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ID1115718900

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    Plenarprotokoll 11/157 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 157. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung) : a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/5000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1989 bis 1993 (Drucksache 11/5001) Dr. Penner SPD 11835 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 11841 C Frau Trenz GRÜNE 11844 C Frau Seiler-Albring FDP 11845 D Dr. Schäuble, Bundesminister BMI 11847 D Wüppesahl fraktionslos 11852 B Deres CDU/CSU 11854 A Häfner GRÜNE 11855 C Funke FDP 11857 B Engelhard, Bundesminister BMJ 11858 A Roth SPD 11859 C Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 11865 A Kleinert (Marburg) GRÜNE 11868 D Wissmann CDU/CSU 11871 D Dr. Jens SPD 11874 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 11877 B Rossmanith CDU/CSU 11880 A Hinsken CDU/CSU 11882 B Schäfer (Offenburg) SPD 11883 D Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 11888 C Dr. Knabe GRÜNE 11890 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 11892 D, 11962 D Lennartz SPD 11895 A Dr. Laufs CDU/CSU 11897D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 11899A Vosen SPD 11904 B Schmidbauer CDU/CSU 11905 D Frau Bulmahn SPD 11908 A Austermann CDU/CSU 11910 C Frau Rust GRÜNE 11913 A Zywietz FDP 11914 B, 11930 C Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 11917 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 11920 D Dr. Hoffacker CDU/CSU 11925 B Frau Walz FDP 11927 C Frau Schoppe GRÜNE 11928 D Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 11932 B Dreßler SPD 11935 B Strube CDU/CSU 11942 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 11944 B Günther CDU/CSU 11946 B Dr. Thomae FDP 11949 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 11950 C Roth (Gießen) CDU/CSU 11954 B Dr. Struck SPD 11956 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Frau Rust GRÜNE 11964 A Dr. Waigel, Bundesminister BMF 11964 C Nächste Sitzung 11970 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11971* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11971* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 11835 157. Sitzung Bonn, den 6. September 1989 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 07. 09. 89 * Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Büchner (Speyer) SPD 07. 09. 89 * Eich GRÜNE 07. 09. 89 Frau Eid GRÜNE 07. 09. 89 ** Frau Fischer CDU/CSU 07. 09. 89 ** Frau Geiger CDU/CSU 07. 09. 89 ** Genscher FDP 07. 09. 89 Heimann SPD 07. 09. 89 Dr. Holtz SPD 07. 09. 89 ** Frau Hürland-Büning CDU/CSU 07. 09. 89 Klein (Dieburg) SPD 07. 09. 89 Dr. Klejdzinski SPD 07. 09. 89 ** Dr. Kreile CDU/CSU 07. 09. 89 Kretkowski SPD 07. 09. 89 Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 07. 09. 89 Frau Luuk SPD 07. 09. 89 ** Lüder FDP 07. 09. 89 Magin CDU/CSU 07. 09. 89 Marschewski CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Müller CDU/CSU 07. 09. 89 * Niggemeier SPD 07. 09. 89 Dr. Nöbel SPD 07. 09. 89 Frau Pack CDU/CSU 06. 09. 89 Regenspurger CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Scheer SPD 07. 09. 89 Frau Schilling GRÜNE 07. 09. 89 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 07. 09. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Sielaff SPD 06.09.89 Dr. Stercken CDU/CSU 07. 09. 89 ** Tietjen SPD 07.09.89 Vahlberg SPD 07.09.89 Westphal SPD 07. 09.89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 07. 09. 89 ** Dr. Wulff CDU/CSU 07. 09. 89 ** Zierer CDU/CSU 07. 09. 89 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 30. Juni 1989 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Gesetz über die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank (DSL Bank-Gesetz - DSLBG) Drittes Gesetz zur Änderung des Milchgesetzes Gesetz zur Einführung eines Dienstleistungsabends Anlagen zum Stenographischen Bericht Gesetz über die achtzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und zur Änderung von Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe (KOV-Anpassungsgesetz 1989 - KOVAnpG 1989) Gesetz zur Änderung von Vorschriften der See-Unfallversicherung in der Reichsversicherungsordnung Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1989 (Nachtragshaushaltsgesetz 1989) Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes Gesetz zur Errichtung neuer Freihäfen und zur Änderung des Zollgesetzes Sechstes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes Gesetz über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten (Rettungsassistentengesetz - RettAssG) Zwölftes Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften Achtes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Aussiedler und Übersiedler Gesetz zur Änderung des Bundespersonalvertretungsgesetzes Gesetz zur Änderung des Raumordnungsgesetzes ... Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften Gesetz zur Aussetzung der Verlängerung des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes Sechstes Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes Gesetz zu dem Protokoll vom 14. November 1988 über den Beitritt der Portugiesischen Republik und des Königreichs Spanien zur Westeuropäischen Union Gesetz zur Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft (LaFG) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf eine Ergänzung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Baugesetzbuch mit dem Ziel hinzuwirken, daß durch Festlegung konkreter Grenzwerte für Tierbestände die Privilegierung beim Bauen im Außenbereich eingeschränkt wird. Diese Ergänzung würde das vorrangige Anliegen des Gesetzes, das Entstehen neuer Tiergroßbestände zu erschweren, wesentlich unterstützen. Der vorgeschlagene Ausschluß der übergroßen Tierbestände von der Privilegierung des Bauens im Außenbereich stellt ein hochwirksames Instrument zur Erschwerung industrieller Tiermast dar. Die hiergegen erhobenen Bedenken sind einmal deshalb unbegründet, weil die Berücksichtigung agrarpolitischer Zielvorstellungen im Bauplanungsrecht nicht als sachfremd und damit nicht als Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 GG) angesehen werden kann. Zum anderen stellt die genannte Regelung lediglich eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentumsbegriffs (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) durch den Gesetzgeber dar. Die Planungshoheit der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 GG) wird nicht eingeschränkt. Eine Ergänzung der Baunutzungsverordnung wäre keine Ersatzlösung. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 23. Juni 1989 ihren Antrag Einstellung aller Atomwaffenversuche - Drucksache 11/2204 - zurückgezogen. 11972* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 8. August 1989 ihren Antrag Menschenrechte in Kolumbien — Drucksache 11/2404 — zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/2133 Drucksache 11/3316 Drucksache 11/4456 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/5910 Drucksache 11/583 Drucksache 11/1531 Drucksache 11/2362 Drucksache 11/3017 Drucksache 11/3644 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/2953 Ausschuß für Jugend, Famille, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/596 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 11/4019 Nr. 2.2, 2.3 Drucksache 11/4081 Nr. 2.4 Drucksache 11/4337 Nr. 3 Drucksache 11/4451 Nr. 2.3 Drucksache 11/4534 Nr. 2.2 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/4161 Nr. 2.11-2.17 Drucksache 11/4238 Nr. 2.4-2.8, 2.10, 2.11 Drucksache 11/4337 Nr. 8, 9, 11-21 Drucksache 11/4405 Nr. 3.5 Drucksache 11/4451 Nr. 2.7-2.14 Drucksache 11/4534 Nr. 2.8-2.16 Ausschuß für Jugend, Famille, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/4337 Nr. 22, 23 Drucksache 11/5051 Nr. 41 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/4161 Nr. 2.20 Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 22. August 1989 gemäß § 30 Absatz 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan nebst Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Bundesminister für Verkehr hat den Wirtschaftsplan 1989 und den Stellenplan zum Wirtschaftsplan 1989 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen genehmigt. Der Bundesminister für Post und Telekommunikation hat mit Schreiben vom 9. August 1989 gemäß § 31 der Posthaushaltsordnung den Nachtrag zum Haushaltsplan der Deutschen Bundespost für das Haushaltsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Beide Unterlagen liegen im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Waltraud Schoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Alle Jahre wieder, wenn über Frauenpolitik diskutiert wird, sind unsere Männer nicht da.

