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ID1115706400

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    Plenarprotokoll 11/157 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 157. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung) : a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/5000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1989 bis 1993 (Drucksache 11/5001) Dr. Penner SPD 11835 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 11841 C Frau Trenz GRÜNE 11844 C Frau Seiler-Albring FDP 11845 D Dr. Schäuble, Bundesminister BMI 11847 D Wüppesahl fraktionslos 11852 B Deres CDU/CSU 11854 A Häfner GRÜNE 11855 C Funke FDP 11857 B Engelhard, Bundesminister BMJ 11858 A Roth SPD 11859 C Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 11865 A Kleinert (Marburg) GRÜNE 11868 D Wissmann CDU/CSU 11871 D Dr. Jens SPD 11874 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 11877 B Rossmanith CDU/CSU 11880 A Hinsken CDU/CSU 11882 B Schäfer (Offenburg) SPD 11883 D Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 11888 C Dr. Knabe GRÜNE 11890 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 11892 D, 11962 D Lennartz SPD 11895 A Dr. Laufs CDU/CSU 11897D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 11899A Vosen SPD 11904 B Schmidbauer CDU/CSU 11905 D Frau Bulmahn SPD 11908 A Austermann CDU/CSU 11910 C Frau Rust GRÜNE 11913 A Zywietz FDP 11914 B, 11930 C Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 11917 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 11920 D Dr. Hoffacker CDU/CSU 11925 B Frau Walz FDP 11927 C Frau Schoppe GRÜNE 11928 D Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 11932 B Dreßler SPD 11935 B Strube CDU/CSU 11942 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 11944 B Günther CDU/CSU 11946 B Dr. Thomae FDP 11949 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 11950 C Roth (Gießen) CDU/CSU 11954 B Dr. Struck SPD 11956 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Frau Rust GRÜNE 11964 A Dr. Waigel, Bundesminister BMF 11964 C Nächste Sitzung 11970 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11971* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11971* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 11835 157. Sitzung Bonn, den 6. September 1989 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 07. 09. 89 * Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Büchner (Speyer) SPD 07. 09. 89 * Eich GRÜNE 07. 09. 89 Frau Eid GRÜNE 07. 09. 89 ** Frau Fischer CDU/CSU 07. 09. 89 ** Frau Geiger CDU/CSU 07. 09. 89 ** Genscher FDP 07. 09. 89 Heimann SPD 07. 09. 89 Dr. Holtz SPD 07. 09. 89 ** Frau Hürland-Büning CDU/CSU 07. 09. 89 Klein (Dieburg) SPD 07. 09. 89 Dr. Klejdzinski SPD 07. 09. 89 ** Dr. Kreile CDU/CSU 07. 09. 89 Kretkowski SPD 07. 09. 89 Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 07. 09. 89 Frau Luuk SPD 07. 09. 89 ** Lüder FDP 07. 09. 89 Magin CDU/CSU 07. 09. 89 Marschewski CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Müller CDU/CSU 07. 09. 89 * Niggemeier SPD 07. 09. 89 Dr. Nöbel SPD 07. 09. 89 Frau Pack CDU/CSU 06. 09. 89 Regenspurger CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Scheer SPD 07. 09. 89 Frau Schilling GRÜNE 07. 09. 89 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 07. 09. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Sielaff SPD 06.09.89 Dr. Stercken CDU/CSU 07. 09. 89 ** Tietjen SPD 07.09.89 Vahlberg SPD 07.09.89 Westphal SPD 07. 09.89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 07. 09. 89 ** Dr. Wulff CDU/CSU 07. 09. 89 ** Zierer CDU/CSU 07. 09. 89 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 30. Juni 1989 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Gesetz über die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank (DSL Bank-Gesetz - DSLBG) Drittes Gesetz zur Änderung des Milchgesetzes Gesetz zur Einführung eines Dienstleistungsabends Anlagen zum Stenographischen Bericht Gesetz über die achtzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und zur Änderung von Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe (KOV-Anpassungsgesetz 1989 - KOVAnpG 1989) Gesetz zur Änderung von Vorschriften der See-Unfallversicherung in der Reichsversicherungsordnung Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1989 (Nachtragshaushaltsgesetz 1989) Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes Gesetz zur Errichtung neuer Freihäfen und zur Änderung des Zollgesetzes Sechstes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes Gesetz über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten (Rettungsassistentengesetz - RettAssG) Zwölftes Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften Achtes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Aussiedler und Übersiedler Gesetz zur Änderung des Bundespersonalvertretungsgesetzes Gesetz zur Änderung des Raumordnungsgesetzes ... Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften Gesetz zur Aussetzung der Verlängerung des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes Sechstes Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes Gesetz zu dem Protokoll vom 14. November 1988 über den Beitritt der Portugiesischen Republik und des Königreichs Spanien zur Westeuropäischen Union Gesetz zur Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft (LaFG) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf eine Ergänzung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Baugesetzbuch mit dem Ziel hinzuwirken, daß durch Festlegung konkreter Grenzwerte für Tierbestände die Privilegierung beim Bauen im Außenbereich eingeschränkt wird. Diese Ergänzung würde das vorrangige Anliegen des Gesetzes, das Entstehen neuer Tiergroßbestände zu erschweren, wesentlich unterstützen. Der vorgeschlagene Ausschluß der übergroßen Tierbestände von der Privilegierung des Bauens im Außenbereich stellt ein hochwirksames Instrument zur Erschwerung industrieller Tiermast dar. Die hiergegen erhobenen Bedenken sind einmal deshalb unbegründet, weil die Berücksichtigung agrarpolitischer Zielvorstellungen im Bauplanungsrecht nicht als sachfremd und damit nicht als Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 GG) angesehen werden kann. Zum anderen stellt die genannte Regelung lediglich eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentumsbegriffs (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) durch den Gesetzgeber dar. Die Planungshoheit der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 GG) wird nicht eingeschränkt. Eine Ergänzung der Baunutzungsverordnung wäre keine Ersatzlösung. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 23. Juni 1989 ihren Antrag Einstellung aller Atomwaffenversuche - Drucksache 11/2204 - zurückgezogen. 11972* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 8. August 1989 ihren Antrag Menschenrechte in Kolumbien — Drucksache 11/2404 — zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/2133 Drucksache 11/3316 Drucksache 11/4456 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/5910 Drucksache 11/583 Drucksache 11/1531 Drucksache 11/2362 Drucksache 11/3017 Drucksache 11/3644 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/2953 Ausschuß für Jugend, Famille, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/596 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 11/4019 Nr. 2.2, 2.3 Drucksache 11/4081 Nr. 2.4 Drucksache 11/4337 Nr. 3 Drucksache 11/4451 Nr. 2.3 Drucksache 11/4534 Nr. 2.2 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/4161 Nr. 2.11-2.17 Drucksache 11/4238 Nr. 2.4-2.8, 2.10, 2.11 Drucksache 11/4337 Nr. 8, 9, 11-21 Drucksache 11/4405 Nr. 3.5 Drucksache 11/4451 Nr. 2.7-2.14 Drucksache 11/4534 Nr. 2.8-2.16 Ausschuß für Jugend, Famille, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/4337 Nr. 22, 23 Drucksache 11/5051 Nr. 41 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/4161 Nr. 2.20 Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 22. August 1989 gemäß § 30 Absatz 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan nebst Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Bundesminister für Verkehr hat den Wirtschaftsplan 1989 und den Stellenplan zum Wirtschaftsplan 1989 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen genehmigt. Der Bundesminister für Post und Telekommunikation hat mit Schreiben vom 9. August 1989 gemäß § 31 der Posthaushaltsordnung den Nachtrag zum Haushaltsplan der Deutschen Bundespost für das Haushaltsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Beide Unterlagen liegen im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Helmut Haussmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Woche wird eine der schwierigsten Wettbewerbsentscheidungen der Nachkriegsgeschichte getroffen.

