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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/177 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 177. Sitzung Bonn, Dienstag, den 28. November 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 13479 A Nachträgliche Überweisung eines Antrages — Drucksache 11/5692 — an den Haushaltsausschuß 13479 B Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik der Straßenverkehrsunfälle (Straßenverkehrsunfallstatistikgesetz) (Drucksache 11/5464) . . 13479A Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksachen 11/5000, 11/5321, 11/5389) Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes Dr. Vogel SPD 13479 D Dr. Bötsch CDU/CSU 13488 C Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 13492 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 13496 A Dr. Kohl, Bundeskanzler 13502 D Voigt (Frankfurt) SPD 13514 B Bohl CDU/CSU 13516A Frau Eid GRÜNE 13518 C Genscher, Bundesminister AA 13520 B Dr. Meisner, Senator des Landes Berlin . 13523 C Wüppesahl fraktionslos 13525 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 13527 A Roth SPD 13527 D Austermann CDU/CSU 13529 C Jungmann (Wittmoldt) SPD 13532 A Namentliche Abstimmung 13533 D Ergebnis 13536 B Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen Hiller (Lübeck) SPD 13534 A Dr. Neuling CDU/CSU 13538 A Frau Frieß GRÜNE 13541 D Hoppe FDP 13544 A Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . 13545 D Frau Terborg SPD 13548 D Lintner CDU/CSU 13550 D Heimann SPD 13552 C Weisskirchen (Wiesloch) SPD 13553 B Stratmann GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 13555 A Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts Waltemathe SPD 13555 C Dr. Rose CDU/CSU 13557 C Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 13561 B Hoppe FDP 13563 A Stobbe SPD 13564 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 28. November 1989 Frau Beer GRÜNE 13567 D Genscher, Bundesminister AA 13568 C Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Diller SPD 13572 C Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 13574 B Frau Flinner GRÜNE 13576 C Bredehorn FDP 13578 C Kiechle, Bundesminister BML 13579 C Koltzsch SPD 13582 B Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für Post und Telekommunikation Frau Faße SPD 13584 B Bohlsen CDU/CSU 13587 D Hoss GRÜNE 13589 C Funke FDP 13590 D Dr. Schwarz-Schilling, Bundesminister BMPT 13591 D Nächste Sitzung 13594 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 13595* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 28. November 1989 13479 177. Sitzung Bonn, den 28. November 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 01. 12. 89 * Amling SPD 28.11.89 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 01. 12. 89 Frau Dempwolf CDU/CSU 01. 12. 89 Dr. Dollinger CDU/CSU 01. 12. 89 Engelsberger CDU/CSU 29.11.89 Graf SPD 28.11.89 Dr. Haack SPD 01. 12. 89 Frhr. Heereman von CDU/CSU 28. 11. 89 Zuydtwyck Dr. Hennig CDU/CSU 29. 11. 89 Frau Hensel GRÜNE 28. 11. 89 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 28. 11. 89 Höffkes CDU/CSU 01. 12.89 Hörster CDU/CSU 28. 11.89 Kißlinger SPD 01. 12.89 Klein (Dieburg) SPD 01. 12. 89 Dr. Klejdzinski SPD 28. 11. 89* Linsmeier CDU/CSU 01. 12.89 Frau Luuk SPD 01. 12. 89 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Lüder FDP 28.11.89 Meneses Vogl GRÜNE 01. 12. 89 Mischnick FDP 28.11.89 Niegel CDU/CSU 01. 12. 89 * Poß SPD 28. 11.89 Rappe (Hildesheim) SPD 28. 11. 89 Frau Rock GRÜNE 01. 12. 89 Frau Schilling GRÜNE 28. 11. 89 Frau Schoppe GRÜNE 28. 11. 89 Schreiber CDU/CSU 30. 11.89 Schröer (Mülheim) SPD 01. 12. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 01. 12. 89 Singer SPD 28. 11.89 Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 28. 11. 89 Dr. Stoltenberg CDU/CSU 28. 11. 89 Tietjen SPD 01. 12.89 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 28. 11. 89 Verheugen SPD 30. 11.89 Vosen SPD 28. 11.89 Dr. Warnke CDU/CSU 28. 11. 89 Werner (Ulm) CDU/CSU 28. 11. 89 Frau Wilms-Kegel GRÜNE 01. 12. 89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Kollege Stahl, wenn Herr Rau dort mit Pfiffen bedacht worden wäre

