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ID1115706200

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    Plenarprotokoll 11/157 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 157. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung) : a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/5000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1989 bis 1993 (Drucksache 11/5001) Dr. Penner SPD 11835 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 11841 C Frau Trenz GRÜNE 11844 C Frau Seiler-Albring FDP 11845 D Dr. Schäuble, Bundesminister BMI 11847 D Wüppesahl fraktionslos 11852 B Deres CDU/CSU 11854 A Häfner GRÜNE 11855 C Funke FDP 11857 B Engelhard, Bundesminister BMJ 11858 A Roth SPD 11859 C Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 11865 A Kleinert (Marburg) GRÜNE 11868 D Wissmann CDU/CSU 11871 D Dr. Jens SPD 11874 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 11877 B Rossmanith CDU/CSU 11880 A Hinsken CDU/CSU 11882 B Schäfer (Offenburg) SPD 11883 D Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 11888 C Dr. Knabe GRÜNE 11890 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 11892 D, 11962 D Lennartz SPD 11895 A Dr. Laufs CDU/CSU 11897D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 11899A Vosen SPD 11904 B Schmidbauer CDU/CSU 11905 D Frau Bulmahn SPD 11908 A Austermann CDU/CSU 11910 C Frau Rust GRÜNE 11913 A Zywietz FDP 11914 B, 11930 C Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 11917 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 11920 D Dr. Hoffacker CDU/CSU 11925 B Frau Walz FDP 11927 C Frau Schoppe GRÜNE 11928 D Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 11932 B Dreßler SPD 11935 B Strube CDU/CSU 11942 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 11944 B Günther CDU/CSU 11946 B Dr. Thomae FDP 11949 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 11950 C Roth (Gießen) CDU/CSU 11954 B Dr. Struck SPD 11956 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Frau Rust GRÜNE 11964 A Dr. Waigel, Bundesminister BMF 11964 C Nächste Sitzung 11970 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11971* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11971* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 11835 157. Sitzung Bonn, den 6. September 1989 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 07. 09. 89 * Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Büchner (Speyer) SPD 07. 09. 89 * Eich GRÜNE 07. 09. 89 Frau Eid GRÜNE 07. 09. 89 ** Frau Fischer CDU/CSU 07. 09. 89 ** Frau Geiger CDU/CSU 07. 09. 89 ** Genscher FDP 07. 09. 89 Heimann SPD 07. 09. 89 Dr. Holtz SPD 07. 09. 89 ** Frau Hürland-Büning CDU/CSU 07. 09. 89 Klein (Dieburg) SPD 07. 09. 89 Dr. Klejdzinski SPD 07. 09. 89 ** Dr. Kreile CDU/CSU 07. 09. 89 Kretkowski SPD 07. 09. 89 Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 07. 09. 89 Frau Luuk SPD 07. 09. 89 ** Lüder FDP 07. 09. 89 Magin CDU/CSU 07. 09. 89 Marschewski CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Müller CDU/CSU 07. 09. 89 * Niggemeier SPD 07. 09. 89 Dr. Nöbel SPD 07. 09. 89 Frau Pack CDU/CSU 06. 09. 89 Regenspurger CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Scheer SPD 07. 09. 89 Frau Schilling GRÜNE 07. 09. 89 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 07. 09. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Sielaff SPD 06.09.89 Dr. Stercken CDU/CSU 07. 09. 89 ** Tietjen SPD 07.09.89 Vahlberg SPD 07.09.89 Westphal SPD 07. 09.89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 07. 09. 89 ** Dr. Wulff CDU/CSU 07. 09. 89 ** Zierer CDU/CSU 07. 09. 89 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 30. Juni 1989 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Gesetz über die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank (DSL Bank-Gesetz - DSLBG) Drittes Gesetz zur Änderung des Milchgesetzes Gesetz zur Einführung eines Dienstleistungsabends Anlagen zum Stenographischen Bericht Gesetz über die achtzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und zur Änderung von Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe (KOV-Anpassungsgesetz 1989 - KOVAnpG 1989) Gesetz zur Änderung von Vorschriften der See-Unfallversicherung in der Reichsversicherungsordnung Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1989 (Nachtragshaushaltsgesetz 1989) Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes Gesetz zur Errichtung neuer Freihäfen und zur Änderung des Zollgesetzes Sechstes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes Gesetz über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten (Rettungsassistentengesetz - RettAssG) Zwölftes Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften Achtes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Aussiedler und Übersiedler Gesetz zur Änderung des Bundespersonalvertretungsgesetzes Gesetz zur Änderung des Raumordnungsgesetzes ... Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften Gesetz zur Aussetzung der Verlängerung des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes Sechstes Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes Gesetz zu dem Protokoll vom 14. November 1988 über den Beitritt der Portugiesischen Republik und des Königreichs Spanien zur Westeuropäischen Union Gesetz zur Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft (LaFG) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf eine Ergänzung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Baugesetzbuch mit dem Ziel hinzuwirken, daß durch Festlegung konkreter Grenzwerte für Tierbestände die Privilegierung beim Bauen im Außenbereich eingeschränkt wird. Diese Ergänzung würde das vorrangige Anliegen des Gesetzes, das Entstehen neuer Tiergroßbestände zu erschweren, wesentlich unterstützen. Der vorgeschlagene Ausschluß der übergroßen Tierbestände von der Privilegierung des Bauens im Außenbereich stellt ein hochwirksames Instrument zur Erschwerung industrieller Tiermast dar. Die hiergegen erhobenen Bedenken sind einmal deshalb unbegründet, weil die Berücksichtigung agrarpolitischer Zielvorstellungen im Bauplanungsrecht nicht als sachfremd und damit nicht als Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 GG) angesehen werden kann. Zum anderen stellt die genannte Regelung lediglich eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentumsbegriffs (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) durch den Gesetzgeber dar. Die Planungshoheit der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 GG) wird nicht eingeschränkt. Eine Ergänzung der Baunutzungsverordnung wäre keine Ersatzlösung. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 23. Juni 1989 ihren Antrag Einstellung aller Atomwaffenversuche - Drucksache 11/2204 - zurückgezogen. 11972* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 8. August 1989 ihren Antrag Menschenrechte in Kolumbien — Drucksache 11/2404 — zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/2133 Drucksache 11/3316 Drucksache 11/4456 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/5910 Drucksache 11/583 Drucksache 11/1531 Drucksache 11/2362 Drucksache 11/3017 Drucksache 11/3644 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/2953 Ausschuß für Jugend, Famille, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/596 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 11/4019 Nr. 2.2, 2.3 Drucksache 11/4081 Nr. 2.4 Drucksache 11/4337 Nr. 3 Drucksache 11/4451 Nr. 2.3 Drucksache 11/4534 Nr. 2.2 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/4161 Nr. 2.11-2.17 Drucksache 11/4238 Nr. 2.4-2.8, 2.10, 2.11 Drucksache 11/4337 Nr. 8, 9, 11-21 Drucksache 11/4405 Nr. 3.5 Drucksache 11/4451 Nr. 2.7-2.14 Drucksache 11/4534 Nr. 2.8-2.16 Ausschuß für Jugend, Famille, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/4337 Nr. 22, 23 Drucksache 11/5051 Nr. 41 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/4161 Nr. 2.20 Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 22. August 1989 gemäß § 30 Absatz 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan nebst Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Bundesminister für Verkehr hat den Wirtschaftsplan 1989 und den Stellenplan zum Wirtschaftsplan 1989 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen genehmigt. Der Bundesminister für Post und Telekommunikation hat mit Schreiben vom 9. August 1989 gemäß § 31 der Posthaushaltsordnung den Nachtrag zum Haushaltsplan der Deutschen Bundespost für das Haushaltsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Beide Unterlagen liegen im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Letzterem rede ich ins Gewissen. Wenn das nicht wirkt, rufe ich Herrn Vogel zu Hilfe.

