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    Plenarprotokoll 11/157 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 157. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung) : a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/5000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1989 bis 1993 (Drucksache 11/5001) Dr. Penner SPD 11835 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 11841 C Frau Trenz GRÜNE 11844 C Frau Seiler-Albring FDP 11845 D Dr. Schäuble, Bundesminister BMI 11847 D Wüppesahl fraktionslos 11852 B Deres CDU/CSU 11854 A Häfner GRÜNE 11855 C Funke FDP 11857 B Engelhard, Bundesminister BMJ 11858 A Roth SPD 11859 C Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 11865 A Kleinert (Marburg) GRÜNE 11868 D Wissmann CDU/CSU 11871 D Dr. Jens SPD 11874 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 11877 B Rossmanith CDU/CSU 11880 A Hinsken CDU/CSU 11882 B Schäfer (Offenburg) SPD 11883 D Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 11888 C Dr. Knabe GRÜNE 11890 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 11892 D, 11962 D Lennartz SPD 11895 A Dr. Laufs CDU/CSU 11897D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 11899A Vosen SPD 11904 B Schmidbauer CDU/CSU 11905 D Frau Bulmahn SPD 11908 A Austermann CDU/CSU 11910 C Frau Rust GRÜNE 11913 A Zywietz FDP 11914 B, 11930 C Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 11917 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 11920 D Dr. Hoffacker CDU/CSU 11925 B Frau Walz FDP 11927 C Frau Schoppe GRÜNE 11928 D Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 11932 B Dreßler SPD 11935 B Strube CDU/CSU 11942 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 11944 B Günther CDU/CSU 11946 B Dr. Thomae FDP 11949 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 11950 C Roth (Gießen) CDU/CSU 11954 B Dr. Struck SPD 11956 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Frau Rust GRÜNE 11964 A Dr. Waigel, Bundesminister BMF 11964 C Nächste Sitzung 11970 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11971* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11971* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 11835 157. Sitzung Bonn, den 6. September 1989 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 07. 09. 89 * Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Büchner (Speyer) SPD 07. 09. 89 * Eich GRÜNE 07. 09. 89 Frau Eid GRÜNE 07. 09. 89 ** Frau Fischer CDU/CSU 07. 09. 89 ** Frau Geiger CDU/CSU 07. 09. 89 ** Genscher FDP 07. 09. 89 Heimann SPD 07. 09. 89 Dr. Holtz SPD 07. 09. 89 ** Frau Hürland-Büning CDU/CSU 07. 09. 89 Klein (Dieburg) SPD 07. 09. 89 Dr. Klejdzinski SPD 07. 09. 89 ** Dr. Kreile CDU/CSU 07. 09. 89 Kretkowski SPD 07. 09. 89 Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 07. 09. 89 Frau Luuk SPD 07. 09. 89 ** Lüder FDP 07. 09. 89 Magin CDU/CSU 07. 09. 89 Marschewski CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Müller CDU/CSU 07. 09. 89 * Niggemeier SPD 07. 09. 89 Dr. Nöbel SPD 07. 09. 89 Frau Pack CDU/CSU 06. 09. 89 Regenspurger CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Scheer SPD 07. 09. 89 Frau Schilling GRÜNE 07. 09. 89 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 07. 09. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Sielaff SPD 06.09.89 Dr. Stercken CDU/CSU 07. 09. 89 ** Tietjen SPD 07.09.89 Vahlberg SPD 07.09.89 Westphal SPD 07. 09.89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 07. 09. 89 ** Dr. Wulff CDU/CSU 07. 09. 89 ** Zierer CDU/CSU 07. 09. 89 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 30. Juni 1989 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Gesetz über die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank (DSL Bank-Gesetz - DSLBG) Drittes Gesetz zur Änderung des Milchgesetzes Gesetz zur Einführung eines Dienstleistungsabends Anlagen zum Stenographischen Bericht Gesetz über die achtzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und zur Änderung von Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe (KOV-Anpassungsgesetz 1989 - KOVAnpG 1989) Gesetz zur Änderung von Vorschriften der See-Unfallversicherung in der Reichsversicherungsordnung Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1989 (Nachtragshaushaltsgesetz 1989) Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes Gesetz zur Errichtung neuer Freihäfen und zur Änderung des Zollgesetzes Sechstes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes Gesetz über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten (Rettungsassistentengesetz - RettAssG) Zwölftes Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften Achtes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Aussiedler und Übersiedler Gesetz zur Änderung des Bundespersonalvertretungsgesetzes Gesetz zur Änderung des Raumordnungsgesetzes ... Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften Gesetz zur Aussetzung der Verlängerung des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes Sechstes Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes Gesetz zu dem Protokoll vom 14. November 1988 über den Beitritt der Portugiesischen Republik und des Königreichs Spanien zur Westeuropäischen Union Gesetz zur Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft (LaFG) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf eine Ergänzung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Baugesetzbuch mit dem Ziel hinzuwirken, daß durch Festlegung konkreter Grenzwerte für Tierbestände die Privilegierung beim Bauen im Außenbereich eingeschränkt wird. Diese Ergänzung würde das vorrangige Anliegen des Gesetzes, das Entstehen neuer Tiergroßbestände zu erschweren, wesentlich unterstützen. Der vorgeschlagene Ausschluß der übergroßen Tierbestände von der Privilegierung des Bauens im Außenbereich stellt ein hochwirksames Instrument zur Erschwerung industrieller Tiermast dar. Die hiergegen erhobenen Bedenken sind einmal deshalb unbegründet, weil die Berücksichtigung agrarpolitischer Zielvorstellungen im Bauplanungsrecht nicht als sachfremd und damit nicht als Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 GG) angesehen werden kann. Zum anderen stellt die genannte Regelung lediglich eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentumsbegriffs (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) durch den Gesetzgeber dar. Die Planungshoheit der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 GG) wird nicht eingeschränkt. Eine Ergänzung der Baunutzungsverordnung wäre keine Ersatzlösung. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 23. Juni 1989 ihren Antrag Einstellung aller Atomwaffenversuche - Drucksache 11/2204 - zurückgezogen. 11972* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 8. August 1989 ihren Antrag Menschenrechte in Kolumbien — Drucksache 11/2404 — zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/2133 Drucksache 11/3316 Drucksache 11/4456 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/5910 Drucksache 11/583 Drucksache 11/1531 Drucksache 11/2362 Drucksache 11/3017 Drucksache 11/3644 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/2953 Ausschuß für Jugend, Famille, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/596 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 11/4019 Nr. 2.2, 2.3 Drucksache 11/4081 Nr. 2.4 Drucksache 11/4337 Nr. 3 Drucksache 11/4451 Nr. 2.3 Drucksache 11/4534 Nr. 2.2 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/4161 Nr. 2.11-2.17 Drucksache 11/4238 Nr. 2.4-2.8, 2.10, 2.11 Drucksache 11/4337 Nr. 8, 9, 11-21 Drucksache 11/4405 Nr. 3.5 Drucksache 11/4451 Nr. 2.7-2.14 Drucksache 11/4534 Nr. 2.8-2.16 Ausschuß für Jugend, Famille, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/4337 Nr. 22, 23 Drucksache 11/5051 Nr. 41 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/4161 Nr. 2.20 Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 22. August 1989 gemäß § 30 Absatz 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan nebst Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Bundesminister für Verkehr hat den Wirtschaftsplan 1989 und den Stellenplan zum Wirtschaftsplan 1989 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen genehmigt. Der Bundesminister für Post und Telekommunikation hat mit Schreiben vom 9. August 1989 gemäß § 31 der Posthaushaltsordnung den Nachtrag zum Haushaltsplan der Deutschen Bundespost für das Haushaltsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Beide Unterlagen liegen im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus.
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    Rede von Dr. Heinz Riesenhuber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich möchte mich hier für diese Debatte bedanken. Ich möchte mich insbesondere für die Beiträge der Kollegen Austermann und Zywietz bedanken, die eine Reihe von Punkten sehr konkret aufgearbeitet haben, denen ich nur zustimmen kann. Insofern will ich auch auf eine Reihe von Fragen nicht eingehen. Ich will auch die Diskussion, die wir heute vormittag über drei Stunden im Ausschuß zum THTR 300 geführt haben, hier nicht wiederholen. Ich möchte auch Einzelpunkte, wie den letzten Punkt, der vom Kollegen Zywietz aufgegriffen worden ist, nicht mehr im einzelnen durchdeklinieren. Die Richtigkeit seiner Aussage, daß man bei den Weltraumprojekten durchaus prüfen soll, ob man nicht langsamer herangehen kann, als es ursprünglich mal vorgesehen war, hat sich schon nach den Budgets der letzten Jahre gezeigt, denn Sie werden sehen, daß insbesondere bei den drei Großprojekten die Mittelabflüsse geringer waren, als es damals angenommen
    worden ist, und auch dies paßt in einen vernünftigen Rahmen.