    (Stahl [Kempen] [SPD]: Lassen Sie mich — —)

    — lassen Sie mich eben meine Zwischenantwort geben — , sähe ich an dieser Stelle keinerlei Anlaß zu Kritik.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    — Bitte sehr.





Rede von Erwin Stahl
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Graf Lambsdorff, meine Frage bezog sich natürlich auch auf den Sprecher der Sozialdemokratischen Partei aus der Deutschen Demokratischen Republik. Ich verstehe nicht, woher Sie hier die Weisheit nehmen, daß er bei seiner Rede, die er dort hielt, anschließend mit Pfiffen bedacht wurde. Das Gegenteil war der Fall.

(Zuruf von der SPD: Das verwechselt der!) Woher haben Sie denn diese Weisheit?


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ich habe gesagt, daß nach Presseberichten — —

    (Zuruf von der SPD: Aha! — Ah ja!)

    — Ich komme nachher noch einmal auf ein Interview der „Süddeutschen Zeitung" vom 25. November zu sprechen, Herr Vogel. Nach Presseberichten wurde nicht am Ende gepfiffen, sondern bei Erwähnung des Stichwortes: Wir wollen die Soziale Marktwirtschaft.

    (Zuruf von der SPD: Das ist doch nicht wahr!)

    Denn interessanterweise hat die Sozialdemokratische Partei in der DDR als erste aller Gruppierungen erklärt: nichts mit Sozialismus, sondern Soziale Marktwirtschaft. — Das muß für Sie schwierig sein,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das paßt denen nicht!)

    ich verstehe das, aber es war so.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU — Stahl [Kempen] [SPD]: Sie schieben hier bewußt Wolken!)

    Wir erwarten deswegen, daß Voraussetzungen geschaffen werden, damit Unterstützung nicht ins Bodenlose fällt oder etwa bei privatem Engagement überhaupt erst beginnt.
    Die Diskussion, die auch hier über das Stichwort Sozialismus in der DDR, besseren Sozialismus, edlen, guten Sozialismus — nachdem das, was man versucht hat, gescheitert ist — , geführt wird, geht von Tag zu Tag weiter. Ich habe das neueste Flugblatt des Demokratischen Aufbruchs gestern aus Berlin mitgebracht: kein Wort von Sozialismus, eine Menge über Marktwirtschaft und vernünftige Vorstellungen. Man kann ja nicht erwarten, daß nach 40 Jahren Indoktrination dieses Stichwort „Sozialismus" — ich setze Sie nicht damit gleich, Herr Vogel — plötzlich überwunden wird, einfach aufgegeben wird. Da kommen Menschen, denen man gründlich zu erläutern versucht, warum ihnen sozialistische Wirtschaftsformen auch in einer besseren Ausgestaltung nicht helfen können und das Elend nicht überwinden werden, und sagen einem: Du nimmst uns eigentlich unsere ganze Hoffnung; daran glauben wir doch nun seit 20, 30, 40 Jahren. Es ist ihnen ja beigebracht worden. Ich bitte um Verständnis dafür — ich bin wahrlich kein Sozialist, das wissen Sie — , und zwar auch deswegen, weil es in der DDR natürlich einen Übergang zu marktwirtschaftlichen Formen geben wird. Auch wir leben doch nicht in der lupenreinen Marktwirtschaft. Wie denn?

