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ID1117704500

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    Plenarprotokoll 11/177 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 177. Sitzung Bonn, Dienstag, den 28. November 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 13479 A Nachträgliche Überweisung eines Antrages — Drucksache 11/5692 — an den Haushaltsausschuß 13479 B Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik der Straßenverkehrsunfälle (Straßenverkehrsunfallstatistikgesetz) (Drucksache 11/5464) . . 13479A Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksachen 11/5000, 11/5321, 11/5389) Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes Dr. Vogel SPD 13479 D Dr. Bötsch CDU/CSU 13488 C Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 13492 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 13496 A Dr. Kohl, Bundeskanzler 13502 D Voigt (Frankfurt) SPD 13514 B Bohl CDU/CSU 13516A Frau Eid GRÜNE 13518 C Genscher, Bundesminister AA 13520 B Dr. Meisner, Senator des Landes Berlin . 13523 C Wüppesahl fraktionslos 13525 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 13527 A Roth SPD 13527 D Austermann CDU/CSU 13529 C Jungmann (Wittmoldt) SPD 13532 A Namentliche Abstimmung 13533 D Ergebnis 13536 B Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen Hiller (Lübeck) SPD 13534 A Dr. Neuling CDU/CSU 13538 A Frau Frieß GRÜNE 13541 D Hoppe FDP 13544 A Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . 13545 D Frau Terborg SPD 13548 D Lintner CDU/CSU 13550 D Heimann SPD 13552 C Weisskirchen (Wiesloch) SPD 13553 B Stratmann GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13555 A Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts Waltemathe SPD 13555 C Dr. Rose CDU/CSU 13557 C Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 13561 B Hoppe FDP 13563 A Stobbe SPD 13564 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 28. November 1989 Frau Beer GRÜNE 13567 D Genscher, Bundesminister AA 13568 C Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Diller SPD 13572 C Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 13574 B Frau Flinner GRÜNE 13576 C Bredehorn FDP 13578 C Kiechle, Bundesminister BML 13579 C Koltzsch SPD 13582 B Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für Post und Telekommunikation Frau Faße SPD 13584 B Bohlsen CDU/CSU 13587 D Hoss GRÜNE 13589 C Funke FDP 13590 D Dr. Schwarz-Schilling, Bundesminister BMPT 13591 D Nächste Sitzung 13594 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 13595* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 28. November 1989 13479 177. Sitzung Bonn, den 28. November 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 01. 12. 89 * Amling SPD 28.11.89 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 01. 12. 89 Frau Dempwolf CDU/CSU 01. 12. 89 Dr. Dollinger CDU/CSU 01. 12. 89 Engelsberger CDU/CSU 29.11.89 Graf SPD 28.11.89 Dr. Haack SPD 01. 12. 89 Frhr. Heereman von CDU/CSU 28. 11. 89 Zuydtwyck Dr. Hennig CDU/CSU 29. 11. 89 Frau Hensel GRÜNE 28. 11. 89 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 28. 11. 89 Höffkes CDU/CSU 01. 12.89 Hörster CDU/CSU 28. 