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ID1117706100

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    Plenarprotokoll 11/177 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 177. Sitzung Bonn, Dienstag, den 28. November 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 13479 A Nachträgliche Überweisung eines Antrages — Drucksache 11/5692 — an den Haushaltsausschuß 13479 B Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik der Straßenverkehrsunfälle (Straßenverkehrsunfallstatistikgesetz) (Drucksache 11/5464) . . 13479A Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksachen 11/5000, 11/5321, 11/5389) Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes Dr. Vogel SPD 13479 D Dr. Bötsch CDU/CSU 13488 C Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 13492 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 13496 A Dr. Kohl, Bundeskanzler 13502 D Voigt (Frankfurt) SPD 13514 B Bohl CDU/CSU 13516A Frau Eid GRÜNE 13518 C Genscher, Bundesminister AA 13520 B Dr. Meisner, Senator des Landes Berlin . 13523 C Wüppesahl fraktionslos 13525 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 13527 A Roth SPD 13527 D Austermann CDU/CSU 13529 C Jungmann (Wittmoldt) SPD 13532 A Namentliche Abstimmung 13533 D Ergebnis 13536 B Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen Hiller (Lübeck) SPD 13534 A Dr. Neuling CDU/CSU 13538 A Frau Frieß GRÜNE 13541 D Hoppe FDP 13544 A Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . 13545 D Frau Terborg SPD 13548 D Lintner CDU/CSU 13550 D Heimann SPD 13552 C Weisskirchen (Wiesloch) SPD 13553 B Stratmann GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13555 A Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts Waltemathe SPD 13555 C Dr. Rose CDU/CSU 13557 C Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 13561 B Hoppe FDP 13563 A Stobbe SPD 13564 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 28. November 1989 Frau Beer GRÜNE 13567 D Genscher, Bundesminister AA 13568 C Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Diller SPD 13572 C Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 13574 B Frau Flinner GRÜNE 13576 C Bredehorn FDP 13578 C Kiechle, Bundesminister BML 13579 C Koltzsch SPD 13582 B Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für Post und Telekommunikation Frau Faße SPD 13584 B Bohlsen CDU/CSU 13587 D Hoss GRÜNE 13589 C Funke FDP 13590 D Dr. Schwarz-Schilling, Bundesminister BMPT 13591 D Nächste Sitzung 13594 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 13595* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 28. November 1989 13479 177. Sitzung Bonn, den 28. November 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 01. 12. 89 * Amling SPD 28.11.89 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 01. 12. 89 Frau Dempwolf CDU/CSU 01. 12. 89 Dr. Dollinger CDU/CSU 01. 12. 89 Engelsberger CDU/CSU 29.11.89 Graf SPD 28.11.89 Dr. Haack SPD 01. 12. 89 Frhr. Heereman von CDU/CSU 28. 11. 89 Zuydtwyck Dr. Hennig CDU/CSU 29. 11. 89 Frau Hensel GRÜNE 28. 11. 89 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 28. 11. 89 Höffkes CDU/CSU 01. 12.89 Hörster CDU/CSU 28. 11.89 Kißlinger SPD 01. 12.89 Klein (Dieburg) SPD 01. 12. 89 Dr. Klejdzinski SPD 28. 11. 89* Linsmeier CDU/CSU 01. 12.89 Frau Luuk SPD 01. 12. 89 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Lüder FDP 28.11.89 Meneses Vogl GRÜNE 01. 12. 89 Mischnick FDP 28.11.89 Niegel CDU/CSU 01. 12. 89 * Poß SPD 28. 11.89 Rappe (Hildesheim) SPD 28. 11. 89 Frau Rock GRÜNE 01. 12. 89 Frau Schilling GRÜNE 28. 11. 89 Frau Schoppe GRÜNE 28. 11. 89 Schreiber CDU/CSU 30. 11.89 Schröer (Mülheim) SPD 01. 12. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 01. 12. 89 Singer SPD 28. 11.89 Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 28. 11. 89 Dr. Stoltenberg CDU/CSU 28. 11. 89 Tietjen SPD 01. 12.89 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 28. 11. 89 Verheugen SPD 30. 11.89 Vosen SPD 28. 11.89 Dr. Warnke CDU/CSU 28. 11. 89 Werner (Ulm) CDU/CSU 28. 11. 89 Frau Wilms-Kegel GRÜNE 01. 12. 89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Günter Hoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie kann man nur so an der Zeit, an den Ereignissen in Deutschland, an dem Fühlen und Denken der Menschen in beiden Teilen Deutschlands vorbeireden!

