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    Plenarprotokoll 11/157 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 157. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung) : a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/5000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1989 bis 1993 (Drucksache 11/5001) Dr. Penner SPD 11835 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 11841 C Frau Trenz GRÜNE 11844 C Frau Seiler-Albring FDP 11845 D Dr. Schäuble, Bundesminister BMI 11847 D Wüppesahl fraktionslos 11852 B Deres CDU/CSU 11854 A Häfner GRÜNE 11855 C Funke FDP 11857 B Engelhard, Bundesminister BMJ 11858 A Roth SPD 11859 C Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 11865 A Kleinert (Marburg) GRÜNE 11868 D Wissmann CDU/CSU 11871 D Dr. Jens SPD 11874 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 11877 B Rossmanith CDU/CSU 11880 A Hinsken CDU/CSU 11882 B Schäfer (Offenburg) SPD 11883 D Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 11888 C Dr. Knabe GRÜNE 11890 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 11892 D, 11962 D Lennartz SPD 11895 A Dr. Laufs CDU/CSU 11897D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 11899A Vosen SPD 11904 B Schmidbauer CDU/CSU 11905 D Frau Bulmahn SPD 11908 A Austermann CDU/CSU 11910 C Frau Rust GRÜNE 11913 A Zywietz FDP 11914 B, 11930 C Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 11917 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 11920 D Dr. Hoffacker CDU/CSU 11925 B Frau Walz FDP 11927 C Frau Schoppe GRÜNE 11928 D Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 11932 B Dreßler SPD 11935 B Strube CDU/CSU 11942 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 11944 B Günther CDU/CSU 11946 B Dr. Thomae FDP 11949 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 11950 C Roth (Gießen) CDU/CSU 11954 B Dr. Struck SPD 11956 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Frau Rust GRÜNE 11964 A Dr. Waigel, Bundesminister BMF 11964 C Nächste Sitzung 11970 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11971* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11971* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 11835 157. Sitzung Bonn, den 6. September 1989 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 07. 09. 89 * Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Büchner (Speyer) SPD 07. 09. 89 * Eich GRÜNE 07. 09. 89 Frau Eid GRÜNE 07. 09. 89 ** Frau Fischer CDU/CSU 07. 09. 89 ** Frau Geiger CDU/CSU 07. 09. 89 ** Genscher FDP 07. 09. 89 Heimann SPD 07. 09. 89 Dr. Holtz SPD 07. 09. 89 ** Frau Hürland-Büning CDU/CSU 07. 09. 89 Klein (Dieburg) SPD 07. 09. 89 Dr. Klejdzinski SPD 07. 09. 89 ** Dr. Kreile CDU/CSU 07. 09. 89 Kretkowski SPD 07. 09. 89 Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 07. 09. 89 Frau Luuk SPD 07. 09. 89 ** Lüder FDP 07. 09. 89 Magin CDU/CSU 07. 09. 89 Marschewski CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Müller CDU/CSU 07. 09. 89 * Niggemeier SPD 07. 09. 89 Dr. Nöbel SPD 07. 09. 89 Frau Pack CDU/CSU 06. 09. 89 Regenspurger CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Scheer SPD 07. 09. 89 Frau Schilling GRÜNE 07. 09. 89 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 07. 09. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Sielaff SPD 06.09.89 Dr. Stercken CDU/CSU 07. 09. 89 ** Tietjen SPD 07.09.89 Vahlberg SPD 07.09.89 Westphal SPD 07. 09.89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 07. 09. 89 ** Dr. Wulff CDU/CSU 07. 09. 89 ** Zierer CDU/CSU 07. 09. 89 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 30. Juni 1989 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Gesetz über die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank (DSL Bank-Gesetz - DSLBG) Drittes Gesetz zur Änderung des Milchgesetzes Gesetz zur Einführung eines Dienstleistungsabends Anlagen zum Stenographischen Bericht Gesetz über die achtzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und zur Änderung von Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe (KOV-Anpassungsgesetz 1989 - KOVAnpG 1989) Gesetz zur Änderung von Vorschriften der See-Unfallversicherung in der Reichsversicherungsordnung Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1989 (Nachtragshaushaltsgesetz 1989) Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes Gesetz zur Errichtung neuer Freihäfen und zur Änderung des Zollgesetzes Sechstes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes Gesetz über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten (Rettungsassistentengesetz - RettAssG) Zwölftes Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften Achtes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Aussiedler und Übersiedler Gesetz zur Änderung des Bundespersonalvertretungsgesetzes Gesetz zur Änderung des Raumordnungsgesetzes ... Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften Gesetz zur Aussetzung der Verlängerung des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes Sechstes Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes Gesetz zu dem Protokoll vom 14. November 1988 über den Beitritt der Portugiesischen Republik und des Königreichs Spanien zur Westeuropäischen Union Gesetz zur Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft (LaFG) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf eine Ergänzung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Baugesetzbuch mit dem Ziel hinzuwirken, daß durch Festlegung konkreter Grenzwerte für Tierbestände die Privilegierung beim Bauen im Außenbereich eingeschränkt wird. Diese Ergänzung würde das vorrangige Anliegen des Gesetzes, das Entstehen neuer Tiergroßbestände zu erschweren, wesentlich unterstützen. Der vorgeschlagene Ausschluß der übergroßen Tierbestände von der Privilegierung des Bauens im Außenbereich stellt ein hochwirksames Instrument zur Erschwerung industrieller Tiermast dar. Die hiergegen erhobenen Bedenken sind einmal deshalb unbegründet, weil die Berücksichtigung agrarpolitischer Zielvorstellungen im Bauplanungsrecht nicht als sachfremd und damit nicht als Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 GG) angesehen werden kann. Zum anderen stellt die genannte Regelung lediglich eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentumsbegriffs (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) durch den Gesetzgeber dar. Die Planungshoheit der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 GG) wird nicht eingeschränkt. Eine Ergänzung der Baunutzungsverordnung wäre keine Ersatzlösung. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 23. Juni 1989 ihren Antrag Einstellung aller Atomwaffenversuche - Drucksache 11/2204 - zurückgezogen. 11972* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 8. August 1989 ihren Antrag Menschenrechte in Kolumbien — Drucksache 11/2404 — zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/2133 Drucksache 11/3316 Drucksache 11/4456 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/5910 Drucksache 11/583 Drucksache 11/1531 Drucksache 11/2362 Drucksache 11/3017 Drucksache 11/3644 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/2953 Ausschuß für Jugend, Famille, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/596 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 11/4019 Nr. 2.2, 2.3 Drucksache 11/4081 Nr. 2.4 Drucksache 11/4337 Nr. 3 Drucksache 11/4451 Nr. 2.3 Drucksache 11/4534 Nr. 2.2 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/4161 Nr. 2.11-2.17 Drucksache 11/4238 Nr. 2.4-2.8, 2.10, 2.11 Drucksache 11/4337 Nr. 8, 9, 11-21 Drucksache 11/4405 Nr. 3.5 Drucksache 11/4451 Nr. 2.7-2.14 Drucksache 11/4534 Nr. 2.8-2.16 Ausschuß für Jugend, Famille, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/4337 Nr. 22, 23 Drucksache 11/5051 Nr. 41 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/4161 Nr. 2.20 Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 22. August 1989 gemäß § 30 Absatz 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan nebst Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Bundesminister für Verkehr hat den Wirtschaftsplan 1989 und den Stellenplan zum Wirtschaftsplan 1989 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen genehmigt. Der Bundesminister für Post und Telekommunikation hat mit Schreiben vom 9. August 1989 gemäß § 31 der Posthaushaltsordnung den Nachtrag zum Haushaltsplan der Deutschen Bundespost für das Haushaltsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Beide Unterlagen liegen im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Renate Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Die Diskussion über den Haushalt 1990 ist