11.89 Kißlinger SPD 01. 12.89 Klein (Dieburg) SPD 01. 12. 89 Dr. Klejdzinski SPD 28. 11. 89* Linsmeier CDU/CSU 01. 12.89 Frau Luuk SPD 01. 12. 89 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Lüder FDP 28.11.89 Meneses Vogl GRÜNE 01. 12. 89 Mischnick FDP 28.11.89 Niegel CDU/CSU 01. 12. 89 * Poß SPD 28. 11.89 Rappe (Hildesheim) SPD 28. 11. 89 Frau Rock GRÜNE 01. 12. 89 Frau Schilling GRÜNE 28. 11. 89 Frau Schoppe GRÜNE 28. 11. 89 Schreiber CDU/CSU 30. 11.89 Schröer (Mülheim) SPD 01. 12. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 01. 12. 89 Singer SPD 28. 11.89 Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 28. 11. 89 Dr. Stoltenberg CDU/CSU 28. 11. 89 Tietjen SPD 01. 12.89 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 28. 11. 89 Verheugen SPD 30. 11.89 Vosen SPD 28. 11.89 Dr. Warnke CDU/CSU 28. 11. 89 Werner (Ulm) CDU/CSU 28. 11. 89 Frau Wilms-Kegel GRÜNE 01. 12. 89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dietrich Austermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist heute in mehrfacher Hinsicht eine ungewöhnliche Beratung am ersten Tag der Haushaltsdebatte — ungewöhnlich deshalb, weil sonst üblicherweise die Gegensätze in der Politik unterstrichen und deutlich gemacht werden, weil sonst üblicherweise von der Opposition der Versuch unternommen wird, nachzuweisen, daß die Regierung unbedingt durch eine andere, durch eine von ihr geführte ersetzt werden müßte. Statt dessen ist, nachdem Herr Vogel den Beginn mit den üblichen Anrempeleien gemacht hat, zumindest jetzt davon die Rede, wer der erste war, der die Gemeinsamkeiten eingeleitet hat, und wer am wenigsten Vorbedingungen, Voraussetzungen, Bedingungen oder sonst etwas für DDR-Veränderungen stellen würde.
    Ich glaube, man muß hier gleich von vornherein einen Irrtum zurechtrücken: daß diese Regierung bisher nicht bereit wäre, Beiträge zu leisten, die den Bürgern der DDR existentiell helfen. Das hat sie getan. Das tut sie auch in Zukunft.
    Ich nenne dazu ein ganz konkretes Beispiel. Im Bereich Umweltschutz haben wir im letzten Jahr im Haushalt beschlossen, einen Betrag bereitzustellen, der Investitionen allein durch den Bund in der Größenordnung von 300 Millionen DM auf dem Gebiet der DDR ermöglicht. Eine Menge Maßnahmen sind getroffen. Daß im existentiellen Bereich dort, wo es um konkrete Hilfe geht, geholfen wird, ist vom Bundeskanzler eindeutig gesagt worden.
    Es wird aber — und dies muß man erkennen — mit dieser Vorbemerkung der Eindruck zu erwecken versucht, als wäre die Regierung etwa auf dem Wege, der Opposition zu folgen. Daß dies nun überhaupt nicht der Fall ist, dafür gibt es eine ganze Fülle von Belegen aus dem, was hier und was außerhalb des Hauses Redner der SPD gesagt haben. Wenn es in der Tat so wäre, daß die SPD Überlegungen, von Godesberg wegzukommen, zu den Akten legen würde, wenn es in der Tat so wäre, daß die SPD nun, wie in Godesberg ausdrücklich gesagt worden ist, zur Partei der Marktwirtschaft und der deutschen Einheit würde, könnte man doch den Parteitag in Berlin am besten einfach absagen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das könnte euch so passen!)