    (Heiterkeit bei allen Fraktionen — Bundesminister Dr. Waigel: Warum nicht Herrn Schöfberger?)

    — Als Hilfsorgan.

    (Bundesminister Dr. Waigel: Man darf ja von hier aus nichts sagen!)

    — Ich könnte ja beim Präsidenten eine Ausnahmegenehmigung erwirken, Herr Waigel.

    (Weiterer Zuruf von der Regierungsbank: Ministererlaubnis! — Heiterkeit)

    Zur ersten Frage — Ingrid Matthäus-Maier hat das in ihrem Beitrag ja schon erwähnt — : Sie haben damals die Mineralölsteuer erhöht, um Kasse zu machen.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Wir wollen ein umfassendes verkehrspolitisches Konzept auf diesem Gebiet darstellen. Das ist ein entscheidender Unterschied. Ich bin ganz dankbar, daß



    Roth
    Sie diese Frage stellen; denn damit ist die Geschichte noch einmal klar geworden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sozialdemokraten nehmen das Steuergeld nur widerwillig!)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein anderes Thema ansprechen: die Effizienz und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft. Sie waren — Sie erinnern sich — mit dem Versprechen angetreten, die Subventionen zu kürzen. Das Gegenteil ist der Fall: Die Subventionen sind und bleiben auch in diesem Haushalt auf einem Rekordstand.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie kürzen jetzt bei der Kohle, nicht wahr?)

    Auf diesem Feld haben Sie völlig versagt. Sie haben der Erfahrung völlig zuwidergehandelt, daß nichts die Effizienz und damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft mehr stärkt, als an dieser Stelle den Wettbewerb wirklich zu organisieren.
    Der europäische Binnenmarkt wurde in den letzten Jahren immer wieder damit begründet — ich fand das Argument richtig — : Er schaffe mehr Wettbewerb, steigere die Leistungsfähigkeit bei uns und in anderen europäischen Ländern bis hin nach Portugal und Spanien; das ist dringend geboten. Gleichzeitig wird nun aber der europäische Binnenmarkt permanent als Argument für Fusionen, für Konzentrationen, für Kartelle und für Monopole herangezogen. Ich halte das für eine bedenkliche Entwicklung. Wir hatten uns den Binnenmarkt eigentlich nicht so vorgestellt, daß nun dieselben Unternehmensgrößen — nur in verdreifachter, vervierfachter Größe — auftreten, sondern wir wollten mehr Wettbewerb.
    Es gibt eine Konzentrationstendenz, die uns außerordentlich besorgt macht. Das heißt, wir als Politiker räumen — zugegebenermaßen unter Schwierigkeiten — europäische Schutzzäune weg, und jetzt gibt es privat organisierte Schutzzäune der Unternehmen.

    (Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Ja!)

