Rede von
Heike
Wilms-Kegel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuletzt haben wir uns vor anderthalb Jahren mit einer AMG-Novelle beschäftigt, die deswegen nötig wurde, weil das Bundesgesundheitsamt die ihm durch das Arzneimittelgesetz aufgegebenen Aufgaben nicht angemessen erledigen konnte. Auch bei der heute vorliegenden 4. AMG-Novelle ist der Bewältigung dieser Tatsache ein ganzer Abschnitt gewidmet. Insgesamt jedoch besteht der vorliegende Gesetzentwurf aus Versuchen, Lösungen für ein ganzes Sammelsurium von Problemen zu schaffen. Einiges davon ist durchaus ein Schritt in die richtige Richtung, anderes erscheint uns schlichtweg nicht durchführbar, und weiteres ist keinesfalls ausreichend.
Als ein Schritt in die richtige Richtung erscheinen uns im Augenblick die Regelungen, die sich mit Tierarzneimitteln befassen. Unzureichend erscheinen uns die Regelungen für den Import und Export von Arzneimitteln.
Für besonders ärgerlich halte ich es, daß bei dem Exportverbot für Arzneimittel, die in der Bundesrepublik nicht zugelassen sind, großzügige Ausnahmen gemacht werden können, wenn eine Genehmigung des Bestimmungslandes vorliegt. Dadurch können obsolete Arzneimittel und solche, die dem Standard der Industrienationen wegen der starken Nebenwirkungen keinesfalls mehr entsprechen, als Billigprodukte unverändert in Länder der Dritten Welt abgegeben werden.
Ärgerlich finde ich auch, daß in der 4. AMG-Novelle allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz weitere Hürden für Naturheilmittel eingebaut sind. Sie wissen sehr genau, daß etliche Regelungen der 4. AMG-Novelle von den Herstellern von Naturheilkundemitteln nicht erfüllt werden können — mit dem Ergebnis, daß diese Naturheilmittel den Verbrauchern nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Als Beispiel nenne ich hier nur die Einfügung der Nr. 5 a in Abs. 2 Satz 1 des § 25 des AMG.
Naturheilmittel, insbesondere aus Pflanzen gewonnene Arzneimittel, sind keine Monosubstanzen, sondern immer komplexe Gebilde, so daß es selbstverständlich nie gelingen kann, für jeden einzelnen arzneilich wirksamen Bestandteil eine ausreichende Begründung der Wirkung zu liefern. Heilpflanzen sind eben nicht ein chemisches Produkt mit einheitlicher Wirkung, sondern eine diffizile Zusammenstellung unterschiedlicher Substanzen, deren Einzel- und Gesamtwirkung sich nicht mit den üblicherweise angewandten Wissenschaftsmethoden überprüfen läßt. Eine fehlende Bemessungsgrundlage, letztlich auf einem Forschungsdefizit basierend, darf kein Grund sein, Zulassungen für Naturheilmittel zu versagen.
Aber auch die sonstigen Regelungen dieser Novelle, die sich auf Naturheilmittel beziehen, scheinen mir angesichts der derzeit erarbeiteten Negativliste des Bundesarbeitsministeriums schon überholt zu sein. Was nützt es einem Hersteller, wenn er seine Präparate laut AMG einer Monographie anpassen kann, das Präparat jedoch laut Negativliste schon vorher aus der Kassenerstattungspflicht herausgenommen wurde? Was nützt es dem Bundesgesundheitsamt, wenn seine Kommissionen endlich Grundlagen für die Beurteilung von Kombinationsarzneimitteln der besonderen Therapierichtungen entwickeln, während beim Bundesarbeitsministerium die Zahl der per Gesetz wirksamen Kombinationen ausgewürfelt wird? Welche Befugnis hat das Bundesgesundheitsamt überhaupt im Zusammenhang mit Arzneimitteln, wenn durch eine Verordnung des Bundesarbeitsministeriums unverrückbare Tatsachen geschaffen werden? Hier muß gefragt werden, bei wem die Zuständigkeit für die Arzneimittelkontrolle liegt, beim Bundesgesundheitsamt unter Aufsicht des Bundesgesundheitsministeriums oder beim Ministerium für Arbeit und Sozialordnung.
Vielleicht werden wir ja im Rahmen der Beratungen im Ausschuß einige dieser Fragen klären. Schließlich ist extra eine Anhörung dafür ins Auge gefaßt. Nach den gemachten Erfahrungen befürchte ich jedoch, daß die Mehrheit der Koalitionsfraktionen auch die sinnvollsten Vorschläge aus der Anhörung mit der Begründung verwerfen wird, daß diese Bundesregierung fehlerlos ist — das hören wir ja immer wieder —, obwohl Sie damit ein Wunder der Logik vollbringen, wenn die Regierung selbst durch zwei verschiedene Ressorts gegensätzliche Initiativen in derselben Problematik startet. Dabei fehlerlos zu bleiben ist sicherlich ein Wunder.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.