    (Roth [SPD]: Haben Sie doch schon!)

    Auch in der heutigen Debatte werde ich mich an Stil, an Gesetz und Ordnung unseres Wettbewerbsrechts halten. Davon konnten mich bisher weder Kartellamtspräsidenten in Talkshows, voreilige „Spiegel"-Interviews, die leider zu Rücktritten führen mußten, Aktuelle Stunden im Bundestag oder auch Empfehlungen von früheren Kanzlern der SPD in der „Zeit" abhalten.
    Ich werde am Freitag eine Entscheidung bekanntmachen, meine Damen und Herren, die sich an folgendem orientiert: erstens an den berechtigten Besorgnissen des Mittelstands, zweitens an dem staatlichen Interesse an zwar langfristigem, aber dennoch deutlichem Subventionsabbau, drittens an den Grundlinien des Gutachtens der Monopolkommission.
    Das Ganze kann im Ministerverfahren gesetzlich nicht mit einer Änderung im Bankenbereich verbunden werden. Aber es muß politisch verbunden werden mit einer Änderung des Einflusses, den Banken über ihre Industriebeteiligungen ausüben können.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich will zweitens in dieser Rede auf das eingehen, was Herr Roth und Frau Matthäus-Maier gesagt haben. Ich will umgekehrt aus der Sicht der Liberalen und aus der Sicht des Wirtschaftsministers die Frage stellen: Ist Wirtschaftswachstum nicht alles?

    (Schulhoff [CDU/CSU]: Ohne das ist alles andere nichts!)

    Meine Damen und Herren, was wollen Sie in der Beschäftigungspolitik ohne Wachstum erreichen? Was wollen Sie ohne Wachstum für die Reformbemühungen in den ost- und mitteleuropäischen Ländern erreichen?

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Wer ist denn gegen Wachstum?)

    Was wollen Sie im Bereich des Umweltschutzes ohne Wachstum erreichen? Ich bin zu jeder Debatte bereit, die jetzige Definition des Wirtschaftswachstums unter Umweltschutzgesichtspunkten zu ergänzen und anzureichern.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Das ist was anderes!)

    Tatsache bleibt, daß das jetzige hohe Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik uns gesellschaftspolitischen Fortschritt erlaubt: in der Beschäftigungspolitik, bei der Unterstützung der Reformpolitik in Mittel- und Osteuropa und im Bereich der Umweltschutzinvestitionen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die deutsche Wirtschaft erweist sich derzeit als eine der dynamischsten der westlichen Welt.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: So ist es!)

    Nicht nur die Konjunkturforscher, sondern auch die Opposition haben sich gewaltig geirrt. Ich will deren Voraussagen jetzt nicht noch einmal wiederholen.
    Was wir im Moment erleben, ist auch für uns im Vorfeld des Binnenmarktes eine erstaunliche Dynamik der Aktivität unserer Arbeitnehmer, unserer Ingenieure und unserer Selbständigen in der Bundesrepublik.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das Bruttosozialprodukt wird am Ende dieses Jahres um real 20 %, d. h. um ein Fünftel, höher liegen als im Jahre 1982.
    Wichtig ist, daß sich dieses Wachstum auch im nächsten Jahr fortsetzt, damit die Chancen für gesellschaftlichen Fortschritt gewahrt bleiben. Die Stimmung in den Unternehmen ist ausgezeichnet. Sie ist so, wie sie zuletzt im Jahre 1969 festzustellen war. Die Auftragsbestände wachsen. Die Produktionskapazitäten weisen inzwischen die höchste Auslastung seit 1970 auf.
    Wir haben die stärkste Investitionsdynamik seit einem Jahrzehnt. Die europäischen Länder bereiten sich mit deutschen Maschinen, mit deutschen Investitionsgütern auf den Binnenmarkt vor. Die Beschäftigung steigt seit Ende 1988 beschleunigt. Der Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen, den wir zu Beginn der 80er Jahre zu verzeichnen hatten, ist mehr als ausgeglichen. Zu keinem Zeitpunkt seit Bestehen der Bundesrepublik hat es mehr Beschäftigte gegeben, nämlich über 27,7 Millionen.
    Die Zahl der Beschäftigten hat sich vom August 1988 bis zum August dieses Jahres um 360 000 erhöht. Hierbei handelt es sich um junge Menschen, vor allem um Aussiedler, Übersiedler, Ausländer der zweiten Generation. Das sind gesellschaftspolitische Fort-



