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    Plenarprotokoll 11/157 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 157. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung) : a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/5000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1989 bis 1993 (Drucksache 11/5001) Dr. Penner SPD 11835 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 11841 C Frau Trenz GRÜNE 11844 C Frau Seiler-Albring FDP 11845 D Dr. Schäuble, Bundesminister BMI 11847 D Wüppesahl fraktionslos 11852 B Deres CDU/CSU 11854 A Häfner GRÜNE 11855 C Funke FDP 11857 B Engelhard, Bundesminister BMJ 11858 A Roth SPD 11859 C Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 11865 A Kleinert (Marburg) GRÜNE 11868 D Wissmann CDU/CSU 11871 D Dr. Jens SPD 11874 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 11877 B Rossmanith CDU/CSU 11880 A Hinsken CDU/CSU 11882 B Schäfer (Offenburg) SPD 11883 D Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 11888 C Dr. Knabe GRÜNE 11890 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 11892 D, 11962 D Lennartz SPD 11895 A Dr. Laufs CDU/CSU 11897D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 11899A Vosen SPD 11904 B Schmidbauer CDU/CSU 11905 D Frau Bulmahn SPD 11908 A Austermann CDU/CSU 11910 C Frau Rust GRÜNE 11913 A Zywietz FDP 11914 B, 11930 C Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 11917 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 11920 D Dr. Hoffacker CDU/CSU 11925 B Frau Walz FDP 11927 C Frau Schoppe GRÜNE 11928 D Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 11932 B Dreßler SPD 11935 B Strube CDU/CSU 11942 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 11944 B Günther CDU/CSU 11946 B Dr. Thomae FDP 11949 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 11950 C Roth (Gießen) CDU/CSU 11954 B Dr. Struck SPD 11956 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Frau Rust GRÜNE 11964 A Dr. Waigel, Bundesminister BMF 11964 C Nächste Sitzung 11970 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11971* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11971* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 11835 157. Sitzung Bonn, den 6. September 1989 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 07. 09. 89 * Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Büchner (Speyer) SPD 07. 09. 89 * Eich GRÜNE 07. 09. 89 Frau Eid GRÜNE 07. 09. 89 ** Frau Fischer CDU/CSU 07. 09. 89 ** Frau Geiger CDU/CSU 07. 09. 89 ** Genscher FDP 07. 09. 89 Heimann SPD 07. 09. 89 Dr. Holtz SPD 07. 09. 89 ** Frau Hürland-Büning CDU/CSU 07. 09. 89 Klein (Dieburg) SPD 07. 09. 89 Dr. Klejdzinski SPD 07. 09. 89 ** Dr. Kreile CDU/CSU 07. 09. 89 Kretkowski SPD 07. 09. 89 Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 07. 09. 89 Frau Luuk SPD 07. 09. 89 ** Lüder FDP 07. 09. 89 Magin CDU/CSU 07. 09. 89 Marschewski CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Müller CDU/CSU 07. 09. 89 * Niggemeier SPD 07. 09. 89 Dr. Nöbel SPD 07. 09. 89 Frau Pack CDU/CSU 06. 09. 89 Regenspurger CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Scheer SPD 07. 09. 89 Frau Schilling GRÜNE 07. 09. 89 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 07. 09. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Sielaff SPD 06.09.89 Dr. Stercken CDU/CSU 07. 09. 89 ** Tietjen SPD 07.09.89 Vahlberg SPD 07.09.89 Westphal SPD 07. 09.89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 07. 09. 89 ** Dr. Wulff CDU/CSU 07. 09. 89 ** Zierer CDU/CSU 07. 09. 89 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 30. Juni 1989 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Gesetz über die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank (DSL Bank-Gesetz - DSLBG) Drittes Gesetz zur Änderung des Milchgesetzes Gesetz zur Einführung eines Dienstleistungsabends Anlagen zum Stenographischen Bericht Gesetz über die achtzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und zur Änderung von Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe (KOV-Anpassungsgesetz 1989 - KOVAnpG 1989) Gesetz zur Änderung von Vorschriften der See-Unfallversicherung in der Reichsversicherungsordnung Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1989 (Nachtragshaushaltsgesetz 1989) Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes Gesetz zur Errichtung neuer Freihäfen und zur Änderung des Zollgesetzes Sechstes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes Gesetz über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten (Rettungsassistentengesetz - RettAssG) Zwölftes Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften Achtes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Aussiedler und Übersiedler Gesetz zur Änderung des Bundespersonalvertretungsgesetzes Gesetz zur Änderung des Raumordnungsgesetzes ... Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften Gesetz zur Aussetzung der Verlängerung des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes Sechstes Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes Gesetz zu dem Protokoll vom 14. November 1988 über den Beitritt der Portugiesischen Republik und des Königreichs Spanien zur Westeuropäischen Union Gesetz zur Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft (LaFG) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf eine Ergänzung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Baugesetzbuch mit dem Ziel hinzuwirken, daß durch Festlegung konkreter Grenzwerte für Tierbestände die Privilegierung beim Bauen im Außenbereich eingeschränkt wird. Diese Ergänzung würde das vorrangige Anliegen des Gesetzes, das Entstehen neuer Tiergroßbestände zu erschweren, wesentlich unterstützen. Der vorgeschlagene Ausschluß der übergroßen Tierbestände von der Privilegierung des Bauens im Außenbereich stellt ein hochwirksames Instrument zur Erschwerung industrieller Tiermast dar. Die hiergegen erhobenen Bedenken sind einmal deshalb unbegründet, weil die Berücksichtigung agrarpolitischer Zielvorstellungen im Bauplanungsrecht nicht als sachfremd und damit nicht als Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 GG) angesehen werden kann. Zum anderen stellt die genannte Regelung lediglich eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentumsbegriffs (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) durch den Gesetzgeber dar. Die Planungshoheit der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 GG) wird nicht eingeschränkt. Eine Ergänzung der Baunutzungsverordnung wäre keine Ersatzlösung. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 23. Juni 1989 ihren Antrag Einstellung aller Atomwaffenversuche - Drucksache 11/2204 - zurückgezogen. 11972* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 8. August 1989 ihren Antrag Menschenrechte in Kolumbien — Drucksache 11/2404 — zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/2133 Drucksache 11/3316 Drucksache 11/4456 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/5910 Drucksache 11/583 Drucksache 11/1531 Drucksache 11/2362 Drucksache 11/3017 Drucksache 11/3644 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/2953 Ausschuß für Jugend, Famille, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/596 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 11/4019 Nr. 2.2, 2.3 Drucksache 11/4081 Nr. 2.4 Drucksache 11/4337 Nr. 3 Drucksache 11/4451 Nr. 2.3 Drucksache 11/4534 Nr. 2.2 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/4161 Nr. 2.11-2.17 Drucksache 11/4238 Nr. 2.4-2.8, 2.10, 2.11 Drucksache 11/4337 Nr. 8, 9, 11-21 Drucksache 11/4405 Nr. 3.5 Drucksache 11/4451 Nr. 2.7-2.14 Drucksache 11/4534 Nr. 2.8-2.16 Ausschuß für Jugend, Famille, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/4337 Nr. 22, 23 Drucksache 11/5051 Nr. 41 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/4161 Nr. 2.20 Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 22. August 1989 gemäß § 30 Absatz 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan nebst Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Bundesminister für Verkehr hat den Wirtschaftsplan 1989 und den Stellenplan zum Wirtschaftsplan 1989 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen genehmigt. Der Bundesminister für Post und Telekommunikation hat mit Schreiben vom 9. August 1989 gemäß § 31 der Posthaushaltsordnung den Nachtrag zum Haushaltsplan der Deutschen Bundespost für das Haushaltsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Beide Unterlagen liegen im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Verehrte Frau Kollegin, sicherlich: Wir wollen uns eines jeden dieser Probleme annehmen. Ich darf nur darauf hinweisen, daß diese Frau mit zehn Kindern dank unserer Politik allein 280 DM als Kindererziehungsleistung bekommt, das sie in der Rentenversicherung vorher nicht hatte. Insofern bin ich Ihnen dankbar für die Frage.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Die ist 58 Jahre alt! Die kriegt gar nichts!)