    Frau Schmidt (Nürnberg)

    von seiten der Regierung und der Koalitionsfraktionen bisher weitgehend davon geprägt, die Vergangenheit aufzuarbeiten und dabei die jüngste Vergangenheit trotz Gesundheitsreform, trotz unsozialer Steuerreform, trotz Quellensteuerdesaster glänzend und die etwas länger zurückliegende sozialliberale Regierungszeit als eine Periode schwärzesten Unglücks für diese Republik darzustellen. Herr Rühe hat hier gestern

    (Kolb [CDU/CSU]: Eine glänzende Rede gehalten!)

    ein besonders übles Beispiel dafür geliefert, wie Tatsachen verdreht und der politische Gegner in den Schmutz gezogen wird,

    (Beifall bei der SPD)

    und dies aus dem Grund, sich seiner Partei als Generalsekretär zu empfehlen und sich bei den Wählern einer anderen Partei anzubiedern. Wenn von Parteienverdrossenheit gesprochen wird, dann hat dies seinen Grund nicht zuletzt in Beiträgen wie denen des designierten Generalsekretärs der CDU.
    Die Menschen hier in der Bundesrepublik wissen doch aus eigener Lebenserfahreung, daß keine Regierung — auch wir damals nicht, aber auch Sie heute nicht — alles richtig oder alles falsch macht.