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Wenn Frau Frieß hier vom Kalter-Krieg-Ministerium redet, dann kann ich doch nur sagen, das ist kalter Haß, der sich hier artikuliert. Auf eine so demagogische Polemik verbietet es sich einfach zu antworten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, es ist heute eine politisch hoffnungsvolle konstruktive Vorgabe vom Bundeskanzler für unseren deutschlandpolitischen Handlungsbedarf gegeben worden, den es zu konkretisieren gilt. Daß die Opposition darauf positiv antwortet, kann ich in diesem Augenblick, der ich mich in Fragen der Außen- und Deutschlandpolitik vor allen Dingen immer um Gemeinsamkeit bemüht habe und weiter bemühen werde, nur dankbar registrieren. Ich will es deshalb auch nicht zurückweisen oder auf Distanz schicken.
    Ich sage allerdings, Herr Kollege Hiller: Wenn Sie das, was sich im Augenblick abspielt, nutzen, um zu sagen, die Politik der SPD sei dadurch bestätigt, dann würde ich sagen, uns allen täte etwas weniger Hochmut gut.

    (Zustimmung der Abg. Frau Nickels [GRÜNE])

    Denn die Peinlichkeiten, die wir auch zu registrieren und zu bilanzieren haben, werden dabei doch nur verdrängt. Die Bürger der DDR haben die Phase der Anbiederei, Herr Hiller noch gut im Gedächtnis.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wenn Sie jetzt hier in einer verkrampften Kritik am innerdeutschen Ministerium Zuflucht suchen, dann, würde ich sagen, hilft uns das doch allen nicht weiter. Jedenfalls sollten wir das Haus und seine Mitarbeiter heute nicht zur Müllhalde der Haushaltsdebatte machen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Kollegen, der 9. November ist mit der Öffnung der schändlichen Mauer zwischen den beiden Teilen Deutschlands erneut zu einem geschichtsträchtigen Datum geworden. 1961 wurde mit dem Bau der Mauer die Abstimmung mit den Füßen gestoppt, und so wurde sie zu einem Symbol für den Freiheitswillen der Menschen in der DDR und für die Unterdrückung des Zusammengehörigkeitsgefühls. Der Januskopf der jetzt eingerissenen Mauer wird in der geschichtlichen Erinnerung wohl die Züge Erich Honeckers tragen, der Anfang dieses Jahres noch die törichte Formulierung wählte: Sie wird noch hundert Jahre stehen.
    Dieser Satz hat die Menschen in der DDR aufgerüttelt, er hat sie auf die Straße und außer Landes getrieben. Mit diesem verzweifelten und mutigen Schritt haben sie demonstriert, daß der Mörtel der Berliner Mauer brüchig geworden war.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Deutschen in der DDR haben ein neues, ein friedliches Kapitel in der Geschichte des Kampfes der Bürger für ihre demokratischen Rechte und für ihre Freiheit geschrieben. Es bleibt allerdings das historische Verdienst Ungarns, daß es als erstes Land den eisernen Vorhang zerschnitten und damit den Blick auf ein einheitliches Europa freigegeben hat.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Die Menschen im Osten Europas schütteln jetzt das Joch der Unfreiheit und der Bevormundung ab. Die Reformen in der DDR und die Überwindung der Mauer sind Teil eines Gesamtprozesses, der Europa aufeinander zuführt. Eine Vision, die 1967 der Harmel-Bericht als europäische Friedensordnung beschrieben hat und die Generalsekretär Gorbatschow mit seinem Bild vom gemeinsamen europäischen Haus aufgegriffen hat, ist nun in Deutschland sichtbare und erlebte Wirklichkeit geworden.
    Es wird uns wieder eindriglich vor Augen geführt, daß es nur e i n Deutschland gibt. Der Tag ist nun da, an dem die Schlagbäume niedergerissen werden und wir wieder von Nord nach Süd und von Ost nach West ohne Behinderung fahren können.
    Meine Damen und Herren, es ist schon pikant, daß dies im Vorwort eines Autoatlasses abgedruckt war, der am 1. Februar 1950 in der DDR erschien, und die Aufforderung enthielt: „Kämpfen Sie gemeinsam mit dem ,Neuen Deutschland' für dieses höchste Ziel unseres Volkes. "

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Ein gutes Zitat!)

    Ein Besucher aus Rostock hat dieses Dokument jetzt in Erinnerung gebracht.
    Uns Deutschen liegt der Erfolg der Reformen in der DDR natürlich besonders am Herzen. Wir alle verfolgen mit innerer Bewegung, mit Bewunderung und ein wenig auch mit Stolz, wie die Bevölkerung der DDR ihrer Obrigkeit Reform um Reform abtrotzt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Für uns kommt es jetzt darauf an, diesen Prozeß mit Behutsamkeit, mit Hilfs- und Unterstützungsbereitschaft zu begleiten.

