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ID1117428000

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    Plenarprotokoll 11/174 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 174. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. November 1989 Inhalt: Verzicht des Abg. Schily auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 13099 A Eintritt der Abg. Frau Kottwitz in den Deutschen Bundestag 13099 A Zusatztagesordnungspunkt 4: Einspruch des Abgeordneten Böhm (Melsungen) gegen den am 26. Oktober erteilten Ordnungsruf 13099 B Tagesordnungspunkt 6: a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 — RRG 1992) (Drucksachen 11/4124, 11/4452, 11/5490, 11/5530, 11/5493) b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Unruh und der Fraktion DIE GRÜNEN: Sofortprogramm für eine Alters-Grundsicherung zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Beck-Oberdorf, Hoss, Frau Unruh und der Fraktion DIE GRÜNEN: Zur Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer/innengruppen sowie erwerbstätiger und nicht erwerbstätiger Erziehender bei der Bewertung von Kindererziehungszeiten in der Alterssicherung und zur Heraufsetzung der Bemessungsgrundlage von 75 Prozent auf 100 Prozent des Durchschnittseinkommens in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen 11/1401, 11/4964, 11/5490, 11/5530) c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Unruh, Frau Beck-Oberdorf, Hoss und der Fraktion DIE GRÜNEN: Zur Gleichbehandlung von Rentnern/innen und Beamten/innen bei den Auswirkungen der Steuerreform (Drucksache 11/4957) Hüser GRÜNE (zur GO) . . . 13100C, 13100D Bohl CDU/CSU (zur GO) 13100 C Hoss GRÜNE (zur GO) 13101A Cronenberg (Arnsberg) FDP (zur GO) . 13101D Jahn (Marburg) SPD (zur GO) 13102 A Günther CDU/CSU 13102B Frau Unruh fraktionslos (Erklärung nach § 30 GO) 13107D Dreßler SPD 13108A, 13159C Cronenberg (Arnsberg) FDP 13113B Hoss GRÜNE 13116A Scheu CDU/CSU 13119 D Heyenn SPD 13122 C Heinrich FDP 13125A Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 13127 A Frau Limbach CDU/CSU 13129B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 13131 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 13133A, 13159A Egert SPD 13139 B Frau Würfel FDP 13151 A Frau Unruh fraktionslos 13152 A Kolb CDU/CSU 13153D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. November 1989 Frau Steinhauer SPD 13155 B Dr. Biedenkopf CDU/CSU 13157 B Vizepräsident Stücklen (Abstimmungen) 13179 C, 13188B Namentliche Abstimmungen 13178D, 13179A, B Ergebnisse . 13182D, 13184 A, 13185C, 13186D Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung (Die Flüchtlingsbewegung und die Situation in den Aufnahmelagern; Aktuelle Fragen) Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . . 13142 D Dr. Penner SPD 13143 D Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . 13143 D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 13144 B Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . 13144 B Bohl CDU/CSU 13144 D Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . 13144 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 13145A Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . . 13145 B Frau Hämmerle SPD 13146A Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . . 13146B Lüder FDP 13146 C Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . . 13146D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 13147 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 13147 B Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . . 13147 C Frau Hensel GRÜNE 13147D Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . . 13148A Oostergetelo SPD 13148D Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . . 13149A Dr. Hitschler FDP 13149B Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . . 13149 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 13149D Dr. Stavenhagen, Staatsminister BK . . . 13149 D Müntefering SPD 13150B Frau Hasselfeldt, Bundesminister BMBau . 13150 C Tagesordnungspunkt 7: a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften (BeamtVGÄndG) (Drucksachen 11/5136, 11/5372, 11/5537, 11/5548) b) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Unruh, Frau Beck-Oberdorf, Hoss und der Fraktion DIE GRÜNEN: Zur Gleichbehandlung von Rentnern/innen, Beamten und Bundestagsabgeordneten bei der Reform der Alterssicherungssysteme (Drucksachen 11/4125, 11/4965, 11/5537) Fellner CDU/CSU 13160A Bernrath SPD 13162A Richter FDP 13164 C Hoss GRÜNE 13166C Heistermann SPD 13167 D Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . 13169 A Frau Unruh fraktionslos 13170 C Vizepräsident Stücklen (Abstimmungen) 13179D Tagesordnungspunkt 8: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes (Drucksachen 11/5303, 11/5498, 11/5500) b) Zweite und Dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes, eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes und eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache 11/5408; Artikel 4 aus Drucksachen 11/5136, 11/5372, 11/5499, 11/5501) c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Zur Änderung des Abgeordnetengesetzes zu dem Antrag des Abgeordneten Häfner und der Fraktion DIE GRÜNEN: Zur Änderung des Abgeordnetengesetzes: Altersversorgung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Unruh und der Fraktion DIE GRÜNEN: Sterbegeld für Abgeordnete zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Unruh, Frau Trenz und der Fraktion DIE GRÜNEN: Anrechnung der Rente auf die Altersentschädigung für Mitglieder des Deutschen Bundestages (Drucksachen 11/5304, 11/5338, 11/3109, 11/1597, 11/5499) Dr. Rüttgers CDU/CSU 13172B Wiefelspütz SPD 13173 B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. November 1989 III Dr. Hoyer FDP 13175 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 13176 C Frau Unruh fraktionslos 13177E Eimer (Fürth) FDP (Erklärung nach § 31 GO) 13178A Vizepräsident Stücklen (Abstimmungen) 13180B Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde betr. Schätzung der EG- Getreideernte durch die EG-Kommission Eigen CDU/CSU 13188D Oostergetelo SPD 13189D Bredehorn FDP 13190 C Kreuzeder GRÜNE 13191B, 13194 C Susset CDU/CSU 13192 B Sielaff SPD 13193 A Heinrich FDP 13193 D Michels CDU/CSU 13194 D Frau Weyel SPD 13195 C Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär BML 13196 C Wimmer (Neuötting) SPD 13197 D Kroll-Schlüter CDU/CSU 13198D Tagesordnungspunkt 9: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung und Vereinfachung der Vereinsbesteuerung (Vereinsförderungsgesetz) (Drucksachen 11/4176, 11/4305, 11/5582, 11/5607) b) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Gemeinnützigkeitsrechts (Drucksachen 11/390, 11/5582) c) Zweite und dritte Beratung des von dem Abgeordneten Büchler (Hof), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Gesetzes zur Verbesserung des Gemeinnützigkeitsrechts (Drucksachen 11/1334, 11/5582) d) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag des Abgeordneten Dr. Apel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Steuerliche Erleichterungen für die gemeinnützigen Sportvereine und andere gemeinnützige Vereine (Drucksachen 11/124, 11/5582) Dr. Grünewald CDU/CSU 13201 A Opel SPD 13203 C Rind FDP 13208 C Hüser GRÜNE 13211 C Spilker CDU/CSU 13213 D Schmidt (Salzgitter) SPD 13215 C Tillmann CDU/CSU 13217 C Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF . . . 13218B Namentliche Abstimmung 13219 C Ergebnis 13219D Erklärung der Bundesregierung zur vorläufigen Freigabe von Besuchsreisen und Ausreisen aus der DDR Seiters, Bundesminister BK 13221 A Dr. Vogel SPD 13221 C Dr. Dregger CDU/CSU 13222 A Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 13222 C Mischnick FDP 13223 A Jahn (Marburg) SPD (zur GO) 13223 D Tagesordnungspunkt 1: Fragestunde (Fortsetzung) — Drucksache 11/5528 vom 3. November 1989 — Ratifizierung der Zusatzabkommen zum Genfer Protokoll; Ausklammerung der im Zusatzprotokoll enthaltenen atomaren Vorbehaltsklausel bei der Ratifikation durch die Sowjetunion MdlAnfr 13, 14 Dr. Hirsch FDP Antw StMin Schäfer AA . . . 13181A, 13181 C ZusFr Dr. Hirsch FDP . . . . 13181A, 13181 C ZusFr Kittelmann CDU/CSU 13182 A ZusFr Oostergetelo SPD 13182B ZusFr Dr. Soell SPD 13182 C Berichtigung 13223* A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 13225* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 Abs. 1 GO des Abgeordneten Dr. Soell und weiterer Abgeordneter der SPD zur Abstimmung über den Entwurf des Rentenreformgesetzes 1992 . . . . 13225* C Anlage 3 Erklärung nach § 31 Abs. 2 GO der Abgeordneten Schmidt (Nürnberg) (SPD) zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/5544 IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. November 1989 und über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/5547 (beide zum Entwurf des Rentenreformgesetzes 1992) 13226* C Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Lutz (SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes 13226* C Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Stiegler und weiterer Abgeordneter der SPD zur Abstimmung über den Entwurf des Rentenreformgesetzes 1992 13227* B Anlage 6 Erstellung eines Registers potentieller Knochenmarkspender zur Behandlung der Leukämie MdlAnfr 6 — Drs 11/5528 — Frau Walz FDP SchrAntw PStSekr Dr. Probst BMFT . . 13227* D Anlage 7 Gutachten des Bundesgesundheitsamtes zum Antrag der Tabakindustrie auf Erteilung eines Ausnahmegenehmigung für den schwedischen Mundtabak MdlAnfr 10 — Drs 11/5528 — Frau Würfel FDP SchrAntw PStSekr Pfeifer BMJFFG . . 13228* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. November 1989 13099 174. Sitzung Bonn, den 9. November 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 173. Sitzung, Seite 13087 D: Im letzten Absatz ist am Beginn der 5. Zeile das Wort „nicht" zu streichen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 10.11.89 Becker (Nienberge) SPD 10.11.89 Beckmann FDP 10.11.89 Böhm (Melsungen) CDU/CSU 10.11.89 * Frau Bulmahn SPD 10.11.89 Büchner (Speyer) SPD 10.11.89 ** Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 10.11.89 ** Dr. Dollinger CDU/CSU 10.11.89 Frau Eid GRÜNE 10.11.89 Engelhard FDP 9. 11.89 Engelsberger CDU/CSU 10.11.89 Ewen SPD 10. 11.89 Frau Geiger CDU/CSU 10.11.89 Dr. Geißler CDU/CSU 10.11.89 Grünbeck FDP 9.11.89 Häfner GRÜNE 9.11.89 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 10. 