall bei der CDU/CSU — Waltemathe [SPD]: Das unterstreiche ich! — Heiterkeit)

    Daß dies unter der Verantwortung der CDU/CSU und der FDP erfolgte, betone ich gerne. Die freundliche Unterstützung durch die Opposition, Herr Kollege Waltemathe, war natürlich nicht unwillkommen.
    War ursprünglich im Regierungsentwurf eine Steigerung der Ausgaben des Auswärtigen Amtes gegenüber dem Vorjahr um 2,8 % bei einer Steigerung des Gesamthaushalts um 3,4 % vorgesehen, so hat der Haushaltsausschuß beim Auswärtigen Amt noch fast



    Dr. Rose
    49 Millionen DM draufgelegt, so daß sich dort eine neue Steigerung um 4,5 To ergibt, während die Steigerung des Gesamtetats durch Sparmaßnahmen auf 3,0 % zurückgefahren wurde, was die positive Entwicklung beim Auswärtigen Amt besonders auffallend macht. Mit nunmehr gut 3 Milliarden DM kann sich das Auswärtige Amt um wesentliche Politikbereiche kümmern. Wir wünschen Ihnen, Herr Bundesminister, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dazu viel Erfolg.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Bei der Stellenausstattung bekommt das Amt im Vergleich zum Vorjahr seinen Zuschlag von 75 Stellen plus 1 Stelle beim Deutschen Archäologischen Institut. Allein 23 Stellen können für den Auf- und Ausbau der neuen Auslandsvertretungen in Windhuk in Namibia, in Ulan-Bator in der Mongolei und in Fünfkirchen, oder soll ich noch ungarisch Pécs sagen, in Ungarn verwendet werden. In den letzten vier Jahren wurden insgesamt 393 Stellen dem Auswärtigen Amt zugedacht. Mit über 6 300 Mitarbeitern ist unser Außenministerium auf die veränderten Zeiten gut eingestellt.
    Ich muß eine Bemerkung zum Personalrat machen. Daß der Personalrat trotzdem noch Wünsche hat, ist verständlich. Über Sinnvolles kann man auch in den kommenden Jahren reden.
    Sinnvoll könnte nicht nur sein, deutsch-französische Gemeinschaftsbotschaften wie in Ulan-Bator und in Gaborone einzurichten, sondern sinnvoll könnte auch sein, die deutsch-deutsche Gemeinsamkeit im Ausland zu manifestieren. Zumindest bei Kultureinrichtungen könnte das neue Bild eines gemeinsamen Deutschlands, also ein neuartiges Deutschlandbild, gefördert werden.

    (Walther [SPD]: Sehr gut!)

    Meine Damen und Herren, 1978 besuchte der damalige Kremlchef Leonid Breschnew die Bundesrepublik. Es ist interessant, einmal zurückzuleuchten, vor allen Dingen auf das, was damals Franz Josef Strauß bei der anschließenden Aussprache im Deutschen Bundestag insbesondere zur aufkeimenden Euphorie sagte; denn wann immer ein Chef aus Moskau nach Deutschland kam, war man ja voller Hoffnung. Strauß sagte:
    Der Silberstreif muß am Horizont sichtbar und nicht am Fernrohr angebracht sein.
    Im Schlußteil seiner denkwürdigen Rede äußerte er:
    Nur eine Zielorientierung darf nicht verlorengehen: Es gibt ein russisches Volk, und es gibt ein deutsches Volk. Und bei keiner Gelegenheit . . . habe ich mich anders geäußert, als daß man mit der künstlichen Legende aufhören soll, daß die Deutschen von heute aus zwei Nationen bestehen. Es gibt keine zwei deutschen Nationen, auch wenn die Deutschen 1949, schnell vorweggenommen, in zwei Staaten eingeteilt worden sind. Es gibt nur eine deutsche Nation. Und vielleicht ist das, was ich heute sage, sozusagen nur ein Proömium, ein Vorwort zu einem Kapitel der Geschichte, das geschrieben werden muß. Wenn Rußland,
    — so fährt Strauß fort —
    gleichgültig unter welchem System und heute unter dem Kommunistischen Machtsystem, wenn die Führer des Kreml endlich begreifen, daß eine Änderung ihrer Haltung und Politik zu Deutschland in seiner Gesamtheit eine Wende herbeiführen würde, bei der wir viele Sorgen, aber auch sie viele Sorgen loshätten, wenn sie einmal über den Graben dieser Ideologie, dieser zum Teil pervertierten Geschichtsphilosophie springen könnten, wenn sie begreifen würden, daß eine gerecht behandelte freie deutsche Nation ein dankbarer, gerechter, freundschaftlich verbundener Partner sein wird, dann würden viele andere Sorgen wie Berlin in den Müllkorb der Geschichte gehören. Darauf müssen wir hinarbeiten!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, das ist — vorhin sagte jemand: Gott hab' ihn selig! — wirklich die Vision von Franz Josef Strauß auf Grund des Besuchs eines Parteichefs gewesen, die sich heute in geradezu phantastischer Weise erfüllt.
    Ich meine, der Müllkorb der Geschichte, von dem Strauß gesprochen hat, wird gerade gefüllt: mit den Steinen der Berliner Mauer, mit ideologischem Ballast und mit den Überresten der sozialistischen Murkswirtschaft. Der Müllkorb wird dann beiseite gestellt werden und als überholt vergessen sein, obwohl er im Archiv zur Erinnerung an die Irrläufer der Geschichte eigentlich bleiben sollte.