    Bundesminister Dr. Haussmann
    schritte, die uns das Wirtschaftswachstum erleichtert.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Besonders wertvoll sind die Fortschritte bei der Jugendarbeitslosigkeit. Wir haben — im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern — dort einen absoluten Tiefstand erreicht. Der Anteil der Arbeitslosen unter 20 Jahren ist zum erstenmal deutlich unter 5 % gesunken. Vom August 1988 bis zum August dieses Jahres konnte die Arbeitslosigkeit um 26 % gesenkt werden. Deshalb sage ich, meine Damen und Herren: Jedes Prozent Wachstum in der jetzigen Lage bedeutet nicht nur Arbeits-, sondern auch Lebenschancen, insbesondere für junge Menschen, aber verstärkt auch für Aussiedler und Umsiedler. Und wir sollten bei dieser Wachstumsdiskussion nicht nur an uns denken, an die Deutschen in der Bundesrepublik, sondern wir sollten in der Wachstumsdiskussion auch an diejenigen denken, die von diesem Wachstum Arbeits- und Lebenschancen erwarten, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der FDP)

    Dies sollte auch in der Arbeitszeitdiskussion eine Rolle spielen. Wir können die Arbeitszeit nicht nur egoistisch-national gestalten. Wenn Menschen anderer Länder in Ost- und Mitteleuropa länger arbeiten wollen, dann können wir uns nicht verweigern und immer kürzer arbeiten. Wir brauchen die Arbeitskraft der Facharbeiter, der Ingenieure, der Kaufleute, um Menschen in anderen Ländern helfen zu können. Die Diskussion über die Folgen weiterer Arbeitszeitverkürzung für qualifizierte Menschen in der Bundesrepublik Deutschland muß sehr grundsätzlich geführt werden.
    Die Preissteigerungen liegen in diesem Jahr bei 3 %, meine Damen und Herren. Ich möchte diese Entwicklung nicht verharmlosen. Ich finde, wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, damit wir wieder unter die 3 %-Marke kommen und dort bleiben.

    (Eigen [CDU/CSU]: Sind wir ja schon jetzt!)

    Zuletzt hat sich jedoch der Preisauftrieb erfreulicherweise etwas abgeschwächt.

    (Eigen [CDU/CSU]: So ist es!)

    In den 13 Jahren SPD-geführter Regierung ist es nur in einem einzigen Jahr, nämlich 1978, gelungen, eine Preissteigerungsrate unter 3 % zu erreichen.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Damit hatten Sie wohl gar nichts zu tun?)

    Frau Matthäus-Maier, wenn Sie unter altem Denken Stabilitätspolitik verstehen, dann bin ich in dem Fall für altes Denken

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Ich habe angegriffen, daß Sie sich nicht zu Ihrer Mitarbeit bekennen!)

    und nicht für neues Denken, das mit einem unausgewogenen Steuer- und Preiserhöhungsprogramm zu Lasten der Stabilität geht. Instabile Staatsfinanzen sind das Unsozialste für Menschen ohne Einkommen, für Rentner und für Arbeitslose. Deshalb müssen Sie
    Ihre Steuerdebatte mit der Beschäftigungs- und Stabilitätspolitik in Einklang bringen. Diese Frage ist nicht gelöst.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht nur diese Frage, andere auch nicht!)

    Meine Damen und Herren, auch und gerade während dieser schwierigen Wettbewerbsentscheidung gilt meine besondere Aufmerksamkeit den mittelständischen Betrieben. Dies ist keine Vorzugsbehandlung, es heißt nur, dem Mittelstand auch wirtschaftspolitisch das Gewicht beizumessen, das ihm für unsere Volkswirtschaft zukommt. Ein Großteil der neuen Arbeitsplätze entsteht eben in Klein- und Mittelbetrieben.

    (Kraus [CDU/CSU]: Richtig!)

    Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Mittelstandes kann nicht an der Höhe der Mittelstandsprogramme abgelesen werden. Es ist und bleibt ein Gütesiegel, daß der Mittelstand ohne große Subventionen Schrittmacherfunktion bei Wachstum und Beschäftigung wahrnimmt. Es zeigt sich dabei, daß sich diejenigen am besten im Wettbewerb behaupten, die ihre unternehmerische Energie für mehr Leistung am Markt einsetzen, statt hinter Subventionstöpfen herzurennen. Staatliche Hilfen bringen den Unternehmen auf Dauer keine Vorteile. Sie machen abhängig. Deshalb ist der Mittelstand gut beraten, auch in Zukunft primär auf die eigene Leistungsfähigkeit zu vertrauen und sie weiter zu verbessern.
    Im Vordergrund der künftigen Mittelstandspolitik steht die Vorbereitung auf den gemeinsamen Binnenmarkt. Hier liegen wie auf keinem anderen Feld große Chancen, gerade auch für kleine und mittlere Betriebe. Meine Damen und Herren, ich habe eine ständige Europakonferenz für den Mittelstand eingerichtet, um den Mittelstand gezielt auf Europa'92 vorzubereiten. Die erste Konferenz im März 1989 in Essen war ein großer Erfolg. Sie wird fortgesetzt. Ich bin der Meinung, daß es notwendig ist, für die vielen auseinanderstrebenden mittelständischen Verbände ein Dach zu bilden. Die Interessen des Mittelstandes zu bündeln, sie den Interessen der Großunternehmen, auch der Gewerkschaften entgegenzusetzen, ist Teil einer wichtigen Mittelstandspolitik.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wichtig für kleine und mittlere Betriebe ist, daß in Brüssel die deutsche Sprache gleichberechtigt mit Englisch und Französisch ist. Ich fordere heute erneut auch die deutschen Vertreter in Brüssel auf, sich an diesen Grundsatz einer gleichberechtigten Arbeitssprache Deutsch zu halten. Meine Damen und Herren, kleine und mittlere Betriebe haben weder Stäbe noch Übersetzerbüros. Sie sind darauf angewiesen, daß ihnen neue Richtlinien nicht nur im komplizierten Französisch, verzögert dann in Englisch und erst sehr viel später in Deutsch zugestellt werden, sondern daß sie gleichzeitig die gleiche Chance wie kleine und mittlere Betriebe in Frankreich und in anderen Ländern haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)