    — Sie erhält im Rentenalter zehmal Kindererziehungszeiten angerechnet. Das sind im Monat 280 DM mehr, als sie zu Zeiten der sozialliberalen Regierung erhalten hätte.
    Es sind im übrigen genau 6,2 Millionen Mütter, die bis 1990 Kindererziehungszeiten angerechnet bekommen. Das wird uns dann insgesamt 10 Milliarden DM gekostet haben. Das ist kein Randproblem. Wir
    haben gerade hier neue Schwerpunkte und Hilfen geschaffen, die auch dieser Mitbürgerin helfen.
    Ich vertrete in der Tat den Umbau der Rentenversicherung in Richtung Familie. Wer Kinder erzieht, leistet doch auch einen Beitrag zur Sicherung des Generationenvertrags.
    Zur Krankenversicherung: Welche Arroganz — so muß ich schon sagen —, verehrte Frau Kollegin, liegt darin, daß Sie unsere Krankenversicherungsreform in Sachen Pflege als „Trostpflästerchen" bezeichnen! Lassen Sie sich das noch einmal auf der Zunge zergehen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Ich gebe Ihnen noch einen Brief!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Bundesminister, es wäre im Interesse des ganzen Hauses, wenn Sie die Sprechstunde nach der Diskussion abhielten.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich kann die Dynamik von Frau Unruh nicht kanalisieren. Insofern, Herr Präsident, bitte ich um Ihre Mithilfe.
    Gerade bei der Krankenversicherungsreform ging es uns darum, Verschwendung und Überversorgung abzubauen, um den Pflegebedürftigen zu helfen, Sie reden bei 5 Milliarden DM von einem „Trostpflästerchen". Wissen Sie eigentlich, wieviel das ist? Die ganze Sozialhilfe hat für ambulante und stationäre Pflege in 1988 6,3 Milliarden DM ausgegeben. Wir geben jetzt in der Krankenversicherung allein für die ambulante Pflege 5 Milliarden DM aus. Wissen Sie, wieviel das mehr ist als zur Zeit der Sozialdemokraten? Wissen Sie, wie groß der Unterschied zwischen damals und heute ist? — Das sind genau 5 Milliarden DM. Die Sozialdemokraten haben nämlich zu diesem Thema außer Parteiprogrammen und Papieren nichts geliefert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was kann eine Mutter, die ihr Kind pflegt, mit sozialdemokratischen Parteiprogrammen anfangen? Wir aber geben 5 Milliarden DM dafür aus.
    Sie können ja sagen — Sie können mit mir darüber reden — , daß es noch nicht genügt. Aber, meine Damen und Herren, das ist der Beitrag der Krankenversicherung. Wenn alle, die Verantwortung haben — Kommunen und Länder; ich kenne viele sozialdemokratisch geführte Länder — , ihren Beitrag leisten, sind wir in Sachen Pflege ein großes Stück vorwärts gekommen.
    Noch einmal zum Sozialstaat. Wir haben einen Sozialstaat mit imposantem Umfang. Denjenigen, die von „Kahlschlag" sprechen, möchte ich noch einmal sagen: 680 Milliarden DM geben wir in diesem Jahr im Sozialstaat Bundesrepublik Deutschland für Sozialleistungen aus. Das sind knapp 30 % bzw. 155 Milliarden DM mehr als 1982. Wir haben nicht abgebaut, wir haben, wie ich zugestehe, die Dynamik abgebremst, weil sie uns sonst wie eine Lawine überschwemmt hätte.
    Wenn 155 Milliarden DM mehr ausgegeben werden, kann man doch nicht von einem Abbau sprechen. Das ist gerade so, als wenn jemandem, der beim Autofahren die Geschwindigkeit von 100 Stundenkilome-



