Rede von
Wolfgang
Lüder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP hat das Abkommen der Schengener Vertragsstaaten über den Abbau der Grenzkontrollen und damit die Freizügigkeit im Verkehr zwischen Frankreich, den Beneluxstaaten und der Bundesrepublik stets begrüßt und uneingeschränkt unterstützt. Für uns standen und stehen die Verbesserungen der grenzübergreifenden Freizügigkeit zwischen diesen europäischen Kernstaaten im Vordergrund unserer Betrachtungen. Wir haben jeden Abbau von Kontrollen an den Binnengrenzen Europas begrüßt. Wir haben dem Bundeskanzler zugestimmt, als er hierfür und für den Verkehr mit Österreich beim Vorzeigen der E-Plakette den Europäern freie Fahrt am Schlagbaum überholter Grenzen ermöglichte. Dies lag für uns auch in der guten Tradition, nachdem unsere liberalen Vorfahren im letzten Jahrhundert die damals bestehenden Grenzen europäischer Kleinstaaterei zu überwinden geholfen hatten.
Wir akzeptieren, daß heute ein Abbau von Grenzkontrollen von einer Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden begleitet wird. Der Grenzabbau darf nicht zu einem relevanten Sicherheitsdefizit führen. Aber so, wie wir uns daran gewöhnt haben, daß an unserer Landesgrenze vor Rolandseck kein Schlagbaum mehr die Reise nach Rheinland-Pfalz blockiert, so werden wir uns in Europa daran gewöhnen und zu gewöhnen haben, daß auch Europas Binnengrenzen frei von Schlagbäumen sind.
Wir haben auch die Grundüberlegung des Schengener Informationssystems akzeptiert. Darin unterscheiden wir uns von den GRÜNEN. Das Schengener Informationssystem ist notwendig. Dabei ist es für uns selbstverständlich, daß die Bundesregierung, wie sie auch stets bekundet hat und wie Herr Staatsminister Stavenhagen gestern im Ausschuß wiederholt hat, nach Standort, Nutzung und Kontrolle dieses System darauf achtet, daß unser Datenschutzstandard gewahrt ist. Dies ist unverzichtbare Grundlage unserer Zustimmung zu dem später notwendigen Ratifizierungsgesetz.
Der Antrag der Sozialdemokraten reiht in nahezu perfektionistischer Art das auf, was deutsches Datenschutzverständnis an Anforderungen für das Schengener Informationssystem wünschenswert erscheinen läßt. Hier werden Meßlatten an den Datenschutz angelegt, die im wesentlichen den gesicherten Erkenntnissen auch der Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes entsprechen.
Wir stimmen der Überweisung in den Ausschuß zu. Die Einzelberatung im Ausschuß wird der Bundesregierung Gelegenheit geben, darzulegen, daß und wie sie diesen Meßlatten gerecht wird.
Dabei will ich schon jetzt sagen, daß unser liberaler datenschutzrechtlicher Maßstab die gleiche Dimension hat wie der, der hier von den Sozialdemokraten angelegt ist.
Das muß nicht jeden einzelnen Meßpunkt betreffen. Wir erwarten aber, daß sich die Bundesregierung bei den Vereinbarungen, die sie mit den Vertragsstaaten für das Informationssystem trifft, in dem Rahmen hält und an den Anforderungen orientiert, die hier sichtbar werden. So kann und sollte es erreichbar sein, daß wir bei den weiteren Beratungen zum Schengener Informationssystem gemeinsam die Einhaltung eines guten Datenschutzstandards feststellen, wobei dann vielleicht auch noch die Fraktion der GRÜNEN sehen wird, daß sie sich unnötig Sorgen gemacht hat.
In diesem Sinne folge ich der Anregung des Kollegen Blens, daß wir im Ausschuß darauf hinwirken sollten, daß das, was vereinbart werden wird, unserem Standard nachkommt und unseren Standard anerkennt und akzeptiert. Wenn das so ist, dann können wir alle miteinander dem Schengener Informationssystem und dem entsprechenden Vertragssystem unsere Zustimmung geben.
Auf eines jedoch möchte ich mit aller Deutlichkeit hinweisen: Die Diskussion um das Schengener Informationssystem darf niemandem als Vorwand dienen, den Abbau von Grenzkontrollen zurückzustellen. Der Abbau der Grenzkontrollen hat Vorrang. Wir Freien Demokraten könnten kein Verständnis dafür haben, daß erst der internationale Kontrollperfektionismus etabliert werden muß, bevor die freie Fahrt für freie Bürger Europas über die veralteten Grenzen hinweg möglich wird.
Wenn die Bundesregierung den Abbau der Grenzkontrollen bis zur Schaffung des Informationssystems nur schrittweise vornehmen will, wie es gestern Herr Stavenhagen im Ausschuß erklärt hat, so kann sie dann und nur dann mit unserer Zustimmung dazu rechnen, wenn die Schritte zur europäischen Freizügigkeit groß sind.
Meine Damen und Herren, in der Nähe von Schengen liegt der luxemburgische Grenzort Echternach. Europäische Freizügigkeit darf nicht in eine Echternacher Springprozession ausarten. Drei Schritte vor, zwei zurück — dieses Tempo ist zu langsam für Europa. Wir hoffen, daß die Bundesregierung Schengen Vorrang vor Echternach gibt.