    Bundesminister Dr. Haussmann
    Der Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums spiegelt die enorme Bedeutung der Energiepolitik wider. Das gilt insbesondere für den deutschen Steinkohlebergbau, der ohne massive staatliche Hilfe nicht lebensfähig ist. Die Beschlüsse der Kohlegespräche vom 10. Juli und 24. August dieses Jahres belegen, daß die Bundesregierung, insbesondere der Wirtschaftsminister, zu den Zusagen in der Kohlepolitik steht. Die Entscheidungen sind ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung des Steinkohlebergbaus und sollen den dringend notwendigen energiepolitischen Konsens in unserem Land erleichtern. Die jüngsten Beschlüsse der Bundesregierung folgen meinen Vorschlägen. Die Beschlüsse dienen dazu, den Jahrhundertvertrag in seiner Substanz weiter abzusichern. Die Finanzlage des Vertromungsfonds wird deutlich und strukturell durch Eigenbeiträge der Bundesregierung und der Bergbauländer verbessert.
    Ich begrüße es, auch inmitten eines Kommunalwahlkampfs, ausdrücklich, daß Nordrhein-Westfalen sich einem eigenen Beitrag nicht entzogen hat. Leider stimmen nicht bei allen Kohleländern Worte und Taten in der Kohlepolitik überein.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Sehr richtig!)

    Nun geht es um die Umsetzung dieser Beschlüsse. Die vom Bund und den Kohleländern beschlossene unabhängige Expertenkommission unter Vorsitz von Professor Mikat und unter Beteiligung wichtiger SPD-Politiker habe ich inzwischen berufen. Diese Kommission soll die Bundesregierung in der Erarbeitung einer Konzeption für eine nationale Kohlepolitik im Rahmen der künftigen Energiepolitik, insbesondere in der Entwicklung einer Anschlußregelung für die Verstromung nach 1995, beraten. Die Kommission wird ihren Bericht zügig, im März 1990, vorlegen, Ich erwarte, daß diese Kommission einen realistischen und konsensfähigen Entscheidungsrahmen für unsere Entscheidung vorlegt, der die energie- und umweltpolitischen Notwendigkeiten, die regionalen und die sozialen Bedingungen in den Revieren, aber auch die Aspekte und die Bedingungen des EG-Binnenmarktes berücksichtigt. Ich hoffe, daß wir auch in einem Bundestagswahljahr die Kraft haben, entsprechende mutige Beschlüsse vor dieser Bundestagswahl zu fassen.

    (Beifall bei der FDP)

    Ziel unserer Politik ist es, die langfristig unumgänglichen Strukturanpassungen im Steinkohlebergbau sozuialverträglich und ohne bruchartige Entwicklungen zu steuern. Die derzeit gute Konjunktur sollte für eine mutige Umstrukturierung und damit für die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen in den Kohlerevieren mehr als bisher genutzt werden. Der Anpassungsprozeß muß auch nach 1995 weitergehen. Dies wird auch von Ministerpräsident Rau gesehen. In den Kohlegesprächen hat sich auch gezeigt, daß Theorie und Praxis in fortschrittlichem Denken sehr unterschiedlich sind. Herr Rau hat in vielen wichtigen und unbequemen Kohleentscheidungen mitgezogen. Das gleiche läßt sich leider für Herrn Lafontaine nicht behaupten.
    Lassen Sie mich abschließend einige wenige grundsätzliche Bemerkungen zum Thema „Umweltschutz
    und Marktwirtschaft" machen. Das ist überhaupt kein neues Denken, es ist altes Denken, daß Marktwirtschaft in der Lage ist, schneller als planwirtschaftliche Systeme Umweltschutz voranzubringen.

    (Zurufe von der SPD)

    — Es ist auch keine SPD-Erfindung.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Es muß endlich etwas passieren!)

    Es ist ein uraltes Thema der Ökonomie in der Bundesrepublik.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Machen Sie es doch!)

    Und wenn es schon um Parteipolitik geht: Es waren die jungen Liberalen in der Bundesrepublik Deutschland,

    (Beifall bei der FDP — Lachen bei der SPD)

    — natürlich! — die zum ersten Mal politische Beschlüsse zum Thema „Umweltschutz und Marktwirtschaft" getroffen haben.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Solche Liberale gibt es noch gar nicht so lang!)

    Insofern hat Frau Matthäus-Maier eigentlich nur abgeschrieben.

    (Lachen bei der SPD — Roth [SPD]: Die kann ja nicht abgeschrieben haben! — Frau Matthäus-Maier [SPD]: Das kann ich ja nicht abgeschrieben haben!)

    Allerdings, im Gegensatz zu dem, was Frau Matthäus-Maier vorschlägt — —

    (Frau Matthäus-Maier [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Im Interesse der folgenden Redner: jetzt nicht. (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Schade!)

    — Ich bin gern bereit, das Gespräch nachher zu führen. Aber ich habe jetzt nur noch wenig Zeit.
    Im Gegensatz zu den Sozialdemokraten dürfen wir besseren und kostengünstigeren Umweltschutz jedoch nicht auf höhere Steuern und weitere Bestrafung verengen, sondern wir müssen das gesamte Instrumentarium der Marktwirtschaft einsetzen.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Sie haben das Programm nicht gelesen!)

    Nicht Bestrafung, sondern Belohnung muß im Vordergrund stehen.