    Das heißt, jetzt ist eine Phase da, bei der man Wettbewerbspolitik noch ernster nehmen muß als bisher, und zwar nicht mit irgendwelchen Scheinnovellierungen des Kartellgesetzes, sondern in der praktischen Politik.
    Ich weiß nicht, Herr Bundeswirtschaftsminister, wie Sie in Brüssel gegen die Verquickung von Industriepolitik und Wettbewerbspolitik — die beispielsweise die Franzosen seit jeher verfolgen, auch in der Kommission — weiterhin glaubhaft antreten und gleichzeitig in der Bundesrepublik die Superfusion Daimler-Benz/MBB genehmigen wollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist nicht nur ein moralisches Problem, daß jemand, der sich in der Vergangenheit so entschieden für Wettbewerb und Marktwirtschaft ausgesprochen hat, eigentlich sich selbst treu bleiben müßte, gerade in einer kritischen Phase, gerade wenn es schwerfällt, nicht wenn man da irgendwo auf einer Konferenz herumredet, wo es nicht weh tut. Aber es ist auch eine sehr praktische Frage für alle Nachfolgeregierungen: Wenn diese Regierung diese Superfusion zuläßt, ist
    die Glaubwürdigkeit unseres Kartellgesetzes, des Grundgesetzes unserer Wirtschaft, was den Wettbewerb betrifft, nicht mehr gegeben und nicht mehr formulierbar.

    (Beifall bei der SPD)

    Deshalb sage ich auch in unserem ureigensten Interesse,

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Zwischenfrage Grünbeck? — Dr. Vogel [SPD]: Wo bleibt die Zwischenfrage? Grünbeck schweigt!)

    daß Sie an dieser Stelle aktiv werden und den Mut haben müssen, die Fusion zu verweigern.
    Daimler-Benz wurde eine Ministererlaubnis offenbar schon in Aussicht gestellt; jedenfalls steht das heute in der „Stuttgarter Zeitung".

    (Dr. Haussmann, Bundesminister für Wirtschaft: Es muß nicht alles stimmen! — Kittelmann [CDU/CSU]: Die muß ja nicht recht haben!)

    Manche sagen, sie wurde sogar offiziell zugesagt. Sagen Sie uns in dieser Debatte — Sie haben Gelegenheit dazu —, ob Sie am Freitag die Fusion genehmigen, ob Sie das unterstützen, dann werden wir anschließend zu den Detailfragen dieser Fusion noch eine lebhafte Debatte haben.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Und noch die Uhrzeit am Freitag!)

    Stimmt es eigentlich oder stimmt es nicht, daß in den letzten Wochen über die Zustimmung zur Fusion hinter verschlossenen Türen ständig verhandelt worden ist?

    (Grünbeck [FDP]: Anhörung!)

    — Die Anhörung ist öffentlich, transparent und sichtbar, die Anhörung ist das Gespräch zwischen Staat und Wirtschaft, nicht aber Diskussion und Kungeleien hinter hinter verschlossenen Türen. Darum geht es!

    (Beifall bei der SPD)

    In verschiedenen Zeitungen, darunter auch der „Stuttgarter Zeitung", steht, es hätte — man muß sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen — „NonGespräche" gegeben. Wir kennen ja aus der Diplomatie in schwierigen Verhandlungsphasen Non-Papiere

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Wir haben NonMinister!)

    als Vorstufe zum letzten Papier, zum Vertragspapier.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Besser als Non-Redner!)

    Aber, meine Damen und Herren, daß ein Staatssekretär, in diesem Fall der Herr Schlecht — —

    (Dr. Vogel [SPD]: Non-Schlecht!)

    — Da fällt es fast schwer, im Namen keine Auszüglichkeiten zu entdecken, aber da ich Roth heiße, bin ich vorsichtig.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Wenn man das hört, wird man auch rot!)




    Roth
    Meine Damen und Herren, stimmt es, daß Herr Schlecht diese Non-Gespräche in Ihrem Auftrag geführt hat, Herr Haussmann?

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Ein guter Mann, der Herr Schlecht!)

    Das ist viel ernster als Sie das nehmen. Hier geht nämlich die böse Saat des Herrn Bangemann auf, und der bindet an dieser Stelle den Herrn Haussmann in die falsche Richtung.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Wo bleibt denn der Graf Lambsdorff?)

    Denn da Bangemann diese Fusion hinter verschlossenen Türen schon vorgekungelt hat, ist jetzt Haussmann gezwungen, Windungen und Aktionen vorzunehmen, um irgendwie über die Runden zu kommen und das Gesicht nicht völlig zu verlieren. Das ist die Tatsache.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber, meine Damen und Herren, das Problem ist noch sehr viel komplexer. Im Kartellgesetz ist die Unabhängigkeit der Ministererlaubnis von der direkten Beeinflussung durch das betroffene Unternehmen geradezu konstituiert. Das ganze Verfahren ist ja so kompliziert — Kartellamt, Monopolkommission, öffentliche Anhörung und dann Ministerentscheidung, und zwar isolierte Ministerentscheidung — , daß eine Verschmelzung der Vorhaben und Interessen zwischen den Unternehmen und dem entscheidenden Minister nicht stattfinden darf.
    Bitte nehmen Sie das ernst: Es gibt ja viele Vorwürfe gegen unsere Art Wirtschaftssystem. Ein böser Vorwurf lautet, es führe allmählich zu einer Verschmelzung an der Spitze zwischen Monopolen, Banken, Industrieinteressen und der Staatsführung. Diese Verschmelzung der Interessen wäre nicht nur ein wirtschaftspolitisches Problem, sondern auch ein Demokratieproblem. Der Fall Daimler-Benz zeigt sehr deutlich, wo auf den Feldern Automobilproduktion, Luftfahrt und Waffentechnik die Entscheidungen wirklich fallen und die Zukunft noch mehr fallen werden. Das heißt, die Entscheidungsvollmacht verlagert sich heraus aus Haushaltsausschuß und Parlament und hinein in Kungelstuben. Der Vorgang der letzten Wochen, das Gespräch hinter verschlossenen Türen mit dem fabelhaften Begriff „Non-Gespräche", zeigt diese Verschmelzung.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Stamokap!) Hier wird dazwischengerufen: Stamokap.


