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    Plenarprotokoll 11/157 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 157. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung) : a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/5000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1989 bis 1993 (Drucksache 11/5001) Dr. Penner SPD 11835 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 11841 C Frau Trenz GRÜNE 11844 C Frau Seiler-Albring FDP 11845 D Dr. Schäuble, Bundesminister BMI 11847 D Wüppesahl fraktionslos 11852 B Deres CDU/CSU 11854 A Häfner GRÜNE 11855 C Funke FDP 11857 B Engelhard, Bundesminister BMJ 11858 A Roth SPD 11859 C Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 11865 A Kleinert (Marburg) GRÜNE 11868 D Wissmann CDU/CSU 11871 D Dr. Jens SPD 11874 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 11877 B Rossmanith CDU/CSU 11880 A Hinsken CDU/CSU 11882 B Schäfer (Offenburg) SPD 11883 D Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 11888 C Dr. Knabe GRÜNE 11890 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 11892 D, 11962 D Lennartz SPD 11895 A Dr. Laufs CDU/CSU 11897D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 11899A Vosen SPD 11904 B Schmidbauer CDU/CSU 11905 D Frau Bulmahn SPD 11908 A Austermann CDU/CSU 11910 C Frau Rust GRÜNE 11913 A Zywietz FDP 11914 B, 11930 C Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 11917 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 11920 D Dr. Hoffacker CDU/CSU 11925 B Frau Walz FDP 11927 C Frau Schoppe GRÜNE 11928 D Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 11932 B Dreßler SPD 11935 B Strube CDU/CSU 11942 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 11944 B Günther CDU/CSU 11946 B Dr. Thomae FDP 11949 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 11950 C Roth (Gießen) CDU/CSU 11954 B Dr. Struck SPD 11956 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Frau Rust GRÜNE 11964 A Dr. Waigel, Bundesminister BMF 11964 C Nächste Sitzung 11970 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11971* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11971* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 11835 157. Sitzung Bonn, den 6. September 1989 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 07. 09. 89 * Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Büchner (Speyer) SPD 07. 09. 89 * Eich GRÜNE 07. 09. 89 Frau Eid GRÜNE 07. 09. 89 ** Frau Fischer CDU/CSU 07. 09. 89 ** Frau Geiger CDU/CSU 07. 09. 89 ** Genscher FDP 07. 09. 89 Heimann SPD 07. 09. 89 Dr. Holtz SPD 07. 09. 89 ** Frau Hürland-Büning CDU/CSU 07. 09. 89 Klein (Dieburg) SPD 07. 09. 89 Dr. Klejdzinski SPD 07. 09. 89 ** Dr. Kreile CDU/CSU 07. 09. 89 Kretkowski SPD 07. 09. 89 Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 07. 09. 89 Frau Luuk SPD 07. 09. 89 ** Lüder FDP 07. 09. 89 Magin CDU/CSU 07. 09. 89 Marschewski CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Müller CDU/CSU 07. 09. 89 * Niggemeier SPD 07. 09. 89 Dr. Nöbel SPD 07. 09. 89 Frau Pack CDU/CSU 06. 09. 89 Regenspurger CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Scheer SPD 07. 09. 89 Frau Schilling GRÜNE 07. 09. 89 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 07. 09. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Sielaff SPD 06.09.89 Dr. Stercken CDU/CSU 07. 09. 89 ** Tietjen SPD 07.09.89 Vahlberg SPD 07.09.89 Westphal SPD 07. 09.89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 07. 09. 89 ** Dr. Wulff CDU/CSU 07. 09. 89 ** Zierer CDU/CSU 07. 09. 89 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 30. Juni 1989 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Gesetz über die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank (DSL Bank-Gesetz - DSLBG) Drittes Gesetz zur Änderung des Milchgesetzes Gesetz zur Einführung eines Dienstleistungsabends Anlagen zum Stenographischen Bericht Gesetz über die achtzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und zur Änderung von Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe (KOV-Anpassungsgesetz 1989 - KOVAnpG 1989) Gesetz zur Änderung von Vorschriften der See-Unfallversicherung in der Reichsversicherungsordnung Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1989 (Nachtragshaushaltsgesetz 1989) Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes Gesetz zur Errichtung neuer Freihäfen und zur Änderung des Zollgesetzes Sechstes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes Gesetz über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten (Rettungsassistentengesetz - RettAssG) Zwölftes Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften Achtes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Aussiedler und Übersiedler Gesetz zur Änderung des Bundespersonalvertretungsgesetzes Gesetz zur Änderung des Raumordnungsgesetzes ... Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften Gesetz zur Aussetzung der Verlängerung des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes Sechstes Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes Gesetz zu dem Protokoll vom 14. November 1988 über den Beitritt der Portugiesischen Republik und des Königreichs Spanien zur Westeuropäischen Union Gesetz zur Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft (LaFG) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf eine Ergänzung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Baugesetzbuch mit dem Ziel hinzuwirken, daß durch Festlegung konkreter Grenzwerte für Tierbestände die Privilegierung beim Bauen im Außenbereich eingeschränkt wird. Diese Ergänzung würde das vorrangige Anliegen des Gesetzes, das Entstehen neuer Tiergroßbestände zu erschweren, wesentlich unterstützen. Der vorgeschlagene Ausschluß der übergroßen Tierbestände von der Privilegierung des Bauens im Außenbereich stellt ein hochwirksames Instrument zur Erschwerung industrieller Tiermast dar. Die hiergegen erhobenen Bedenken sind einmal deshalb unbegründet, weil die Berücksichtigung agrarpolitischer Zielvorstellungen im Bauplanungsrecht nicht als sachfremd und damit nicht als Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 GG) angesehen werden kann. Zum anderen stellt die genannte Regelung lediglich eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentumsbegriffs (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) durch den Gesetzgeber dar. Die Planungshoheit der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 GG) wird nicht eingeschränkt. Eine Ergänzung der Baunutzungsverordnung wäre keine Ersatzlösung. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 23. Juni 1989 ihren Antrag Einstellung aller Atomwaffenversuche - Drucksache 11/2204 - zurückgezogen. 11972* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 8. August 1989 ihren Antrag Menschenrechte in Kolumbien — Drucksache 11/2404 — zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/2133 Drucksache 11/3316 Drucksache 11/4456 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/5910 Drucksache 11/583 Drucksache 11/1531 Drucksache 11/2362 Drucksache 11/3017 Drucksache 11/3644 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/2953 Ausschuß für Jugend, Famille, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/596 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 11/4019 Nr. 2.2, 2.3 Drucksache 11/4081 Nr. 2.4 Drucksache 11/4337 Nr. 3 Drucksache 11/4451 Nr. 2.3 Drucksache 11/4534 Nr. 2.2 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/4161 Nr. 2.11-2.17 Drucksache 11/4238 Nr. 2.4-2.8, 2.10, 2.11 Drucksache 11/4337 Nr. 8, 9, 11-21 Drucksache 11/4405 Nr. 3.5 Drucksache 11/4451 Nr. 2.7-2.14 Drucksache 11/4534 Nr. 2.8-2.16 Ausschuß für Jugend, Famille, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/4337 Nr. 22, 23 Drucksache 11/5051 Nr. 41 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/4161 Nr. 2.20 Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 22. August 1989 gemäß § 30 Absatz 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan nebst Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Bundesminister für Verkehr hat den Wirtschaftsplan 1989 und den Stellenplan zum Wirtschaftsplan 1989 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen genehmigt. Der Bundesminister für Post und Telekommunikation hat mit Schreiben vom 9. August 1989 gemäß § 31 der Posthaushaltsordnung den Nachtrag zum Haushaltsplan der Deutschen Bundespost für das Haushaltsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Beide Unterlagen liegen im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist 14 Uhr, das Fernsehen ist abgeschaltet