    (Zuruf der Abg. Frau Matthäus-Maier [SPD])

    — Was heißt denn „endlich" ? Das weiß ich schon eine ganze Weile, Frau Matthäus-Maier, das ist mir nicht erst eben eingefallen. Ich wünschte, es wäre ein bißchen mehr, und Sie wünschen, es wäre ein bißchen weniger; darum streiten wir dann auch.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Deswegen ist sie ja gegangen!)

    Also, es wird einen Übergang auch in der DDR geben.
    Wenn Sie, Herr Vogel, für den Sozialismus die Herren Gonzales und Mitterrand in Anspruch nehmen, dann finde ich das ganz interessant. François Mitterrand hat es von 1981 bis 1983 mit sozialistischer Wirtschaftspolitik probiert. Dann hat er sie sehr couragiert aufgegeben, hat eine Kehrtwendung gemacht und betreibt nun eine Wirtschaftspolitik im Kontext der Europäischen Gemeinschaft, die mit sozialistischen Vorstellungen nicht viel zu tun hat.

    (Dr. Vogel [SPD]: Aber er ist Sozialist! — Vor s i t z : Vizepräsident Cronenberg)

    Als Herr Gonzales zu seinem ersten Regierungsbesuch gerade nach der Neubildung der ersten Regierung Kohl/Genscher hier war, habe ich mit seinem damaligen Wirtschaftsminister gesprochen und dem Ministerpräsidenten später gesagt: Wenn alle Sozialisten so sind wie Ihr Wirtschaftsminister Boyer, dann könnten Sie mich noch dazu bewegen, Sozialist zu werden. Aber die deutschen Sozialdemokraten halten mich davon ab.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich muß in diesem Zusammenhang sagen, meine Damen und Herren: Ich kritisiere heute nicht die deutschlandpolitischen Aktivitäten der SPD in der Vergangenheit — das ging für mich zuweilen doch sehr in bedenkliche ideologische Niederungen —, aber ich frage, Herr Vogel, wie es möglich ist, daß sich der stellvertretende SPD-Vorsitzende, Herr Lafontaine, vor drei Tagen wieder gegen eine einheitliche deutsche Staatsbürgerschaft ausgesprochen hat. Kaum hatten Sie mir am 24. geschrieben, hatten auch noch eine schöne Pressemeldung darüber gemacht, wie falsch ich läge, da mußten Sie am 25. in der „Süddeutschen Zeitung" lesen,

    (Dr. Vogel [SPD]: Sie liegen heute wieder falsch!)

    daß Lafontaine dasselbe wiederholte.

    (Dr. Vogel [SPD]: Da liegen Sie wieder falsch!)

    — Ich liege gar nicht falsch.

    (Dr. Vogel [SPD]: Aber freilich!)

    — Wieso? Ich liege überhaupt nicht falsch.

    (Dr. Vogel [SPD]: Sie liegen dauernd falsch!)

    Wir sagen hier noch einmal: Ohne die einheitliche deutsche Staatsbürgerschaft — das ist der ernste Hintergrund all dieser Bemerkungen und Diskussionen — hätte Ungarn die Tore für die, die in unserer



    Dr. Graf Lambsdorff
    Botschaft Zuflucht gesucht hatten, nicht öffnen können.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: So ist es! — Frau Oesterle-Schwerin [GRÜNE]: So ein Quatsch!)

    Ohne die deutsche Staatsbürgerschaft hätte es zu der bewegenden Szene nach der Erklärung von Außenminister Genscher im nächtlichen Prag nicht kommen können.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wollte und will Herr Lafontaine so etwas verhindern? Die SPD muß das klären. Herr Vogel, Sie sollten das hier und heute im Deutschen Bundestag tun. Herrn Lafontaine kann ich nur dringend empfehlen
    — das liegt vielleicht auch im Interesse des einen oder anderen von Ihnen — , sich mit dem sehr bemerkenswerten Aufsatz von Frau Seebacher-Brandt in der „FAZ" vom 21. November über die Linken und die Einheit sehr intensiv zu beschäftigen. Das war eine interessante Lektüre!