    (Widerspruch bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP — Vosen [SPD]: Die Männer der GRÜNEN!)

    Ich möchte mich heute nochmals in die Kindergartendebatte einmischen, und zwar von einem anderen Punkt aus. Es wird immer davon gesprochen, daß wir die Kindergärten deswegen brauchen, weil die



    Frau Schoppe
    Frauen berufstätig sein wollen. Das ist richtig. Aber ich möchte das Thema einmal von der Seite der Kinder aus diskutieren.
    Kindheit heute ist durch grundlegende kulturelle Veränderungen gezeichnet. Traditionell festgefügte und dauerhafte Familien werden mehr und mehr zurückgedrängt durch neue Lebensformen. Heute durchleben Erwachsene und Kinder mehr und mehr eine Abfolge verschiedener Familienkonstellationen. Stieffamilien, Pflegefamilien, Ein-Eltern-Familien, Wohngemeinschaften, lesbische und schwule Lebensgemeinschaften können heute nicht mehr als Randgruppenkonstellationen betrachtet werden, sondern sie müssen als gleichberechtigte Lebensgemeinschaften neben der Ehe anerkannt werden. Für Kinder bedeutet der Wechsel häufig den Verlust von verläßlichen Beziehungen. Unterstützt wird dieser Prozeß des Wechselns sozialer Kontakte durch die Forderung von Mobilität, wenn erwerbslosen Frauen und Männern zur Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes Mobilität abverlangt wird.
    Wie hat Politik auf diese strukturelle Veränderungen zu reagieren, um Kindern ein Stück Verläßlichkeit und Kontinuität zu geben, die ihnen Sicherheit und Wohlbefinden gibt? Ein Weg, den Eltern und all die wünschen, die sich der Verantwortlichkeit für unsere Kinder bewußt sind, ist die außerfamiliäre Kinderbetreuung als familienunterstützende Maßnahmen:

    (Beifall bei den GRÜNEN sowie der Abg. Frau Weyel [SPD])

    Kindergärten und Kinderkrippen, Horte, Eltern-KindGruppen, Mütterzentren, Familienzentren, Kinderläden, Kinderhäuser und viele andere Ideen und Projekte, die es auf diesem Gebiet gibt. Es gibt sie viel zu wenig.
    Eine Kindergruppe, die kontinuierlich besucht werden kann, und die Kommunikation mit anderen Kindern gibt den Kindern eine verläßliche Orientierung und den Erfahrungsraum, der sie befähigt, Autonomie, Toleranz und Liebesfähigkeit zu lernen, Fähigkeiten, die zur Gestaltung eines erfüllten Lebens notwendig sind und die nicht allein in der Familie gelernt werden können, weil es da beispielsweise auch viel Gewalterfahrung gibt. Wer nicht sieht, daß angesichts der angedeuteten kulturellen Erosionen der Familienstruktur, wie immer die Familie im einzelnen aussieht, die Aufgabe der Erziehung nicht mehr allein von der Familie erfüllt werden kann, entzieht sich der Verantwortung für unsere Kinder.
    Deswegen, Frau Lehr, sage ich Ihnen: Da Ihr Engagement gegenüber einer wirklichen Reform des Jugendhilferechts mit einem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz gleich Null ist,

    (Eimer [Fürth] [FDP]: Stimmt doch überhaupt nicht!)