    Bundesminister Dr. Blüm
    ter auf 80 Stundenkilometer zurücknimmt, gesagt würde, nun fahre er im Rückwärtsgang. Nein, er fährt langsamer — das ist richtig —, aber ein Rückwärtsgang ist es nicht.
    Sie reden von Kahlschlag: Ist es Kahlschlag, wenn wir 155 Milliarden DM mehr für den Sozialstaat ausgeben als 1982 und damit eine Gesamtsumme, was die sozialen Leistungen angeht, die 21/3 mal so groß ist wie das Volumen des gesamten Bundeshaushalts? Pro Kopf der Bevölkerung sind die Sozialleistungen — zum Mitschreiben — von 8 524 DM 1982 auf 11 000 DM 1989 gestiegen. Wissen Sie, gegen Zahlen kommt man nicht an. Kahlschlag ist es nicht, wenn wir unsere Anstrengungen verstärkt haben.
    Da sagt der Kollege Dreßler — ich habe mitgeschrieben — : Der Aufschwung ist am Arbeitsmarkt weitgehend vorbeigegangen. Meine Damen und Herren, auch hier können Sie sagen: Wir wollen noch mehr. Aber immerhin haben wir 1,4 Millionen Arbeitsplätze mehr.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das ist fast die gleiche Zahl, die die Sozialdemokraten in den letzten Jahren ihrer Regierungszeit verloren haben. Nur, der Unterschied ist: Die haben Arbeitsplätze verloren, etwas weniger als 1 Million, und wir haben mehr als 1 Million neue geschaffen. Der Unterschied ist: Das sind rote Zahlen, wir haben schwarze Zahlen.