    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Und Graf Lambsdorff schweigt!)

    Richtig, es ist exakt diese Orientierung, die wir beklagen, die zur falschen wirtschaftspolitischen Weichenstellung steht, zu der Uwe Jens noch an der einen oder anderen Stelle ergänzende Bemerkungen machen wird.

    (Grünbeck [FDP]: Das ist aber der kleinere Teil der SPD! Der größere Teil ist anderer Meinung!)

    Meine Meinung ist: Herr Haussmann, nehmen Sie Ihren ganzen Mut zusammen. Zeigen Sie, daß Sie in dieser Legislaturperiode wenigstens eine Weichenstellung gegen Ihre Vorgänger in der Wirtschaftspolitik vornehmen, und sagen Sie am Wochenende nein zu dieser Fusion. Sie haben die Unterstützung der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag.

    (Zuruf von der FDP: Das ist ein bißchen wenig!)

    Tun Sie das; entscheiden Sie in die richtige Richtung.

    (Beifall bei der SPD)

    Nach der Regierungserklärung vom Freitag und nach manchen Diskussionsbeiträgen von gestern möchte ich ein letztes Thema ansprechen und dort in Richtung auf Gemeinsamkeit und auch Bereitschaft zu finanzwirtschaftlichen Opfern plädieren. Ich meine die Situation in Osteuropa. — Wir sagen Osteuropa; das ist nicht korrekt. Die Tschechoslowakei gehört zu Mitteleuropa; auch Ungarn versteht sich nicht als Osteuropa, schon gar nicht als Balkan, wie es manche bei uns sagen. Auch Polen ist im Zentrum Europas gelegen. — Ich meine, hier sind auch wirtschaftspolitische Entscheidungen notwendig.
    Ich bin nicht dafür — um das klar zu sagen, und ich hoffe, daß wir da Gemeinsamkeit haben, Graf Lambsdorff — , reine Budgethilfen zu geben; diese Forderungen gibt es ja immer wieder aus manchen Ländern. Vielmehr bin ich dafür, die Erfahrungen des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg, beispielsweise die Erfahrungen des Marshall-Plans, der Projekt-, der Infrastruktur- und der Neugründungsfinanzierung, auch in diese Richtung weiterzugeben.
    Als jemand, der seit nun 21 Jahren in Ungarn jährlich ein- bis zweimal den Reformprozeß in seinem Vor und Zurück, mit Stagnation, Rückfall und dann, seit einigen Jahren, einem kräftigen Schwung mitverfolgt hat, bin ich der festen Überzeugung, daß Geldüberweisen pauschal keinen Sinn macht, auch wenn wir hin und wieder unter Druck gesetzt werden; das hat ein Besucher in diesen Tagen ein bißchen anklingen lassen.
    Das heißt, ich bin dafür, viel Geld in die Hand zu nehmen, das mit zu unterstützen und jetzt nicht die Zuwachsraten — sei es in der Verschuldung, sei es bei der Kreditaufnahme; denn dafür könnte man Kredite aufnehmen — zu kritisieren, wenn dieses Projekt und Programm in die richtige Richtung geht. Da sollten wir unsere Erfahrungen von Wettbewerb, von Innovationen von unten, von Neugründungen, Existenzgründungen, Innovationen im Betrieb, mehr Spielraum, mehr Wettbewerb, mehr Markt, durchaus in die Diskussion einbringen.
    Ich bin ganz froh, daß in den Grundfragen der Wirtschaftsordnung in diesem Deutschen Bundestag keine prinziellen Meinungsverschiedenheiten vorhanden sind. Wir haben ganz unterschiedliche Auffassungen, was den Infrastrukturanteil in der Volkswirtschaft betrifft, was das ökologische Umsteuern betrifft. Aber in der Wettbewerbs-, in der Marktfrage sind wir uns einig. Da ist es gar nicht schlecht, wenn wir diese Erfahrungen aus einem Wiederaufbau in Richtung auf Osteuropa formulieren und dort die Reformkräfte unterstützen, und zwar unabhängig davon unterstützen, aus welchem Lager sie kommen.



    Roth
    Ich finde es ganz schrecklich, daß jetzt manche so tun, als könnten die nächsten zehn, 15 Jahre in Polen, in Ungarn oder anderswo gestaltet werden, ohne daß die Kräfte, die die Verantwortung monopolisiert hatten, noch an dem Prozeß beteiligt sein würden. Diese Kräfte gibt es auch später noch, und sie müssen in einem demokratischen Reformprozeß integriert werden.
    Übrigens gelingt das in Ungarn sehr gut. Dort gibt es in der kommunistischen Partei innerparteiliche Diskussionen, die sich gewaschen haben. Ich wäre froh, wenn jede demokratische Partei in der Welt so viel intern diskutieren würde.
    Das heißt, wir sollten unsere Erfahrungen im Marktsystem, im Infrastruktursystem, aber auch im politischen System aufnehmen und sollten als Deutscher Bundestag bereit sein, hier auch substantiell Opfer zu bringen und Beiträge zu leisten. In den nächsten Wochen muß aber zur Sache gegangen werden; geredet haben wir über diese Frage jetzt genug.
    Vielen Dank fürs Zuhören.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Helmut Haussmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Woche wird eine der schwierigsten Wettbewerbsentscheidungen der Nachkriegsgeschichte getroffen.