    ist Ihre Politik unverfroren ignorant und diskriminierend gegenüber Kindern und Eltern.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Meine Damen und Herren, in einer multikulturellen Gesellschaft — ich kann ja von der multikulturellen Gesellschaft reden, ohne dafür meinen Posten zu verlieren — stellen sich ganz neue Anforderungen an unsere sozialen Kompetenzen. Ist es nicht eine Gelegenheit, die wir nicht verpassen dürfen, dafür zu sorgen, daß sich Kinder aus unterschiedlichen Kulturen, die in unserer Gesellschaft leben, vom Kindergarten an treffen, daß sie lernen, Fremdheiten zu überwinden, daß sie Toleranz lernen, daß sie lernen, sich zu akzeptieren? Nur das ist doch die Voraussetzung dafür, damit sie in Zukunft friedlich miteinander leben können. Auch das ist ein wichtiger Grund für Kindergärten.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir haben die Chance, solche Prozesse in Gang zu setzen. Viele Länder und Kommunen sind durch die Sozialhilfe ausgeblutet. Das wissen wir. Deshalb wollen wir, daß der Bund in die Pflicht genommen wird. Über die Gemeinschaftsaufgabe wäre es möglich, auch den Ausbau von Kindergärten zu fördern. Wir wollen aber auch nicht die Länder aus ihrer Verantwortung entlassen.
    Sie, Frau Minister Lehr, sind vor dem Protest bestimmter Länder — übrigens auch SPD-regierter Länder — , die Angst vor den finanziellen Folgen haben, in die Knie gegangen. Sie haben sich zwar einmal keck für die Versorgung auch schon zweijähriger Kinder zu Worte gemeldet, aber als dann aus Gruppen und Organisationen, die Ihnen nahestanden, sofort großer Protest kam, sind Sie wieder abgetaucht.
    Frau Ministerin, aus dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ist jetzt die unbestimmte Formulierung der bedarfsgerechten Orientierung von Kindergartenplätzen geworden. Damit haben Sie verloren. Unter Ihrer Amtszeit, Frau Ministerin, ist zu befürchten, daß aus der Reform des Jugendhilferechts eine bis auf das Skelett abgemagerte Neuordnung des Jugendhilferechts wird, die auf Bedarf und gesellschaftliche Notwendigkeit nicht reagiert. Das neue Jugendhilferecht sollte ein Leistungsgesetz werden. Das ist mit einer Ministerin, die kapituliert, nicht möglich.
    Frau Ministerin, Sie sind eine Frauenministerin. Man merkt es kaum. Ich sage Ihnen folgendes: Die Folgen der Wünsche, die die Frauen auf Grund ihrer Emanzipation haben, sind maßlos. Die Frauen wollen Erwerbsarbeit, die Frauen wollen Kinder, die Frauen wollen keine Kinder, die Frauen wollen Ausbildung, die Frauen wollen sich weiterbilden und die Frauen wollen über autonome Lebenszeit verfügen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was wollen Sie denn nun?)

    Darin müssen sie unterstützt werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die Männer sind — um das zu sagen; sie sitzen ja hier reichlich —

    (Heiterkeit)

    in dem Emanzipationsprozeß der Frauen die dunkle Seite. Wenn wir sehen, daß weiterhin männliche Werte dominieren, wie Stärke, Disziplin, Gehorsam, der Mißbrauch von Macht, der von Männern üblich ist, so sind die Männer das schwarze Kapitel der Menschheitsgeschichte.

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)




    Frau Schoppe
    Diese Misere wollen wir natürlich nicht der Ministerin allein anhängen. Wir können sie aber fragen: Was tut die Ministerin für den Erwerbsarbeitswunsch der Frauen? Was hat sich getan? Es gab ein Programm zum Wiedereinstieg von Frauen. Das Programm ist ja nicht einmal ganz abgerufen worden, und zwar deshalb, weil es einfach zu wenig Stellen in dem Ministerium gibt und das überhaupt nicht bearbeitet werden kann.
    Jetzt zu den Quoten. Die Frau Ministerin hat sich zu den Quoten nicht geäußert. Ich sage einmal für all diejenigen Frauen, die es geschafft haben, die einen Arbeitsplatz haben, die einen einflußreichen Posten haben, die also Geld, die Gestaltungsmöglichkeiten haben ist es doch einfach, zu den Quoten zu schweigen oder die Quoten zu denunzieren. Aber all diejenigen Frauen, die bei Bewerbungen durchfallen nur deshalb weil das Geschlecht „männlich" bei Einstellung schon als Qualifikation als solche gilt, die warten auf eine rechtliche Absicherung von Quoten.
    Wo bleibt, Frau Ministerin, der rechtliche Schutz der Ehefrau vor Ehegattennotzucht. Wenn zwar gesellschaftlich wenige, aber offensichtlich einflußreiche Männer glauben, bei Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe würden viele Frauen abtreiben, dann müssen diese Männer doch der Meinung sein, daß viele Schwangerschaften unter Gewaltanwendung entstehen.

    (Kalb [CDU/CSU]: Da kann man der SPD nur gratulieren!)