    (Kolb [CDU/CSU]: Die neigen mehr zu Rot!)

    Jeder kann sich merken: Rot ist in der Politik schlecht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zu den Erwerbstätigen: 27 720 000 Erwerbstätige — das ist die höchste Beschäftigtenzahl, seitdem bei uns überhaupt Statistik geführt wird. Und wenn Herr Dreßler gesagt hat, es sei Manipulation, daß wir nun die Erwerbstätigen zählen, so sage ich: Erstens folgen wir damit einer internationalen Praxis. Zweitens liegt die alte Rechnung immer noch vor; die wird parallel vorgelegt, da wird überhaupt nichts verheimlicht. Drittens folgen wir einer Anregung des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt, der diese Forderung bereits 1982 im Kabinett vorgelegt hat. Sie können sich da bei Ihren damaligen Ministerkollegen sicherlich vergewissern. Es ist eine Anregung von Helmut Schmidt gewesen, hier einer internationalen Praxis zu folgen.

    (Dr. Thomae [FDP]: Der gilt ja nichts mehr!)

    Übrigens: 65 % der neuen Arbeitsplätze waren Arbeitsplätze für Frauen.
    Seit Beginn dieses Jahres hat die Bundesanstalt für Arbeit knapp eineinhalb Millionen Vermittlungen vorgenommen. Eineinhalb Millionen Mitbürger haben durch die Bundesanstalt für Arbeit einen Arbeitsplatz erhalten. Das ist die größte Zahl an Vermittlungen seit 1977.
    1,5 Millionen offene Stellen seit Januar — das ist die höchste Zahl an offenen Stellen seit 1977.
    Im Juli hatten wir 178 000 unbesetzte Lehrstellen und nur 96 000 unvermittelte Bewerber. Wenn einer fragt „Wo ist die Wende?'', dann ist meine Antwort: Die Wende besteht darin, daß Sie und wir vor einigen Jahren den Überhang von Bewerbern unter dem Stichwort „Lehrstellenkatastrophe" beklagt haben, daß wir aber heute wieder mehr Lehrstellen als Bewerber haben. Ist das Fortschritt?! Kann man dann den Satz sagen: Der Aufschwung ist am Arbeitsmarkt vorbeigegangen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Jugendarbeitslosigkeit: Unter den Arbeitslosen in Europa stellen die Jugendlichen unter 25 Jahren einen hohen Prozentsatz dar. In Italien sind 53 % der Arbeitslosen unter 25 Jahren; Portugal: 43 %; Spanien: 41 %; Luxemburg: 34 %; Irland: 33 %; Niederlande: 36 %. Wissen Sie, wieviel es bei uns sind? —15,9 %. Wir sind mit großem Abstand das Land mit der geringsten Jugendarbeitslosigkeit, mit dem geringsten Anteil jugendlicher Arbeitsloser.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: In den Niederlanden bekommen die aber ein Einkommen und hier nicht! Hier liegen sie den Eltern auf der Tasche!)