    (Roth [SPD]: Haben Sie doch schon!)

    Auch in der heutigen Debatte werde ich mich an Stil, an Gesetz und Ordnung unseres Wettbewerbsrechts halten. Davon konnten mich bisher weder Kartellamtspräsidenten in Talkshows, voreilige „Spiegel"-Interviews, die leider zu Rücktritten führen mußten, Aktuelle Stunden im Bundestag oder auch Empfehlungen von früheren Kanzlern der SPD in der „Zeit" abhalten.
    Ich werde am Freitag eine Entscheidung bekanntmachen, meine Damen und Herren, die sich an folgendem orientiert: erstens an den berechtigten Besorgnissen des Mittelstands, zweitens an dem staatlichen Interesse an zwar langfristigem, aber dennoch deutlichem Subventionsabbau, drittens an den Grundlinien des Gutachtens der Monopolkommission.
    Das Ganze kann im Ministerverfahren gesetzlich nicht mit einer Änderung im Bankenbereich verbunden werden. Aber es muß politisch verbunden werden mit einer Änderung des Einflusses, den Banken über ihre Industriebeteiligungen ausüben können.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich will zweitens in dieser Rede auf das eingehen, was Herr Roth und Frau Matthäus-Maier gesagt haben. Ich will umgekehrt aus der Sicht der Liberalen und aus der Sicht des Wirtschaftsministers die Frage stellen: Ist Wirtschaftswachstum nicht alles?

    (Schulhoff [CDU/CSU]: Ohne das ist alles andere nichts!)

    Meine Damen und Herren, was wollen Sie in der Beschäftigungspolitik ohne Wachstum erreichen? Was wollen Sie ohne Wachstum für die Reformbemühungen in den ost- und mitteleuropäischen Ländern erreichen?

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Wer ist denn gegen Wachstum?)

    Was wollen Sie im Bereich des Umweltschutzes ohne Wachstum erreichen? Ich bin zu jeder Debatte bereit, die jetzige Definition des Wirtschaftswachstums unter Umweltschutzgesichtspunkten zu ergänzen und anzureichern.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Das ist was anderes!)

    Tatsache bleibt, daß das jetzige hohe Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik uns gesellschaftspolitischen Fortschritt erlaubt: in der Beschäftigungspolitik, bei der Unterstützung der Reformpolitik in Mittel- und Osteuropa und im Bereich der Umweltschutzinvestitionen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die deutsche Wirtschaft erweist sich derzeit als eine der dynamischsten der westlichen Welt.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: So ist es!)

    Nicht nur die Konjunkturforscher, sondern auch die Opposition haben sich gewaltig geirrt. Ich will deren Voraussagen jetzt nicht noch einmal wiederholen.
    Was wir im Moment erleben, ist auch für uns im Vorfeld des Binnenmarktes eine erstaunliche Dynamik der Aktivität unserer Arbeitnehmer, unserer Ingenieure und unserer Selbständigen in der Bundesrepublik.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das Bruttosozialprodukt wird am Ende dieses Jahres um real 20 %, d. h. um ein Fünftel, höher liegen als im Jahre 1982.
    Wichtig ist, daß sich dieses Wachstum auch im nächsten Jahr fortsetzt, damit die Chancen für gesellschaftlichen Fortschritt gewahrt bleiben. Die Stimmung in den Unternehmen ist ausgezeichnet. Sie ist so, wie sie zuletzt im Jahre 1969 festzustellen war. Die Auftragsbestände wachsen. Die Produktionskapazitäten weisen inzwischen die höchste Auslastung seit 1970 auf.
    Wir haben die stärkste Investitionsdynamik seit einem Jahrzehnt. Die europäischen Länder bereiten sich mit deutschen Maschinen, mit deutschen Investitionsgütern auf den Binnenmarkt vor. Die Beschäftigung steigt seit Ende 1988 beschleunigt. Der Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen, den wir zu Beginn der 80er Jahre zu verzeichnen hatten, ist mehr als ausgeglichen. Zu keinem Zeitpunkt seit Bestehen der Bundesrepublik hat es mehr Beschäftigte gegeben, nämlich über 27,7 Millionen.
    Die Zahl der Beschäftigten hat sich vom August 1988 bis zum August dieses Jahres um 360 000 erhöht. Hierbei handelt es sich um junge Menschen, vor allem um Aussiedler, Übersiedler, Ausländer der zweiten Generation. Das sind gesellschaftspolitische Fort-