    Austermann
    Meine Damen und Herren, wir haben 20 Jahre nach dem Regierungswechsel von 1969 und sieben Jahre nach der Korrektur der damit verbundenen historische Fehlentwicklung einen Haushalt vorgelegt, den man in mehrfacher Hinsicht als einen Haushalt des Aufbruchs bezeichnen kann. Unsere Erfolge lassen sich messen und belegen. Ich will dies mit einem Zeugen der SPD machen, der für diese Aussage meines Erachtens unverdächtig ist.
    Helmut Schmidt hat am 1. Oktober 1982, an dem Tag, an dem ein anderer Kanzler an seine Stelle gesetzt wurde, verschiedene Sorgen zum Ausdruck gebracht. Er hat gesagt, er sorge sich um die Politik der guten Nachbarschaft. Ich frage: Wann sind die Nachbarn in Europa besser miteinander umgegangen als zur Zeit? Er hat gesagt, er sorge sich um das Festhalten an EG und NATO. Die EG ist 1988 ein großes Stück vorangekommen. 1992 folgt der nächste Schritt. Die NATO lebt als westliche Wertegemeinschaft, auch wenn hier Herr Voigt wieder eine gewisse Distanz der SPD hat erkennen lassen.
    Helmut Schmidt bezweifelte bei einer christlichliberalen Regierung den Willen zur Aussöhnung mit der polnischen Nation. Dies ist sieben Jahre her. Die Ergebnisse der praktischen politischen Arbeit des Bundeskanzlers haben wir vor zwei Wochen hier gemeinsam begrüßt.
    Schmidt forderte — ganz anders als seine Genossen noch vor einem halben Jahr — die Erhaltung der Einheit der Nation und eine Politik, die darauf hinarbeitet. Wir haben nie vom Volk der DDR gesprochen. Wir haben keine Kumpanei mit der SED betrieben. Wir haben nicht nur vom Frieden, sondern auch von der Freiheit gesprochen. Der Bundeskanzler hat die Forderung nach Menschenrechten als erster und so deutlich genannt. Hier gibt es keine Parallele.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der frühere Kanzler sah auch die Gefahr eines Rüstungswettlaufs. Wir waren standhaft gegenüber dem Ostblock 1983 und haben damit den Durchbruch nicht nur bei den Mittelstreckenraketen, sondern auch beim KSZE-Prozeß erzwungen, der letzten Endes ja auch mehr Menschenrechte für Osteuropa gebracht hat.
    Schließlich eine Frage, die bisher überhaupt nicht angesprochen worden ist, auch nicht von dem — wie er sich nennt — Wirtschaftspolitiker Roth. Der „Weltökonom" sprach im Oktober 1982 von krisenhaften Volkswirtschaften und sorgte sich bei 6 % Inflation, explodierenden Arbeitslosenzahlen und sinkender Beschäftigung um eine deflationistische Haushaltspolitik. Das war die Sorge des Regierungsvorgängers.
    Das Ergebnis unserer Arbeit, der Arbeit dieses Kanzlers, seiner Regierung und der sie tragenden Koalition: die Wirtschaft boomt. Im Haushaltsausschuß haben wir, um Überhitzungen der Baukonjunktur zu vermeiden, durch eine 25prozentige Sperre dafür Sorge getragen, daß jetzt vor öffentlichen Verwaltungsgebäuden in erster Linie eine Million neue Wohnungen gebaut werden können. Dies ist unsere Antwort und eine deutliche Politik für alle Bürger. Man muß dabei auch sagen, wenn man hier von der Wohnungsnot redet — auch vielleicht deshalb, weil die Bürger das nicht so deutlich wissen — , daß seit Beginn des Jahres 700 000 Aus- und Übersiedler in die Bundesrepublik geströmt sind. Daß nicht sofort für alle Wohnungen bereitgestellt werden können, ist selbstverständlich.
    Dann hat sich Schmidt schließlich 1982 um die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme gesorgt. Ich sage heute, nie wurde mehr für Sozialaufwendungen und auf sicherer Grundlage bereitgestellt als heute. Wir haben das Land aus der Krise geführt. Dies gilt auch für die Höhe der Sozialleistungen, auf die einzelne Person bezogen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es wäre reizvoll, noch Willy Brandt zu zitieren, der sich im Oktober 1982 noch die Sorge machte, daß die Grundforderungen des Godesberger Programms wohl eingehalten werden. Es ist inzwischen wohl klar, an wen sich diese Sorge gerichtet hat.
    Wir haben in diesem Jahr mit der niedrigsten Neuverschuldung des Bundes seit 1974, der niedrigsten Neuverschuldung seit fünfzehn Jahren festzustellen: wachsende Wirtschaft, relativ stabile Preise und steigende Einkommen, bezahlbare Krankheitskosten, Pflegehilfen, Superleistungen für die Familie, Steuerentlastung für alle, sichere Freiheit in einem starken Bildnis, eine sich abwärts drehende Abrüstungsspirale, mehr Leistungen im Umweltschutz, und — was gar nicht deutlich genug gesagt werden kann — die Einheit der Nation steht wieder im Zentrum der Gespräche unserer Bürger. Dies gilt selbstverständlich auch hinsichtlich der notwendigen Maßnahmen und Leistungen für Berlin.
    Ich sage mal: Es ist schon ein ungewöhnlicher Vorgang, daß die Berliner Landesregierung hier jedesmal in jeder Woche auftritt, die Regierung anrempelt, gleichzeitig die Hand aufhält und dann davon spricht, daß Bedingungen durch die Bundesregierung nicht erfüllt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Unverschämt! — Widerspruch bei der SPD)