    (Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Es gibt auch den bayerischen Staatskapitalismus, habe ich mir einmal sagen lassen!)

    Denn wäre es nach Breschnew gegangen, dann hätte es zwar auch ein Gesamteuropa gegeben, aber kein „europäisches Haus" mit frischer Luft in allen Zimmern und mit pluraler Demokratie, sondern mit einer „Pax sovietica" , die auch in Westeuropa ein afghanisches Abenteuer erzwungen hätte. Der Standhaftigkeit des Westens war es zu verdanken, daß alles anders kam und daß von einem echten friedvollen Europa gesprochen werden kann. Dazu, meine Damen und Herren, muß aber noch viel geschehen. Um nochmals mit Strauß zu sprechen: Der Silberstreif am Horizont ist sichtbar, ein goldenes Prag oder überhaupt goldige Zeiten müssen aber erst noch erschuftet werden.
    Während Polen und Ungarn nämlich pluralistische Demokratien westlichen Zuschnitts anstreben, sind manche Politiker in der DDR und in der CSSR dem Wunschbild eines „Sozialismus mit menschlichem Antlitz" verhaftet. Wann immer ich dieses Wort höre, sage ich: Ich habe nichts gegen ein menschliches Antlitz. Aber ist diese Redewendung erstens nicht das Eingeständnis, daß die bisher so gepriesenen „Errungenschaften des real existierenden Sozialismus" unmenschlich sind? Ist diese Redewendung zweitens nicht der Versuch, erneut eine sozialistische Käseglocke über alles zu stülpen und darauf zu hoffen, daß nur ein freundlicheres Gesicht den angestauten Mief vergessen läßt?

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)




