Rede von
Wolfgang
Roth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Wissen Sie, ich darf da ein altes Wort aufgreifen: Um auf Dauer Stabilität und Stetigkeit zu haben, bedarf es der sozialen Symmetrie. Ich habe mich nicht gegen Unternehmensgewinne ausgesprochen,
sondern gegen die mangelnde soziale Symmetrie, gegen die mangelnde Entwicklung der Arbeitnehmereinkommen und gegen die Tatsache, daß Sie jetzt in der Steuerpolitik die Umverteilung noch verstärken.
Die dritte Enttäuschung: Wachstum ohne Fortschritt. Seit Jahren redet die Bundesregierung von marktwirtschaftlichen Wegen zum Umweltschutz und von einer ökologischen und sozialen Marktwirtschaft. So nebulos das auch blieb, es war im Grunde das richtige Thema angedeutet. Konkret geht es darum: Wie erhalten wir für uns und für die Nachwelt die natürlichen Lebensgrundlagen? Das ist nicht allein ein umweltpolitisches Thema, sondern gleichzeitig ein wirtschaftspolitisches und finanzpolitisches Thema.
Aber in der Praxis vergessen Sie die Umweltfrage; Sie reden gar nicht mehr darüber. Sie jubeln über 4 oder 5 % Wachstum, ohne sich zu überlegen, wie sich die Qualität des Lebens für die Menschen verändert, ja, verschlechtert. „Mehr" ist für Sie immer noch automatisch auch „besser" .
Was Sie erreicht haben — so empfinden es viele —, ist Wachstum ohne Fortschritt. Das heißt, es sind zwar Zuwachsraten vorhanden, aber das Wohlbefinden und die Wohlfahrt der Menschen werden von dem Wachstum selbst nicht mehr positiv beeinflußt.
Übrigens war da der Wirtschaftsausschuß — ich muß alle Fraktionen loben — weiter. Herr Biedenkopf, Dietrich Sperling — der erste von der CDU, wie jeder weiß, und der zweite von der SPD — und Peter Sellin von den GRÜNEN hatten sich zusammengesetzt —
das war fast eine Allparteienaktion in einem Ausschuß — und haben eine große Anhörung gemacht: Ist eigentlich Sozialproduktswachstum noch Maßstab für die Wohlfahrt der Menschen? Das Ergebnis war einhellig, übrigens selbst durch Industrievertreter gesagt: Es funktioniert nicht mehr so. Und jetzt gehen Sie in diese Debatte und in die ganze öffentliche Diskussion wiederum nur mit dem Thema: Wachstum, Wachstum, Wachstum — ohne Qualität.
Meine Damen und Herren, es kommt ja noch schlimmer. Wenn von anderen Instrumente vorgeschlagen werden, die diese Qualität des Lebens verbessern würden, beispielsweise durch Einsparungen bei der Energie, weil die Emissionen verringert werden, dann greifen Sie diese Konzepte als antimarktwirtschaftlich, als sonst schädlich und als ohnehin von Übel an und verzögern damit diesen Diskussionsprozeß, der in Richtung für eine ökologische Erneuerung unserer Volkswirtschaft gehen muß.