    (Vosen [SPD]: Da haben Sie aber Glück gehabt!)

    — Was hier Glück ist und was Ergebnis einer vernünftigen Arbeit ist, wollen wir nicht unterscheiden. Das Wichtigste ist, daß das Ergebnis stimmt, und das Erfreuliche bei der Politik, die wir treiben, ist, daß das Ergebnis in einer vorzüglichen Weise stimmt, und das gilt nicht nur für den Forschungshaushalt.
    Was wir hier heute haben — ich begrüße das sehr —, ist eine Generaldebatte in einer ersten Lesung. Das ist beim Forschungsetat nicht sehr häufig gewesen. Insofern möchte ich einige der grundsätzlichen Überlegungen hier aufgreifen. Der Zuwachs von 5 % ist ein guter Zuwachs. Er war in der jetzigen Situation notwendig. Der Haushalt von 7,855 Milliarden DM ist — —

    (Vosen [SPD]: Wie Sie rechnen, verstehe ich nicht!)

    — Entschuldigen Sie, Sie können wirklich ausrechnen, wieviel im Jahr 1989 verfügbar ist — das ist im Haushalt ausgedruckt — und wieviel im Jahr 1990 verfügbar ist, was auch im Haushalt ausgedruckt ist. Die Differenz läßt sich hier durch Substraktion ermitteln, und dann läßt sich eine Bruchrechnung anwenden,

    (Fellner [CDU/CSU]: Das überfordert manche!)

    und die führt dann zu einem Zuwachs von 5 %.

    (Vosen [SPD]: Sie vergleichen Ist mit Soll!)