    (Dr. Vogel [SPD]: Was der Graf so alles liest! Sogar das Feuilleton!)

    — Ich lese das Feuilleton, Herr Vogel.

    (Dr. Vogel [SPD]: Was der Graf so alles liest!)

    Herr Vogel, Sie müssen sich immer wieder einmal auf Überraschungen gefaßt machen und gewisse stereotype Vorstellungen aufgeben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wir kennen uns schon einige Zeit!)

    — Richtig, aber dennoch gibt es Überraschungen.
    Meine Damen und Herren, selbst in diesen Tagen kann sich deutsche Politik nicht auf unsere Beziehungen zur DDR allein konzentrieren. Der Besuch des Bundeskanzlers in Polen hat gezeigt — seine Visite in Budapest wird es bestätigen — , welch neue Verantwortung die Außen-, Wirtschafts- und Finanzpolitik diese Regierung übernommen hat und weiter zu übernehmen hat. Die Freien Demokraten stellen sich dieser Verantwortung, und wir vergessen nicht, daß wir auch dabei auf der Arbeit früherer Regierungen aufbauen können. Wir stellen fest, daß die Anstrengungen des Außenministers maßgeblich zum Klima der Verständigung, der Abrüstungsbereitschaft, des Willens zur Kooperation beigetragen haben, das heute die Ost-West-Beziehungen bestimmt, und wir danken ihm dafür.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Natürlich ist das vor allem Sache der Supermächte. Deswegen setzen wir nachdrückliche Erwartungen in das Gespräch Bush/Gorbatschow in der nächsten Woche. Wir glauben, daß beide nicht über unsere Köpfe hinweg die Zukunft Europas beraten, sondern das Ende des Zeitalters der Spannungen beschleunigen wollen.
    Wir erleben in der Tat nicht nur in der Abrüstungspolitik ein neues Kapitel der Weltgeschichte. Wir, die Deutschen, können nicht nur sagen, daß wir dabeigewesen sind, sondern auch sagen, daß wir dazu beigetragen haben, auch mit unserer Europapolitik. Die Dynamik, die mit der Vorbereitung auf den gemeinsamen Markt ausgelöst worden ist, der feste Wille zur Wirtschafts- und danach zur Währungsunion haben auch die Ereignisse in Osteuropa beflügelt und vorangebracht. Deswegen, Herr Bundeskanzler, sind wir mit Ihnen darüber einig: Europa endet nicht an den Grenzen der Europäischen Gemeinschaft. Wir haben das von jeher so gesehen. Wir wollen ein freiheitliches Europa über die heutigen Mitgliedsländer der Gemeinschaft hinaus. Wir erwarten konkrete Beschlüsse des Europäischen Rates in Straßburg sowohl in bezug auf Zusagen in Richtung Osten als auch in bezug auf Fortschritte auf dem Weg zur Europäischen Union.
    Der stürmische Wandel im Osten erlaubt und erfordert zugleich eine neue Dynamik, weitere Fortschritte in der Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik. Das gilt für die Wiener Verhandlungen. Das gilt für den KSZE-Prozeß. Das gilt für die Gespräche in Genf und für die endgültige Abschaffung von B- und C-Waffen. Die günstigen Entwicklungen sprechen heute dafür, daß die Modernisierung der Kurzstreckenraketen in Europa obsolet geworden ist.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir müssen daran mitarbeiten, daß die Voraussetzungen dafür noch besser werden. Dazu gehört auch viel wirtschaftliche Unterstützung.
    Der Außenminister hat den sich abzeichnenden Wandel der Weltpolitik frühzeitig erkannt; anfangs hart kritisiert, ist ihm längst internationale Zustimmung sicher. Wir freien Demokraten stehen uneingeschränkt hinter dieser Politik umfassender zweiseitiger kontrollierter Abrüstung, die auch der materiellen und finanziellen Unterfütterung bedarf.
    Das alles kann auch Konsequenzen für unsere eigene Verteidigungs- und Bundeswehrpolitik haben. Die FDP hält an der Auffassung fest, daß wir einen endgültigen Verzicht auf die 18monatige Dauer des Wehrdienstes aussprechen sollten, wenn die Abrüstungsverhandlungen die notwendigen Fortschritte machen.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, Deutschland im Jahre 1989, das heißt auch: eine zerrüttete, eine heruntergewirtschaftete Wirtschaft in der DDR und acht Jahre ökonomischer Aufschwung bei uns. Das Wachstum setzt sich fort. Das geschieht auch deshalb, weil Regierung und Koalition Reformen auf sich genommen haben wie niemals zuvor. Die Nörgler und Untergangspropheten sind schweigsamer geworden — das fiel mir auch bei der Rede des Kollegen Vogel ein — , und sie haben auch allen Grund dazu. Ich habe niemals mit Kritik — nicht immer zur Freude des Herrn Bundeskanzlers, vor allem wenn die Interviews so früh über den Sender gehen — , wo sie mir nötig erschien, hinter dem Berge gehalten. Ich sage aber heute: Diese Reformpolitik hat unser Land beweglicher und damit stabiler gemacht. Die Reform der Gesundheitspolitik hat die Kosten gesenkt, hat die Kassen entlastet, ohne den Versicherten unzumutbare Belastungen aufzubürden. Die Beiträge zu den Krankenkassen sind ge-