11.89 Dr. Hennig CDU/CSU 9. 11.89 Dr. Hornhues CDU/CSU 10. 11.89 Höffkes CDU/CSU 10.11.89 * Jung (Limburg) CDU/CSU 9. 11.89 Klein (Dieburg) SPD 10. 11.89 Klein (München) CDU/CSU 10.11.89 Dr. Knabe GRÜNE 10.11.89 Dr. Kohl CDU/CSU 10.11.89 Dr. Kreile CDU/CSU 10.11.89 Linsmeier CDU/CSU 10.11.89 Lintner CDU/CSU 10.11.89 Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 10.11.89 Lowack CDU/CSU 10.11.89 Frau Luuk SPD 10.11.89 Dr. Müller CDU/CSU 10.11.89 ** Paintner FDP 10.11.89 Pfeifer CDU/CSU 10.11.89 Reuschenbach SPD 9.11.89 Frau Rock GRÜNE 10.11.89 Dr. Rüttgers CDU/CSU 9. 11.89 Dr. Schmude SPD 10. 11.89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 10.11.89 Steiner SPD 10.11.89 * Frau Dr. Timm SPD 10.11.89 Toetemeyer SPD 10.11.89 Verheugen SPD 10.11.89 Volmer GRÜNE 10.11.89 Weiß (Kaiserslautern) CDU/CSU 10.11.89 Wissmann CDU/CSU 10.11.89 Wüppesahl fraktionslos 10.11.89 *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 Abs. 1 GO der Abgeordneten Dr. Soell, Duve und Weisskirchen (Wiesloch) (alle SPD) zur Abstimmung über den Entwurf des Rentenreformgesetzes 1992 Das dem Bundestag vorliegende Gesetzgebungswerk zur Rentenreform ist wahrscheinlich in der Lage, unser Rentensystem für die nächsten 10 bis 15 Jahre auf eine einigermaßen solide Grundlage zu stellen. Aber was wird danach? Auch wenn die Altersstruktur, insbesondere das Verhältnis von aktiv Erwerbstätigen zu Rentnern und Pensionären, noch nicht in jeder Einzelheit vorausberechenbar ist (es hängt ab von der Dauer der Lebensarbeitszeit, dem Anteil erwerbstätiger Frauen, der Altersstruktur der Zuwanderung), kann niemand an der Tatsache vorbeisehen, daß sich das Verhältnis Erwerbstätige zu Rentnern, das heute bei 2 : 1 liegt, spätestens nach dem Jahre 2005 auf ein Verhältnis 1 : 1 zubewegt. Einigermaßen realistische Schätzungen über die dann notwendigen Beitragssätze liegen in Größenordnungen von 25 bis 30 To des Bruttoeinkommens. Dies sind angesichts einer wohl kaum sinkenden Steuerlast unerträgliche Sätze. Hinzu kommt, daß dann der sogenannte Generationenvertrag vollends zum Generationenbetrug wird, jedenfalls zum Betrug derer, die Kinder aufgezogen haben, die angesichts eines nur in schwachen Ansätzen vorhandenen Familienlastenausgleichs meist über eine sehr viel geringere soziale und private Altersvorsorge verfügen und nun erleben müssen, daß ihre Kinder sowie deren Kinder (sofern diese noch Kinder kriegen wollen) den in der Regel besser versorgten Kinderlosen die höheren Renten, Pensionen, Lebensversicherungen, Kapitalerträge etc. erarbeiten müssen. Im Extremfall einer alleinerziehenden Frau (die Alleinerziehenden sind zu 90 % Frauen), die 1 bis 2 Kinder aufzieht und meist kaum oberhalb des Existenzminimums gelebt und entsprechend gering „geklebt" hat, kann deren Rente geringer ausfallen als der dann monatlich fällige Arbeitnehmerbeitrag eines ihrer Kinder. Nach Schätzung von Familienverbänden liegen die durchschnittlichen finanziellen Kosten für die Pflege und Erziehung von Kindern zwischen DM 500, - bis 750,- monatlich. Bei einem angenommenen Durchschnittssatz von DM 600, - beträgt in 20 Jahren der (verzinste) Aufwand über DM 150 000,- pro Kind. Davon wird vom Staat höchstens ein Anteil von 20 bis 25 % (seit den BAföG-Kürzungen eher weniger) ausgeglichen. Zugleich sind die Steuer- und Beitragslasten von Familien mit Kindern mindestens genauso hoch wie die von Kinderlosen, da ihr Verbrauchsteueranteil angesichts des nicht absenkbaren Grundbedarfs relativ höher ist als bei Haushalten ohne Kinder. 13226* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. November 1989 Wenn sich die heute schon bestehenden Verteilungsungerechtigkeiten des „Generationenvertrages" nicht noch verdoppeln und verdreifachen sollen, dann muß die Rentenreform durch Lösungen ergänzt werden, die ab den 90er Jahren den Familienlastenausgleich deutlich verbessern und einen Kapitalstock ansammeln, der auch für die Jahre nach 2005 die Beitragslast in erträglichen Grenzen hält. Künftige Entscheidungen über die Sicherung des Alterslastenausgleichs sollten ohne Neuregelung des Familienausgleichs nicht mehr stattfinden. Dazu zwei konkrete Vorschläge: a) Erhöhung des Kindergeldes auf DM 300, — pro Monat ab dem ersten Kind (zu finanzieren aus den rd. 24 Mrd. Kindergeld und Kinderfreibeträgen und aus den rd. 33 Mrd., die ab 1990 das Ehegattensplitting kosten wird). b) Nutzung der Erträge aus der Wertschöpfungsabgabe zum Aufbau eines Kapitalstocks, dessen Verteilungsmodus nicht durch politische Tagesmehrheiten, sondern nur mit Zweidrittelmehrheit, d. h. verfassungsrechtlich verankert, verändert werden darf. Er soll dazu benutzt werden, die nach dem Jahr 2005 wahrscheinlich notwendigen Beitragserhöhungen zu begrenzen. Inwieweit der von mehreren Seiten in die Diskussion gebrachte Vorschlag der unterschiedlichen Beitragssätze für Erwerbstätige mit und ohne Kinder zur Finanzierung eines solchen Kapitalstocks herangezogen werden kann, müßte noch intensiver diskutiert werden. In einer Form, die eine Beitragsstaffel nur für den Arbeitnehmerbeitrag vorsieht, ist er nicht akzeptabel. Würde auch