    — Nein, ich vergleiche hier nur verfügbares Soll mit Soll 1990. Herr Vosen, ich bin das einfach leid; wir haben das im Mai hier bis in die Puppen ausdekliniert. Ich bin auch gern bereit, das im Ausschuß nochmals vorzurechnen,

    (Vosen [SPD]: Das sollte man machen!)

    aber die Zeit der Plenardebatte hier mit derartigen Zahlenspielereien zu verbringen, die dreimal geklärt worden sind, ist an sich der Art der Debatte nicht ganz angemessen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Hier ergibt sich insgesamt folgendes. Ich weiß schon, daß der Beitrag des Bundes zur Forschungspolitik nur ein Ausschnitt ist; das gesamte Budget der Republik ist größer. Aber wir haben hier einen Beitrag, der in wesentlichen Bereichen strukturieren kann. Man sollte die gesamte Landschaft sehen. Herr Zywietz sagte an einer Stelle: Man reibt sich manchmal die Augen. Ich muß sagen: Aus den Beschreibungen dieser Landschaft durch die Opposition ist die Wirklichkeit nicht mehr ganz deutlich zu erkennen, und dies wird natürlich dann kritisch, wenn man daraus Konsequenzen ziehen will.
    Ich bin nicht der Auffassung, daß hier alles bequem und ideal ist, aber ich glaube, daß der Ausgangspunkt zu Beginn der 90er Jahre für die Bundesrepublik Deutschland gut ist. Batelle hat vor kurzem seinen neuen Vergleich der Industrienationen veröffentlicht. Dabei stellt sich heraus, daß seit 1985 der Anteil der



    Bundesminister Dr. Riesenhuber
    Forschung am Bruttosozialprodukt in den Vereinigten Staaten ständig weiter gefallen ist. Er liegt heute bei 2,49 %.
    Wir liegen in der Zwischenzeit bis auf das hundertstel Prozent mit Japan gleich auf. Wir liegen bei 2,90, die Japaner bei 2,91 %. Unsere Wachstumsrate war größer als die der Japaner. Gleichzeitig haben wir eine Strukturveränderung geschafft, die ich für entscheidend wichtig halte. Eine Industrienation ist in dem Maße erfolgreich, wie die Unternehmen ihr eigenes Geld auf ihre eigene Forschung setzen. Austermann hat an einer Stelle darauf hingewiesen. Weil dies so ist, ist ein hoher Beitrag der Industrie zum nationalen Forschungsbudget wertvoll.

    (Vosen [SPD]: Richtig!)

    Dies ist in den letzten Jahren gestiegen, und zwar bei einer Politik, die wir im Forschungshaushalt und darüber hinaus so angelegt haben, daß dies möglich war.
    Die Wirtschaft hat im Jahre 1982 56 % des Forschungshaushalts getragen. Sie trägt heute fast genau 65%. Das ist eine Steigerungsrate, die enorm ist, und dies bei einem Niveau, das uns im internationalen Vergleich an die absolute Spitze bringt. — Das ist ein Punkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Vosen [SPD]: Die Wirtschaft!)

    Nun sagt Herr Vosen: die Wirtschaft. Es stellt sich die Frage: Wie paßt das beides zusammen, der staatlich zu gestaltende Bereich und der der Wirtschaft? Denn dann, wenn der Staat nicht die Grundlagen, die Voraussetzungen und die Infrastrukturen schafft, kann die Wirtschaft nicht sinnvoll wachsen.
    Wir stellen heute fest, wir haben in der Bundesrepublik aus einer großen Tradition heraus eine einzigartige Wissenschaftslandschaft. Die Max-Planck-Gesellschaft hat in den letzten Jahren an Glanz gewonnen. Ich rede nicht von ihrer großen Tradition; ich rede auch nicht von den Nobelpreisen, die sie in den letzten Jahren immer wieder bekommen hat; im letzten Jahr waren es drei. Ich rede davon, daß sie immer attraktiver wird und daß ihre Berufungen von Wissenschaftlern aus dem Ausland, auch von ausländischen Wissenschaftlern aus den USA, immer überzeugender werden, weil man in der Welt weiß, daß die Arbeitsbedingungen hier in Deutschland gut sind, daß die Themen interessant sind und daß wir in wichtigen Bereichen an der Spitze der Forschung stehen.
    Der leise Erfolg der Fraunhofer-Gesellschaft, ihr ständiger Fortschritt, der Aufbau neuer Institute ist nicht jedem klar.

    (Vosen [SPD] : Was hat das mit Ihrer Politik zu tun?)

    Wenn wir die Fraunhofer-Gesellschaft Jahr für Jahr mit Steigerungsraten zwischen 8 und 10 % unterstützt haben, dann ist das natürlich Politik. Wenn wir die Fraunhofer-Gesellschaft ermutigt haben, neue Themen aufzugreifen — Austermann sprach vom Silicium-Institut in Schleswig-Holstein; das ist nur eines — , dann gehört es zu unserer Politik. Wenn wir die Fraunhofer-Gesellschaft ermutigt haben, neue Strukturen anzulegen, und diese es erfolgreich gemacht
    hat, dann gehört es zu unserer Politik. Wenn die Fraunhofer-Gesellschaft ihre Abhängigkeit von öffentlichen Geldern ständig gemindert hat und ihre Zuwendung zur Wirtschaft gesteigert hat und ihre Kooperation mit dem Mittelstand überproportional gesteigert hat und wenn sie ihre Erfinderberatung ausgebaut hat, dann ist das alles ein leiser Erfolg und eine Verbesserung der Infrastruktur der Republik, die die Wirtschaft erst in den Stand setzt zu bestehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Vosen [SPD]: Was hat das mit Ihrer Politik zu tun?)