    (Vorsitz : Vizepräsidentin Renger)

    Es interessiert sie überhaupt nicht, wenn zum 223. Mal Vorwürfe wiederholt werden oder mit immer neuen Zahlenspielereien das Schlechte als gut und das Gute eher als schlecht dargestellt wird. Im Politikbereich Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, der die Menschen besonders interessiert, weil er ihr alltägliches Leben betrifft, erwarten die Bürgerinnen und Bürger etwas ganz anderes. Erstens. Sie möchten darauf vertrauen können, daß wir ihre Lebenssituation erkennen. Zweitens. Sie möchten, daß wir daraus die richtigen Konsequenzen ziehen und vor allem dort Gerechtigkeit und Ausgleich schaffen, wo dies nötig ist. Drittens. Sie möchten, daß wir die Konsequenzen unseres politischen Handelns nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für die nächste Zukunft berücksichtigen. Sie verlangen von uns zu Recht, absehbare Veränderungen in der Zukunft in unser heutiges politisches Handeln mit einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund möchte ich den Haushalt des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit messen, und mit dem, was Sie als Kernstück Ihrer Politik beginnen, nämlich der Familienpolitik.
    Ich will mich der Versuchung entziehen, hier ein Bild zu malen, was auch für viele Familien richtig ist, ein Bild von Familien, die unter der Last ihrer materiellen Belastung stöhnen. Aber ich glaube, den Familien ist mit Schönfärberei ebenfalls nicht gedient. Wir wissen nämlich, daß das verfügbare Einkommen von Menschen mit Kindern gegenüber Menschen ohne Kinder dramatisch abnimmt. Wir wissen, daß der monatliche Lebensunterhalt — hier beziehe ich mich auf Ihre Schätzungen — bei mindestens 550 DM für ein Kind liegt, wir wissen, daß Eltern, je nachdem, welche Ausbildung sie ihren Kindern finanzieren, auf ca. 200 000 bis 400 000 DM gegenüber Kinderlosen verzichten. Wir wissen, daß viele Menschen inzwischen
    bewußt auf Kinder verzichten oder weniger Kinder haben, als sie sich wünschen, weil sie diese Konsequenzen hinzunehmen nicht bereit oder in der Lage sind.
    Deshalb, Frau Ministerin, ist Ihre Aussage nicht richtig, daß der Familienlastenausgleich den Vorstellungen junger Paare entspricht. Familien haben im Gegenteil das Gefühl: Der Kinderlastenausgleich ist nicht gerecht.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Immerhin leben bereits 30 % der Bevölkerung der Bundesrepublik lebenslang ohne Kinder. Deshalb halten wir den Kinderlastenausgleich, den Sie mit Ihrem Haushalt vorlegen, für kurzsichtig und verfehlt, verfehlt, weil die Masse der Kinder, nämlich die Erstkinder, leer ausgeht. Wir wissen aber, daß dort der größte Bedarf besteht. Er ist verfehlt und kurzsichtig, weil das komplizierte System aus Steuerfreibeträgen, einkommensabhängigem Kindergeld und Kindergeldzuschlag gerade die Familien mit ganz geringem Einkommen benachteiligt. Die Überschuldung gerade dieser Familien müßte dieser Ministerin Anlaß sein, endlich zu handeln.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wir schlagen Ihnen deshalb einen ganz anderen Weg vor, und wir werden diesen Weg ab 1991 durchsetzen: Wir wollen für jedes Kind, und zwar ab dem ersten Kind, ein einheitliches Kindergeld von 200 DM zahlen und für Familien mit mehr als drei Kindern nochmal einen Zuschlag von 200 DM monatlich. Dies würde bedeuten, daß eine Familie mit zwei Kindern gegenüber dem heutigen System 32 000 DM mehr für ihre Kinder zur Verfügung hätte.
    Wir können das auch finanzieren, indem wir das Ehegatten-Splitting beschränken; ich sage noch einmal ganz deutlich: beschränken, aber nicht etwa abschaffen. Selbstverständlich werden wir dabei dafür sorgen, daß die kinderlosen Paare, die in früheren Jahren unter großen Entbehrungen Kinder großgezogen haben, daß die Mütter, die als 45- oder 50jährige keine Chancen mehr hatten, in den Beruf zurückzukehren, davon keine Nachteile haben.

    (Zuruf)

    — Die können wir Ihnen spitz vorrechnen. Kommen Sie gerne in mein Büro; ich mache es mir zum Anliegen, Sie darüber aufzuklären.
    Aber die Tatsache, daß der Tatbestand Ehe dem Staat mehr wert ist als der Tatbestand Kind, kann nicht länger hingenommen werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Familienlastenausgleich ist ungerecht, weil einkommenschwache Familien benachteiligt werden, bürokratisch, weil er für niemanden kalkulierbar und durchschaubar ist, welcher Betrag zur Verfügung steht. Demgegenüber ist unser Vorschlag gerecht, weil er einen besseren Ausgleich zwischen Menschen mit Kindern und Menschen ohne Kinder herstellt.