ein Arbeitgeberbeitrag entsprechend herangezogen, wäre dies ein erheblicher Beitrag zu einer aktiven Beschäftigungspolitik und zur Gleichstellung der Frau, weil es finanziell attraktiv würde, Frauen und Männer mit Kindern einzustellen, für die dann niedrigere Arbeitgeberbeiträge zu zahlen wären. Kurz zusammengefaßt: Schon bisher war der „Generationenvertrag" eine Fiktion — angesichts gerade noch vertretbarer Beitragssätze und bei Berücksichtigung der enormen Wiederaufbaulasten, die die Rentnergeneration der letzten drei Jahrzehnte zu tragen hatte, immerhin eine zeitweise akzeptable Fiktion. Künftig schafft diese Fiktion immer unerträglichere Verteilungsungerechtigkeiten. Es sollte zwar Konsens sein und bleiben, daß wir — auch auf Grund des Mißbrauchs in der Vergangenheit — keine aktive Bevölkerungspolitik betreiben wollen. Tatsächlich ist eine Beibehaltung dieses ungerechten „Generationenvertrages" Bevölkerungspolitik — nur in ihrer negativsten Form. Weil Alterslastenausgleich und Familienlastenausgleich sachlich zusammengehören und dies in der Rentenreform '92 nicht berücksichtigt ist, lehne ich das vorliegende Gesetz ab. Anlage 3 Erklärung nach § 31 Abs. 2 GO der Abgeordneten Schmidt (Nürnberg) (SPD) zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/5544 und über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/5547 (beide zum Entwurf des Rentenreformgesetzes 1992) Ich unterstütze im Grundsatz die in der Begründung aufgeführten Ziele, halte aber die vorgeschlagenen Lösungswege teilweise für falsch bzw. befürchte, daß sie zu ungewünschten Konsequenzen führen könnten. Eine detaillierte Überprüfung war mir in der kurzen Zeit, seitdem mir diese Anträge bekannt wurden, nicht möglich. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Lutz (SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Ich werde bei der Abstimmung über die zehnte Novelle zum Abgeordnetengesetz, mit der die Altersentschädigung der Bundetagsabgeordneten neu geregelt wird, mit Nein stimmen. Wenn man die Zustimmung verweigert, tut man gut daran, um nicht mißverstanden zu werden, folgende Bemerkung vorauszuschicken: Meine Altersentschädigung würde durch die Neuregelung nicht nur nicht tangiert — ich hätte sowohl nach dem alten wie dem neuen Recht ganz ohne Übergangsregelung die Höchstpension erreicht. Ich spreche also nicht pro domo. Das macht es mir leichter, den Grund meines Nein hier vorzutragen. Ich zweifle ferner nicht an, daß der Deutsche Bundestag, wenn er sich schon zu einschneidenden Veränderungen in den zwei wichtigsten Alterssicherungssystemen entschließt, seine eigene Versorgung nicht draußen vor lassen kann. Das hätte ihn allerdings nicht daran gehindert, zu einer intelligenten Lösung zu finden, die nicht neue Probleme aufwirft, die ganz außerhalb des Versorgungssystems entstehen. Meine Ablehnung des Gesetzes ist bestimmt durch die im § 20 vorgesehene Streckung der erforderlichen Mitgliedschaftsdauer zur Erreichung der Höchstversorgung. 16 Jahre waren es bisher, 18 Jahre werden es künftig sein. Ich habe schon zu Beginn der Beratungen meine Bedenken gegen einen solchen Schritt angemeldet. Und ich habe in zahlreichen Gesprächen mit Mitgliedern aus allen Fraktionen dieses Hauses festge- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. November 1989 13227* stellt, daß diese Bedenken im Grunde von sehr vielen Kolleginnen und Kollegen geteilt werden. Aber wie das leider nur allzuoft der Fall ist: die Bedenken werden geteilt, aber dann zuckt man die Achseln und sagt, die Einwände seien zwar alle richtig, aber man könne leider nichts machen, weil eine Korrektur von der Öffentlichkeit prompt mißverstanden werden würde. Im Klartext wird die heutige Verlängerung der Frist zur Erreichung der Höchstversorgung dazu führen, daß ein MdB künftig nicht mehr volle vier Legislaturperioden dem Parlament angehören muß, sondern fünf. Daran dürften wir alle miteinander kein Interesse haben. Die Welt um uns herum ist in einem stürmischen Wandel begriffen. Es ist dem parlamentarischen System nur förderlich, wenn die Rotation in diesem Haus immer wieder für Blutauffrischung sorgt. Man muß das Prinzip nicht gleich auf die Spitze treiben, wie DIE GRÜNEN das tun bzw. getan haben, aber man sollte zumindest nicht neue Hemmnisse gegen einen personellen Wandel im Bundestag einbauen. Genau das aber geschieht mit dieser Neuregelung, und davor kann man nicht eindringlich genug warnen. Nun höre ich schon den Einwand — er wird meist mit gewölbter Brust und sonorer Stimme vorgetragen — kein Mitglied dieses Hauses würde etwa nur deshalb noch einmal um die Rückkehr in den Bundestag kämpfen, weil es die Höchstpension noch nicht erreicht habe. Da Politiker aber auch nur Menschen sind, klingen solche Beteuerungen hohl und gehen an der Sache vorbei. Tatsächlich wird diese Neuerung die Erneuerung und Verjüngung des Parlaments erheblich behindern, und ich frage mich, welches Interesse dieses Haus und welches Interesse das deutsche Volk daran haben kann, daß die alten Hasen, die Routiniers, die oft auch schon im harten Parlamentsalltag verschlissenen bzw. skeptisch oder gar zynisch gewordenen Politiker dazu verleitet werden, noch einmal anzutreten. Diese neue Bestimmung ist der Entwicklung unserres Gemeinwesens nicht förderlich. Ich sehe traurig ein weiteres Mal, daß sich der Deutsche Bundestag aus lauter Angst, sonst draußen mißverstanden zu werden, selbst ein Bein stellt. Und ich will daran nicht mitschuldig werden. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Stiegler, Amling, Bamberg, Büchler (Hof), Kastner, Kißlinger, Kolbow, Lambinus, Leidinger, Lutz, Müller (Schweinfurt), Nagel, Reuter, Dr. Schöfberger, Sieler (Amberg), Dr. SkarpelisSperk, Vahlberg, Dr. Wernitz, Wimmer (Neuötting) (alle SPD) zur Abstimmung über den Entwurf des Rentenreformgesetzes 1992 Wir haben dem Rentenreformgesetz 1992 in dritter Lesung nicht zugestimmt und uns dabei von folgenden Erwägungen leiten lassen: Das Rentenreformgesetz 1992 enthält viele positive Regelungen. Wir danken der Verhandlungskommission der SPD-Bundestagsfraktion dafür, daß es ihr gelungen ist, den Koalitionsparteien viele Verbesserungen abzuringen. Das gilt auch für die Hinausschiebung der Anhebung der Altersgrenzen. Die Tatsache, daß die Koalitionsfraktionen aber nicht bereit waren, auf die Anhebung der Altersgrenzen und damit die Verlängerung der Lebensarbeitszeit insgesamt zu verzichten, veranlaßt uns, dem Rentenreformgesetz insgesamt nicht zuzustimmen. Wir halten die Anhebung für arbeitsmarktpolitisch verfehlt, weil in Zeiten der andauernden Massenarbeitslosigkeit die allgemeine Lebensarbeitszeit verkürzt und nicht verlängert werden muß, um allen die Chance der Erwerbsarbeit zu geben. Wir meinen, daß die Anhebung der Lebensarbeitszeit auch angesichts des Zustroms vorwiegend jüngerer Aus- und Übersiedler und der damit verbundenen Wirkungen für den Altersaufbau unserer Gesellschaft auch nicht erforderlich ist. Wir sind der Überzeugung, daß die von uns angestrebte höhere Erwerbstätigkeit der Frauen ebenfalls dazu beiträgt, auf eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit verzichten zu können. Wir wollen, daß sich die Arbeitnehmer nach einem arbeitsreichen Leben außerhalb der Erwerbsarbeit selbst verwirklichen können. Die reichste Industrienation Europas kann das auch gewährleisten. Wir werden deshalb nicht ruhen, in der kommenden Legislaturperiode mit einer anderen Mehrheit die Verlängerung der Lebensarbeitszeit wieder zu streichen. Wir wissen uns dabei einig mit der gesamten sozialdemokratischen Fraktion. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Probst auf die Frage der Abgeordneten Frau Walz (FDP) (Drucksache 11/5528 Frage 6) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß zur Ausschöpfung der deutlich gestiegenen Möglichkeiten, Leukämie durch Knochenmarkübertragungen zu heilen, ein Register potentieller Knochenmarkspender erforderlich ist, da nur etwa 30 % der Patienten geeignete Spender in der eigenen Familie haben, und inwieweit ist sie bereit, sich an dem Aufbau eines solchen Registers zu beteiligen? Die Knochenmarktransplantation stellt eine zur Chemotherapie alternative, derzeit noch experimentelle Methode bei der Therapie von Leukämien dar. Fortschritte bei dieser Therapiemöglichkeit sind offenbar aber zu verzeichnen. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Knochenmarktransplantation und die Deutsche Gesellschaft für Bluttransfusionsmedizin und Immunhämatologie haben nunmehr ein länderübergreifendes Verbundprojekt mehrerer Kliniken initiiert, das die weiteren 13228* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 174. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. November 1989 Therapiemöglichkeiten mit der nicht-verwandten Knochenmarktransplantation wissenschaftlich überprüfen soll. Im Zuge dieses Forschungsvorhabens werden auch die Rahmenbedingungen für den Aufbau einer Spenderdatei untersucht. Das Vorhaben ist zwischenzeitlich vom zuständigen Expertenkreis bei der Deutschen Krebsgesellschaft, die sich derzeit um eine Finanzierung des Forschungsvorhabens durch geeignete Förderorganisationen bemüht, positiv begutachtet worden. Die Bundesregierung begrüßt dieses Vorhaben, das sicher einen wesentlichen Beitrag zur Beurteilung der Etablierung der Therapie und einer dazu notwendigen Spenderdatei liefern wird. Sie wird sich um die Umsetzung des Programms bei entsprechend positiven Ergebnissen im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemühen. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Pfeifer auf die Frage der Abgeordneten Frau Würfel (FDP) (Drucksache 11/5528 Frage 10) : Kann die Bundesregierung mitteilen, ob das Bundesgesundheitsamt ein Gutachten zu dem Antrag der Tabakindustrie auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für den schwedischen Mundtabak in portionierter Form erarbeitet und an das Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit weitergeleitet hat? Ja. Das Bundesgesundheitsamt hat auf Weisung des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu dem Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 37 in Verbindung mit § 48 LMBG für den Import und das Inverkehrbringen eines schwedischen Mundtabakerzeugnisses in Portionsbeuteln Stellung genommen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang von Geldern