    (Roth [SPD]: Richtig!)

    Es muß sich für diejenigen auszahlen, die sich umweltgerecht verhalten. Wer immer nur an höhere Steuern und Abgaben denkt, bewegt sich auf ausgetretenen Pfaden. Das ist kein neues Denken, meine Damen und Herren, das ist altes sozialdemokratisches Denken, mit mehr Abgaben und mit Fonds die Wirtschaft zu steuern. Die Vorschläge der Sozialdemokraten erinnern mich an ein steuerpolitisches Simsalabim: Alles soll wegen der Umwelt teurer werden. Gleichzeitig sollen Steuern gesenkt werden, Steuervergünstigungen, neue Subventionen an die Wirt-



    Bundesminister Dr. Haussmann
    schaft gegeben werden, und das Ganze soll einkommensneutral gestaltet werden.
    Daher bleibt bei den Sozialdemokraten vieles ungeklärt. Einerseits plädiert die SPD für das klare Verursacherprinzip. Andererseits möchten Sie viele von der Steuererhöhung entlasten. Daß dabei die Umverteilung nicht zu kurz kommt, überrascht nicht. Die Zeche würden die Selbständigen und die sogenannten Besserverdienenden zahlen, die bei der SPD schon bei den Facharbeitern beginnen. Auch bei der Aufkommensneutralität sind Fragezeichen zu setzen. Es wäre das erste Mal, daß sich SPD-Finanzpolitiker bei solchen Operationen nicht zu Lasten der Steuerzahler verrechnen würden.

    (Beifall bei der FDP — Widerspruch bei der SPD)

    Auch halte ich viele Details Ihrer Vorschläge für mehr als unausgegoren. Sehr starke Verbrauchsteuererhöhungen gehen voll in die Inflationsrate. Abrupte hohe Erhöhungen überfordern die Anpassungsfähigkeit unserer Wirtschaft, führen zu Wachstums- und Beschäftigungskrisen.

    (Zuruf von der SPD: O je!)

    Umweltpolitischer Fortschritt läßt sich nur in einer wachsenden Wirtschaft erzielen, meine Damen und Herren. Denn mehr Umweltschutz muß mit neuen Investitionen verbunden bleiben. Mit einer Therapie à la SPD gerät die Investitionsdynamik unter die Räder.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Sie wird nicht zurückgehen!)

    Entscheidend für mich ist: Wer Fortschritte erreichen will, darf Umweltschutzpolitik nicht gegen Stabilitäts- und Beschäftigungspolitik betreiben, sondern muß Stabilitäts- und Beschäftigungspolitik in Umweltschutzinstrumente integrieren, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Marktwirtschaftliche Umweltpolitik sollte aber durchaus auch Steuern als Lenkungsabgabe nutzen. Umweltpolitisch begründete Steuern und Abgaben müssen aber auf wenige zentrale Umweltbereiche beschränkt werden.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Richtig!)

    Wir werden in der nächsten Legislaturperiode die Einkommen- und Körperschaftsteuer weiter senken, damit neue Arbeitsplätze entstehen. Über höhere Grund- und Kinderfreibeträge werden auch niedrige Einkommen davon profitieren. Erst diese Steuersenkungen bei Unternehmen und Verbrauchern schaffen den Spielraum, meine Damen und Herren, um den knappen Faktor Umwelt durch Steuern und Abgaben in begrenztem Umfang zu verteuern. Das ist der richtige Zusammenhang zwischen Unternehmenssteuersenkung und Ökosteuern, meine Damen und Herren. Das darf nicht isoliert gesehen werden.
    Insgesamt muß aber die Steuerbelastung sinken. Das ist unser Konzept für mehr Umweltschutz, das gleichzeitig Stabilitäts- und Wachstumspolitik berücksichtigt. Allerdings, viele dieser Umweltprobleme lassen sich nur gemeinsam in Europa lösen. Schadstoffe machen an den Grenzen nicht halt.

    (Zuruf von der SPD: Das ist aber eine Erkenntnis!)

    Eine Vorreiterrolle der Bundesrepublik in Sachen Umweltschutz halte ich für möglich und notwendig.

    (Beifall bei der FDP)

    Über eines müssen wir uns allerdings im klaren sein. Ein mehr an Umweltschutz können wir uns nur leisten, wenn wir produktiver sind als andere. Konkret bedeutet dies, daß Teile des Sozialprodukts, die wir für den Umweltschutz zusätzlich einsetzen, gleichzeitig für Gewinnerhöhungen der Unternehmen, für Einkommenserhöhungen der Arbeitnehmer, aber auch für Arbeitszeitverkürzungen nicht mehr zur Verfügung stehen. Wir können nicht gleichzeitig Spitzenreiter beim Umweltschutz, bei den Lohnzusatzkosten und bei Arbeitszeitverkürzungen sein. Weniger als bei uns wird in keinem Industrieland der Welt gearbeitet. Wir können es uns auch angesichts zunehmender Engpässe am Arbeitsmarkt bei Fachkräften nicht leisten, qualifizierte Arbeit stillzulegen. Wir sollten zugunsten der Umwelt auf weitere Arbeitszeitverkürzungen verzichten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert (Marburg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hubert Kleinert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Haussmann, wer sich anhört, wer mittlerweile alles das Erstgeburtsrecht auf Umweltpolitik erhebt, muß das schon ziemlich köstlich finden. Da wird jahrelang so getan, als gäbe es das Thema eigentlich gar nicht. Jetzt, da in der Öffentlichkeit unbestritten ist, daß hier ein dringendes Versäumnis der Politik zurückliegender Jahre liegt, wollen alle die ersten gewesen sein. Sie haben jetzt die Jungen Liberalen entdeckt. Herr Haussmann, die gibt es doch erst seit ein paar Jahren. Aber zu dem Problem komme ich später.
    Sie haben heute morgen einmal mehr den Eindruck zu erwecken versucht, als sei die Entscheidung in der Frage der Fusion Daimler-Benz/MBB noch nicht gefallen. Das ist natürlich falsch, denn wie diese Entscheidung ausfallen wird, wissen wir längst. Das steht seit Wochen in den Zeitungen.