    Dr. Rose
    Das dürfte nicht Ziel der Massenbewegung von Leipzig, Berlin oder Prag sein.
    Freiheit heißt, das freie Wort zuzulassen. Aus dem freien Wort wird die Vielfalt, aus der Vielfalt des Wortes wird das freie Denken, daß 40 Jahre Sozialismus eben auch 40 Jahre der Gewaltherrschaft bezeichnen. Kardinal Tomasek aus Prag, den ich übrigens in den letzten Jahren mehrmals treffen durfte, hat gerade für diese Worte, nämlich daß 40 Jahre Sozialismus 40 Jahre der Gewaltherrschaft sind, starken Beifall beim Volk in Prag bekommen.
    Er, aber auch besonders Kulturschaffende waren und sind es, die Freiheit und Gewalt am besten einordnen können. So hat auch ein Wissenschaftler aus Dresden um Hans Modrow für die Verbreitung des Spruchs gesorgt: Um das elektrische Licht zu erfinden, war es sinnlos, die Kerze zu verbessern. Das gilt auch für den Sozialismus.
    Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was kann unser Beitrag sein, den Nachbarn im östlichen Mitteleuropa auf ihrem Weg zur Freiheit und zum Wohlstand zu helfen? Nach den Ausführungen beim Kanzleretat, wo es um Wirtschaft, Politik und vieles andere mehr ging, beschränke ich mich auf die Möglichkeiten im kulturellen Bereich.
    Hier hat sich Gott sei Dank ein weites Feld aufgetan. Während man uns bis vor kurzem noch einzureden versucht hat, daß alles Deutsche verpönt sei, daß, wenn überhaupt, nur der sozialistische Deutsche ein guter Deutscher sei, rufen jetzt dieselben Leute „Verrat!", weil angeblich nicht schnell genug gehandelt wird.
    In der Begleitung zur Haushaltsaufstellung gab es tatsächlich reichlich schrille Musik. Besonders der Betriebsrat des Goethe-Instituts beklagte sich in seinem September-Schreiben an alle Bundestagsabgeordneten — Herr Kollege Waltemathe hat es etwas verändert gerade erwähnt — , daß die Bundesregierung verlangt habe, in Moskau, Warschau, Sofia oder auch Washington Goethe-Institute nahezu ohne Personal zu eröffnen.
    Tatsache ist, daß in allen osteuropäischen Hauptstädten der Kulturbetrieb anlaufen kann, daß er dann noch ausgebaut wird und daß auf ihn Hoffnungen gesetzt werden. Mit den lautstark geforderten 63 Stellen wurde es zwar für 1990 noch nichts, weil noch nicht einmal die entsprechenden Gebäude gefunden wurden; in Moskau geht es nicht so schnell wie in einem freien Land.
    Die Mittel sind vielleicht auch deshalb nicht so leicht geflossen, weil für den großen Neubau in München Mittel gebunden sind und das Geld nicht so ohne weiteres fließen kann.

    (Walther [SPD]: Na, na!)

    Bekanntlich verschlingt dieser Bau 55 Millionen DM und belastet natürlich den Haushalt in den nächsten Jahren ebenfalls.
    Aber auch die tatsächlich genehmigten Stellen bieten Gewähr, daß die kulturelle Begegnung beginnen kann. Manche Kritiker sind zwar der Meinung, daß man mit schwacher Besetzung gar nicht anfangen solle. Die Praxis zeigt jedoch, daß eine stellenschwache Besetzung noch lange nichts mit fehlender Aufbaustärke zu tun hat. Statt zu lamentieren heißt es jetzt reüssieren, heißt es Weichen stellen, heißt es Linien ziehen. Das kann ich vom Goethe-Institut nur fordern.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich stelle auch mit Freude fest, daß das Goethe-Institut auf den ost-mitteleuropäischen und osteuropäischen Sprachenmarkt überhaupt drängt. Ich erinnere mich sehr wohl an eine Debatte über die deutsche Sprache in der Welt. Vor noch nicht allzu langer Zeit hörte man aus verschiedenen linksliberalen Kreisen, daß jeder, der nach mehr Förderung der deutschen Sprache ruft, ein Chauvinist oder gar Nationalist ist.

    (Zuruf von der SPD: Wer sagt das denn?) Jetzt hat sich das Bild gewandelt.


    (Beifall des Abgeordneten Dr. Friedmann [CDU/CSU])

    Ich hoffe auf diesen Wandel auch bei der Präsentation des Deutschlandbildes. Unsere Nachbarn im Osten haben sich sowieso schon ihr Bild gemacht. Das bewiesen sie nicht zuletzt durch ihre Abstimmung mit den Füßen.
    In den nächsten Jahren kommt es darauf an, die kulturellen Verbindungen ebenso eng zu knüpfen wie die wirtschaftlichen oder politischen. Unsere Hoffnung ist, daß sie ebenso selbstverständlich werden wie die Beziehungen zu unseren westlichen Nachbarn. Kulturabkommen zwischen den Staaten sind gut; Kulturbegegnungen zwischen den Menschen, ohne den Staat fragen zu müssen, sind besser.

    (Zuruf von der SPD: Das gehört zusammen!)