    Die Großforschungseinrichtungen, die Leistungen in den letzten Jahren, die Umstrukturierung auf neue Bereiche, das Aufgreifen von Themen, die Verbünde zur Umweltforschung, die neuen Bereiche Informationstechnik, Mikrostrukturtechnik, das Aufgreifen ganz unterschiedlicher Bereiche aus alten Ansätzen, die Umwandlung von Festkörperphysik in neue Bereiche der Halbleiterforschung, dies ist eine Fülle von enormen Erfolgen, die leise sind, die aber Strukturen verändern und die Partnerschaft für die Industrie so aufbauen, wie wir sie brauchen.
    Jetzt können wir über die Veränderungen in den Universitätslandschaften, über die Genzentren, über die neue Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, über die Programme, mit denen wir die Kooperation angestoßen haben, reden und darüber, daß sich die Verträge zwischen Wissenschaft und Wirtschaft an den Universitäten in den letzten sechs Jahren im Volumen verdreifacht haben. Das ist noch keine Bedrohung der Freiheit der Forschung. Wir sind noch unter 10 % der Forschungsmittel der Hochschulen. Aber das zeigt, daß das, was in der Wissenschaft neu gefunden wird, von der Wirtschaft erkannt, umgesetzt und übertragen wird, daß die Strukturen stimmen, daß die Leute zusammenarbeiten und daß die Ziele deutlich werden.
    Ich bin mit den Fachinformationszentren nicht uneingeschränkt zufrieden. Aber daß sie in den letzten Jahren stärker geworden sind, daß der Kostendekkungsgrad gestiegen ist, daß die Literatur zeitgerecht und vollständig verfügbar ist, daß die mittleren Unternehmen und die Hochschulen lernen, sie wirklich zu nutzen, dies ändert die Strukturen.
    Ich möchte nicht im einzelnen darüber sprechen, welche Voraussetzungen wir hier geschaffen haben. Das Paradigma dieses Jahrzehnts war große Projekte zu allen Bereichen. Dies wird auch in den nächsten Jahren weiterwirken.
    Das gilt für die Hochenergiephysik. HERA in Hamburg ist ein Projekt von 1,4 Milliarden DM. Ich erinnere nur an das Argument — das hat immer wieder eine Rolle gespielt — , daß wir Großprojekte nicht hinkriegen werden. Es ist immer wieder gesagt worden, sie liefen aus der Kontrolle. Die Projekte, die diese Regierung seit 1982 begonnen hat — auch große Projekte —, sind in ihren Kosten beherrschbar geblieben. Bei einem der größten, bei HERA, sind wir auf den Punkt genau im Kostenrahmen geblieben. Das Projekt war mit 1,394 Milliarden DM veranschlagt,



    Bundesminister Dr. Riesenhuber
    und es wird mit 1,394 Milliarden DM zu Ende gebracht.

    (Hört! hört! bei der CDU/CSU)

    Was wir hier aufbauen — von der Astronomie über die Radioastronomie, die Satelliten in der Grundlagenforschung, die großen Forschungsschiffe „Polarstern" und „Meteor" bis zur Georg-von-NeumayerStation, wo jetzt eine Mannschaft junger Frauen 14 Monate überwintern wird — , sind Infrastrukturen, die in den nächsten Jahren tragfähig sein werden.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Und Löcher bohren!)

    — Und Löcher bohren. Das kontinentale Tiefbohrprogramm ist eines der glanzvollsten internationalen Projekte, um das sich Wissenschaften von der Seismik bis zur Lagerstättenkunde kristallisieren. Wir haben also einige Voraussetzungen in der Infrastruktur geschaffen.
    Ich freue mich übrigens, daß die wirklich nicht mehr nachvollziehbaren Aussagen zu den kleinen und mittleren Unternehmen richtiggestellt worden sind. Wie begründet werden soll, daß die Förderung mittelständischer Unternehmen im Haushalt des Forschungsministers drastisch zusammengestrichen worden sei, ist nicht nachvollziehbar. Der Haushalt des Forschungsministers hat im Jahr 1982 300 Millionen DM für diese Förderung ausgewiesen; in einer weiteren Abgrenzung etwa 340 Millionen DM. Demgegenüber sind es in diesem Jahr — je nach Abgrenzung — 560 bis 600 Millionen DM. Diese Erhöhung spricht eine eindeutige Sprache. Darüber ist mehrfach diskutiert worden. Das ist mehrfach vorgetragen worden. Wir haben das gemacht, weil wir wissen, daß die Dynamik der kleinen und mittleren Unternehmen den Erfolg auf den Weltmärkten in einer besonders eindrucksvollen Weise begründet hat.
    Die Projekte großer Unternehmen will ich nicht im einzelnen darstellen. Herr Austermann sprach beispielsweise vom 4-Megabit-Projekt. Viele haben gesagt, es sei völlig hoffnungslos, das zu beginnen. Die Tatsache, daß wir es begonnen haben, ist der Grund dafür, daß wir heute mit JESSI beginnen können, daß überhaupt der Wettlauf mit den großen Industrienationen, mit den Japanern aufgenommen werden konnte, daß wir jetzt fast zeitgleich mit ihnen stehen, daß JESSI die Chance eröffnet, daß Europa als Partner auf den Weltmärkten da ist und nicht nur eine Nation eine Schlüsseltechnik beherrscht, die dann letzten Endes das Wissen auch aus den mittelständischen Systemunternehmen heraussaugen wird.