    Dr. Graf Lambsdorff
    sunken oder stabil geblieben. Die Festbetragsregelung hat sich — auch ich hatte Bedenken; Herr Cronenberg weiß das — als marktwirtschaftliches Steuerungselement bisher jedenfalls bewährt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Gesundheitsreform war notwendig, sie war richtig, und sie war ein sozialpolitischer Erfolg.
    Mit der Rentenreform ist das nicht anders. Meine Freunde und ich begrüßen es, daß auch die sozialdemokratische Fraktion intensiv und konstruktiv an dieser Gesetzgebung mitgearbeitet hat und sie mit uns trägt. Es ist gut, daß in einer für die Mehrheit der Bürger so existentiellen Frage ein koalitionsübergreifender Konsens gefunden werden konnte.
    Für die aktiven Erwerbstätigen wird die dritte Stufe der Steuerreform steuerliche Entlastungen von mehr als 20 Milliarden DM bringen. Ich mache keinen Hehl aus meiner Meinung, daß ich die Steuerreform wirklich für ein Reformwerk halte, das zwar weiter ergänzt werden muß, das aber nur in dieser Koalition von Christlichen Demokraten und Liberalen durchzusetzen war.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    In keiner anderen Zusammensetzung hätten wir das geschafft. Ich sage auch: Schon deshalb, aber gewiß nicht nur deshalb mußte und muß diese Koalition sein.
    Wir sind wegen dieser Reform viel kritisiert worden. Ich habe manche Ungeschicklichkeit selbst aufs Korn genommen. Aber der Erfolg ist heute unübersehbar. Die Steuereinnahmen sind nicht trotz, sondern wegen der Steuerreform kräftig gestiegen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Aber auch daraus wird die SPD nichts lernen. Sie bleibt die Steuererhöhungspartei!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir geben uns mit dem Erreichten nicht zufrieden. Die Unternehmenssteuerreform wird in der nächsten Legislaturperiode folgen, nicht um die Unternehmer reicher zu machen, sondern um Luft und Raum für Risikobereitschaft, neue wirtschaftliche Aktivitäten und Arbeitsplätze zu schaffen. Ohne einen solchen Schritt würden wir den Investitionsstandort Bundesrepublik Deutschland ernsthaft beschädigen.
    Meine Damen und Herren, wir halten uns ganz gern an das Gutachten des Sachverständigenrates, das wir vor wenigen Tagen bekommen haben. Wir Liberalen können Satz für Satz des Gutachtens unterschreiben. Das gilt nicht nur für seine wirtschaftliche Lagebeschreibung und seine Prognose, sondern ebenso für die Ausführungen zur Umweltpolitik, die bei allen bisherigen Erfolgen, die doch kein Vernünftiger bestreiten kann, künftig noch mehr mit marktwirtschaftlichen Instrumenten arbeiten sollte.