    Dies hat der Finanzsenator heute wieder getan. Er hat hier wieder herumgemompert, obwohl er weiß, daß am Freitag ein Termin stattfindet, obwohl er weiß, daß in diesem Haushalt mit einer Steigerungsrate 12,8 Milliarden DM für Berlin vorgesehen sind und daß wir ganz klar erklärt haben: Wir wollen selbstverständlich Berlin die notwendige Hilfe leisten.
    Ich habe damit deutlich gemacht, daß es zu unserer erfolgreichen Politik in Sachfragen keine Alternative gibt. Man hätte hier ein Jahr vor der Bundestagswahl dann doch ganz gern gehört: Wie sieht es denn mit der personellen Alternative aus, wie sieht es denn mit dem Schattenkanzlerkandidaten aus?

    (Zurufe von der SPD)




    Austermann
    Da fängt doch die Alternative eigentlich an. Vogel hat es 1983 versucht, er brachte es auf 38,2 %; das scheint ihn auch nachträglich noch zu verärgern.

    (Dr. Vogel [SPD]: Reden Sie von SchleswigHolstein? Wo sind Sie zu Hause? In Schleswig-Holstein? 37 c1/0!)

    Wir werden am 9. Dezember des nächsten Jahres darüber reden. Wir ziehen Bilanz, wenn die nächste reelle Wahl wieder stattfindet.
    Rau trat 1987 an. Er war verliebt in das Gelingen und zu früh gestartet. Er erreichte exakt 37 %; da liegt die SPD bei jüngsten Umfragen. Es bleiben dann noch die Enkel, vielleicht Herr Engholm. Ich erinnere mich: Als er 1982 noch Bundesminister war, hatten wir eine Explosion beim Lehrstellenmangel, Explosion der Jugendarbeitslosigkeit, gab es einen Stopp beim studentischen Wohnungsbau, und mit Recht sprach damals die „FAZ" von „Schmidts zweiter Wahl".
    Bleibt Lafontaine, der Sozialist mit kapitalistischer Attitüde und marktwirtschaftlichem Know-how.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Chefkoch aus dem Saarland!)

    Er sprach vor kurzem noch von sozialer Kälte der Bundesregierung, jetzt tritt er eine Sozialneidlawine los. Jetzt hetzt er Deutsche gegen Deutsche. Wer schafft denn im Westen Anreize zum Ausbluten der DDR? Ich glaube, daß hier klar deutlich gemacht werden muß, daß mit so einer Politik möglicherweise unter so einem Vorsitzenden mit Sicherheit dieses Land nicht besser regiert werden könnte.
    Interessanterweise hat nun der Fraktionsvorsitzende der Kieler SPD — um das Wort „Kiel" nun endlich aufzunehmen, Herr Vogel — , der Herr Börnsen, vorgeschlagen, nun wäre ja auch der Herr Momper — ich dachte erst, ich traue meinen Augen nicht, Karneval ist noch nicht — ein geeigneter Kanzlerkandidat.

    (Dr. Vogel [SPD]: Sie jedenfalls nicht!)

    Ich glaube nicht, daß die Haltung, die er mit seiner Koalition in Berlin eingenommen hat, dafür spricht, daß er dafür qualifiziert ist. Vielleicht kriegen Sie auch zusätzliche Hilfen mit Herrn Schily, oder Herr Brandt wird wieder zugelassen. Dann fragt man sich allerdings, weshalb der Mann, der immerhin in der letzten Woche hier Größe bewiesen hat, letztes Jahr als Vorsitzender abgewählt werden mußte, weshalb ein Parteitag vorverlegt werden mußte.
    Vor 30 Jahren in Godesberg hat die SPD Abschied vom Klassenkampf und Denkmustern des dogmatischen Marxismus genommen. Sie bejahte damals die von Ludwig Erhard eingeführte Soziale Marktwirtschaft und die deutsche Einheit in gesicherter Freiheit. Heute geht sie überall auf Distanz zur Bundeswehr, betrachtet den Verteidigungshaushalt als Reptilienfonds,

    (Dr. Vogel [SPD]: Das ist doch unwürdig! Wüppesahl soll reden! Wir wollen Wüppesahl hören! — Heiterkeit bei der SPD)