    (Vosen [SPD]: Dann machen Sie doch endlich JESSI!)

    Das ist ein wesentlicher Erfolg.
    Wir haben bei den regenerativen Energien — ich habe angekündigt, ich werde das überall wiederholen, und ich werde das auch so lange tun, bis das wirklich ein Thema ist —

    (Jäger [CDU/CSU]: Das kapieren die sowieso nicht!)

    mit über einer viertel Milliarde DM im Jahr weltweit heute die höchsten Ausgaben für Forschung und Entwicklung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Bulmahn [SPD]: 1982 waren es 100 Millionen DM mehr!)

    Es ist größer als das, was die Vereinigten Staaten haben. Es ist größer als das, was Japan hat. Es ist größer als das — das wurde zu Recht gesagt — , was alle anderen EG-Nationen gemeinsam ausgeben. Wir gehen dabei — Herr Austermann sprach davon — bis an die Grenze dessen, was der Forschungsminister auf Grund des Ressortauftrags darf. Das 100-MW-Windprogramm ist ein Programm an der Grenze dessen, wo über die Markteinführung disputiert werden könnte. Insofern bin ich sehr dankbar über die Unterstützung des Parlaments auch in dieser Frage.
    Ich verstehe auch nicht die Aussage — das könnte man jetzt alles untersuchen — , daß Bruchteile von Prozenten für Umweltforschung vorgesehen seien. Das ist wirklich nicht mehr nachzuvollziehen. Es geht hier um Vorsorgeforschung. Dabei ist der größte Brokken Umweltforschung; an anderen Stellen wurden die Zahlen genannt. Den Anteil dieses Brockens haben wir weiter erhöht. Das sind jetzt 13,6 % des Haushalts. Das ist ständig — 1982 waren es noch etwas über 9 % — überproportional gestiegen.
    Dann gibt es die ökologische Wirkungsforschung. Man sollte es nicht glauben, aber es ist gesagt worden, daß das einfach eine Frage des Geldes sei. Das, was wir in den vergangenen Jahren aufgebaut haben, war ein systemares Denken, ein Zusammenfügen der Wissenschaften, so daß die einzelnen Probleme von den unterschiedlichen Bereichen erkennbar sind.
    Ich sage also, daß die Ausgangslage gut ist. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß wir in den 90er Jahren vor einigen feisten Aufgaben stehen, bei deren Lösung wir uns noch außerordentlich anstrengen müssen.
    Wir haben als Exportnation eine starke Stellung in Europa und vielleicht auch gegenüber den Vereinigten Staaten. Unsere Position gegenüber den schnell wachsenden Ländern in Südostasien könnte ich mir stärker vorstellen. Die Dynamik, hier mitzumachen, ist eine unserer Aufgaben. Dies jetzt auszudifferenzieren können wir in der begrenzten Zeit nicht schaffen.
    Lassen Sie mich ein anderes Grundsatzproblem ansprechen. Wir werden in den nächsten Jahren die letzten großen starken Jahrgänge junger Wissenschaftler und Techniker haben; das ist nicht nur ein Problem, sondern eine Chance. Wir empfinden dies heute überwiegend als Last. Ab Mitte der 90er Jahre werden wir erkennen, was wir schon heute bei den Lehrlingen erkennen, daß wir nämlich diese Generation nutzen müssen, um sie in die bestmöglichen Ausbildungen in Wissenschaft und Technik zu geben, damit sie hier, wenn die großen starken Pensionsjahrgänge kommen, in die Verantwortung eintreten und dies weitertragen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Bundesminister Dr. Riesenhuber
    Wir müssen die Voraussetzungen schaffen, daß ein größerer Teil an Frauen in der Wissenschaft wirklich seinen Platz findet unter Berücksichtigung dessen, was Frauen in ihrem persönlichen Lebensvollzug an Möglichkeiten, aber auch an Belastungen haben.
    Wir müssen schauen, daß — dies alles gehört dazu — ein junger Wissenschaftler wirklich als junger Mensch Wissenschaftler sein kann. Wenn ein Chemiker mit 29, 30 Jahren in den Beruf kommt, dann ist er so ganz jung ja nicht mehr. Die Frage, fünf kreative Jahre zu verschenken, ist für eine Industrienation eine ganz grundsätzliche Frage. Wenn dann noch dazukommt, daß man die Leute bis 30 Jahre in einer präexistentiellen Abhängigkeit als Studenten oder Doktoranden hält, dann müssen sie ja langsam sauer werden. Das ist nicht gut für das, was sie hernach tun sollen. Wenn die Leute sauer sind, dann wird das, was passieren soll, in der Regel schlecht.

    (Frau Ganseforth [SPD]: Vielleicht ändern Sie mal etwas am BAföG!)