    In diese Richtung müssen wir arbeiten.
    Meine Damen und Herren, das gilt für alle Bereiche. Auch Begegnungsschulen stehen auf der Wunschliste. Die wissenschaftliche Zusammenarbeit mittels der Alexander-von-Humboldt-Stiftung oder des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) muß ausgebaut werden. Vor allem wird es auch darauf ankommen, daß private Einrichtungen wie Agenturen oder Verlage ohne schwerfällige Bürokratie unmittelbare Kontakte knüpfen. Erst dann ist von Normalisierung, von gutnachbarlicher Beziehung zu sprechen, die uns allen so sehr am Herzen liegt.
    Osteuropa, unsere östlichen Nachbarn, fordert uns.
    Es ist aber nicht bloß von Polen, Ungarn oder der Tschechoslowakei die Rede. Ich meine, auch das rumänische Volk sollte von diesem neuen Luftstrom mitgerissen werden. Als Vorsitzender der deutsch-rumänischen Parlamentariergruppe appelliere ich an dieses stolze Volk, in Europas Geschichte einer freiheitlich friedlichen Zukunft nicht zu spät zu kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Übrigens hat Rumänien vor rund zehn Jahren als erstes sozialistisches Land in Europa ein bundesdeutsches Kulturinstitut zugelassen. Dieses sollte aber mit



    Dr. Rose
    viel mehr Leben erfüllt werden. Die Deutschen in Rumänien könnten wieder eine wertvolle Brücke bilden.
    Bei aller Freude über die Möglichkeiten in Europa dürfen wir andere Problemfelder unserer Außenpolitik nicht übersehen. Dazu zählt nach wie vor das südliche Afrika und jetzt besonders Namibia.

    (Toetemeyer [SPD]: Plus 100 000!)

    Dort will sich die Bundesrepublik besonders engagieren und auch Mittel bereitstellen,

    (Toetemeyer [SPD]: Tut sie aber nicht!)

    geht es doch um eine friedlichere Zukunft in der Region und vor allem um die etwa 30 000 Deutschen oder Bürger deutscher Abstammung im ehemaligen Südwest-Staat.
    Die Wahlen in Namibia sind zwar vorbei, aber die drängenden Fragen sind geblieben.

    (Toetemeyer [SPD]: Das ist richtig!)

    Die Unabhängigkeit ist noch nicht vollzogen, und die SWAPO wird wegen ihres Wahlergebnisses auch noch lernen müssen, mit anderen demokratischen Parteien die Zukunft gemeinsam zu gestalten.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Von einem marxistischen Einheitsstaat wollten die Leute dort jedenfalls nichts wissen. Hoffentlich konnten dort, auch wenn es weit weg ist, inzwischen Fernsehbilder aus Osteuropa begutachtet werden, damit der Irrweg zur Freiheit über den Sozialismus erspart bleibt.

    (Dr. Hornhues [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Mit Hoffnung erfüllt, daß die Republik Südafrika offensichtlich ihren Frieden mit der Entwicklung in Namibia geschlossen hat. Zumindest hatte Staatspräsident de Klerk geäußert, man werde auf der Grundlage gutnachbarschaftlicher Beziehungen zusammenarbeiten,

    (Walther [SPD]: Ja!)

    um Frieden und Wohlstand auf dem Subkontinent zu fördern. Man kann das diesem Gebiet nur wünschen, aber nicht bloß Namibia, sondern auch den anderen Frontstaaten. Hoffentlich meint Nujoma nicht, den bisherigen Krieg aus dem Norden des Landes und aus Angola in den Süden und jenseits des Oranje tragen zu müssen.

    (Frau Eid [GRÜNE]: Eine Mahnung an Südafrika!)

    Einige Äußerungen dieser Art sind leider schon gefallen.

    (Toetemeyer [SPD]: Nein! Nicht gefallen!)

    Die Bundesregierung bleibt aufgerufen, mit ebensolcher Konsequenz die Friedenserhaltung zu verlangen, wie sie die Friedenserreichung durch die UNO unterstützt hat. Die bekanntermaßen guten Beziehungen des deutschen Außenministers mit dem SWAPOChef können dazu hoffentlich genutzt werden.