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Nein, nein!)

    — so sagt man mir — , man hat 13 Minuten Zeit, um in seiner Eigenschaft als wirtschaftspolitischer Sprecher und Parteivorsitzender die Weltwirtschaft und die deutsche Wirtschaft zu erklären.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Das Schlimmste ist, daß das Fernsehen abgeschaltet ist! — Frau Matthäus-Maier [SPD]: Sie können es auch lassen!)

    — Ich will es ja gerade nicht lassen. — Ich habe mein Manuskript einmal beiseite gelegt; wie es ordentlich vorbereitet ist, ist es heute morgen schon verteilt worden. Ein Teil der Journalisten wird gar nicht merken, daß man den verteilten Text nicht vorgetragen hat. Man muß auch nicht ganz so verbiestert diskutieren. Im übrigen hat Herr Roth recht: Die Wirtschaftspolitiker haben das eigentlich nie getan.
    Meine Damen und Herren, als ich heute morgen die Morgenzeitungen gelesen hatte und dann an meinen Kleiderschrank ging, um meinen Schlips sorgfältig auszuwählen, habe ich gedacht: An diesem Tage, bei diesen traurigen Ereignissen für die Opposition machst du hier wenigstens farblich eine Freude.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

    Frau Matthäus-Maier hat es vorhin gemerkt und hat auch richtig darauf reagiert. Was soll sich eine Bundesregierung eigentlich besseres wünschen? Sie kann sich die konjukturelle Landschaft, so wie sie sich darstellt, kaum schöner malen: Die Wirtschaft wächst wie schon lange nicht mehr, Sie kennen die Überschriften alle. Kein Wunder, daß Wirtschaftsminister und Finanzminister — der Finanzminister ist noch nicht da — so strahlend aussehen wie eine Neuauflage von Plisch und Plum.

    (Heiterkeit bei der FDP)

    Meine Damen und Herren, sie haben auch allen Grund dazu; ich will deshalb nicht weiter darüber sprechen. Die Opposition bemüht sich redlich, die schwarzen Tupfer zu finden — ist das nun richtig? Egal — , die Nischen zu finden, in die man etwas Salz hineinstreuen kann, aber allzuviel ist es ja nicht.
    Andererseits — ich habe es mir einmal angesehen — waren wir zufällig nicht die einzigen, die vor zwei Tagen die erste Lesung eines Haushalts debattiert haben. Es waren noch ein paar Länderparlamente, die dasselbe taten. Mit umgekehrten Fronten konnten Sie überall dieselben Schlagzeilen lesen. Manchmal frage ich mich, wie ernst uns die Bürger im Lande eigentlich noch nehmen oder ob sie das — nicht nur in Bonn, sondern auch in den Länderparlamenten — nicht als ziemliches Imponiergehabe ansehen, was wir gelegentlich betreiben.
    Ich wollte mich heute, wie viele von Ihnen das auch getan haben, zum Thema Umwelt und Marktwirtschaft äußern. Ich bestätige noch einmal: Ich habe das Gesprächsangebot von Peter Glotz nicht nur für mich, sondern für die FDP angenommen. Ich wiederhole die Bereitschaft. Aber, meine Damen und Herren, wir sollten solche Gespräche nicht auf Schloß Crottorf oder in der saarländischen Vertretung — dort wird der Koch besser sein als im Schloß Crottorf — betreiben, sondern wir sollten das hier im Parlament tun. Hier gehört es her. Es ist bei der Bedeutung dieses Themas nicht ausreichend, dies in einer Haushaltsdebatte zwischen dem ganzen Kraut und Rüben, was man dabei besprechen muß, zu tun.

    (Roth [SPD]: Gutes Angebot!)