    Ich möchte nicht darstellen, wie wir das angegangen haben: die Nachwuchsprogramme der Großforschungseinrichtungen, die enge Zusammenarbeit der Wissenschaftler, die wachsende Zahl der Diplomanden.

    (Frau Bulmahn [SPD]: Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein!)

    Ich spreche hier auch nicht über das Zwei-MilliardenDM-Programm, das wir angelegt haben. Das ZweiMilliarden-Programm über sieben Jahre ist ein beachtlicher Betrag.
    Jetzt aber möchte ich Relationen geben, weil Sie von dem Tropfen auf den heißen Stein sprechen. In der gleichen Zeit hat der Forschungsminister, ohne daß wir dies als großartige Programme verkaufen, seine Zuwendungen an die Universitäten auf über 600 Millionen DM pro Jahr mehr als verdoppelt. Das ist in den sieben Jahren also irgend etwas bei über 4 Milliarden DM. Wir sprechen über sehr große Beträge, und wir versuchen, hier zu helfen.
    Es gehört dazu, daß wir die Integration der Wissenschaften in Europa voranbringen, daß wir kleineren Ländern helfen, ihre eigenen Wissenschaftsstrukturen aufzubauen. Es gehört dazu, daß wir Portugal, Griechenland, Irland oder Spanien als Partner wirklich voll akzeptieren, daß wir mit ihnen nicht nur einen Austausch von Stipendien haben oder sie zu Stipendien einladen, sondern mit ihnen zunehmend gemeinsame Projekte durchführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Gegenruf des Abg. Vosen [SPD]: Wer war das?)

    Es gehört dazu, daß wir die Programme der Europäischen Gemeinschaft immer stärker prägen, und zwar so, wie es der Verantwortung der stärksten Wissenschafts- und Industrienation in Europa entspricht.
    Es gehört auch dazu — ich bin für diese Hinweise sehr dankbar —, daß wir sehr ehrgeizige große Projekte in Europa grenzüberschreitend aufgreifen. Die 90er Jahre werden entscheiden, ob wir als Industrienation, nicht als Deutsche allein, sondern als Europäer, in Zukunft bestehen.
    Um hier nur einen Punkt herauszugreifen: Hochauflösendes Fernsehen war Anfang der 80er Jahre eine Sache, die für die Europäer praktisch als abgemeldet galt. Es galt als herrschende Lehre: Die Japaner werden die Märkte haben. Wir haben das Programm aufgebaut. Wir haben es als Deutsche begonnen, Partner in Europa gewonnen. Heute verhandeln wir mit der Sowjetunion darüber, daß — Gorbatschow hat es uns grundsätzlich zugesagt — unsere europäische Norm auch für die Sowjetunion gilt. Das ändert Strukturen weit über die Märkte hinaus im Verständnis der Völker über die Grenzen hinweg.

    (Vosen [SPD]: Da seien Sie Gorbatschow sehr dankbar!)

    Zur Informationstechnik, Prometheus, Sicherheit auf den Straßen, JESSI — ich habe das angesprochen —,

    (Vosen [SPD]: Wann kommt das denn?)

    zum digitalen Mobilfunk, zu ganz unterschiedlichen Bereichen gehört es, starke Industrien aufzubauen und Märkte zu gestalten.
    Dazu gehört natürlich, daß der Staat versteht, was an Problemen aufkommt. Das ist der Grund, weshalb wir die Vorsorgeforschung ständig und überproportional gesteigert haben, weshalb wir Technikfolgenabschätzung — das Stichwort fiel zu meiner Überraschung heute überhaupt noch nicht — ständig weiter gesteigert haben. Wir schätzen heute, daß dies in einer engen Abgrenzung 100 Millionen DM in unserem Haushalt ausmacht.
    Dazu gehört, daß wir neue Fragen rechtzeitig erkennen und aufgreifen, wie das Problem der Alternsforschung, das wir zusammen mit dem Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit aufgegriffen haben, um rechtzeitig zu begreifen, wie ein gesundes und selbständiges Alter in Kompetenz der Menschen möglich ist und sie ihr Leben aus eigener Verantwortung gestalten können. Wir wollen es so aufbauen, daß wir technisch in den Märkten erfolgreich sind, daß wir Umwelt zurückgewinnen und gestalten, daß wir in Partnerschaft mit Ländern der Dritten Welt, in Partnerschaft mit allen Ländern eine Welt aufbauen, wo wir als Industrienationen erfolgreich sind, aber wo wir vor allem verstehen, was wir tun, Risiken beherrschen, Verantwortung tragen und mit dieser Verantwortung die Zukunft so gestalten, daß auch unsere Kinder gerne leben und arbeiten werden. Dafür wollen wir mit Zuversicht zusammenarbeiten, ich hoffe, über alle Fraktionen des Parlaments hinweg. Ich glaube, das ist für die Langfristigkeit und Kontinuität der Politik, die wir betreiben, von entscheidender Bedeutung. In diesem Sinn auf fröhliche Beratungen!
    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Wir kommen zur nächsten Runde. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schmidt (Nürnberg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Renate Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Die Diskussion über den Haushalt 1990 ist



    Frau Schmidt (Nürnberg)

    von seiten der Regierung und der Koalitionsfraktionen bisher weitgehend davon geprägt, die Vergangenheit aufzuarbeiten und dabei die jüngste Vergangenheit trotz Gesundheitsreform, trotz unsozialer Steuerreform, trotz Quellensteuerdesaster glänzend und die etwas länger zurückliegende sozialliberale Regierungszeit als eine Periode schwärzesten Unglücks für diese Republik darzustellen. Herr Rühe hat hier gestern