    Immerhin haben diese Männer eine Ahnung davon, daß es Gewalt in der Geschlechterbeziehung gibt. Wer parteilich ist für die Frauen, muß die Strafbarkeit von Vergewaltigung auf eheliche Vergewaltigung ausdehnen; daran führt überhaupt kein Weg vorbei. In welcher Schublade, so frage ich, hat die Regierung das Gesetz versenkt, das es ja schon einmal gab? Warum trauen Sie sich nicht, dieses Gesetz wieder herauszuholen? Auf welcher Seite stehen Sie, Frau Ministerin?
    Ich könnte noch eine halbe Stunde reden, aber ich habe ja nur zehn Minuten.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, dieser Haushalt, den wir heute behandeln, umfaßt 15 Millionen DM für die Frauenpolitik und 72 Millionen DM für die Altenpolitik. Zu einer Grundrente haben Sie sich nicht durchringen können, die Altersarmut wird nicht bekämpft, aber 72 Millionen DM werden verpulvert, die dazu dienen sollen, Wählerstimmen bei den Alten zu fischen für die Partei, die jetzt an der Regierung ist. Für die Nachwuchswerbung der Bundeswehr werden fast 27 Millionen DM ausgegeben. Für die Frauenpolitik sind es ganze 15 Millionen DM.
    Frau Ministerin Lehr, als Frauenministerin sind Sie nicht präsent, als Jugendministerin sind Sie noch nicht in Erscheinung getreten, als Familienministerin sind Sie ignorant gegenüber den Sorgen und Nöten von Kindern und Eltern, auf Ihren Durchbruch als Altenministerin warten wir noch.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD — Zuruf von der SPD: Darüber wird sie alt!)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zywietz.

(Zurufe von der SPD: Schon wieder? — Machen Sie Überstunden diese Woche?)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Werner Zywietz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Es muß ja kein Nachteil sein, an einem Tag zweimal an dieses Rednerpult gehen zu dürfen.
    Frau Kollegin Schoppe, ich möchte bei dieser ersten Lesung des Haushalts 1990 in den wenigen Minuten doch noch einmal den Blick auf diesen Einzelplan richten; denn es handelt sich um einen der ganz großen Haushalte, um den viertgrößten Bundeshaushalt, und er erfüllt, wenn ich mich recht erinnere, im wesentlichen die Wünsche, die uns von dieser Seite des Hauses vor einem Jahr aus ähnlichem Anlaß vorgetragen worden sind. Ich kann mich an diese Debatte noch sehr genau erinnern. Frau Kollegin Schmidt hat sich diesmal ein anderes Aktivitätenfeld ausgesucht, weil sich das, was sie beim letztenmal hier vorgetragen hat, längst in so hervorragender Weise in diesem Haushalt wiederfindet.
    Das Kernstück des Haushalts, der eine große Akzent, ist nämlich die Aufstockung des Familienlastenausgleichs. Auf diesen Bereich sind Sie in diesem Jahr jedenfalls nicht mehr eingegangen, weil die Regierung da eine sehr gute Bilanz vorzuweisen hat. Schauen Sie einmal in diesen Haushalt in der Größenordnung von 22,3 Milliarden DM hinein, dann finden Sie darin 14,5 Milliarden DM für das Kindergeld, und Sie finden 4,5 Milliarden DM für das verbesserte Erziehungsgeld. Das macht nach Adam Riese zusammen — da braucht man keinen Computer — 19 Milliarden DM. Es bleiben 3,3 Milliarden DM und davon sind 1,5 Milliarden DM für den Zivildienst bestimmt. Das machen wir aus vollster Überzeugung, damit diejenigen, die den Wehrdienst mit der Waffe nicht wollen, einen gleichen adäquaten Dienst als Zivildienstleistende leisten, damit es auf diesem Gebiet kein Behandlungsgefälle gibt. Dann bleiben noch Bereiche übrig, die schon im einzelnen erwähnt worden sind, auf die ich auch noch zu sprechen kommen werde.
    Zunächst muß ich aber ihre Anmerkungen zum Bereich des Familienlastenausgleichs doch unter einigen Aspekten noch einmal ansprechen. Hierbei steht die Regierung — wir unterstützen diese Politik aus voller Überzeugung — mit einer glänzenden Bilanz da.

    (Zurufe von der SPD: Mein Gott! — Das stimmt doch nicht! Seien Sie doch einmal etwas ehrlicher!)