    (Zustimmung des Abg. Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU])

    Wir haben jedoch allen Anlaß, die DDR-Führung an ihre Verpflichtung zu erinnern, die sie auf Grund internationaler Absprachen, wie z. B. im Rahmen der



    Hoppe
    KSZE, auf dem Gebiet der Menschenrechte eingegangen ist. Der entscheidende Schritt, den die DDR-Führung noch tun muß, sind baldige allgemeine, freie und geheime Wahlen. Dies setzt voraus, daß der in der Verfassung der DDR verankerte Führungsanspruch der SED aufgegeben wird, daß neue Parteien zugelassen werden und daß ein Wahlgesetz in Kraft tritt, das allen Parteien gleiche Rechte einräumt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Führung der DDR hat dies zugesagt. Wir erwarten jetzt, daß diese Zusage bald in konkretes Handeln umgesetzt wird.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Eine demokratisch gewählte Führung in der DDR wird neben der politischen Umgestaltung vor allem ein umfassendes und grundlegendes Reformprogramm der Wirtschaft durchführen müssen. Die sozialistische Planwirtschaft hat auch in der DDR versagt. Das Land ist wirtschaftlich und technologisch weit hinter den internationalen Standard zurückgefallen.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Die DDR muß deshalb so schnell wie möglich marktwirtschaftliche Reformen durchführen. Das heißt vor allem Eigenständigkeit der Betriebe, Zulassung privatwirtschaftlicher Tätigkeit sowie Abbau von staatlichen Subventionen. Die DDR braucht für diese Wirtschaftsreform in großem Umfang Kapital und Knowhow. Dies kann sie nur aus der Zusammenarbeit mit freien Unternehmern westlicher Demokratien erhalten. Die dazu notwendigen Voraussetzungen muß die DDR selbst schaffen.
    Meine Damen und Herren, wir haben Reformen in der DDR immer wieder mit Nachdruck angemahnt. Die Entwicklung der letzten Tage, über die wir alle glücklich sein können, stimmt hoffnungsvoll. Sie steckt aber noch in den Anfängen. Deshalb ist jetzt nicht die Zeit für finanzielle Schnellschüsse. Vielmehr muß mit Augenmaß und auf der Basis sorgfältiger Überlegungen entschieden werden. Vorschläge für finanzielle Hilfen an die DDR gibt es jetzt zuhauf. Aber den Schrei nach mehr Geld für die bei uns entstehenden Belastungen hört man ebenfalls.
    Bevor allerdings finanzielle Blumensträuße gebunden und überreicht werden, sollte zunächst auch bei uns die Gewißheit bestehen, daß sie dann auch gepflegt werden. Erst wenn ein zusätzlicher Handlungsbedarf korrekt ermittelt worden ist, kann der Sachverhalt als entscheidungsreif angesehen werden. Können wir dann die zusätzlich beschlossenen Maßnahmen nicht aus dem verabschiedeten Haushalt decken, muß — auch darüber besteht natürlich Klarheit — notfalls auch ein Nachtragsetat her.
    Meine Damen und Herren, bei einer Intensivierung der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit mit dem Westen und insbesondere mit der Bundesrepublik Deutschland wird sich auch die Frage der deutschen Einheit von selbst stellen. Der Reformprozeß in der DDR eröffnet erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg eine Perspektive dafür, daß die Bürger in beiden deutschen Staaten eines nicht allzu fernen Tages darüber entscheiden können, ob und in welcher
    Form sie die Einheit Deutschlands haben wollen. Diese Entscheidung wird selbstverständlich nur im Rahmen der vertraglichen Bindungen und im Einvernehmen mit den Nachbarn getroffen werden können.
    Der Weg von der Vision des Harmel-Berichts bis zum Fall der Mauer war gekennzeichnet von innenpolitischen Auseinandersetzungen, von außenpolitischen Rückschlägen und von Phasen der Verhärtung und des Immobilismus. Die Freien Demokraten sind den Weg von den Ostverträgen, die die Vertrauensbasis für den erfolgreichen Abschluß der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa 1975 gelegt haben, konsequent gegangen bis hin zum NATODoppelbeschluß, der gleichzeitig eine Verhandlungs-und Kooperationsofferte war, die schließlich zu einem Bündel praktischer Abrüstungsmaßnahmen geführt hat.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Jetzt muß und wird es unser Ziel sein, die Dynamik des Prozesses der Abrüstung und der Vertrauensbildung beizubehalten und zu fördern.
    So stehen wir heute vor politischen Herausforderungen größten Ausmaßes. Die Aufbruchstimmung in den West-Ost-Beziehungen dürfen wir nicht ungenutzt lassen. Dieser wichtigen Aufgabe müssen wir uns gemeinsam stellen. Über die Parteigrenzen hinweg müssen wir für die Bewältigung der jetzt anstehenden Probleme ein Handlungskonzept erarbeiten. Nur so können wir die Veränderungen in Europa für die Gestaltung der deutsch-deutschen Beziehungen nutzen und die Hoffnung auf eine Überwindung der Teilung Deutschlands mit realistischem Inhalt füllen.
    So bleibt die Deutschlandpolitik eine europäische Aufgabe. Wenn wir sie in einem nationalen Konsens anpacken, werden wir auch das Engagement unserer Freunde wecken und die Akzeptanz bei unseren Partnern herbeiführen können.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat die Bundesministerin für innerdeutsche Beziehungen, Frau Dr. Wilms.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dorothee Wilms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nie ist über den Haushalt des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen in einer solch bewegten Zeit der Veränderungen in der DDR diskutiert worden. Nie war die Chance für eine Wiedervereinigung größer als heute. Der Ruf aus Leipzig, „Wir sind ein Volk! ", geht mir nicht mehr aus dem Sinn.

