Rede von
Werner
Nagel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst meine Kollegin, die Kultursenatorin Dr. Martiny, entschuldigen, die heute hier gerne die Haltung des Landes Berlin vorgetragen hätte. Frau Martiny muß aber vor dem Berliner Parlament heute ihren Haushalt vertreten, so daß sich mir als Bausenator die willkommene Gelegenheit bietet, den Blick auf die Gesamtproblematik zu lenken, in die das große Projekt des Deutschen Historischen Museums eingebettet ist.
In diesem Jahr, meine Damen und Herren, werden mehr als 45 000 Aus- und Übersiedler nach Berlin kommen. Seit 1985 ist unsere Bevölkerung um 145 000 gewachsen. Vorgesorgt hat für diese Entwicklung niemand. Man hat sich mit falschen Prognosen beruhigt und Berlin zur stagnierenden Rentnerstadt erklären wollen. Deshalb haben wir heute nicht nur in Berlin vielleicht zuwenig Museen, sondern ganz aktuell zuwenig Wohnungen für Zehntausende von Wohnungssuchenden, die wir bei uns behalten wollen und, wenn Sie uns helfen, auch bei uns behalten können.
Berlin hat also zur Zeit wirklich auch andere Sorgen als die, die mit der Errichtung des Deutschen Historischen Museums verbunden sind.
In Berlin vollzieht sich — da zeigt sich die Verbindung — derzeit Geschichte live. Denn die Zuwanderung aus der DDR, aus Polen und aus anderen osteuropäischen Staaten ist ja durchaus ein ganz aktueller Teil unserer deutschen Nachkriegsgeschichte und mit ihr auch untrennbar verbunden.
Meine Damen und Herren, die menschenwürdige Unterbringung der Aus- und Übersiedler, ihre möglichst schnelle Integration in unser gesellschaftliches, kulturelles und politisches Leben darf doch durchaus als eine Aufgabe begriffen werden, die der auch von diesem Senat für richtig erachteten Errichtung des Deutschen Historischen Museums in nichts nachsteht.
In einer solchen Situation, meine Damen und Herren, muß nicht nur Berlin, sondern müssen auch Bund und Länder auf die politischen Prioritäten achten. Es darf nicht der Eindruck entstehen, daß die dringendsten Bedürfnisse der Bevölkerung hinter kulturellen Großprojekten zurücktreten müssen. Ein solcher Eindruck wäre auch kulturpolitisch fatal.
Wir müssen durch verstärkte Förderungsmaßnahmen sicherstellen, daß ein Denken in solchen politischen Alternativen überhaupt nicht nötig wird.