    (Sehr gut! bei der SPD)

    Der Rat macht dazu sehr bedenkenswerte Vorschläge, die nicht beiseite gelegt werden können und die sich erfreulicherweise weitgehend mit früheren Anregungen meines Freundes Helmut Haussmann decken.
    Die FDP wiederholt ihre Forderung nach einer Finanzierungsregelung für die geplante Novelle zum Naturschutzgesetz. Herr Bundesfinanzminister, ich weiß, Sie haben grundsätzliche Bedenken, die ich auch verstehe. Aber bevor gar nichts kommt, stimmen Sie bitte der Finanzierung über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur" zu!

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Noch eines könnte spätestens jetzt den unverdrossenen Wachstumskritikern klar werden: Eine wachsende kraftvolle Wirtschaft schafft überhaupt erst die Voraussetzungen für effizienten Umweltschutz. Sehen Sie sich die Zustände in der DDR an, wo ein verrottendes, nicht mehr wachsendes Wirtschaftssystem jeden Umweltschutz getötet hat und wo nach unseren Maßstäben nicht nur Unternehmen geschlossen, sondern ganze Regionen evakuiert werden müßten. Sehen Sie sich auch die Zustände in den Staaten Osteuropas an und vergleichen Sie. Wirksamen Umweltschutz gibt es offensichtlich nur in einer dynamischen, marktwirtschaftlichen Ordnung und sonst nirgends.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Was haben die GRÜNEN dazu anzubieten? Sie empfehlen uns den Umbau der Industriegesellschaft und scheitern schon bei der Renovierung des Hauses Wittgenstein.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von den GRÜNEN)

    Auch deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir diese Ordnung immer weiter ausbauen, und auch deshalb brauchen wir mehr marktwirtschaftliche Elemente in der Umweltschutzpolitik und keine Benzinpreiserhöhungen, keine Steuererhöhungen, die immer nur die Ärmeren treffen und die anderen nicht. Ich begreife nicht, warum diese Binsenweisheit der SPD immer noch nicht beigebracht werden konnte, warum sie Steuern niemals senken, sondern immer nur erhöhen will, warum sie keine Steuern abschaffen, sondern stets neue einführen möchte und warum sie selbst die Hilfe an die DDR zum Vorwand nimmt, eine Steuerreform rückgängig machen zu wollen, die doch erst die Voraussetzungen für zunehmende Wirtschaftskraft schafft.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Aber darüber werden wir uns mit Ihnen im nächsten Jahr mit Freude unterhalten. Beschließen Sie erst einmal Ihr Programm „Rückschritt '90".

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wir brauchen Wachstum, und es geht weiter, wenn es nicht durch selbstgemachte Fehlentscheidungen aufs Spiel gesetzt wird. Damit meine ich nicht die Regierung, damit meine ich vor allem die Tarifvertragsparteien. Man könnte schon etwas bänglich werden, wenn die IG Metall schon vor der Aufnahme der Tarifverhandlungen mit bundesweiten Streiks droht und die Arbeitgeb erseite mit bundesweiten Aussperrungsankündigungen kontert, bevor man sich auch nur ein einziges Mal zusammengesetzt hat.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: So ist es!)




