Rede von
Hermann
Rappe
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe ein bißchen die Sorge, daß der Kern der Angelegenheit nach dieser von den Koalitionsparteien inszenierten Wahlveranstaltung verlorengeht, denn bis auf die Sehstörungen von Graf Lambsdorff war das natürlich alles Wahlkampf geklingel. Man wird sehen, was Sie davon am Sonntag in die Scheune fahren.
Aber wir wollen zum Kern kommen. Für uns, Herr Bundeswirtschaftsminister, möchte ich noch einmal auf die Frage kommen, die Sie soeben selber skizziert haben. Ich habe den Auszug aus Ihrer Rede in Karlsruhe beim 77. Landesparteitag vorliegen. Der ganze Inhalt spricht dafür, daß das, was Sie in dem entscheidenden Satz gesagt haben, nicht so nebenbei herausgerutscht ist, sondern das Sie das überlegt und mit voller Absicht festgehalten haben.
Ich will vorweg sagen, Herr Haussmann: Es geht nicht um die Frage, ob sich Politiker überhaupt zu Tariffragen äußern sollen; das haben vor Ihnen auch andere Bundeswirtschaftsminister gemacht. Oftmals empfand ich — oder mehrere von uns in den Tarifvertragsparteien — das wenig hilfreich, egal von wem es kam. Ich halte Ihre Äußerung, nachdem wir Tarif ver-träge mit dreijähriger Laufzeit haben und wissen, was im nächsten Jahr von uns gemeistert werden muß, für — ich will mich gelinde ausdrücken — Öl-ins-FeuerSchütten.
Das sage ich, weil ich ahne, welche klugen Bemerkungen kommen, wenn es 1990 so weit ist.
Aber nun zu dem entscheidenden Satz, der lautet: „Und deshalb können nicht Funktionäre der Arbeitgeber und der Gewerkschaften diese Frage im nächsten Jahr allein entscheiden."
Wir möchten wissen, was das „nicht allein entscheiden" bedeutet. Es geht nicht um Propagandageklingel, nicht um Leitartikel, um Reden, um Wahlkampfgetöse, nein, es geht um diesen Kernsatz, den der Bundeswirtschaftsminister in diese Worte kleidet.
Ich möchte dazu eine zweite Bemerkung machen. Der Bundesarbeitsminister hat hier eine längere Rede gehalten. Herr Bundesarbeitsminister, Sie haben diesen Punkt, um den es seit Tagen geht, mit keinem Wort erwähnt, und Sie haben sich auch nicht distanziert.
Nach mir wird der Kollege Scharrenbroich sprechen. Es wäre schön, wenn er sich nicht nur in CDA-Veranstaltungen, sondern auch hier distanzierte,
damit wir klar haben, ob die Regierung insgesamt der Auffassung ist, die der Bundeswirtschaftsminister in die Worte gekleidet hat, „nicht allein" dürften oder sollten die Tarifparteien das machen.
Ich will in aller Klarheit und Ruhe, aber unmißverständlich sagen: Ich bin davon überzeugt, daß Sie die Arbeitszeitverkürzungsdebatte als Vehikel benutzen. Ich bin davon überzeugt: Wenn die Gewerkschaften reine Geldforderungen stellten, dann hätten Sie, da Sie im System anderer Meinung sind, die gleiche Entwicklung aufgezeigt, den gleichen Hinweis auf die Tarifautonomie gegeben; denn andere vor Ihnen haben das ja auch schon in bezug auf Geld gemacht. Das ist nichts Neues.
Ich will also ganz deutlich festhalten, daß es aus unserer Sicht hier natürlich um eine prinzipiell sehr politische Frage geht. Es geht um eine Verletzung der Verfassung und eine mutwillige Zerstörung der grundsätzlich konsensorientierten Tarifpolitik der Tarifvertragsparteien, der Sozialpartner in diesem Lande. Dies muß beide Seiten treffen. Sie haben ja auch beide Seiten bezüglich der Berechtigung zum freien Spiel bei den Tarifverträgen und der Arbeit der Tarifvertragsparteien angesprochen. Es gehört aber zu den Grundbedingungen der sozialen Marktwirtschaft, dies nicht anzuknabbern. Wenn Sie das nicht zurücknehmen, dann, so denke ich, werden Sie die Frage beantworten, was das „nicht allein machen dürfen" heißt.
Lassen Sie mich jetzt noch ein paar Minuten der Frage des Vehikels für Ihre politische Position, Arbeitszeitverkürzung, zuwenden.
— Ich möchte nicht; denn die zehn Minuten sind gleich rum.
— Das ist auch für mich bedauerlich. Man könnte fragen, ob die Zeit angehängt wird.