    Vielleicht ist es sinnvoll, daß sich die Fraktionen einmal einfallen lassen, zu diesem Thema eine Große Anfrage zu stellen, eine möglichst kurze, damit sie schnell beantwortet werden kann und wir bald zur Diskussion kommen, und man sich wirklich Zeit nimmt, diese in der Tat wichtige Frage gründlich zu



    Dr. Graf Lambsdorff
    erörtern. Ich muß mich auf ein paar kurze Anmerkungen beschränken.
    Ich warne noch einmal, meine Damen und Herren
    — dies geht an die sozialdemokratische Fraktion — vor diesem, ich darf das einmal so nennen: Knopfdruckverständnis von Wirtschaft, das aus vielen Ihrer Vorstellungen immer wieder hervorleuchtet: Ausstieg aus der Kernenergie, möglichst gleich und sofort, ökologischer Umbau der Industriegesellschaft, ganz schnell. — Wir werden in unseren Gesellschaften keine Brüche und keine bruchartigen Entwicklungen betreiben können und, hoffe ich, wollen, sondern wir werden einen allmählichen, nicht zu langsamen, aber behutsamen und schadensfreien Wandel betreiben müssen.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Auf „behutsam" kommt es an, wie schnell das geht!)

    — Es kommt auf „behutsam" an, und es kommt — Dahrendorf hat neulich in der „Zeit" Karl Popper mit diesem Hinweis zitiert — darauf an, daß wir in einem Zeitalter langsamen und vorsichtigen Wandels leben und nicht der Revolution und nicht der Brüche.

    (Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Wir haben aber keine Zeit!)

    — Wir haben wenig Zeit; ich weiß das sehr wohl. Trotzdem sage ich Ihnen: Sie richten mit bruchartigen Entwicklungen auf diesem Gebiet auch für die Umwelt eher Schaden an, als daß Sie etwas Vernünftiges bewirken.
    Wir wissen, daß es ein marktwirtschaftliches Patentrezept, d a s Patentrezept, nicht geben kann. Eine grundsätzliche Umgestaltung des Steuersystems hin zu einer ökologischen Steuer, und voll ausgerichtet nach diesem Prinzip, ist in meinen Augen eine naive Vorstellung.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Das fordern wir nicht!)

    Steuern sind und bleiben eine verläßliche Einnahmequelle für den Finanzminister. Ökosteuern rechtfertigen sich dadurch, daß sie am Schluß nicht mehr eingebracht werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Aber auch im Steuersystem muß langfristige Verläßlichkeit die Grundlage bleiben, wie in jeder Wirtschaftspolitik, wie auch in jeder Umweltpolitik.
    Das Stichwort Energiepreise fällt in diesem Zusammenhang immer wieder. Es hat heute morgen eine interessante Diskussion zwischen den beiden größten Fraktionen dieses Hauses gegeben. Sie wetteiferten im Grunde darum, daß sie möglichst niemanden belasten und möglichst niemandem wehtun.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Auch falsch! — Stahl [Kempen] [SPD]: Sie vereinfachen! Das ist doch unmöglich!)

    — Nein, nein, das war schon so. — Ich fand, daß der nachfolgende Hinweis von Herrn Kleinert nicht ganz falsch war — ich habe selten gemeinsame Auffassungen mit den Sprechern der GRÜNEN und sicherlich auch mit Herrn Kleinert — : Wenn wir die Menschen nicht wirklich belasten, so daß es ihnen wehtut, gibt es
    keinen Spareffekt und gibt es auch keinen Substitutionseffekt.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Wir tun nicht weh!)