    (Frau Limbach [CDU/CSU]: Aber nur bei einem Kind!)




    Frau Schmidt (Nürnberg)

    — Nein, einschließlich fünf, sechs, sieben, acht, neun und zehn Kinder; wir rechnen es Ihnen vor.

    (Frau Limbach [CDU/CSU]: Nein, nein! Rechnen!)

    Unser Vorschlag ist gerecht, weil endlich mit dem Skandal aufgeräumt wird, daß das Kind einer Verkäuferin oder eines Briefträgers 98 DM und das Kind des Kaufhausdirektors oder des Ministers dem Staat 166 DM wert ist.
    Unser Vorschlag ist unbürokratisch und für Familien kalkulierbar, weil sie endlich jeden Monat wissen, welcher Betrag ihnen zur Verfügung steht. Nicht zuletzt: Unser Vorschlag ist seriös und finanzierbar.
    Wir wissen aber, und wir berücksichtigen das, daß der Staat keinen vollständigen Ausgleich schaffen kann, insbesondere dann nicht, wenn Mütter über sehr lange Zeiträume oder gar vollständig aus dem Erwerbsleben ausscheiden oder ausscheiden müssen.
    Aber auch hier wissen wir — und darauf müssen wir reagieren — , was Mütter und zunehmend auch einige Väter wollen: Sie wollen Zeit haben, sich um ihre Kinder zu kümmern, vor allem, solange sie noch klein sind, und sie möchten möglichst bald ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnehmen.
    Junge Frauen wollen sich heute, wie es für Männer bisher selbstverständlich war, nicht mehr für Beruf oder Kinder entscheiden müssen, sondern Familie und Beruf miteinander verbinden. In der Familienarbeit hat sich die traditionelle Rollenverteilung jedoch nicht im gleichen Ausmaß verändert. Erwerbsbeteiligung bedeutet heute für viele Frauen immer noch eine untragbare Überforderung oder aber den Verzicht, berufliche Chancen zu realisieren und berufliche Wünsche zu erfüllen.
    Wir halten es deshalb für richtig, daß der bezahlte Erziehungsurlaub verlängert werden soll. Wir widerstehen der Versuchung, als Opposition zu verlangen, daß jetzt sofort und gleich und auf der Stelle dieser bezahlte Urlaub auf drei Jahre, wie es richtig wäre und wie es in Ihren Programmen und unseren Programmen steht, verlängert werden soll.
    Aber wir fragen Sie dennoch, warum Sie das darüber hinaus Notwendige und Mögliche nicht getan haben, warum Sie die Bedürfnisse von Müttern so wenig erkannt haben und warum Sie Absichtserklärungen so wenig konkretes Handeln folgen lassen.
    Wir wissen: Eines der größten Probleme von Müttern ist die Rückkehr in den Beruf, nachdem sie ganz oder überwiegend ihre Kinder betreut haben. Wir halten deshalb unabhängig von der Dauer des bezahlten Elternurlaubs eine dreijährige Arbeitsplatzgarantie für dringend erforderlich, und wir werden diese ab 1991 durchsetzen.

    (Beifall bei der SPD — Link [Diepholz] [CDU/ CSU]: Wie denn?)

    Zu einem Gesamtkonzept der Vereinbarkeit von Familie und Beruf vermissen wir die Aussagen in Ihrem Haushalt. Wir vermissen den Finanzbedarf für die von Ihnen angekündigte Reform des Jugendhilferechts, und zwar vor allen Dingen den Finanzbedarf für den Rechtsanspruch auf Kindergartenbetreuung für Kinder vom 3. bis zum 6. Lebensjahr. Ohne einen solchen Rechtsanspruch ist die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf schlichtweg nicht möglich. Heute gibt es in Niedersachsen gerade für jedes zweite Kind einen Kindergartenplatz. Wir sind in Europa Schlußlicht bei der Frage der Kindergartenbetreuung, wir sind Schlußlicht bei der Frage von Tagesmüttern. Wir haben bei 14 Millionen Kindern, die es in der Bundesrepublik insgesamt gibt, gerade knapp 30 000 Krippenplätze.
    Wir sind Schlußlicht in ganz Europa. Wir sind Schlußlicht auch bei der Frage von Ganztagsschulen. Wir sind das einzige Land, das sich den Luxus leistet, das Ganze nur unter ideologischen Gesichtspunkten zu diskutieren.

    (Beifall bei der SPD — Zustimmung der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Es wäre ein erster Schritt, im Jugendhilferecht endlich den Rechtsanspruch auf Kindergartenbetreuung unter Beteiligung des Bundes zu schaffen.


Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Eimer?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Renate Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Wenn es mir nicht angerechnet wird, gern.