    Dr. Graf Lambsdorff
    Wir halten das im Interesse der Arbeitnehmer und im Interesse unserer Wirtschaft für völlig unangebracht.
    Die größte Gefahr für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum droht von unangemessenen Tarifabschlüssen und vor allem von überzogenen Arbeitszeitverkürzungen, mit denen jede Besserung auf dem Arbeitsmarkt von vornherein verhindert würde, gerade für wenig qualifizierte Arbeitnehmer.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    Und außerdem, meine Damen und Herren: Die Leute wollen ja auch mehr Geld! Sie brauchen es übrigens, um die viele Freizeit zu finanzieren — das ist ja alles in Ordnung — , die sie jetzt schon haben.
    Wir geben die Hoffnung nicht auf, daß alle, die es angeht, unsere Lage erkennen und dabei auch die riesigen Erwartungen auf Unterstützung in Rechnung stellen, die an uns gestellt werden: aus der DDR, aus Polen, aus Ungarn, aus der Sowjetunion; und die CSSR mag auch bald dazukommen. Wir dürfen darüber im übrigen nicht die Entwicklungsländer vergessen, nicht die wirtschaftlich rückständigen Mitgliedstaaten der EG; auch da gibt es Verpflichtungen.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Es ist keine patriotische Übertreibung, wenn ich sage: Alle blicken in Europa zuerst auf die Deutschen. Auch in der Europäischen Gemeinschaft ist das leider nicht anders, wenn es um Hilfe für andere geht.

    (Sehr richtig! bei der FDP)

    Der Bundeskanzler wird es nach seinen jüngsten Besuchen in Paris und Straßburg bestätigen können. Es ist ja gut, wenn man im Ministerrat und in dem noch größeren, höheren und schöneren Europäischen Rat oder gar beim Abendessen beschließt, die hehre Europäische Gemeinschaft soll helfen. Aber daß die nationalen Regierungen der Europäischen Gemeinschaft dafür dann auch das Geld geben müssen, um zu helfen, ist immer der zweite Schritt, und der sollte dann freundlicherweise auch getan werden.
    Eine solche Entwicklung, eine solche Diskussion und manche Zurückhaltung braucht uns nicht zu gefallen, und es braucht uns vielleicht auch nicht zu gefallen, daß wir diejenigen sind, die vordringlich in Anspruch genommen werden. Aber das ist eben auch ein Zeichen dafür, welchen wirtschaftlichen Rang und welchen politischen Ruf wir inzwischen erworben haben. Ich sage für meine Freunde in allem Ernst: Die Bundesrepublik Deutschland muß auch die Bürde der Erfolge tragen, die sie sich selbst erarbeitet hat. Wir können sicherlich nicht alle Wünsche erfüllen. Aber wir können uns erst recht nicht abwenden, wenn ein paar hundert Kilometer weiter ganze Völker vor einem Winter mit drohendem Hunger und Kälte stehen.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Frau Garbe [GRÜNE])

    Wir können uns nicht abwenden, wenn der Weg zu mehr Freiheit überall in Europa gesichert werden muß.
    Wir Liberale sagen ja zu solchen Verpflichtungen. Die Politik der Mehrheit des Bundestages, die Politik der von uns getragenen Bundesregierung hat die Voraussetzungen für eine verantwortungsvolle Rolle der Bundesrepublik in Europa und darüber hinaus geschaffen. Die Zeichen stehen gut, daß wir diese Position auch künftig einnehmen können. Sie stehen gut dafür, daß wir bei wachsendem Wohlstand im eigenen Land auch unseren Beitrag zu einer internationalen Freiheits- und Friedensgemeinschaft noch besser als bisher leisten können.
    Damit es dabei bleibt, werden wir die bisher verfolgte Politik in allen ihren Bereichen noch konsequenter betreiben müssen. Dazu sind die Freien Demokraten bereit.

    (Kuhlwein [SPD]: Ist das eine Drohung?)

    Wir ermutigen die Bundesregierung, und wir ermutigen die Koalition, das kommende Jahr nicht mit Versprechungen und Wahlgeschenken zu vertun, sondern den eingeschlagenen Weg in der Innen- und in der Außenpolitik unbeirrt voranzugehen. Wir haben als Bundesrepublik — und da wir nun einmal die gewählte Regierung sind: als Bundesregierung und Koalition — eine große Verantwortung — trotz Wahlen, trotz eines Wahljahres. Ihr müssen wir gerecht wer- den. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)