    (Heiterkeit bei der SPD und den GRÜNEN — Toetemeyer [SPD]: Na!)

    Darüber hinaus brauchen wir für dieses Gebiet die gleiche Begeisterung wie für unsere östlichen europäischen Nachbarn. Wirtschaftliche Hilfe, der Aufbau von Bildungsstätten, die hochschulpolitische Zusammenarbeit und die Unterstützung beim Flechten demokratischer Strukturen dürfen nicht am Geld scheitern.

    (Toetemeyer [SPD]: Das ist klar!)

    Es ist gut, daß die Bundesregierung bei der Entsendung von Blauhelmen über ihren Schatten sprang. Sie sollte auch bei der Hilfe für die Zukunft eines jungen Staates alles Bisherige in den Schatten stellen.

    (Toetemeyer [SPD] und Dr. Hornhues [CDU/ CSU]: Sehr gut!)

    In Namibia haben wir die Chance, in anderen Regionen der Welt leider nicht.
    Mit Entsetzen muß man die Lage im Libanon verfolgen, mit Ärger und Wut die momentane marxistische Expansion in Zentralamerika, und auch andernorts gibt es Leid und Elend, die uns nach wie vor fordern.
    Wir hoffen, daß der Abbau der Ost-West-Spannungen Freiräume bietet, um in den anderen Problemregionen auf dem Weg zu einer gesicherten Zukunft voranzukommen. Das können die Deutschen nicht allein schaffen; das soll auch lieber in internationaler Verflechtung geschehen. So wie Rüstungskontrolle und Abrüstung ein universales Thema sind, so muß auch die Weltfriedensordnung multilateral angestrebt werden.

    (Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE]: Ja!)

    Dabei geht es nicht ohne gewisse Gravitationsf elder. Eines davon ist bekanntermaßen die Europäische Gemeinschaft. Sie arbeitet trotz mancher Probleme freundschaftlich mit einem anderen Machtzentrum in der Welt zusammen, nämlich mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken strebt die fruchtbare Zusammenarbeit mit der EG sowie mit den USA an. Die Gravitationsfelder Japan, die ASEAN-Staaten und Südasien sind inzwischen in diese Kooperation einbezogen.
    Mit dem großen Maghreb taucht ein neues arabisches Zentrum vor den Toren der Gemeinschaft auf. Das südliche Afrika entwickelt sich und rückt näher. Weitere Gravitationsfelder ließen sich am Golf oder in Südamerika ausmachen.
    Sie alle gehören in den Rahmen der Rüstungskontrollverhandlungen der UNO. Nur wollen das leider noch nicht alle. Doch die zunehmend kleiner werdende Welt mit ihren zunehmend größer werdenden globalen Themen wird dieses Ergebnis erzwingen. Es kommt um so mehr darauf an, daß in offener, freier Gesinnung miteinander und nicht übereinander diskutiert wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Jahr 2000 war für manche Pessimisten der Zeitpunkt der Apokalypse, des Untergangs. Die Ost-West-Entwicklung, auch die UNO- oder UNESCOFortschritte erlauben inzwischen ganz andere Hoffnungen. Die Bundesrepublik Deutschland, alle Deutschen, können diese Hoffnungen nur verstärken. Un-