    Natürlich, meine Damen und Herren, ich stehe wieder nicht vor Ihnen und sage: Wir sind am Ziel. Ich denke, daß wir uns gerade den Langzeitarbeitslosen zuwenden müssen, und zwar nicht mit Worten. Wir machen es mit 1,7 Milliarden DM für ein Programm zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit.

    (Zuruf der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    — Liebe Frau Unruh, ich halte mich an Fakten. Ich trage heute abend überhaupt keine Ideologie vor. Ich trage die realen Veränderungen vor:

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Schaffen Sie die Unterhaltsverpflichtung ab!)

    Die Realeinkommen der Arbeitnehmer sind zu Beginn der 80er Jahre gesunken, ab 1985 steigen sie. Zwischen 1985 und 1989 haben sie um 7,5 % zugenommen. Wenn man noch Steuerreform und die Ergebnisse der Krankenversicherungsreform hinzufügt, wird es 1990 reale Einkommensverbesserungen um 10,5 % geben, ohne jede Umverteilung. Das bedeutet, meine Damen und Herren, daß ein Durchschnittsverdiener im nächsten Jahr 2 100 DM mehr hat als 1985 — real! Davon reden Sie nichts ab. Allein von diesem Überschuß kann er sich mehr als 100 Brillen zu 20 DM kaufen. Damit kann er 140 Massagen — die in der Gesundheitsreform eingeschränkt wurden —,

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Kurschatten!)

    damit kann er 200 Videokassetten, damit kann er 10 Schweinehälften nur von der Erhöhung des Realeinkommens bezahlen.
    Also, meine Damen und Herren, lassen Sie die Kirche im Dorf! Hören Sie mit der Darstellung auf, als seien wir in einem Sozialstaat des Massenelends!

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Ein Drittel sind es!)

    Die Arbeitnehmer werden sich an den Realitäten
    orientieren. Und wenn sie sich an den Realitäten



    Bundesminister Dr. Blüm
    orientieren, wissen sie, daß wir ihre Lage verbessert haben.

    (Beifall hei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Ganz kurz zur Krankenversicherungsreform. Erinnern Sie sich doch bitte — es wird vielleicht manchem Sozialdemokraten peinlich sein — an die Plakate im Dezember des vorigen Jahres — es ist noch keine zehn Monate her — , Plakate der SPD: „Ab 1. Januar 1989 dürfen Sie nicht mehr krank werden."

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das haben auch die Ärzteverbände verbreitet!)

    — Den ersten Preis in der Verunsicherungskampagne
    — hart bedrängt von den Lobbyisten — würde ich der Sozialdemokratischen Partei zuerkennen.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Jawohl!)

