Rede von
Dr.
Jürgen
Rüttgers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Anfang Ihres Beitrages, liebe Frau Kollegin Wollny, war hochinteressant. Sie mußten zuerst einmal begründen, was diese Aktuelle Stunde überhaupt noch für einen Sinn hat. „Galileo" befindet sich bereits auf dem Weg zur Venus: ein Bilderbuchstart; keine Katastrophe. Folge: Diese Aktuelle Stunde ist form-, frist- und fruchtlos.
Es gibt ein schönes Zitat, das lautet: „Die Überbewertung bestimmter persönlicher oder ideenbehafteter Komplexe zwingt zum ständigen Kampf nach außen. " — So wird in der Psychologie eine krankhafte Erscheinung beschrieben. Ich muß dazusagen: Daran habe ich mich erinnert gefühlt, als ich einige Äußerungen der vergangenen Monate zu der Jupitersonde „Galileo" nachgelesen habe. Ich will nur einen Kollegen dieses Hauses zitieren, der eine „Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes" befürchtete und wahrhaftig gesagt hat, „die ganze Menschheit könne getötet werden". Er fuhr dann fort: „Mit ,Galileo' wird der Zivilisation ein Höllengift gebracht. "
Mit Verlaub gesagt, das war und das ist unverantwortliches Geschwätz.
Amerikanische Bundesrichter und auch große amerikanische Umweltschutzorganisationen haben sich mit dieser Frage befaßt und den Start der Raumsonde mit dieser Isotopenbatterie für vertretbar gehalten. Interessant ist, daß es der Weltraumausschuß der Vereinten Nationen, in dem viele Staaten der Verwendung von nuklearen Energiequellen in der Raumfahrt kritisch gegenüberstehen, für unstreitig hält, daß solche Systeme bei entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen für Planetenmissionen durchaus verantwortbar sind. Ich meine, wir im Deutschen Bundestag hätten allen Grund, uns dieser Einschätzung anzuschließen.
„Galileo" ist kein fliegender Kleinreaktor wie etwa der sowjetische Satellit „Kosmos 954", der 1978 abstürzte. Eine künstliche Kernreaktion mit gefährlichen Spaltprodukten findet bei „Galileo" nicht statt. Vielmehr wird die natürliche radioaktive Zerfallswärme des Plutoniumdioxids zur Energieerzeugung genutzt. Diese verwendete Technik — auch das ist unter Fachleuten unstreitig — ist fehlerfreundlich. Sie ist nicht auf ein perfektes Funktionieren von Mensch und Maschine ausgelegt. Das radioaktive Material ist in einer vierfachen Ummantelung eingeschlossen. Es wird keine Strahlung in die äußere Umgebung abgegeben. Selbst einen höchst unwahrscheinlichen, unvorhergesehenen Wiedereintritt in die Erdatmosphäre würde das Sicherungssystem überstehen. Die Erfahrungen mit zwei verunglückten Missionen haben dies bereits belegt.
Sogar eine Explosion ähnlich der Challenger-Katastrophe führt nicht zu einem Bersten des vorhandenen Mantels. Selbst wenn bei einem Aufprall auf hartes Gestein das Behältersystem aufbricht, gibt es eben auch keine Katastrophe, denn das verwendete Plutoniumdioxid löst sich weder in Luft noch in Wasser auf, und es verteilt sich auch sonst nicht in die Umgebung. Deshalb kann von der Gefahr einer großflächigen Verseuchung in diesem Fall überhaupt keine Rede sein.
Galileo und sein Energieversorgungssystem sind in den Vereinigten Staaten einer intensiven technischen, rechtlichen und politischen Überprüfung unterzogen worden, an der auch Experten außerhalb der NASA und der Ministerien beteiligt waren. Eventualitäten und Fehlerszenarien sind berücksichtigt. Die Systeme sind entsprechend ausgelegt. Sicherheitsvorkehrungen sind getroffen. Ich glaube, auch das muß man einmal sagen: Bei der NASA arbeiten keine Selbstmörder, denn niemand hat ein größeres Interesse an einer sicheren Mission als die Vereinigten Staaten und die NASA selbst.
Von daher ist diese Aktuelle Stunde in der Sache nicht begründet.