    Bundesminister Dr. Haussmann
    schritte, die uns das Wirtschaftswachstum erleichtert.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Besonders wertvoll sind die Fortschritte bei der Jugendarbeitslosigkeit. Wir haben — im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern — dort einen absoluten Tiefstand erreicht. Der Anteil der Arbeitslosen unter 20 Jahren ist zum erstenmal deutlich unter 5 % gesunken. Vom August 1988 bis zum August dieses Jahres konnte die Arbeitslosigkeit um 26 % gesenkt werden. Deshalb sage ich, meine Damen und Herren: Jedes Prozent Wachstum in der jetzigen Lage bedeutet nicht nur Arbeits-, sondern auch Lebenschancen, insbesondere für junge Menschen, aber verstärkt auch für Aussiedler und Umsiedler. Und wir sollten bei dieser Wachstumsdiskussion nicht nur an uns denken, an die Deutschen in der Bundesrepublik, sondern wir sollten in der Wachstumsdiskussion auch an diejenigen denken, die von diesem Wachstum Arbeits- und Lebenschancen erwarten, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der FDP)

    Dies sollte auch in der Arbeitszeitdiskussion eine Rolle spielen. Wir können die Arbeitszeit nicht nur egoistisch-national gestalten. Wenn Menschen anderer Länder in Ost- und Mitteleuropa länger arbeiten wollen, dann können wir uns nicht verweigern und immer kürzer arbeiten. Wir brauchen die Arbeitskraft der Facharbeiter, der Ingenieure, der Kaufleute, um Menschen in anderen Ländern helfen zu können. Die Diskussion über die Folgen weiterer Arbeitszeitverkürzung für qualifizierte Menschen in der Bundesrepublik Deutschland muß sehr grundsätzlich geführt werden.
    Die Preissteigerungen liegen in diesem Jahr bei 3 %, meine Damen und Herren. Ich möchte diese Entwicklung nicht verharmlosen. Ich finde, wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, damit wir wieder unter die 3 %-Marke kommen und dort bleiben.

    (Eigen [CDU/CSU]: Sind wir ja schon jetzt!)

    Zuletzt hat sich jedoch der Preisauftrieb erfreulicherweise etwas abgeschwächt.

    (Eigen [CDU/CSU]: So ist es!)

    In den 13 Jahren SPD-geführter Regierung ist es nur in einem einzigen Jahr, nämlich 1978, gelungen, eine Preissteigerungsrate unter 3 % zu erreichen.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Damit hatten Sie wohl gar nichts zu tun?)

    Frau Matthäus-Maier, wenn Sie unter altem Denken Stabilitätspolitik verstehen, dann bin ich in dem Fall für altes Denken

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Ich habe angegriffen, daß Sie sich nicht zu Ihrer Mitarbeit bekennen!)

    und nicht für neues Denken, das mit einem unausgewogenen Steuer- und Preiserhöhungsprogramm zu Lasten der Stabilität geht. Instabile Staatsfinanzen sind das Unsozialste für Menschen ohne Einkommen, für Rentner und für Arbeitslose. Deshalb müssen Sie
    Ihre Steuerdebatte mit der Beschäftigungs- und Stabilitätspolitik in Einklang bringen. Diese Frage ist nicht gelöst.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht nur diese Frage, andere auch nicht!)

    Meine Damen und Herren, auch und gerade während dieser schwierigen Wettbewerbsentscheidung gilt meine besondere Aufmerksamkeit den mittelständischen Betrieben. Dies ist keine Vorzugsbehandlung, es heißt nur, dem Mittelstand auch wirtschaftspolitisch das Gewicht beizumessen, das ihm für unsere Volkswirtschaft zukommt. Ein Großteil der neuen Arbeitsplätze entsteht eben in Klein- und Mittelbetrieben.

    (Kraus [CDU/CSU]: Richtig!)

    Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Mittelstandes kann nicht an der Höhe der Mittelstandsprogramme abgelesen werden. Es ist und bleibt ein Gütesiegel, daß der Mittelstand ohne große Subventionen Schrittmacherfunktion bei Wachstum und Beschäftigung wahrnimmt. Es zeigt sich dabei, daß sich diejenigen am besten im Wettbewerb behaupten, die ihre unternehmerische Energie für mehr Leistung am Markt einsetzen, statt hinter Subventionstöpfen herzurennen. Staatliche Hilfen bringen den Unternehmen auf Dauer keine Vorteile. Sie machen abhängig. Deshalb ist der Mittelstand gut beraten, auch in Zukunft primär auf die eigene Leistungsfähigkeit zu vertrauen und sie weiter zu verbessern.
    Im Vordergrund der künftigen Mittelstandspolitik steht die Vorbereitung auf den gemeinsamen Binnenmarkt. Hier liegen wie auf keinem anderen Feld große Chancen, gerade auch für kleine und mittlere Betriebe. Meine Damen und Herren, ich habe eine ständige Europakonferenz für den Mittelstand eingerichtet, um den Mittelstand gezielt auf Europa'92 vorzubereiten. Die erste Konferenz im März 1989 in Essen war ein großer Erfolg. Sie wird fortgesetzt. Ich bin der Meinung, daß es notwendig ist, für die vielen auseinanderstrebenden mittelständischen Verbände ein Dach zu bilden. Die Interessen des Mittelstandes zu bündeln, sie den Interessen der Großunternehmen, auch der Gewerkschaften entgegenzusetzen, ist Teil einer wichtigen Mittelstandspolitik.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wichtig für kleine und mittlere Betriebe ist, daß in Brüssel die deutsche Sprache gleichberechtigt mit Englisch und Französisch ist. Ich fordere heute erneut auch die deutschen Vertreter in Brüssel auf, sich an diesen Grundsatz einer gleichberechtigten Arbeitssprache Deutsch zu halten. Meine Damen und Herren, kleine und mittlere Betriebe haben weder Stäbe noch Übersetzerbüros. Sie sind darauf angewiesen, daß ihnen neue Richtlinien nicht nur im komplizierten Französisch, verzögert dann in Englisch und erst sehr viel später in Deutsch zugestellt werden, sondern daß sie gleichzeitig die gleiche Chance wie kleine und mittlere Betriebe in Frankreich und in anderen Ländern haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)