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in der europäischen Agrarpolitik vor sechs, sieben Jahren eine Situation vorgefunden, die durch den drohenden Zusammenbruch der Marktordnungen mangels weiterer Finanzierbarkeit und durch einen massiven Druck auf die Erzeugerpreise durch die Marktverhältnisse in der Überschußsituation bei allen für uns wichtigen Marktprodukten gekennzeichnet war.
    Seit dem wissen wir, daß es zwei grundsätzliche Ansatzpunkte gibt, diese Situation zugunsten der Landwirtschaft, aber auch zugunsten einer weiteren Finanzierbarkeit der europäischen Agrarpolitik zu lösen. Es gibt nämlich einmal den Ansatz, Preisdruck auszuüben, dem sich die EG-Kommission über weite Strecken ganz ausdrücklich verschrieben hat. Man kann das im Getreidememorandum, aber auch schon im Grünbuch nachlesen. Es gibt den anderen Ansatz, den die Bundesregierung von Anfang an favorisiert und für den sie sich konsequent eingesetzt hat, nämlich die Rückführung der Produktion an der Quelle, die Reduzierung der Mengenproduktion.
    Wir haben dies bei der Neuordnung der Milchmarktregelungen, bei der Garantiemengenregelung Milch, erfolgreich durchgesetzt. Wir haben dies ferner bei der Rindfleischmarktordnung erfolgreich durchgesetzt. Wir haben heute nach, zugegeben, schwierigen Jahren eine Situation der Umstellung auf eine neue Lage, wo wir mit Befriedigung feststellen können, daß die landwirtschaftlichen Einkommen in den Bereichen des Futterbaus und der Veredelung — das sind die für uns wirtschaftlich wichtigsten Bereiche — deutliche, weit über die Vorherschätzungen hinausgehende Einkommenszuwächse aufweisen.
    Wir haben nach wie vor große Sorgen und Schwierigkeiten in dem Bereich, der heute zu Recht zur Diskussion gestellt ist: im Getreidebereich. Hier haben wir denselben Ansatz verfolgt, nämlich der Landwirtschaft eine Reduzierung der Mengenproduktion zu ermöglichen. Wir haben diesen Ansatz auf dem dann gescheiterten Gipfel in Kopenhagen vorgetragen, als die Kommission wiederum ausschließlich auf ihr Preisdruckkonzept gesetzt hat, unterstützt von einigen Mitgliedsländern.
    Wir haben ihn schließlich im Februar 1988 durchgesetzt, indem damals nicht nur die Preisdruckvorstellungen der Kommission schon durch die Erhöhung der Garantiemenge und durch die Umstellung der Konsequenzen aus einer Überschreitung der Garantiemenge vom ursprünglichen Konzept der Kommission auf das, was dann tatsächlich beschlossen wurde, massiv reduziert worden sind, sondern indem auch die mengenreduzierenden Elemente gleichwertig und gleichgewichtig von den zwölf Regierungschefs der Gemeinschaft einstimmig beschlossen worden sind.