    Es ist eine Politik nach dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß", wenn ich mich bemühe, all denen, die das Auto brauchen und viel Benzin verbrauchen, auf irgendeine Weise — das wird zwar nicht ganz genau ankommen; das haben Sie zu Recht gesagt; Sie treffen nicht jeden individuell — Ersatz zu schaffen. Die Besserverdienenden besteuere ich höher: Die können es sich sowieso leisten, die fahren weiter. Da passiert umweltpolitisch überhaupt nichts. Da wird nur ein Umverteilungsmechanismus in Gang gesetzt.
    Wer CO2 für ein Umweltproblem hält — und dies ist ein Problem — , der muß dann natürlich auch über die Kohle reden, so bitter das ist, aber mit allen Vorsichtsmaßnahmen, daß am Ende auch da wieder nichts passiert.
    Das heißt: Wer über diese Probleme spricht, wird auch unerfreuliche Konsequenzen nennen müssen.
    Frau Matthäus-Maier, Sie haben vorgestern wieder über den außenwirtschaftlichen Aspekt ganz schnell hinweggeredet. Ich rede nicht darüber, daß eine rein national begrenzte massive Verteuerung von Energie — nehmen wir einmal nur die Energie — sich beim Bruttosozialprodukt niederschlägt, in die Indizes geht und diese international schwer vergleichbar macht. Über das alles könnten wir noch hinwegkommen. Aber daß es bei offenen Grenzen in der Bundesrepublik einen Importwettbewerb gibt, bei dem Sie die Konkurrenten der Bundesrepublik zu Lasten deutscher Arbeitsplätze und deutscher Wettbewerbsfähigkeit massiv begünstigen würden, das muß doch einmal diskutiert werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Bundesrepublik muß und wird auch in Zukunft offene Grenzen haben. Das muß so sein. Uns steht gerade eine Invasion von amerikanischen Handelspolitikern und Ministern in der Bundesrepublik bevor. Ich sage der Bundesregierung in allem kritischen Freimut: Sie genießt im Augenblick nicht den besten Ruf, jedenfalls nicht einen so guten Ruf, wie ich ihn gern sähe, im Zusammenhang mit ihrer Haltung zur Verteidigung des multilateralen Welthandelssystems und zum Themenkreis: Europa offen, kein Protektionismus, keine Festung Europa. Die Bundesregierung hat die Aufgabe, sich dort anzustrengen.
    Wir könnten natürlich einen Teil eines begünstigten Importwettbewerbs durch Verteuerung bei uns ab- und auffangen, wenn es über die Wechselkurse ginge. Aber bei festen Wechselkursen im europäischen Währungssystem geht es eben nicht, und freie Wechselkurse wollen wir wohl in Europa nicht wieder einführen.
    Meine Damen und Herren, ich hatte mir vorgenommen — die paar Minuten reichen vielleicht noch dazu — , noch über ein ganz anderes Thema zu sprechen. Sie kennen den Spruch: Wenn mein Nachbar seine Wohnung tapeziert, dann brauche ich das nicht gleichzeitig zu tun. Das war die dümmliche Reaktion



    Dr. Graf Lambsdorff
    vor drei Jahren von einigen DDR-Sprechern auf die Perestroika in der Sowjetunion. Damals hatte die DDR-Wirtschaft einen Qualitätsvorsprung und meinte, sich solches leisten zu können. Hat sie ihn eigentlich noch? Wer sich den sehr sauberen Bericht und die sehr gute recherchierte Analyse im „Tagesspiegel" — sie ist im Juli erschienen — und die hektischen und nervösen Reaktionen der DDR-Führung auf diese Zustandsbeschreibung der DDR-Wirtschaft ansieht, der weiß: Hier ist einiges faul in der Wirtschaft der DDR, und zwar ganz erheblich.
    In dem Zusammenhang hat Professor Reinhold, der Präsident der Akademie der Gesellschaftswissenschaften, davon gesprochen: Wir geben den Staatssozialismus nicht auf, denn was ist die DDR ohne Staatssozialismus? Ungarn ohne Staatssozialismus ist Ungarn, Polen ohne Staatssozialismus ist Polen. Was ist die DDR ohne Staatssozialismus?
    Dies ist das große Dilemma der DDR. Aber ist es nicht mittelbar auch unser Dilemma, weil es die Dinge für uns erschwert?
    Frage: Wie kommt es eigentlich, daß in den zentralverwalteten staatssozialistischen Ländern dieser geradezu rapide Abbau von wirtschaftlicher Effizienz, Leistungskraft und Leistungsfähigkeit in den letzten Jahren vor sich gegangen ist? Gewiß, wir sagen: Es liegt am System; und das ist auch richtig.
    Aber welche Folgerungen aus dem System sind dafür verantwortlich? Wenn man das einmal untersucht, wird man zu der schlichten Feststellung kommen, daß das rasante Innovationstempo in den westlichen Wirtschaften — man kann ruhig sagen: in den kapitalistischen Wirtschaften — , daß die Beschleunigung der Produktionsverfahren und der Produkte im Osten, in diesen zentral verwalteten, schwerfälligen Wirtschaften, überhaupt nicht zu erreichen ist. Die dezentralen Entscheidungsmechanismen des Marktes — Preis, Angebot und Nachfrage — bestimmen bei uns das Tempo. Aber auch nur dezentrale Entscheidungsfunktionen können dieses Tempo mithalten und den Wettbewerb aushalten. Hier erweist sich die Überlegenheit des Wettbewerbsprinzips.