    (Grünbeck [FDP]: Dann sagen Sie es doch mal!)

    — Der Herr Haussmann wird diese Fusion genehmigen. Herr Grünbeck, das wissen Sie so gut wie ich. Der Herr Haussmann wird grünes Licht für die Entstehung eines gigantischen Rüstungskonzerns geben. Er wird grünes Licht für diesen Superkonzern geben,

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Sagen Sie mal was zur wirtschaftlichen Situation der Bundesrepublik Deutschland!)

    über dessen Marktmacht das Bundeskartellamt damals geschrieben hat — ich zitiere —:
    Durch den Zusammenschluß entsteht eine im Rüstungsbereich dominierende Rüstungsgruppe, deren Marktmacht nicht zu kontrollieren ist.



    Kleinert (Marburg)

    Zitat Bundeskartellamt.
    Meine Damen und Herren, selten ist so deutlich geworden wie bei dieser Entscheidung, wie es in der Realität der Bundesrepublik immer dann mit den heiligen Grundprinzipien der Marktwirtschaft aussieht, wenn Interessen mächtiger Konzerne auf dem Spiel stehen. Dann nämlich sind diese heiligen Prinzipien das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Das Ergebnis wird sein, daß ausgerechnet in der Woche nach der 50. Wiederkehr des deutschen Überfalls auf Polen nun der Weg frei ist für eine neue deutsche Rüstungsschmiede. Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich finde das beschämend.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Grünbeck [FDP]: Geschmacklos war das!)

    Das ist nicht nur eine wirtschaftspolitisch und ordnungspolitisch ungeheuerliche Entscheidung, es ist zugleich auch ein Demokratieproblem: Hier entsteht eine Machtkonzentration, die Entscheidungen der öffentlichen Hand, die Entscheidungen von Ländern und Kommunen, stärker bestimmen kann als die Entscheidungen von demokratisch gewählten Parlamenten.

    (Beifall des Abg. Stratmann [GRÜNE])

    Es ist in diesen Tagen nicht selten davon die Rede, daß Karl Marx nun endgültig widerlegt sei. In manchem, vielleicht sogar in vielem wird man da wenig Widerspruch anmelden können. Aber so ganz scheint es ja nun auch wieder nicht der Fall zu sein, denn wenn man sich anschaut, wer die Hosen anhat, wenn es um das Verhältnis von Wirtschaft und Politik geht, dann muß man schlicht feststellen: Gegen das Machtpotential von Herrn Reuter sind die ganzen Artisten dieses Bundeskabinetts ganz kleine Lichter. Wenn der „Spiegel" dann von einem Lehrstück in Sachen Stamokap geschrieben hat, dann kann man dem eigentlich nicht mehr viel hinzufügen.
    Ich will mich hier ansonsten gar nicht lange mit der Auseinandersetzung um die geschönten Bilder der wirtschaftlichen Entwicklung aufhalten, wie sie uns auch soeben wieder gezeichnet worden sind. Selbstverständlich, Ihre konjunkturellen Rahmenbedingungen sind alles andere als schlecht. Aber in einer Debatte um die Wirtschaftspolitik an der Schwelle der 90er Jahre kaum ein Wort über die ökologischen Folgekosten dieser Wirtschaftsentwicklung zu verlieren, ist verwunderlich. Wenn das hier in den Reden der Vertreter der Bundesregierung zu hören ist, dann wird schon dadurch deutlich: Sie üben sich nicht nur im Aussitzen, sondern Sie sind auch dabei, die Auseinandersetzung um eine Neuorientierung der Wirtschaftspolitik zu verschlafen.
    Ich will hier deswegen die knappe Zeit nutzen, um mich vorrangig mit denen zu beschäftigen, die wenigstens dem Anspruch nach neue Akzente in der Wirtschaftspolitik setzen wollen, und das gilt in erster Linie für die Kollegen von der SPD.
    In dieser Haushaltsdebatte spielt ja erstmals ein Begriff eine große Rolle, den es schon seit Jahren gibt, der aber auf dem Kampfplatz der politischen Symbole längere Zeit eher ein Schattendasein geführt hat. Gemeint ist der ökologische Umbau der Industriegesellschaft. Von den GRÜNEN seinerzeit erfunden,

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Da gab es die noch gar nicht!)

    um einen Weg zu zeigen für die Entwicklung der Wirtschaft nach ökologischen Kriterien, hat dieser Begriff mittlerweile Eingang in die Programmatik auch der Sozialdemokraten gefunden. — Herr Weng, ich glaube Ihnen gerne, daß Sie die entsprechenden Programmbeschlüsse seinerzeit nicht zur Kenntnis genommen haben. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß das, was ich hier gesagt habe, richtig ist.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Als das bei uns beschlossen wurde, gab es Sie noch gar nicht!)

    Es ist sicherlich ein bemerkenswerter Vorgang, wenn jetzt, spätestens mit dem Bericht der F-90-Kommission,

    (Roth [SPD]: „Fortschritt"!)

    auch Sozialdemokraten das Ziel des ökologischen Umbaus als Kernstück von Reformpolitik verstehen. Sicherlich ist es zu begrüßen, daß auch Sie sich jetzt zur Notwendigkeit der ökologischen Umorientierung des Steuer- und Abgabensystems bekennen. Es ist gut, wenn die GRÜNEN nicht mehr die einzigen sind, die klar und deutlich sagen, daß auf den alten Wachstumspfaden und mit den beschränkten Mitteln der alten Umweltpolitik die Probleme nicht zu lösen sind. Es ist auch gut, wenn solche Unionspolitiker, die immer noch nicht verstanden haben, welche Richtung eingeschlagen werden muß, wie etwa Herr Waigel in seiner Rede am Montag, mittlerweile in diesen Fragen wie die letzten Dinosaurier des Bundestages wirken. Das alles wäre vor Jahren so nicht vorstellbar gewesen. Es ist gut, daß sich dies geändert hat.
    Aber gerade weil das so ist, muß man jetzt genauer hinschauen, um zu sehen, was da alles unter der Überschrift „Umbau der Industriegesellschaft" gehandelt wird. Da, meine Damen und Herren von der SPD, muß ich Ihnen dann doch sagen: Mehr als ein bißchen angegrünt ist das nun nicht, was Sie bisher vorgelegt haben.