    (Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: „Wir sind das Volk! ")

    — Nein. „Wir sind ein Volk!" Vielleicht lesen Sie die Plakate einmal genau nach, und begehen Sie nicht hier schon Geschichtsklitterung!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Das haben Sie jetzt daraus gemacht!)




    Bundesminister Frau Dr. Wilms
    — Lassen Sie sich einmal Filme zeigen, und begehen Sie hier keine Geschichtsklitterung!

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD): Ihr habt daraus eure Wahlplakate gemacht!)

    Die Massenflucht unserer Landsleute aus der DDR in den freien Teil Deutschlands und die großen Demonstrationen in fast allen Städten der DDR haben in kurzer Zeit zu den Veränderungen geführt, die noch zu Beginn des Jahres kaum möglich erschienen. Die Menschen, die Bürger dort wollen endlich ihre Angelegenheiten in die eigenen Hände nehmen. Sie wollen Demokratie, sie wollen Freiheit und Menschenrechte, sie wollen selbstbestimmte Reformen, sie wollen eine freiheitliche Entwicklung, wie sie für uns im Westen Europas schon lange selbstverständlich ist. Dabei rechnen sie auf uns, auf die Unterstützung ihrer Landsleute im Westen. Wir dürfen und wir werden sie nicht enttäuschen. Gemeinsam müssen wir jetzt, fast 45 Jahre nach Kriegsende, ein weiteres Stück deutscher Nachkriegsgeschichte bewältigen, aber in Hinwendung zur europäischen Zukunft.
    Mein höchster Respekt gilt denen, die seit Monaten mit großem Mut und unter persönlichen Opfern in der DDR Reformen einfordern und auch allmählich durchsetzen. Die europäische Geschichte hat bislang wenige solcher unblutigen Revolutionen erlebt. Hohe Achtung bringe ich aber auch denen entgegen, die ihre Heimat aus Hoffnungslosigkeit verließen. Auch sie haben den revolutionären Prozeß in der DDR mitbewirkt. Ihnen gegenüber Neid- und Ablehnungsgefühle bei uns zu schüren, wie Herr Lafontaine es tut, halte ich für menschlich schäbig und politisch für falsch.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Entscheidend ist, daß sich in der DDR jetzt ein tiefgreifender Wandel in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft unumkehrbar vollzieht. Politische Gefangene sollten endgültig der Vergangenheit angehören.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit halbherzigen Reformen ist niemandem gedient.

    (Jäger [CDU/CSU]: So ist es!)

    Deshalb ist für die Landsleute das Recht unverzichtbar, über die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Formen ihres Zusammenlebens in wirklich freien, gleichen, allgemeinen und geheimen Wahlen entscheiden zu können. Dies muß auch die Möglichkeit einschließen, den Sozialismus als solchen zur Disposition zu stellen; denn er hat versagt, in der DDR wie auch anderswo.
    Wir fordern die Selbstbestimmung für unsere Landsleute in der DDR. Ihre Ergebnisse haben wir zu respektieren. Diese Bundesregierung hat allerdings nie einen Zweifel daran aufkommen lassen, daß sie entsprechend dem Auftrag des Grundgesetzes am Ziel der nationalen und staatlichen Einheit in Freiheit festhält. Die aktuelle Entwicklung in der DDR zeigt, daß diese Politik richtig war und richtig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Gerade für das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen war dieses Ziel nie strittig. Im Gegenteil: Es hat auf dieses Ziel stets hingearbeitet, oft im Stillen, aber immer intensiv. Breite Publizität ist nicht immer der Maßstab erfolgreicher Sacharbeit.