    (Roth [SPD]: Aber Rahmenbedingungen sind notwendig!)

    — Sicher sind Rahmenbedingungen notwendig.
    Herr Jens hat vorhin die Frage gestellt, ob wir mit unserer Ordnung nicht Vorbildcharakter haben könnten. Das wäre sicherlich wünschenswert. Das ideale Ergebnis werden wir nie erreichen. Aber, Herr Jens, ist es nicht Vorbildcharakter, wenn Herr Gorbatschow kommt, wenn Polen kommt, wenn Ungarn kommt und sagt: Unterweist uns im Management, in Marketing, in Know-how, wie man das überhaupt macht; bringt uns doch einmal bei, wie Markt und Marktwirtschaft aussehen!

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Sehr richtig!)

    Wenn Herr Gorbatschow mit seiner Perestroika in der Sowjetunion, wenn die Ungarn und Polen damit Erfolg haben, dann werden sie eines Tages die DDR, wenn sich dort nichts ändert, auch wirtschaftlich hinter sich lassen, trotz des Fleißes und der Intelligenz der
    Arbeitnehmer in Rostock, in Frankfurt/Oder und in Dresden.
    Dieser Staatssozialismus ist am Ende. Die Frage an Sie von der Sozialdemokratischen Partei — ich weiß, Sie werden das nicht gerne hören; ich will hier auch keine scharfe Debatte führen — lautet: Ist eigentlich der demokratische Sozialismus, so wie Sie ihn verstehen und wie wir ihn weltweit angewandt sehen, allerdings mit erheblichen Abwandlungen, mit seinen Interventionen, mit seinen Eingriffen, mit der Lenkung in der Wirtschaft, noch brauchbar? Oder führt auch der zu Inflexibilitäten, zu Unbeweglichkeiten, zu Verlangsamungen des Systems?

    (Roth [SPD]: Sagen Sie doch was zu Spanien! Gonzales war der erste, der so etwas gemacht hat!)

    — Herr Roth, Herr Gonzales macht eine Wirtschaftspolitik, die ich Ihnen empfehlen würde. Die Steuerpolitik des österreichischen Bundeskanzlers Vranitzky würde ich Frau Matthäus-Maier empfehlen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Wirtschaftspolitik von Kjell-Olof Feldt schafft vieles ab, was Sie in den letzten Jahren gelobt haben an schwedischem Sozialismus. Da wird nachgedacht, und da gehen Veränderungen vor sich.
    Deswegen frage ich Sie: Ist es eigentlich richtig, an den Vorstellungen festzuhalten, die immer noch Gegenstand des demokratischen Sozialismus sind, der unvermeidlich und notwendig zu mehr Intervention, zu mehr Bürokratie und zu mehr staatlichen Eingriffen führt?


Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Sie sind doch sicher bereit, Graf Lambsdorff, eine Frage der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier zu beantworten.

(Schäfer [Offenburg] [SPD]: Wegen der roten Krawatte!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herrn Schäfer möchte ich sagen: nicht wegen der roten Krawatte. Das ist zu kleinkariert, und auf Pepita kann man nicht Schach spielen.