    Dr. Rose
    sere Verantwortung als anerkannte Industrienation ist groß. Wir müssen uns ihr stellen.
    Dazu haben wir u. a. das Instrument unseres auswärtigen Dienstes. Hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestimmten und bestimmen die Themen z. B. bei der KSZE, bei der KVAE, bei MBFR oder bei SALT. — Das sind zwar alles Fachausdrücke, aber unter den Diplomaten bekannt. — Die Diplomatie erlebt überall besondere Herausforderungen.
    Sie dürfen sicher sein, Herr Bundesminister, daß das deutsche Parlament Ihnen bei diesen Herausforderungen den Rücken stärkt. Mit dem Haushalt 1990 erfolgt dazu ein weiterer Schritt.
    Wenn dann auch noch das Gesetz über den auswärtigen Dienst, wie vorgesehen, zu Beginn des Jahres 1990 über die Bühne geht, maßvoll, wie es inzwischen geworden ist, damit vernünftig, damit auch durchsetzbar, damit auch in Bezug zu den anderen Ministerien entsprechend gestaltbar, wenn also auch dieses Gesetz über den auswärtigen Dienst verabschiedet sein wird, bin ich sicher, daß eine gute deutsche Außenpolitik für die 90er Jahre und das Ende dieses Jahrtausends gesichert und gewährleistet ist.
    Auf diesem Weg unterstützen wir von der CDU/CSU unsere Bundesregierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lippelt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Lippelt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesen Herbstwochen erleben wir zum zweitenmal in der Geschichte Eurpoas einen „Völkerfrühling". Damals, vor 150 Jahren, als dieses Wort aufkam, vergewisserten sich die Völker Ostmitteleuropas erstmals ihrer nationalen Identität. Sie wollten heraus aus dem Völkergefängnis jener Habsburger Monarchie, die für die Urenkel, aufgewachsen unter weit schärferen Repressionen einer Einparteienherrschaft, heute oft schon nostalgische Züge bekommen hat.
    In diesen Herbstwochen des zweiten „Völkerfrühlings" haben wir schon zum zweitenmal den großartigen Akt einer gewaltfreien Revolution erlebt, den Akt der Selbstbefreiung einer Gesellschaft. Während noch an jedem Montag abends in Leipzig die Geschichte einer wirklich demokratischen DDR geschrieben wird, ist die Geschichte schon zu jenem Platz im Herzen Europas zurückgekehrt, auf dem vor 21 Jahren so viel begann: dem Wenzelsplatz in Prag.
    Wir haben dieser Tage Alexander Dubcek neben Václav Havel erlebt, den jungen Priester Václav Maly neben Kardinal Tomasek. Wir haben gestern erlebt, wie den Schülern, den Studenten, der Bevölkerung von Prag sich die Arbeiter des ganzen Landes angeschlossen haben. Wir erinnern uns an all die vielen, die damals, vor 21 Jahren, für die Sache der Demokratie und der Freiheit standen, und nennen für sie alle nur zwei: Josef Smrkovsky und Frantisek Kriegel, den einzigen, der dem ungeheuren Druck in Moskau widerstand und nichts unterschrieb. Wir erinnern uns an die, die später, in den Jahren der sogenannten Normalisierung, die Fackel hochhielten, und nennen auch für sie zwei: Jan Patocka, den Philosophen, der für die Charta 77 einstand und nach demütigenden Verhören durch den Staatssicherheitsdienst starb, und Jan Palach.
    Wir freuen uns mit all denen, die in all den Jahren unbeugsam blieben und Verhör und Gefängnis immer wieder über sich ergehen lassen mußten, und nennen für sie: Jiri Hajek, Václav Havel, Jaroslav abata, Anna abatova. Indem wir sie nennen, erinnern wir uns auch daran, daß im August 1968 in Moskau einige Dissidenten gegen den Einmarsch sowjetischer Truppen in Prag Transparente hochhielten, einige wenige Augenblicke, bis die allgegenwärtigen Sicherheitsdienste sie abgeschleppt hatten. Wir nennen für diese: Larissa Bogoras, Pavel Litwinow und Andrej Sacharow.
    Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Geschichte ist an ihren Ausgangspunkt zurückgekehrt. Dieser Tage hat sich Gorbatschow erstmals auch zu dem zentralen Anliegen des Prager Frühlings bekannt und erklärt, ein Sozialismus mit menschlichem Antlitz sei auch das Ziel seiner Politik. Die Abgeordneten des Obersten Sowjets, die ihn begleiteten, haben ausgesprochen, daß es an der Zeit sei, daß auch das Moskauer Parlament den damaligen Einmarsch in die Tschechoslowakei verurteile.
    Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich habe auf diesen großen Zusammenhang eingehen wollen, weil ich denke, daß wir Deutschlandpolitik nicht losgelöst von diesem Kontext betrachten dürfen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    40 Jahre gemeinsamer Geschichte der DDR mit den Nationen Ostmitteleuropas können ebensowenig geleugnet werden wie zuvor die Jahrhunderte gemeinsamer deutscher Geschichte. Es muß uns darum gehen, daß dieser Gesamtzusammenhang der mittelosteuropäischen Reformbewegung nicht zerreißt. Er ist aber bedroht.
    Die wirtschaftliche Lage Polens in diesem Winter ist weit schwieriger als die der DDR. Die Lage in der Sowjetunion ist noch gefährlicher. Die Perestroika stagniert; die Nationalitätengegensätze verschärfen sich; in Transkaukasien ist längst der Bürgerkrieg ausgebrochen.
    Es mag ja sein, daß das uns über Mitterrand und über „Le Monde" überlieferte Wort Gorbatschows, daß sich noch an dem Tage, an dem eine deutsche Wiedervereinigung angekündigt werde, ein Sowjetmarschall auf seinen Sessel setzen werde, übertrieben ist. Es mag ja auch sein, daß der Appell, den Gorbatschow am Tage des Mauerdurchbruchs an die EG-Ministerkonferenz richtete, nämlich nochmals die Unantastbarkeit der Grenzen in Europa zu bekräftigen, d. h. konkret auch die Doppelstaatlichkeit, keinen großen Widerhall bei den westeuropäischen Kollegen gefunden hat. Trotzdem ist die Verkündung nun gar eines Stufenplans zur Wiedervereinigung nicht nur eine unerträgliche Anmaßung gegenüber der noch um politische Artikulation ringenden Opposition in der DDR; sie ist gerade auch gegenüber der Gesamtdemokratiebewegung unverantwortlich.