    (Roth [SPD]: Angerot! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Vieles ist halbherzig, manches ist inkonsequent, und vieles ist ängstlich dazu. Ich will dies im einzelnen ausführen.
    Wenn man sich Ihre Vorstellungen zur ökologischen Ausrichtung des Steuer- und Abgabensystems ansieht, dann stößt man zunächst auf ein Grundsatzproblem. Wer Ihre Papiere liest, kann den Eindruck gewinnen, mit der ökologischen Ausrichtung des Steuer- und Abgabensystems wäre jetzt der Königsweg aus der Krise der Umweltpolitik gefunden.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Sie haben am Montag nicht zugehört! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Davon kann keine Rede sein. Ich warne ausdrücklich vor der Vorstellung, dieses Mittel allein könnte entscheidende Durchbrüche bringen. Abgaben und Steuern nach Umweltkriterien können da lenkend



    Kleinert (Marburg)

    eingesetzt werden, wo es ausreicht, wenn über längere Zeiträume allmähliche Veränderungen von Produktionsstrukturen möglich werden. Sie können aber kein Ersatz sein für andere Mittel der Umweltpolitik. Sie können kein Ersatz sein für Ordnungspolitik;

    (Roth [SPD]: Sehr richtig!)

    sie können kein Ersatz sein für die Änderung des Umwelthaftungsrechts;

    (Roth [SPD]: Sehr richtig!)

    sie können kein Ersatz sein für andere Instrumentarien,

    (Roth [SPD]: Richtig!)

    die dazu dienen können, daß sich Umweltschäden in betrieblichen Kostenrechnungen niederschlagen.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Das ist wörtlich unsere Rede! — Roth [SPD]: Ihr Mitarbeiter hat die Rede von Frau Matthäus-Maier abgeschrieben!)

    — Herr Roth, ich habe sehr wenig Redezeit; lassen Sie mich das doch bitte zu Ende ausführen!
    Nach vorsichtigen Schätzungen sind durch die Herstellung und Verarbeitung von Asbest und durch die entsprechenden gesundheitlichen Konsequenzen im Gesundheitssystem bisher 1 Milliarde DM an Kosten entstanden. Diese Kosten trägt bisher die Allgemeinheit. An dieser Stelle hätte eine Änderung des Umwelthaftungsrechts schleunigst dafür zu sorgen, daß endlich auch die Verursacher zur Kasse gebeten werden können. Erst eine solche Kombination unterschiedlicher Instrumente wird den Weg zum ökologischen Umbau ermöglichen.
    Ein zweiter Punkt. Das neue Steuer- und Abgabenkonzept der SPD erweckt den Eindruck, als ließe sich der ökologische Umbau im wesentlichen aufkommensneutral finanzieren nach dem Motto: Verteuerung der Energiepreise und ein paar Sonderabgaben für Umweltverschmutzer an der einen Stelle, Steuerentlastung an der anderen Stelle — und schon rechnet sich das Ganze. — So einfach wird sich das nicht machen lassen.
    Sicherlich: Durch den ökologischen Umbau würden der Industrie und den privaten Verbrauchern zusätzliche Kosten entstehen, die für manche Gruppen der Bevölkerung so nicht tragbar sind. Wenn durch Energiesteuern und Umweltabgaben die Preise für Benzin und Öl sowie für Gas und Wasser steigen, dann ist das für Kleinrentner, Sozialhilfeempfänger und für andere Bezieher niedriger Einkommen so nicht zumutbar. Sie brauchen einen sozialen Ausgleich, und ich füge hinzu, diese Gruppen brauchen angesichts der Umverteilungspolitik im sozialen Bereich in den letzten Jahren sogar noch mehr als nur einen Ausgleich.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Aber: Einen vollen Ausgleich für alle oder auch nur für die meisten kann es nicht geben.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Einverstanden!)

    Wer einen anderen Eindruck erweckt, der tut so, als
    gäbe es den ökologischen Umbau quasi zum Nulltarif.
    Das kann aber gar nicht sein; denn wenn der Umbau
    nirgends wirklich spürbare Mehrbelastungen bringt,

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Die sind doch spürbar!)

    dann fehlt es an Anreizen, tatsächlich umzusteuern.
    Vor allem: Wer über Steuertarife und Unternehmensbesteuerung alles wieder zurückgeben will, dem wird am Ende das Geld fehlen, um den ökologischen Umbau überhaupt finanzieren zu können. Dies alles wird wiederum den Umlenkungseffekt problematisch werden lassen; denn Sie müssen, wenn Sie einen Umlenkungseffekt erzielen wollen, der spürbar sein soll, neben der Mineralölsteuererhöhung gleichzeitig auch attraktive und preiswerte öffentliche Verkehrsmittel anbieten. Und dazu brauchen Sie Geld.
    Der ökologische Umbau wird auch schmerzhafte Einschnitte bedeuten, oder es wird ihn gar nicht geben. Dies nicht offen und deutlich zu sagen, muß man Ihnen vorhalten. Es ist Illusion zu glauben, der ökologische Umbau lasse sich bewerkstelligen, ohne jemandem auf die Füße zu treten. „Allen wohl und niemand wehe", das wird nicht gehen.
    Solche Offenheit mag nicht überall gut ankommen. Und da kommt schnell manche wahlpolitische Rücksichtnahme auf. Selbst bei uns gibt es manche Stimme, die davon abrät, diese Dinge offen anzusprechen. Ich halte das für grundfalsch. Ich halte es für politisch töricht, die Dinge zu schönen und unbequeme Wahrheiten auszusparen. Umfragen zeigen, daß die Bereitschaft der Bürger, für die Umwelt mehr zu zahlen, mittlerweile weit größer ist, als das offizielle Bonn das wahrhaben will. Nach einer Infas-Umfrage wären 60 % der Bürger dazu bereit. Diese Bereitschaft wird aber eng daran geknüpft sein, daß das Geld auch tatsächlich der Umwelt zugute kommt und nicht wieder verpulvert wird für den Jäger 90, für Wirtschaftssubventionen nach dem Gießkannen-Prinzip, für mehr Straßenbau und für umweltschädliche Großprojekte. Und die Bereitschaft wird auch daran geknüpft sein, daß deutlich wird, daß vor allem auch die großen Umweltverschmutzer nicht geschont werden.
    Meine Damen und Herren, gerade vor diesem Hintergrund ist ein Lob für mich nicht nachvollziehbar, das in diesen Tagen von Frau Matthäus-Maier an die Adresse von Herrn Haussmann gerichtet wurde und das sich auf sein Papier mit dem Titel „Marktwirtschaft und Umweltschutz" bezog.