    (Kolb [CDU/CSU]: Eine glänzende Rede gehalten!)

    ein besonders übles Beispiel dafür geliefert, wie Tatsachen verdreht und der politische Gegner in den Schmutz gezogen wird,

    (Beifall bei der SPD)

    und dies aus dem Grund, sich seiner Partei als Generalsekretär zu empfehlen und sich bei den Wählern einer anderen Partei anzubiedern. Wenn von Parteienverdrossenheit gesprochen wird, dann hat dies seinen Grund nicht zuletzt in Beiträgen wie denen des designierten Generalsekretärs der CDU.
    Die Menschen hier in der Bundesrepublik wissen doch aus eigener Lebenserfahreung, daß keine Regierung — auch wir damals nicht, aber auch Sie heute nicht — alles richtig oder alles falsch macht.

    (Vorsitz : Vizepräsidentin Renger)

    Es interessiert sie überhaupt nicht, wenn zum 223. Mal Vorwürfe wiederholt werden oder mit immer neuen Zahlenspielereien das Schlechte als gut und das Gute eher als schlecht dargestellt wird. Im Politikbereich Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, der die Menschen besonders interessiert, weil er ihr alltägliches Leben betrifft, erwarten die Bürgerinnen und Bürger etwas ganz anderes. Erstens. Sie möchten darauf vertrauen können, daß wir ihre Lebenssituation erkennen. Zweitens. Sie möchten, daß wir daraus die richtigen Konsequenzen ziehen und vor allem dort Gerechtigkeit und Ausgleich schaffen, wo dies nötig ist. Drittens. Sie möchten, daß wir die Konsequenzen unseres politischen Handelns nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für die nächste Zukunft berücksichtigen. Sie verlangen von uns zu Recht, absehbare Veränderungen in der Zukunft in unser heutiges politisches Handeln mit einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund möchte ich den Haushalt des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit messen, und mit dem, was Sie als Kernstück Ihrer Politik beginnen, nämlich der Familienpolitik.
    Ich will mich der Versuchung entziehen, hier ein Bild zu malen, was auch für viele Familien richtig ist, ein Bild von Familien, die unter der Last ihrer materiellen Belastung stöhnen. Aber ich glaube, den Familien ist mit Schönfärberei ebenfalls nicht gedient. Wir wissen nämlich, daß das verfügbare Einkommen von Menschen mit Kindern gegenüber Menschen ohne Kinder dramatisch abnimmt. Wir wissen, daß der monatliche Lebensunterhalt — hier beziehe ich mich auf Ihre Schätzungen — bei mindestens 550 DM für ein Kind liegt, wir wissen, daß Eltern, je nachdem, welche Ausbildung sie ihren Kindern finanzieren, auf ca. 200 000 bis 400 000 DM gegenüber Kinderlosen verzichten. Wir wissen, daß viele Menschen inzwischen
    bewußt auf Kinder verzichten oder weniger Kinder haben, als sie sich wünschen, weil sie diese Konsequenzen hinzunehmen nicht bereit oder in der Lage sind.
    Deshalb, Frau Ministerin, ist Ihre Aussage nicht richtig, daß der Familienlastenausgleich den Vorstellungen junger Paare entspricht. Familien haben im Gegenteil das Gefühl: Der Kinderlastenausgleich ist nicht gerecht.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Immerhin leben bereits 30 % der Bevölkerung der Bundesrepublik lebenslang ohne Kinder. Deshalb halten wir den Kinderlastenausgleich, den Sie mit Ihrem Haushalt vorlegen, für kurzsichtig und verfehlt, verfehlt, weil die Masse der Kinder, nämlich die Erstkinder, leer ausgeht. Wir wissen aber, daß dort der größte Bedarf besteht. Er ist verfehlt und kurzsichtig, weil das komplizierte System aus Steuerfreibeträgen, einkommensabhängigem Kindergeld und Kindergeldzuschlag gerade die Familien mit ganz geringem Einkommen benachteiligt. Die Überschuldung gerade dieser Familien müßte dieser Ministerin Anlaß sein, endlich zu handeln.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wir schlagen Ihnen deshalb einen ganz anderen Weg vor, und wir werden diesen Weg ab 1991 durchsetzen: Wir wollen für jedes Kind, und zwar ab dem ersten Kind, ein einheitliches Kindergeld von 200 DM zahlen und für Familien mit mehr als drei Kindern nochmal einen Zuschlag von 200 DM monatlich. Dies würde bedeuten, daß eine Familie mit zwei Kindern gegenüber dem heutigen System 32 000 DM mehr für ihre Kinder zur Verfügung hätte.
    Wir können das auch finanzieren, indem wir das Ehegatten-Splitting beschränken; ich sage noch einmal ganz deutlich: beschränken, aber nicht etwa abschaffen. Selbstverständlich werden wir dabei dafür sorgen, daß die kinderlosen Paare, die in früheren Jahren unter großen Entbehrungen Kinder großgezogen haben, daß die Mütter, die als 45- oder 50jährige keine Chancen mehr hatten, in den Beruf zurückzukehren, davon keine Nachteile haben.