    (Beifall der Abg. Frau Eid [GRÜNE])




    Dr. Lippelt (Hannover)

    Wenn sich der Bundeskanzler — das sei angefügt — hier so deutlich dafür ausspricht, das Selbstbestimmungsrecht der DDR zu achten, und sich zugleich auf Gespräche mit der Opposition beruft, so muß ich sagen: Ja, es gibt im breiten Spektrum der Opposition auch solche Stimmen, aber die große Mehrheit der Opposition denkt anders. Vor allem besteht sie darauf, daß man ihr Zeit läßt zur unbeeinflußten eigenen Meinungsbildung. Der Hinweis des Bundeskanzlers auf die Differenzierungsprozesse in der SED war insofern verräterisch, als es in der Tat in der Funktionärsschicht der SED die Tendenz gibt, lieber die Allianz mit der Regierung hier zu suchen als die mit dem eigenen Volk.
    Ich habe selten Anlaß, einem Gedanken des Bundeskanzlers zuzustimmen. Aber richtig war doch, was er in Lublin sagte und hier heute wiederholte, daß nämlich ohne den langen Kampf um die Demokratie in Polen und in Ungarn die Entwicklung in der DDR nicht möglich gewesen wäre.
    Nun trägt der Bundeskanzler einen 10-Stufen-Plan zur Wiedervereinigung vor. Er trägt ihn einige Tage vor dem Malta-Gipfel Gorbatschows und Bushs vor,

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Richtiger Zeitpunkt!)

    bei dem die deutsche Frage gewiß oben auf der Agenda stehen wird und bei dem Bush nach eigenen Aussagen vor allem der Perestroika helfen will. Ob so etwas jetzt bei so schweren anderen Sorgen in die internationale Politik hineinzugeben richtig ist und so klug ist, das mag der Außenminister dann beurteilen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Es geht auch um uns!)

    — Ja, ich weiß, daß es um Ihre Fraktion ging.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Nein, um Deutschland, um die Deutschen!)