    Bundesminister Dr. Haussmann
    Der Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums spiegelt die enorme Bedeutung der Energiepolitik wider. Das gilt insbesondere für den deutschen Steinkohlebergbau, der ohne massive staatliche Hilfe nicht lebensfähig ist. Die Beschlüsse der Kohlegespräche vom 10. Juli und 24. August dieses Jahres belegen, daß die Bundesregierung, insbesondere der Wirtschaftsminister, zu den Zusagen in der Kohlepolitik steht. Die Entscheidungen sind ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung des Steinkohlebergbaus und sollen den dringend notwendigen energiepolitischen Konsens in unserem Land erleichtern. Die jüngsten Beschlüsse der Bundesregierung folgen meinen Vorschlägen. Die Beschlüsse dienen dazu, den Jahrhundertvertrag in seiner Substanz weiter abzusichern. Die Finanzlage des Vertromungsfonds wird deutlich und strukturell durch Eigenbeiträge der Bundesregierung und der Bergbauländer verbessert.
    Ich begrüße es, auch inmitten eines Kommunalwahlkampfs, ausdrücklich, daß Nordrhein-Westfalen sich einem eigenen Beitrag nicht entzogen hat. Leider stimmen nicht bei allen Kohleländern Worte und Taten in der Kohlepolitik überein.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Sehr richtig!)

    Nun geht es um die Umsetzung dieser Beschlüsse. Die vom Bund und den Kohleländern beschlossene unabhängige Expertenkommission unter Vorsitz von Professor Mikat und unter Beteiligung wichtiger SPD-Politiker habe ich inzwischen berufen. Diese Kommission soll die Bundesregierung in der Erarbeitung einer Konzeption für eine nationale Kohlepolitik im Rahmen der künftigen Energiepolitik, insbesondere in der Entwicklung einer Anschlußregelung für die Verstromung nach 1995, beraten. Die Kommission wird ihren Bericht zügig, im März 1990, vorlegen, Ich erwarte, daß diese Kommission einen realistischen und konsensfähigen Entscheidungsrahmen für unsere Entscheidung vorlegt, der die energie- und umweltpolitischen Notwendigkeiten, die regionalen und die sozialen Bedingungen in den Revieren, aber auch die Aspekte und die Bedingungen des EG-Binnenmarktes berücksichtigt. Ich hoffe, daß wir auch in einem Bundestagswahljahr die Kraft haben, entsprechende mutige Beschlüsse vor dieser Bundestagswahl zu fassen.

    (Beifall bei der FDP)

    Ziel unserer Politik ist es, die langfristig unumgänglichen Strukturanpassungen im Steinkohlebergbau sozuialverträglich und ohne bruchartige Entwicklungen zu steuern. Die derzeit gute Konjunktur sollte für eine mutige Umstrukturierung und damit für die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen in den Kohlerevieren mehr als bisher genutzt werden. Der Anpassungsprozeß muß auch nach 1995 weitergehen. Dies wird auch von Ministerpräsident Rau gesehen. In den Kohlegesprächen hat sich auch gezeigt, daß Theorie und Praxis in fortschrittlichem Denken sehr unterschiedlich sind. Herr Rau hat in vielen wichtigen und unbequemen Kohleentscheidungen mitgezogen. Das gleiche läßt sich leider für Herrn Lafontaine nicht behaupten.
    Lassen Sie mich abschließend einige wenige grundsätzliche Bemerkungen zum Thema „Umweltschutz
    und Marktwirtschaft" machen. Das ist überhaupt kein neues Denken, es ist altes Denken, daß Marktwirtschaft in der Lage ist, schneller als planwirtschaftliche Systeme Umweltschutz voranzubringen.

    (Zurufe von der SPD)

    — Es ist auch keine SPD-Erfindung.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Es muß endlich etwas passieren!)

    Es ist ein uraltes Thema der Ökonomie in der Bundesrepublik.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Machen Sie es doch!)

    Und wenn es schon um Parteipolitik geht: Es waren die jungen Liberalen in der Bundesrepublik Deutschland,

    (Beifall bei der FDP — Lachen bei der SPD)

    — natürlich! — die zum ersten Mal politische Beschlüsse zum Thema „Umweltschutz und Marktwirtschaft" getroffen haben.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Solche Liberale gibt es noch gar nicht so lang!)

    Insofern hat Frau Matthäus-Maier eigentlich nur abgeschrieben.

    (Lachen bei der SPD — Roth [SPD]: Die kann ja nicht abgeschrieben haben! — Frau Matthäus-Maier [SPD]: Das kann ich ja nicht abgeschrieben haben!)

    Allerdings, im Gegensatz zu dem, was Frau Matthäus-Maier vorschlägt — —

    (Frau Matthäus-Maier [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Im Interesse der folgenden Redner: jetzt nicht. (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Schade!)

    — Ich bin gern bereit, das Gespräch nachher zu führen. Aber ich habe jetzt nur noch wenig Zeit.
    Im Gegensatz zu den Sozialdemokraten dürfen wir besseren und kostengünstigeren Umweltschutz jedoch nicht auf höhere Steuern und weitere Bestrafung verengen, sondern wir müssen das gesamte Instrumentarium der Marktwirtschaft einsetzen.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Sie haben das Programm nicht gelesen!)