    sie redet von dem Volk der DDR, sie redet von demokratischem Sozialismus, der eine Wiedergeburt feiern
    würde. Was demokratischer Sozialismus heißt, ist
    nach jeder Definition, die man irgendwo nur finden kann, klar: skeptische Einstellung zum Privateigentum an Produktionsmitteln, staatliche Steuerung, Lenkung, Planung, Vorgaben für Entscheidungen der Unternehmer. Geforscht werden darf nur dort, wo ein Bedürfnis anerkannt wird; Bewußtsein muß gebildet werden; Gemeinwirtschaft wird propagiert und verfolgt gesamtgesellschaftliche Ziele.
    Nun, ich glaube, inzwischen ist jedermann klar, mit der Gemeinwirtschaft ist es wie mit dem Sozialismus; real funktionieren beide nicht. Siehe Neue Heimat, siehe co op! Im Vergleich zum co op-Sumpf ist allerdings die Neue Heimat nur ein kleines Genossenbiotop gewesen.
    Meine Damen und Herren, ist nicht der entscheidende Grund dafür, daß die Menschen im ehemaligen Ostblock auf die Straße gehen, das Streben nach Bürgerrechten und nicht nach Genossenrechten? Wandlitz grüßt mit klassenlosem Sozialismus; wer den Sozialismus kennt, der wählt ihn nicht. Dies tut auch nicht die SPD, wie man den Worten ihres Sprechers entnehmen kann.
    Mit der Leistung dieser Koalition geht natürlich auch das Fehlen der Alternative der Opposition in sachlichen Fragen einher. Wir fragen uns allerdings dann gelegentlich, und auch die Bürger fragen uns: Weshalb verkauft ihr euch bei dieser hervorragenden Leistung eigentlich so schlecht?
    Nun könnte man ein Beispiel nehmen — und mein Nachredner von der SPD wird es sicherlich deutlich machen — : Sie geben da 410 Millionen DM für Öffentlichkeitsarbeit im Haushalt des Bundespresseamtes aus. Reicht das nicht? Ich möchte mit einem Beispiel schließen, das zeigt, daß selbst die 21 Millionen DM, die dem Bundespresseamt für Inlandsarbeit zur Verfügung stehen, nie ausreichen können. Hierzu mag der 10. November 1989 als Exempel dienen.
    In Berlin war eine Stadt im Freudentaumel. Das ganze Land, die ganze Bundesrepublik, das deutsche Volk haben gefeiert. Millionen auf den Straßen; 20 000 vor dem Schöneberger Rathaus, davon 5 000 von der Alternativen Liste, den Jusos, dem AStA der FU und der SEW bestellte Störer; Pfeifen und Johlen, während der Kanzler spricht,

    (Unruhe bei der SPD und den GRÜNEN)

    etwa so wie heute — Sie haben das offensichtlich schon damals geübt — , Pfeifen und Johlen während der Nationalhymne. Dies zeigt das Fernsehen während der Nachrichten. Als geborener Berliner habe ich mich wegen des Johlens während der Rede des Kanzlers und während der Nationalhymne geschämt.
    Eine Stunde später am 10. November 1989: 200 000 Berliner am Breitscheidplatz; der Kanzler in der Menge; Beifall. Das Fernsehen war nicht da; das Fernsehen klammert aus.

    (Dr. Vogel [SPD]: Waren Sie schon mal in Berlin?)

    Dies nennt man öffentlich-rechtliche Pressefreiheit.

    (Dr. Vogel [SPD]: Zur Sache!)




    Austermann
    — Wir reden über den Einzelplan 04. Zu diesem gehört der Etat des Bundespresseamts, Herr Kollege Vogel.

    (Dr. Vogel [SPD]: Sie reden über Null!)

    — Wir reden über den Einzelplan für die Arbeit des Kanzlers. Ich meine, daß die Debatte bisher deutlich gemacht hat, daß es zu dieser Arbeit des Kanzlers und zu dieser Regierung keine Alternative gibt.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Jungmann.

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    Rede von Horst Jungmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Austermann, Sie hätten besser geschwiegen

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    das hätte dem Kanzler besser getan —, als hier Ihre Haßtiraden gegen Sozialdemokraten und Andersdenkende zu verbreiten. Es hat nur noch der Schaum vor Ihrem Mund gefehlt; dann wäre das vollendet gewesen, was Sie sich gewünscht hätten.
    Es ist natürlich so, meine Damen und Herren, daß der Kanzleretat naturgemäß zur Aussprache über die Politik der Bundesregierung und des Bundeskanzlers benutzt wird und daß über alle Politikfelder, die dabei eine Rolle spielen, gesprochen wird. Nur, Herr Kollege Austermann, Sie haben dabei vergessen, daß das, was Sie hier vorgetragen haben, die positive Seite war und daß natürlich der Bundeskanzler, der heute vormittag hier auch eine Leistungsbilanz vorgetragen hat, die positiven Dinge vortrug und daß es die Aufgabe der Opposition ist, die Finger in die Wunden zu legen und auf negative Entwicklungen in unserer Gesellschaft hinzuweisen.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Diese Aufgabe wird immer schwerer!)