    Wenn man sich nämlich fragt, warum dieses jetzt kommt, so ist der Zusammenhang mit der Lafontaine-Diskussion zu offensichtlich. Lafontaine hat zu Recht darauf hingewiesen, welche Probleme aus der gemeinsamen deutschen Staatsbürgerschaft auf uns zukommen. Sie in der CDU können sich dieser Einsicht natürlich auch nicht verschließen. Sie wissen das natürlich auch. Statt sich mit dem Problem ehrlich auseinanderzusetzen, treten Sie mit dem Bundeskanzler die Flucht nach vorn an, übertönen die Probleme mit dem Schlagwort „Wiedervereinigung". Das heißt, Sie machen das, was Sie mit diesem Thema immer gemacht haben, Sie nutzen es zu innenpolitischer Konsumtion.
    Der Wahlkampf wirft seine Schatten voraus. Es wird ein Wahlkampf der nationalen Agitation werden ohne jede Rücksicht auf die Demokratiebewegung in Osteuropa und auf Kosten einer klugen Außenpolitik in Westeuropa, die unser Außenminister doch sonst immer so überzeugend vertritt.
    Zeit, um zu differenzieren und um nachzudenken, scheint die Regierung ohnehin nicht zu haben. Sie hat es auch nicht fertiggebracht, für den hier zu verabschiedenden Haushalt noch eine tiefgreifende Anderungsvorlage zu machen, mit der wir auf die historischen Veränderungen Osteuropas und die großen auf uns zukommenden Aufgaben durch eine dramatische Umschichtung von Aufgaben und Mitteln reagieren könnten. So deckt sie alle Probleme mit dem Schlagwort „Wiedervereinigung" zu, und so verabschieden Sie einen anachronistischen Haushalt. Wo sind die tiefen Einschnitte in den Militäretat, die nötig wären, nicht nur um die Vertrauensbildung in Europa zu vertiefen, sondern auch um die Mittel zu gewinnen, die wir jetzt für Osteuropa brauchen? Wo ist die Reorganisation der Einnahmeseite? Statt dessen stellt der Bundeskanzler weitere Steuererleichterungen für die Wirtschaft in Aussicht, all das aus dem strotzenden Selbstbewußtsein: Die Wirtschaft ist der Motor der Politik.

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Sie dürfen sich nicht wundern, wenn dann vor dem Hintergrund permanenter struktureller Handels- und Zahlungsbilanzüberschüsse in den Staatskanzleien in Ost und West Zurückhaltung gegenüber der von Ihnen proklamierten Politik entsteht. Weil die Bundesregierung unsicher ist, und dies im Grunde alles weiß, betont sie immer wieder, wir müßten uns um so stärker der westeuropäischen Integration verschreiben, damit auch nicht der Hauch von Mißtrauen gegen einen Sonderweg, den sie jetzt doch geht, aufkommt. Auch wir wollen wahrhaftig keinen deutschen Sonderweg. Aber auf den Widerspruch möchten wir hinweisen, daß eine vertiefte Westintegration einem gleichberechtigten Verhandeln über gesamteuropäische Institutionen im Wege steht. Der Stufenplan macht das sehr deutlich. Stufe 7: Die EG kann sich ja nach Osten bis zum Ural ausdehnen. Stufe 8: Der KSZE-Prozeß wird unterstützt. Neue institutionelle Reformen europäischer Zusammenarbeit können entwickelt werden. Wäre es umgekehrt, Herr Bundesaußenminister, nicht sinnvoller? Muß man nicht erst über den Grundriß Europas sprechen, wenn man sich nicht dem Verdacht aussetzen will, nur auf die Macht von durch wirtschaftliche Stärke geschaffenen Tatsachen zu setzen?
    Die Geschichte kennt Phasen glücklicher Entwicklung. Sie sind oft kurz, und sie sind immer von Rückschlägen bedroht. Wir möchten den Prozeß der Wiedergewinnung Europas, den Prozeß der großen demokratischen Reformbewegung ganz Osteuropas zu seinem Ziel kommen lassen. Wir möchten keinen Sonderweg, wie ihn der 10-Stufen-Plan der Bundesregierung gerade gefährlich entwirft.
    Eine Nachbemerkung: Herr Außenminister, meine Kollegin Frau Eid hat Sie auf einen anderen Fall eines deutschen Sonderwegs angesprochen, mit dem sich die Bundesregierung in die internationale Isolierung begeben hat. Wir erwarten darauf von Ihnen eine Antwort. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der UNO-Resolution? Werden die Firmen IKL und HDW gerichtlich verfolgt? Glauben Sie, daß mit dieser UNO-Resolution die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik erheblich geschädigt sind? Wir erwarten die Antworten heute.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)