    Nicht Bestrafung, sondern Belohnung muß im Vordergrund stehen.

    (Roth [SPD]: Richtig!)

    Es muß sich für diejenigen auszahlen, die sich umweltgerecht verhalten. Wer immer nur an höhere Steuern und Abgaben denkt, bewegt sich auf ausgetretenen Pfaden. Das ist kein neues Denken, meine Damen und Herren, das ist altes sozialdemokratisches Denken, mit mehr Abgaben und mit Fonds die Wirtschaft zu steuern. Die Vorschläge der Sozialdemokraten erinnern mich an ein steuerpolitisches Simsalabim: Alles soll wegen der Umwelt teurer werden. Gleichzeitig sollen Steuern gesenkt werden, Steuervergünstigungen, neue Subventionen an die Wirt-



    Bundesminister Dr. Haussmann
    schaft gegeben werden, und das Ganze soll einkommensneutral gestaltet werden.
    Daher bleibt bei den Sozialdemokraten vieles ungeklärt. Einerseits plädiert die SPD für das klare Verursacherprinzip. Andererseits möchten Sie viele von der Steuererhöhung entlasten. Daß dabei die Umverteilung nicht zu kurz kommt, überrascht nicht. Die Zeche würden die Selbständigen und die sogenannten Besserverdienenden zahlen, die bei der SPD schon bei den Facharbeitern beginnen. Auch bei der Aufkommensneutralität sind Fragezeichen zu setzen. Es wäre das erste Mal, daß sich SPD-Finanzpolitiker bei solchen Operationen nicht zu Lasten der Steuerzahler verrechnen würden.

    (Beifall bei der FDP — Widerspruch bei der SPD)

    Auch halte ich viele Details Ihrer Vorschläge für mehr als unausgegoren. Sehr starke Verbrauchsteuererhöhungen gehen voll in die Inflationsrate. Abrupte hohe Erhöhungen überfordern die Anpassungsfähigkeit unserer Wirtschaft, führen zu Wachstums- und Beschäftigungskrisen.

    (Zuruf von der SPD: O je!)

    Umweltpolitischer Fortschritt läßt sich nur in einer wachsenden Wirtschaft erzielen, meine Damen und Herren. Denn mehr Umweltschutz muß mit neuen Investitionen verbunden bleiben. Mit einer Therapie à la SPD gerät die Investitionsdynamik unter die Räder.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Sie wird nicht zurückgehen!)

    Entscheidend für mich ist: Wer Fortschritte erreichen will, darf Umweltschutzpolitik nicht gegen Stabilitäts- und Beschäftigungspolitik betreiben, sondern muß Stabilitäts- und Beschäftigungspolitik in Umweltschutzinstrumente integrieren, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Marktwirtschaftliche Umweltpolitik sollte aber durchaus auch Steuern als Lenkungsabgabe nutzen. Umweltpolitisch begründete Steuern und Abgaben müssen aber auf wenige zentrale Umweltbereiche beschränkt werden.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Richtig!)

    Wir werden in der nächsten Legislaturperiode die Einkommen- und Körperschaftsteuer weiter senken, damit neue Arbeitsplätze entstehen. Über höhere Grund- und Kinderfreibeträge werden auch niedrige Einkommen davon profitieren. Erst diese Steuersenkungen bei Unternehmen und Verbrauchern schaffen den Spielraum, meine Damen und Herren, um den knappen Faktor Umwelt durch Steuern und Abgaben in begrenztem Umfang zu verteuern. Das ist der richtige Zusammenhang zwischen Unternehmenssteuersenkung und Ökosteuern, meine Damen und Herren. Das darf nicht isoliert gesehen werden.
    Insgesamt muß aber die Steuerbelastung sinken. Das ist unser Konzept für mehr Umweltschutz, das gleichzeitig Stabilitäts- und Wachstumspolitik berücksichtigt. Allerdings, viele dieser Umweltprobleme lassen sich nur gemeinsam in Europa lösen. Schadstoffe machen an den Grenzen nicht halt.

    (Zuruf von der SPD: Das ist aber eine Erkenntnis!)

    Eine Vorreiterrolle der Bundesrepublik in Sachen Umweltschutz halte ich für möglich und notwendig.

    (Beifall bei der FDP)

    Über eines müssen wir uns allerdings im klaren sein. Ein mehr an Umweltschutz können wir uns nur leisten, wenn wir produktiver sind als andere. Konkret bedeutet dies, daß Teile des Sozialprodukts, die wir für den Umweltschutz zusätzlich einsetzen, gleichzeitig für Gewinnerhöhungen der Unternehmen, für Einkommenserhöhungen der Arbeitnehmer, aber auch für Arbeitszeitverkürzungen nicht mehr zur Verfügung stehen. Wir können nicht gleichzeitig Spitzenreiter beim Umweltschutz, bei den Lohnzusatzkosten und bei Arbeitszeitverkürzungen sein. Weniger als bei uns wird in keinem Industrieland der Welt gearbeitet. Wir können es uns auch angesichts zunehmender Engpässe am Arbeitsmarkt bei Fachkräften nicht leisten, qualifizierte Arbeit stillzulegen. Wir sollten zugunsten der Umwelt auf weitere Arbeitszeitverkürzungen verzichten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)