    „Ab 1. Januar 1989 dürfen Sie nicht mehr krank werden." Jetzt frage ich Millionen von Mitbürgern: Wenn Sie zum Arzt gehen, hat sich irgend etwas verändert? Er wird behandelt wie bisher. Ich frage alle Mitbürger: Stimmt diese Angst- und Verleumdungspropaganda? Die Kuren im Bereich der Rentenversicherung sind von 490 000 im ersten Halbjahr 1988 auf 440 000 im ersten Halbjahr 1989 zurückgegangen. Es sind 50 000 weniger Kuren bei der Rentenversicherung, obwohl die Rentenversicherung gar nicht geändert wurde. Das, Herr Dreßler, ist das Ergebnis Ihrer Angstkampagne. Sie haben den Leuten so Angst gemacht, daß sie nicht einmal mehr ihre Ansprüche wahrgenommen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es hat sich in der Rentenversicherung überhaupt nichts geändert. 50 000 Mitbürger haben ihre Kur nicht in Anspruch genommen, obwohl überhaupt nichts passiert ist. Sie sind auf den Leim der SPD gegangen. Wer der SPD glaubt, der ist schlecht beraten, wie sich an dieser Stelle zeigt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD)

    Ich höre: „Abkassieren". Wenn wir die Beitragserhöhungen um jährlich 3-4 Milliarden DM gestoppt haben, dann haben wir das Abkassieren gestoppt. Hätten wir keine Reform gemacht, so wären die Beitragserhöhungen stärker als jede Zuzahlung gewesen. Insofern: Wir schützen doch den Versicherten und den Patienten. Das sind doch nicht zwei Personengruppen, die gegenseitig austauschbar wären.
    Herr Thomae, Horst Günther und andere haben vom Festbetrag gesprochen. Das ist, wie ich glaube, der größte Hit der Saison.

    (Dr. Thomae [FDP]: Exportschlager!)

    Wann je hat ein politisches Instrument jene Preisstürze ausgelöst, wann je sind die großen Pharmakonzerne so in Trab gesetzt worden, wie es die Gesundheitsreform bewirkt hat? 30 % Preissenkung, 50 Preissenkung bei Arzneimitteln!

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Und die Naturheilmittel?)

    Die 3 DM Zuzahlung fallen weg. Da sparen die Patienten allein 140 Millionen DM Zuzahlung, und die
    Beitragszahler — das sind wieder dieselben —280 Millionen DM. Das sind, zusammengezählt, 420 Millionen DM.
    Hörgeräte: Die Hörgerätepreise wurden über Nacht um 22 % niedriger. Und der größte Hersteller hat zum Dank dafür die Garantiezeit von einem Jahr auf zwei Jahre erhöht, was beweist, daß das nicht auf Kosten der Qualität gegangen ist.
    Das sind doch Fakten. Ja, die Marktwirtschaft funktioniert. Denn endlich haben die Krankenversicherungen einmal von ihrer Nachfragemacht Gebrauch machen können und nicht jeden Preis gezahlt. Endlich einmal gibt es Wettbewerb.
    Also, Herr Dreßler, wenn es Ihnen in Ihrer Fraktion schadet, will ich gern auf den Dank an Sie verzichten. Ich dachte, es sei ein Gebot der Fairneß, daß wir unseren gemeinsamen Erfolg — das halte ich nämlich nicht für selbstverständlich —, diese Reform gemeinsam zustande zu bringen, öffentlich darstellen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Das ist doch gar keine! — Frau Matthäus-Maier [SPD]: Das sind Mätzchen!)