    — Nein, nein, das wird nicht immer schwerer.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Doch, ihr mußtet euch schon sehr bemühen, etwas herauszupulen!)

    Sie haben nur im Moment das Glück, daß die öffentlichen Medien mit der Berichterstattung über die deutsch-deutsche Politik und das, was mit der Entwicklung in Europa zu tun hatte, alles, was an sonstigen Dingen in der Bundesrepublik Deutschland abläuft, übertünchen.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Das ist das „Glück" der Tüchtigen!)

    Sie können nicht verhehlen, daß der Paritätische Wohlfahrtsverband deutlich gemacht hat, daß es 6 Millionen Menschen gibt, die an der Armutsgrenze leben. Es gibt Obdachlose in Berlin; es gibt Obdachlose in der Bundesrepublik Deutschland, und es gibt eine Menge Dinge in dieser Republik neben dem, bei dem wir uns darüber einig sind, was in der deutschdeutschen Politik getan werden muß.
    Beim Kanzleretat fällt mir natürlich auf, daß die Öffentlichkeitsarbeit einen breiten Raum einnimmt. Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung ist nicht, Herr Kollege Austermann, wie Sie das wieder fälschlicherweise darstellen wollen, nur im Kapitel 04 03 etatisiert, sondern erstreckt sich über alle Einzelpläne. Hier geht es nicht nur um 21 Millionen DM für Öffentlichkeitsarbeit Inland. Wenn Sie alle Öffentlichkeitstitel der Bundesregierung zusammennehmen, dann wird vielmehr fast eine halbe Milliarde DM im Wahlkampfjahr 1990 für Öffentlichkeitsarbeit veranschlagt. Im Haushalt 1989 waren es noch 380 Millionen DM; das Mehr war teilweise durch die 40-JahrFeiern zum Bestehen der Bundesrepublik Deutschland und des Grundgesetzes angesetzt. In diesem Jahr sind es 425 Millionen DM; eine Steigerung von 12 %.

    (Zuruf von der SPD: Das muß doch mit dem Wahljahr zusammenhängen!)

    Der Sozialetat steigt um 3 %; Herr Kollege Austermann.
    Während der Regierungszeit der SPD/FDP-Koalition hat sich die damalige CDU-Opposition und hier an hervorragender Stelle der jetzige Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses mit Kürzungsvorschlägen hervorgetan, und Sie haben dann auch ein Verfassungsgerichtsurteil erstritten. Seit Sie selbst an der Regierung sind, ist aber nicht eine einzige Million DM im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit gestrichen worden. Im Gegenteil, seit 1983 sind diese Ansätze um fast 100 % gestiegen.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Unverschämtheit!)

    Das heißt, für den Verkauf einer schlechten Politik haben sich die Kosten fast verdoppelt.
    Die Bundesregierung hat das Recht und die Pflicht, über ihr Tun und ihre politischen Ziele zu informieren. Daß sie 1990 dafür aber so viel mehr Geld benötigt, liegt nicht daran, daß sie mehr Gutes tut, sondern daran, daß sich ihr Tun auf ein einziges Ziel richtet: Die sieben Wahlen, Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen, im nächsten Jahr möchten Sie auch unter Inanspruchnahme der Öffentlichkeitsarbeitstitel gewinnen.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Unerhört!)

    Vor einer solchen Haltung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 2. März 1977 in seinen Leitsätzen eindringlich gewarnt. Dort heißt es:
    Weder dürfen die Verfassungsorgane des Bundes anläßlich von Wahlen in den Ländern noch dürfen die Verfassungsorgane der Länder anläßlich von Wahlen im Bund parteigreifend in den Wahlkampf einwirken.
    Ich warne davor, diese Mittel für solche Zwecke zu mißbrauchen.

    (Beifall bei der SPD)

    Weiter heißt es:
    Als Anzeichen für eine Grenzüberschreitung zur unzulässigen Wahlwerbung kommt weiterhin ein Anwachsen der Öffentlichkeitsarbeit in Wahlkampfnähe in Betracht, was sowohl in der größe-



    Jungmann (Wittmoldt)

    ren Zahl von Einzelmaßnahmen wie in deren Ausmaß und dem gesteigerten Einsatz öffentlicher Mittel für derartige Maßnahmen zum Ausdruck kommen kann.

    (Unruhe)