    (Zuruf)

    — Die können wir Ihnen spitz vorrechnen. Kommen Sie gerne in mein Büro; ich mache es mir zum Anliegen, Sie darüber aufzuklären.
    Aber die Tatsache, daß der Tatbestand Ehe dem Staat mehr wert ist als der Tatbestand Kind, kann nicht länger hingenommen werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Familienlastenausgleich ist ungerecht, weil einkommenschwache Familien benachteiligt werden, bürokratisch, weil er für niemanden kalkulierbar und durchschaubar ist, welcher Betrag zur Verfügung steht. Demgegenüber ist unser Vorschlag gerecht, weil er einen besseren Ausgleich zwischen Menschen mit Kindern und Menschen ohne Kinder herstellt.

    (Frau Limbach [CDU/CSU]: Aber nur bei einem Kind!)




    Frau Schmidt (Nürnberg)

    — Nein, einschließlich fünf, sechs, sieben, acht, neun und zehn Kinder; wir rechnen es Ihnen vor.

    (Frau Limbach [CDU/CSU]: Nein, nein! Rechnen!)

    Unser Vorschlag ist gerecht, weil endlich mit dem Skandal aufgeräumt wird, daß das Kind einer Verkäuferin oder eines Briefträgers 98 DM und das Kind des Kaufhausdirektors oder des Ministers dem Staat 166 DM wert ist.
    Unser Vorschlag ist unbürokratisch und für Familien kalkulierbar, weil sie endlich jeden Monat wissen, welcher Betrag ihnen zur Verfügung steht. Nicht zuletzt: Unser Vorschlag ist seriös und finanzierbar.
    Wir wissen aber, und wir berücksichtigen das, daß der Staat keinen vollständigen Ausgleich schaffen kann, insbesondere dann nicht, wenn Mütter über sehr lange Zeiträume oder gar vollständig aus dem Erwerbsleben ausscheiden oder ausscheiden müssen.
    Aber auch hier wissen wir — und darauf müssen wir reagieren — , was Mütter und zunehmend auch einige Väter wollen: Sie wollen Zeit haben, sich um ihre Kinder zu kümmern, vor allem, solange sie noch klein sind, und sie möchten möglichst bald ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnehmen.
    Junge Frauen wollen sich heute, wie es für Männer bisher selbstverständlich war, nicht mehr für Beruf oder Kinder entscheiden müssen, sondern Familie und Beruf miteinander verbinden. In der Familienarbeit hat sich die traditionelle Rollenverteilung jedoch nicht im gleichen Ausmaß verändert. Erwerbsbeteiligung bedeutet heute für viele Frauen immer noch eine untragbare Überforderung oder aber den Verzicht, berufliche Chancen zu realisieren und berufliche Wünsche zu erfüllen.
    Wir halten es deshalb für richtig, daß der bezahlte Erziehungsurlaub verlängert werden soll. Wir widerstehen der Versuchung, als Opposition zu verlangen, daß jetzt sofort und gleich und auf der Stelle dieser bezahlte Urlaub auf drei Jahre, wie es richtig wäre und wie es in Ihren Programmen und unseren Programmen steht, verlängert werden soll.
    Aber wir fragen Sie dennoch, warum Sie das darüber hinaus Notwendige und Mögliche nicht getan haben, warum Sie die Bedürfnisse von Müttern so wenig erkannt haben und warum Sie Absichtserklärungen so wenig konkretes Handeln folgen lassen.
    Wir wissen: Eines der größten Probleme von Müttern ist die Rückkehr in den Beruf, nachdem sie ganz oder überwiegend ihre Kinder betreut haben. Wir halten deshalb unabhängig von der Dauer des bezahlten Elternurlaubs eine dreijährige Arbeitsplatzgarantie für dringend erforderlich, und wir werden diese ab 1991 durchsetzen.

    (Beifall bei der SPD — Link [Diepholz] [CDU/ CSU]: Wie denn?)

    Zu einem Gesamtkonzept der Vereinbarkeit von Familie und Beruf vermissen wir die Aussagen in Ihrem Haushalt. Wir vermissen den Finanzbedarf für die von Ihnen angekündigte Reform des Jugendhilferechts, und zwar vor allen Dingen den Finanzbedarf für den Rechtsanspruch auf Kindergartenbetreuung für Kinder vom 3. bis zum 6. Lebensjahr. Ohne einen solchen Rechtsanspruch ist die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf schlichtweg nicht möglich. Heute gibt es in Niedersachsen gerade für jedes zweite Kind einen Kindergartenplatz. Wir sind in Europa Schlußlicht bei der Frage der Kindergartenbetreuung, wir sind Schlußlicht bei der Frage von Tagesmüttern. Wir haben bei 14 Millionen Kindern, die es in der Bundesrepublik insgesamt gibt, gerade knapp 30 000 Krippenplätze.
    Wir sind Schlußlicht in ganz Europa. Wir sind Schlußlicht auch bei der Frage von Ganztagsschulen. Wir sind das einzige Land, das sich den Luxus leistet, das Ganze nur unter ideologischen Gesichtspunkten zu diskutieren.

    (Beifall bei der SPD — Zustimmung der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Es wäre ein erster Schritt, im Jugendhilferecht endlich den Rechtsanspruch auf Kindergartenbetreuung unter Beteiligung des Bundes zu schaffen.