    — Das sind keine Mätzchen. Ich wollte unsere gemeinsame Anstrengung darstellen.
    Jetzt zur Rentenversicherung. Auch da zur „Kahlschlagpolitik" . Wenn wir Reformen, die gerade hier attackiert wurden, nicht gemacht hätten, wäre die Rentenversicherung zahlungsunfähig geworden. Ihre große Leistung war doch gewesen, den Wagen auf die abschüssige Ebene zu bringen. Wir haben doch einen Rettungsversuch gemacht. Im übrigen sage ich: Das einzige, was man unseren Reformen vorwerfen kann
    — das würde ich als Kritik akzeptieren — , ist, daß sie alle zu spät kommen. Wir machen die nicht erledigten Hausaufgaben der SPD. Die Rentenreform hätte man zehn Jahre früher machen können. Auch die Krankenversicherungsreform fällt nicht vom Himmel.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bade aus, was an mangelndem Mut und großer Feigheit vorhanden war. Wir führen die Reformen durch, die eigentlich früher hätten durchgeführt werden müssen. Rentenniveau 1980 71,1 % nach 45 Versicherungsjahren, 1981 70,8 %, 1982 72,7 %, in diesem Jahr 1989 72,6 %. Ja, wo sind denn da die Rentner abgestürzt? Das Niveau haben wir trotz dieses Umsteuerungsprozesses halten müssen.
    Wir haben die Hinterbliebenenreform durchgeführt. Sieben Jahre hat das Verfassungsgericht auf diese Reform gewartet. Wir waren kaum in der Regierung, da haben wir sie durchgeführt, worüber Sie lange ausführlich geredet haben.
    Wir hätten für die psychisch Kranken nichts getan? Ja, langsam, ich gebe zu, Schritt für Schritt ist Entwicklung nur möglich. Sind wir nicht auch einen Schritt vorangekommen dadurch, daß die Zentren für die Frühbehandlung mehrfach behinderter Kinder jetzt in den Leistungskatalog der Krankenversicherung aufgenommen werden?

    (Dr. Thomae [FDP]: Das haben Sie doch überlesen!)




    Bundesminister Dr. Blüm
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, das sind alles so Details. Ich gebe zu, die eignen sich nicht für die großen Überschriften. Aber das zeichnet doch das soziale Leben aus. Es ist doch nicht erst etwas Schicksal, wenn es zehn Millionen Menschen betrifft. Auch wenn es nur Hunderttausende betrifft, muß man für sie da sein.
    Wir reagieren nicht erst auf Protest. Die, die der Hilfe am meisten bedürfen, die sind gar nicht protestfähig. Die Mutter, die ihr Kind rund um die Uhr pflegt, ist auf keinem Marktplatz als Demonstrant zu finden. Denen haben wir geholfen. Eine Sozialpolitik für diejenigen, die sich nicht bemerkbar machen können! Vielleicht sind das die neuen Armen in einer Informations-, Kommunikationsgesellschaft, die Stimmlosen, die Lautlosen, die sich nicht wehren können. Wer nur auf Protest reagiert, nur auf Demonstration, der wird sie alle durch die Maschen der öffentlichen Aufmerksamkeit fallen lassen. Für die haben wir die Reformen durchgeführt, und deshalb stehe ich mit gutem Gewissen vor ihnen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Da lesen Sie doch mal die Briefe! — Dr.-Ing. Kansy [CDU/ CSU] : Alles grau in grau!)

    Ich will noch einige Sätze sagen. Der Kollege Dreßler hat bei einer Bemerkung zu unserem Kollegen Rühe mit dem Satz angefangen:
    Es ist wahr, bei Wallfahrten mit Fernsehkameras waren Sozialdemokraten nicht zu sehen.

    (Louven [CDU/CSU]: Sie sollten sich schämen!)

    Darauf will ich doch etwas eingehen. Ich bin beeindruckt von einem gläubigen Volk in Polen. Ich ganz persönlich bin mir ganz sicher — nicht jeder muß meine Meinung teilen — , daß die Polen die Zumutungen des Nationalsozialismus und des Sozialismus als Volk gar nicht überlebt hätten, wenn sie nicht tief gläubig wären. Dessen bin ich ganz sicher.
    Und deshalb bin ich auch sicher: Marx ist tot. Das ist richtig. Der Sozialismus ist so tot, wie man gar nicht toter sein kann. Die Menschen laufen ihm davon. In der Tat, der Glaube war in Polen stärker als Karl Marx. Das ist richtig. Deshalb ist es kein Kalauer, sondern ein Satz, den ich mit großem Respekt vor dem polnischen Volk ausgesprochen habe.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)