    Wenn Sie jetzt etwas unausgegorene Forderungen nachschieben und den Familien mit zwei Kindern neue Versprechungen machen, dann müssen Sie zunächst einmal in gleicher Klarheit sagen — Herr Dreßler, ich schaue zu Ihnen hinüber; Sie sprechen ja immer gern vom Abkassiermodell —,

    (Zuruf von der SPD: Richtig!)

    daß Sie bei allen Familien abkassieren wollen. Sie wollen das Splitting reduzieren.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Richtig! — Zuruf von der SPD: Nein, wir wollen bei Kinderlosen abkassieren!)




    Zywietz
    Das heißt: Sie wollen bei allen Familien abkassieren! Denn das Splitting ist eine Begünstigung der Familien.

    (Zurufe von der SPD: Nein, für die Ehe! — Für die Ehe, nicht für Familien!)

    — Ist das von vornherein ein Widerspruch? Das sind Unterschiedlichkeiten.

    (Zurufe von der SPD)

    Das ist der Gedanke der Partnerschaft, der Gedanke der ehelichen Partnerschaft, und dagegen argumentieren Sie jetzt an. Im Splitting werden die Einkünfte von zwei Ehepartnern addiert. Sie werden dann geteilt,

    (Zuruf von der SPD: Unabhängig davon, ob sie Kinder haben oder nicht!)

    dann schaut man in die Steuertabelle, ermittelt den Steuertarif und verdoppelt die abgelesene Steuerhöhe.

    (Zurufe von der SPD: Kinder spielen keine Rolle! — Je mehr Kinder, um so geringer der Splittingvorteil! — Sie fördern Ehen ohne Kinder und nicht Familien! — Weitere Zurufe)

    Das ist eine Begünstigung gegenüber dem, was sich bei einer Einzelermittlung ergäbe; denn hierbei gibt es sozusagen einen Mittelungseffekt, einen steuersenkenden Mittelungseffekt.
    Sie haben hier Versprechungen gegenüber den Familien mit zwei Kindern geäußert. Darüber kann man ja reden. Aber zu Ihrer Finanzierung: Dann gehen Sie doch einmal hin und sagen Sie das allen, von denen Sie Geld haben wollen!
    Wir haben bisher den Familienlastenausgleich aus dem Haushalt finanziert. Sie haben hier über eineinhalb Tage nur die Defizite gegeißelt. Ich habe hier zwei Tage lang nur höhere Forderungen an den Haushalt gehört; das machen Sie.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Hier wollen Sie jetzt bei anderen für noch wenig ausgegorene Wohltaten abkassieren. Sie sollten sich das alles genau überlegen und vor allem auch mit anderen Kollegen in Ihrer Fraktion besprechen, ob das der Weisheit letzter Schluß ist, was Sie hier rausgelassen haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir nehmen das andere aber auch gleich auf den Prüfstand, damit wir die Kerndinge immer gleich beieinander haben. Natürlich sind wir bei der FDP für Kindergärten, aber lassen Sie bitte diese Sache als kommunalpolitische Aufgabe dort, wohin sie gehört, in den Kommunen, in den Städten, in den Kreisen! Sie wollen wieder einen Mischfinanzierungstatbestand. Sie haben nämlich ganz leise hintendran gesagt: Und der Bund soll mitfinanzieren. Für die Kindergartenfinanzierung haben Sie hier also einen neuen Tatbestand der Mischfinanzierung kreiert. In dieser Zusammenführung unterschiedlicher Finanzierungsbeiträge kommt Ihr Staatsverständnis schon wieder deutlich
    zum Ausdruck. Man kann darüber reden, was die Kindergärten angeht. Aber lassen Sie sich einen guten Rat geben: Lassen Sie diese Aufgabe bei der Kommunalpolitik, und heben Sie das nicht auf die Bundesebene, so daß man sich im Bund über die Finanzierung von Kindergärten Gedanken machen müßte.