    Parl. Staatssekretär Dr. von Geldern
    Wir haben heute zu beklagen — ich schließe mich den Klagen an, die sich auf die Ernteschätzung der Kommission bezogen haben —, daß die Kommission den einen Teil der Beschlüsse vom Februar 1988 ohne jede Sensibilität, ohne jede Rücksichtnahme auf die Einkommenssituation der Landwirtschaft exekutiert und sich dabei auch noch den Vorwurf gefallen lassen muß, daß sie von unsicheren Zahlen ausgeht.
    Meine Damen und Herren, wir haben Erfahrungswerte aus den letzten acht Jahren, wie sich die Ernteschätzungen zum endgültig festgestellten Ernteergebnis verhalten haben. Wir sehen über diese acht Jahre für den Zeitraum bis August eine durchschnittliche Abweichung von 4 % . Selbst im Dezember sehen wir noch eine durchschnittliche Abweichung von 0,7 %.
    Wenn dann bereits im Oktober — wie jetzt geschehen — eine Überschreitung der entscheidenden Marke von 160 Millionen t von nur 0,3 % durch die EG-Kommission festgestellt wird, dann heißt das, das bewegt sich voll im Rahmen der Fehlermarge. Das hat beim Interventionspreis eine Preissenkung von 3 % zu Lasten der landwirtschaftlichen Einkommen zu Folge.
    Das kritisieren wir, meine ich, miteinander zu Recht. Das ist eine Provokation für die Landwirte in der Europäischen Gemeinschaft, seitens der EG-Kommission.
    Der zweite wichtige Grund, weshalb ich nicht anstehe, für die Bundesregierung diese getroffene Entscheidung der EG-Kommission für kritikwürdig zu erklären ist, daß wir im Bereich der anderen Paketteile, die gleichwertig und gleichgewichtig im Februar 1988 auf den Weg gebracht worden sind, eindeutige Handlungs- und Umsetzungsdefizite sehen. Das kann man nicht für alle Punkte gleichermaßen sagen, aber es ist kritikwürdig, daß bis zur Stunde noch kein Vorschlag der EG-Kommission für eine vermehrte Nutzung nachwachsender, von der Landwirtschaft produzierter Rohstoffe im industriellen Bereich vorliegt; an diesem Vorschlag fehlt es bis heute. Das ist eineinhalb Jahre nach dem Beschluß der Regierungschefs vom Februar 1988 nicht zu verstehen.
    Weiterhin: Die Kommission hat zwar zur Mehrverfütterung von Getreide im Mischfutter einen Vorschlag vorgelegt, aber nach der Ablehnung dieses Vorschlags von einer großen Mehrheit im Agrarrat ist sie nicht in der Lage gewesen, einen neuen Vorschlag vorzulegen.
    Schließlich hat die Kommission nicht rechtzeitig darauf gedrängt, daß einmal durch ihren Eigenanteil bei der Finanzierung, aber auch durch entsprechende Ausgestaltung in den nationalen Parlamenten das Flächenstillegungsangebot so gestaltet wird, daß es EG-weit in gleicher Weise angenommen wird. Wir wissen, daß wir mehr als andere stillgelegt haben. Wir wissen auch — das ist für diese Aktuelle Stunde wichtig — , daß wir, wenn wir alle den gleichen Anteil erbracht hätten, über eine Getreideerntefeststellung, die über 160 Millionen t hinausgeht, heute nicht zu reden brauchten.
    Es ist wichtig, daß jetzt die Konsequenz aus dieser nicht zufriedenstellenden Situation gezogen wird und daß der Druck auch von seiten der Kommission auch
    mit rechtlichen Mitteln verstärkt wird. Wir müssen dahin kommen, daß Extensivierungsmaßnahmen und Maßnahmen der Flächenstillegung EG-weit in der gleiche Weise durchgeführt werden.
    Ich nenne noch die Produktionsaufgaberente, die wir ebenfalls bei uns eingeführt haben. Ich erwähne auch, daß wir bis heute natürlich noch kein Ergebnis der GATT-Verhandlungen haben können, daß der Auftrag, das Mandat an die Kommission eindeutig lautet, den Außenschutz für die Einfuhr von Getreidesubstituten zu verbessern. Aber wenn das nicht erfüllt ist, ist es um so kritikwürdiger und unsensibler, bei 160,5 Millionen t eine Exekution vorzunehmen, in dem Wissen, welche Wirkung das für den Interventionspreis — das heißt in der Überschußsituation immer gleichzeitig auch: für den tatsächlichen Marktpreis und für den Erzeugerpreis — hat.
    Welche Konsequenzen können und müssen wir aus dieser Erfahrung, die wir jetzt mit der Kommission gemacht haben, ziehen? Die erste habe ich schon angesprochen. Wir müssen allen politischen Druck darauf legen, daß die Defizite bei der Umsetzung des Pakets vom Februar 1988 abgebaut werden, d. h. daß alle Teile, von der Flächenstillegung bis zum GATT- Mandat, von der Extensivierung bis zur Erhöhung des Getreideanteils im Mischfutter und schließlich auch das Programm nachwachsende Rohstoffe, jetzt auf den Weg gebracht und EG-weit umgesetzt werden.
    Zweiter Punkt — dies haben wir in der Zeit seit dem 18. Oktober mehrfach, auch öffentlich, angekündigt; so werden wir verfahren — : Wir sehen in dieser Entscheidung der Kommission eine Belastung für die Preisrunde. Wir werden natürlich in den vor uns liegenden Verhandlungen auf diese Belastung zu sprechen kommen. Das ist bereits im Agrarrat verbal geschehen. Es wird aber auch in Form von konkreten vor uns liegenden Entscheidungen für die anstehenden Beschlüsse, soweit sie Auswirkungen auf den Getreidesektor haben, geschehen und geschehen müssen. Dies heute anzukündigen halte ich für notwendig, um der getreideanbauenden Landwirtschaft eine Perspektive zu geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Wimmer (Neuötting).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hermann Wimmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beim bisherigen Ablauf der Aktuellen Stunde ist gelegentlich der Eindruck entstanden, auch durch die Kritik aus den Reihen der Koalition und auch des Herrn Staatssekretärs an dem Verhalten des EG-Ministerrats, an dem Verhalten der Kommission, als wäre die Aktuelle Stunde von der Opposition beantragt worden. Nein, diese Aktuelle Stunde wurde von der Regierungskoalition beantragt. Sie können Ihr Fehlverhalten in der Agrarpolitik in den letzten Jahren auch durch diese Aktuelle Stunde nicht beschönigen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Frau Flinner [GRÜNE]: Sehr richtig!)