    (Eich [GRÜNE]: Jetzt muß geklatscht werden!)

    Die aktuelle Entwicklung stellt an die Deutschlandpolitik und auch an das Bundesministerium neue und zusätzliche Herausforderungen. Wir nehmen sie an, sei es in Spezialbereichen, sei es in Koordinationsfunktionen auf Bundesebene oder zwischen Bund und Ländern. Lassen Sie mich dazu einige Stichworte nennen.
    Der Reiseverkehr von Ost nach West muß noch reibungsloser, der von West nach Ost geöffnet werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Die Verhandlungen über einen gemeinsamen Devisenfonds mit der DDR laufen. Der Mindestumtausch muß fortfallen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Büchler [Hof] [SPD]: Plötzlich?)

    Die DDR muß sich hier mit eigenen Devisen engagieren.

    (Büchler [Hof] [SPD]: Seit zwei Jahren fordern wir das! Jetzt endlich macht ihr es!)

    — Herr Kollege Büchler, Sie wissen genausogut wie ich, daß diese Forderung von uns seit langem in allen Verhandlungen erhoben wird. Aber die SED, mit der Sie lange Verhandlungen gepflogen haben, hat dem bisher nicht stattgegeben.

    (Büchler [Hof] [SPD]: Wir haben keine Verhandlungen mit ihr gepflogen! Ihr seid doch gerannt!)

    Das Begrüßungsgeld gibt es auf jeden Fall bis Ende 1989 weiter.

    (Büchler [Hof] [SPD]: Außer Milliarden habt ihr nichts rübergeschoben!)

    Es wird allerdings auch 1990 ausgezahlt werden, falls es nicht rechtzeitig zu vernünftigen Vereinbarungen mit der DDR kommen sollte.

    (Schulze [Berlin] [CDU/CSU]: Das ist eine gute Lösung!)

    Ich würde dies aber nicht für gut halten und erwarte eine Vereinbarung mit der DDR.
    Auch einige Arbeitsmarkt- und Sozialversicherungsprobleme sind angesichts des freieren Reiseverkehrs zwischen hüben und drüben, insbesondere für Berlin und die Gebiete an der innerdeutschen Grenze, neu zu bedenken und zu lösen.
    Meine Damen und Herren, ich denke, daß uns die kommende Zeit — der Bundeskanzler hat dies in seinem Zehn-Punkte-Programm dezidiert ausgeführt — vor die ganz große Aufgabe stellt, ein dichtes Netzwerk von Verbindungen und Beziehungen zwischen Menschen, gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen aufzubauen, das die beiden Teile Deutschlands eng miteinander verbindet und verklammert; denn



    Bundesminister Frau Dr. Wilms
    dies entspricht auch dem Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das gilt für wirtschaftliche Verflechtungen ebenso wie für kulturelle. Der Sport ist in gleicher Weise betroffen wie Gewerkschaften oder Kirchen. Junge Menschen sollen ebenso zueinanderfinden wie Wissenschaftler oder Handwerker. Schul- und Bildungsabschlüsse sollten wieder vergleichbar werden können. Umweltschutz und Telekommunikation können in Deutschland Klammern bilden.

    (Jäger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Die zu schaffende „gemeinsame Wirtschaftskommission" — unter Einschluß Berlins — kann hier Beispiel für vieles sein.

    (Hiller [Lübeck] [SPD]: Das haben wir gefordert! — Büchler [Hof] [SPD]: Sie brauchen nur von uns abzuschreiben!)

    Mit der Öffnung der innerdeutschen Grenze, meine Damen und Herren, wachsen den Städtepartnerschaften völlig neue Möglichkeiten zu. 58 Partnerschaften gibt es bisher; viele können hinzukommen, der Wunsch dazu ist vorhanden. Hier kann das gesamte Spektrum an innerdeutschen Kontakten auf kommunaler Ebene bürgernah umgesetzt werden. Dem Ideenreichtum der Partnergemeinden sollten hier keine Grenzen gesetzt sein!

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Die Restaurierung erhaltungswürdiger historischer Bausubstanz in den Städten und Gemeinden der DDR könnte unter Einschluß privaten Mäzenatentums zu einem Schwerpunkt der partnerschaftlichen Städtebeziehungen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Hiller [Lübeck] [SPD]: Und warum ist der SPD-Antrag abgelehnt worden?)