    (Zurufe von der SPD)

    Wir sind hier nicht allzuständig. Im Kommunalwahlkampf können Sie nicht sagen: Die Rechte der Kommunen und die der Landespolitik sind zu gering, während Sie gleichzeitig einen neuen Mischfinanzierungstatbestand schaffen wollen. Lassen Sie die Finger davon!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wenn man das ganze, das hier ein bißchen forsch nach vorne getragen wird, ein bißchen abklopft, dann werden Sie sehen, daß die Finanzierung, die wir den Familien zuteil werden lassen, sehr solide ist, da diese aus dem Haushalt finanziert wird. Wir bemühen uns auch, die Finanzierung aus den jetzigen Steuereinnahmen sicherzustellen und machen das nicht über die vielen Millionen Haushalte — das sind nämlich viele Millionen — , die im Rahmen Ihres Splittingabbaus mehr Steuern zu zahlen hätten. Das ist nämlich der Kernpunkt der Angelegenheit. Erklären Sie es draußen! Wir werden uns Wiedertreffen.
    Was das Erziehungsgeld anbelangt, so haben wir diese Erweiterung in zwei Stufen gern mitgemacht. Es ist nicht nur eine Verbesserung für die Familien mit Kindern, egal, ob dann die Frau oder der männliche Partner diese Aufgabe übernimmt, sondern es ist auch ein Stück Gleichberechtigung, die in dieser Regelung mit zum Ausdruck gebracht wird, und auch dazu stehen wir sehr bewußt.
    In der Kürze der Zeit noch der Blick auf einige Bereiche, die ebenfalls aus diesem Haushalt finanziert werden sollen und die wir aus Überzeugung gern mittragen. Der zweite wesentliche Akzent bei aller Kontinuität ist die deutliche Erhöhung für Aussiedler und Übersiedler. Hier ist eine sehr fühlbare Aufstockung vollzogen worden, und wir bereiten uns auf die Ergebnisse einer Politik vor, für die wir als FDP nicht nur seit Jahren, sondern seit Jahrzehnten stehen, nämlich daß diejenigen, die zu uns kommen wollen, hier auch unterstützende Aufnahme erhalten.

    (Beifall bei der FDP)

    Das sind Geldmittel, mit denen wir den jugendlichen Übersiedlern die Eingliederung in unsere Gesellschaft erleichtern helfen. Mehr möchte ich dazu an dieser Stelle nicht ausführen.
    Ich weise noch darauf hin, daß auch der Ansatz für die AIDS-Forschung, für die AIDS-Aufklärung, für modellhafte Unterstützung in diesem Bereich fortgeführt werden soll. Solange es keine wirksame Medizin gibt, werden wir hier experimentieren müssen, was Betreuungsmodelle anbelangt, und wir werden durch Aufklärung Vorsorge zu treffen haben, solange es keine medizinische Hilfe gibt. Das muß die Linie der Aktivitäten bleiben; darum bemühen wir uns auch aus anderen Bereichen heraus. Aufklärung ist eine wichtige Angelegenheit, und darum stellen wir auch hier-



    Zywietz
    für die notwendigen Mittel gern bereit, damit diese Aufgabe geleistet werden kann.

    (Beifall bei der FDP)

    Ein letzter Punkt, der hier meinerseits ganz kurz angesprochen werden soll, ist die Unterstützung für die Bekämpfung der Drogensucht. Rein persönlich — das möchte ich für mich als einzelner sagen — glaube ich, daß dieses Problem in diesem, aber auch in anderen Haushalten noch nicht den ausreichenden Widerhall gefunden hat. Ich glaube, dieses Problem ist dabei, größer zu werden, und das kommt bislang auch gesamtpolitisch in den Geldmitteln, die wir dafür zur Verfügung stellen, noch nicht zum Ausdruck. Auch wenn ich in andere Länder schaue, so deuten Zahlen, Daten, Bilder aus diesem Bereich darauf hin, daß sich die nicht gute Situation offensichtlich noch verschlechtert. Hier, meine ich, sollten wir mit den Mitteln dieses Haushalts — vielleicht auch als Ausfluß von politischen Diskussionen über die Fraktionen hinaus — unseren Einsatz verstärken, damit hier nicht schon in der Jugend Lebenswege Schaden erleiden, was auch einen Schaden für die Gesellschaft darstellt.
    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)