    Es wäre jetzt ein leichtes für die Opposition, Punkte zu sammeln, indem sie auch auf Kommission und Ministerrat losschlägt. Wir tun das nicht.



    Wimmer (Neuötting)

    Ich bin der festen Überzeugung, daß Bremsautomatiken für Preise und Mengen leider erforderlich sind, und zwar wegen der Versäumnisse der Agrarpolitik der letzten Jahre, wenn nicht der letzten Jahrzehnte. Woran es fehlt, ist nach meiner Auffassung die Einbindung dieser markt- und preispolitischen Maßnahmen in ein stimmiges Gesamtkonzept, das der Landwirtschaft einen klaren Weg in die Zukunft weist.

    (Eigen [CDU/CSU]: Da bin ich gespannt!)

    Heute ist angesprochen worden — auf diesen einen Punkt möchte ich nur mit einem Satz eingehen —, bei Milch habe sich eine Stabilisierung von Menge und Preis ergeben. Das mag richtig sein. Vergessen Sie aber nicht, wieviel tausend Landwirte aufgegeben haben!

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Ein Gesamtkonzept, in dem Markt- und Preispolitik, Strukturpolitik, Umweltpolitik und auch Agrarsozialpolitik aufeinander abgestimmt sind, als passende Bausteine eines Ganzen, gibt es für Sie nicht. Statt dessen bietet diese Koalition einen schlecht sortierten Krämerladen mit einer sehr schlechten Bilanz an.

    (Zuruf von der SPD: Sehr wahr! — Frau Flinner [GRÜNE]: Richtig!)

    Ein Beispiel: Nahezu zwei Jahre nach Verabschiedung des Stabilisationsgesetzes und -konzepts — das ist ein schwieriges Wort —

    (Zuruf von der SPD: Für Bayern!)

    sind die im Grundsatz beschlossenen vorübergehenden Einkommensbeihilfen immer noch nicht in Sicht. Im Gegenteil: Gestern hat die Bundesregierung in diesem Hause auf die Frage meines Kollegen Oostergetelo erstmals zugegeben, daß sie diese Hilfen bundesweit gar nicht einführen will.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Sie schieben den Schwarzen Peter den Ländern zu, die wiederum verweisen auf den Bund. Eine billige Übung! Mit der Sie sich nicht aus der Verantwortung herausstehlen können.

    (Beifall bei der SPD)

    Mit diesen vorübergehenden Einkommenshilfen sollen Anpassungen solcher bäuerlicher Betriebe unterstützt werden, die diese Anpassungen aus eigener Kraft nicht mehr vollziehen können; dies trifft auf eine wachsende Zahl von Betrieben zu.

    (Zuruf des Abg. Eigen [CDU/CSU])

    — Herr Eigen, sicherlich nicht auf Sie und nicht auf andere Kollegen im Hause, aber auf viele Landwirte wird das zutreffen.
    Es ist auch keine Hilfe, jetzt von einer Ausdehnung der benachteiligten Gebiete zu sprechen. Wenn Futterbaubetriebe eine Ausgleichszulage erhalten, so haben die Marktfruchtbaubetriebe ohne Grünland davon nichts. Zudem liegen diese in Schwierigkeiten gekommenen Marktfruchtbetriebe ganz überwiegend in nicht benachteiligten Gebieten. Für viele wird das Aus kommen, wenn die Bundesregierung aus ideologischer Verblendung mögliche Hilfe verweigert.

    (Koschnik [SPD]: Sehr wahr!)

    Statt dessen erheben Sie lieber ein Kriegsgeschrei gegen die Kommission und gegen Brüssel.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang einige Sätze zur Agrarsozialpolitik, die auch zu einem Gesamtkonzept der Agrarpolitik gehört und die auch dazu beitragen könnte, bedrängten Betrieben zu helfen, sagen. Auch hier haben Sie bewiesen, daß Sie völlig unfähig sind, mehrfach gefaßte Reformbeschlüsse zu verwirklichen. Selbst die kleinsten Schritte wie die Verwirklichung des vierten agrarsozialen Ergänzungsgesetzes werden nicht unternommen.
    Jetzt heißt es, wenigstens die inzwischen berühmten 300 Millionen DM aus dem Beitragsentlastungsgesetz sollten in die Altershilfe eingegliedert werden, wie das der Minister Kiechle im Ministerrat versprochen hat. Aber dieses „Reförmchen" unter Ausklammerung der Krankenkasse hat einen gewaltigen Haken: Sie wird dazu führen, daß mehr als 10 000 einkommensschwache landwirtschaftliche Familien nicht weniger, sondern mehr für ihre soziale Sicherung zahlen müssen. Bis zu 2 000 DM Zuschuß je Betrieb und Jahr nach dem Beitragsentlastungsgesetz fallen weg. Dieses Geld können die Familien nicht über eine Ermäßigung der Beiträge zur Alterskasse zurückerhalten, selbst wenn die Monatsbeiträge null DM betrügen.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Statt dessen wollen Sie mit diesen 300 Millionen DM auch die Beiträge für Großverdiener ermäßigen. Das ist ein sozialpolitischer Kopfstand.

    (Beifall bei der SPD)

    Auch hier, Herr Kollege Susset, spielen Sie den Schwarzen Peter, wenn Sie sich vornehm zurücklehnen und die Selbstverwaltung der landwirtschaftlichen Sozialversicherung bitten, es zu korrigieren. Die Selbstverwaltung kann keine Entlastung der kleineren Betriebe vornehmen. Hier ist eine tatkräftige Regierung gefragt.

    (Koschnick [SPD]: Sehr gut! — Zuruf von der CDU/CSU: Thema verfehlt!)

    Daher appelliere ich nochmals an die Bundesregierung: Führen Sie keine Schaukämpfe gegen die EG- Kommission, sondern kehren Sie vor Ihrem eigenen Hoftor, und bringen Sie damit endlich die notwendigen Maßnahmen auf den Weg.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Flinner [GRÜNE])