    (Stratmann [GRÜNE]: „Nachtigall, ick hör dir trapsen", kann man da nur sagen!)

    Nun will ich nicht leugnen: Dieses Papier enthält in einem Punkt neue Akzente.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Ja, sicher!)

    Es wird zugestanden — und Herr Haussmann hat das eben wiederholt — , daß es vernünftige Einsatzfelder für ökologische Steuern und Abgaben gebe. Sie spielen in Ihrem Gesamtkonzept zwar eine sehr bescheidene Rolle, aber, immerhin, man soll ja jeden positiven Ansatz würdigen. Herr Haussmann, an dieser Stelle liegt das Problem nicht; da könnte man in einen



    Kleinert (Marburg)

    Dialog eintreten, welche weiteren Felder vielleicht sinnvoll sind.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Dann war das Lob doch richtig?)

    Das Problem liegt an anderer Stelle: Wenn man sich in diesem Papier nämlich weiter anschaut, wie gleichzeitig wieder das alte Leitbild der Wirtschaftsexpansion beschworen wird, dann kann man, Frau MatthäusMaier, dieses Lob für Herrn Haussmann eben nicht aufrechterhalten. In diesem Papier findet sich nicht einmal ein qualitatives Kriterium für Wirtschaftsentwicklung. Es findet sich kaum ein Wort zu den ökologischen Folgekosten des Wirtschaftswachstums. Es findet sich kaum ein Wort dazu, daß ökologische Umbaupolitik natürlich nicht setzen kann auf die Expansion der klassischen Wachstumsindustrien wie der Automobilindustrie oder etwa jenen Teilen der chemischen Industrie, die Mitverantwortung tragen für Schadstoffeintrag in Boden und Gewässer. Das alles findet sich nicht, und deswegen muß man bei einer sorgfältigen Beurteilung dieses Papiers zu dem Ergebnis kommen: Es ist in weiten Teilen eben doch noch ein Dokument des alten Denkens. Und deswegen, Frau Matthäus-Maier, kann ich dieses Lob in keiner Weise nachvollziehen.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Dann lobe ich ihn mal!)

    Meine Damen und Herren, zum ökologischen Umbau gehören Umweltabgaben und Energiesteuern. Wir haben seit langem konkrete Konzepte dazu vorgeschlagen, die erst am Montag von unseren Rednern und Rednerinnen wieder dargelegt worden sind. Es geht aber um noch viel mehr. Es geht im Prinzip um eine neue Entwicklungsrichtung in unserem System des Wirtschaftens und des Verbrauchens. Es geht um eine neue Grundrichtung der Wirtschaftspolitik. Wir brauchen moderne Umwelttechnologie statt neuer Rüstungsproduktion.

    (Roth [SPD]: Richtig!)

    Wir brauchen umweltfreundliche Verkehrssysteme statt Wachstum der Automobilindustrie.

    (Roth [SPD]: Auch das ist richtig!)

    Wir brauchen moderne Technologie zur Energieeinsparung statt chemischer Giftküchen.

    (Roth [SPD]: Genau!)

    Es gibt genug Bereiche, die wachsen können und die im Interesse der Umwelt sogar wachsen müssen. Aber es muß auch ganz klar und deutlich gesagt werden, daß viele der klassischen Bereiche, daß viele der alten Wachstumsfelder in einem solchen ökologischen Umbau ihren Platz verlieren müssen, daß diese Branchen schrumpfen müssen, weil das umweltpolitisch geboten ist.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    In diesem Umbauprozeß steuernd einzugreifen, das wäre die große Aufgabe einer zukünftigen Wirtschaftspolitik, deren oberstes Leitbild die ökologische Verträglichkeit des Wirtschaftens sein muß. Instrumentarien dazu stellt die Marktwirtschaft tatsächlich genug zu Verfügung. Sie, Herr Haussmann, könnten schon heute mit Ihren wirtschaftspolitischen Entscheidungen mehr Einfluß auf den Zustand der Umwelt ausüben, als ihn Herr Töpfer selbst dann hätte, wenn er die Möglichkeiten überhaupt ausschöpfen würde, die er in seinem Etat hat.
    Die immer wiederkehrende Jammerei, eine solche wirtschaftliche Entwicklung sei auf Grund von Weltmarkteinbindungen nicht zu verwirklichen, ist Unsinn. Eine ganze Bibliothek füllt mittlerweile die Literatur über Arbeitsplatzchancen durch Umweltinvestitionen. Die Fähigkeit der Wirtschaft zur Anpassung an veränderte Energiepreise ist schon in früheren Jahren vielfach demonstriert worden. Wer sich die Mühe macht, zu überlegen, wie Umweltauflagen und Abgabenregelungen in anderen Ländern auf die Kostenseite einwirken, wird feststellen müssen — —