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    Plenarprotokoll 11/157 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 157. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung) : a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/5000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1989 bis 1993 (Drucksache 11/5001) Dr. Penner SPD 11835 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 11841 C Frau Trenz GRÜNE 11844 C Frau Seiler-Albring FDP 11845 D Dr. Schäuble, Bundesminister BMI 11847 D Wüppesahl fraktionslos 11852 B Deres CDU/CSU 11854 A Häfner GRÜNE 11855 C Funke FDP 11857 B Engelhard, Bundesminister BMJ 11858 A Roth SPD 11859 C Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 11865 A Kleinert (Marburg) GRÜNE 11868 D Wissmann CDU/CSU 11871 D Dr. Jens SPD 11874 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 11877 B Rossmanith CDU/CSU 11880 A Hinsken CDU/CSU 11882 B Schäfer (Offenburg) SPD 11883 D Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 11888 C Dr. Knabe GRÜNE 11890 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 11892 D, 11962 D Lennartz SPD 11895 A Dr. Laufs CDU/CSU 11897D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU 11899A Vosen SPD 11904 B Schmidbauer CDU/CSU 11905 D Frau Bulmahn SPD 11908 A Austermann CDU/CSU 11910 C Frau Rust GRÜNE 11913 A Zywietz FDP 11914 B, 11930 C Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 11917 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 11920 D Dr. Hoffacker CDU/CSU 11925 B Frau Walz FDP 11927 C Frau Schoppe GRÜNE 11928 D Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 11932 B Dreßler SPD 11935 B Strube CDU/CSU 11942 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 11944 B Günther CDU/CSU 11946 B Dr. Thomae FDP 11949 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 11950 C Roth (Gießen) CDU/CSU 11954 B Dr. Struck SPD 11956 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Frau Rust GRÜNE 11964 A Dr. Waigel, Bundesminister BMF 11964 C Nächste Sitzung 11970 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11971* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 11971* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 11835 157. Sitzung Bonn, den 6. September 1989 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 07. 09. 89 * Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Büchner (Speyer) SPD 07. 09. 89 * Eich GRÜNE 07. 09. 89 Frau Eid GRÜNE 07. 09. 89 ** Frau Fischer CDU/CSU 07. 09. 89 ** Frau Geiger CDU/CSU 07. 09. 89 ** Genscher FDP 07. 09. 89 Heimann SPD 07. 09. 89 Dr. Holtz SPD 07. 09. 89 ** Frau Hürland-Büning CDU/CSU 07. 09. 89 Klein (Dieburg) SPD 07. 09. 89 Dr. Klejdzinski SPD 07. 09. 89 ** Dr. Kreile CDU/CSU 07. 09. 89 Kretkowski SPD 07. 09. 89 Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 07. 09. 89 Frau Luuk SPD 07. 09. 89 ** Lüder FDP 07. 09. 89 Magin CDU/CSU 07. 09. 89 Marschewski CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Müller CDU/CSU 07. 09. 89 * Niggemeier SPD 07. 09. 89 Dr. Nöbel SPD 07. 09. 89 Frau Pack CDU/CSU 06. 09. 89 Regenspurger CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Scheer SPD 07. 09. 89 Frau Schilling GRÜNE 07. 09. 89 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 07. 09. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Sielaff SPD 06.09.89 Dr. Stercken CDU/CSU 07. 09. 89 ** Tietjen SPD 07.09.89 Vahlberg SPD 07.09.89 Westphal SPD 07. 09.89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 07. 09. 89 ** Dr. Wulff CDU/CSU 07. 09. 89 ** Zierer CDU/CSU 07. 09. 89 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 30. Juni 1989 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Gesetz über die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank (DSL Bank-Gesetz - DSLBG) Drittes Gesetz zur Änderung des Milchgesetzes Gesetz zur Einführung eines Dienstleistungsabends Anlagen zum Stenographischen Bericht Gesetz über die achtzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und zur Änderung von Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe (KOV-Anpassungsgesetz 1989 - KOVAnpG 1989) Gesetz zur Änderung von Vorschriften der See-Unfallversicherung in der Reichsversicherungsordnung Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1989 (Nachtragshaushaltsgesetz 1989) Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes Gesetz zur Errichtung neuer Freihäfen und zur Änderung des Zollgesetzes Sechstes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes Gesetz über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten (Rettungsassistentengesetz - RettAssG) Zwölftes Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften Achtes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Aussiedler und Übersiedler Gesetz zur Änderung des Bundespersonalvertretungsgesetzes Gesetz zur Änderung des Raumordnungsgesetzes ... Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften Gesetz zur Aussetzung der Verlängerung des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes Sechstes Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes Gesetz zu dem Protokoll vom 14. November 1988 über den Beitritt der Portugiesischen Republik und des Königreichs Spanien zur Westeuropäischen Union Gesetz zur Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft (LaFG) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf eine Ergänzung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Baugesetzbuch mit dem Ziel hinzuwirken, daß durch Festlegung konkreter Grenzwerte für Tierbestände die Privilegierung beim Bauen im Außenbereich eingeschränkt wird. Diese Ergänzung würde das vorrangige Anliegen des Gesetzes, das Entstehen neuer Tiergroßbestände zu erschweren, wesentlich unterstützen. Der vorgeschlagene Ausschluß der übergroßen Tierbestände von der Privilegierung des Bauens im Außenbereich stellt ein hochwirksames Instrument zur Erschwerung industrieller Tiermast dar. Die hiergegen erhobenen Bedenken sind einmal deshalb unbegründet, weil die Berücksichtigung agrarpolitischer Zielvorstellungen im Bauplanungsrecht nicht als sachfremd und damit nicht als Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 GG) angesehen werden kann. Zum anderen stellt die genannte Regelung lediglich eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentumsbegriffs (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) durch den Gesetzgeber dar. Die Planungshoheit der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 GG) wird nicht eingeschränkt. Eine Ergänzung der Baunutzungsverordnung wäre keine Ersatzlösung. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 23. Juni 1989 ihren Antrag Einstellung aller Atomwaffenversuche - Drucksache 11/2204 - zurückgezogen. 11972* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 157. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1989 Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 8. August 1989 ihren Antrag Menschenrechte in Kolumbien — Drucksache 11/2404 — zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/2133 Drucksache 11/3316 Drucksache 11/4456 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/5910 Drucksache 11/583 Drucksache 11/1531 Drucksache 11/2362 Drucksache 11/3017 Drucksache 11/3644 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/2953 Ausschuß für Jugend, Famille, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/596 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 11/4019 Nr. 2.2, 2.3 Drucksache 11/4081 Nr. 2.4 Drucksache 11/4337 Nr. 3 Drucksache 11/4451 Nr. 2.3 Drucksache 11/4534 Nr. 2.2 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/4161 Nr. 2.11-2.17 Drucksache 11/4238 Nr. 2.4-2.8, 2.10, 2.11 Drucksache 11/4337 Nr. 8, 9, 11-21 Drucksache 11/4405 Nr. 3.5 Drucksache 11/4451 Nr. 2.7-2.14 Drucksache 11/4534 Nr. 2.8-2.16 Ausschuß für Jugend, Famille, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/4337 Nr. 22, 23 Drucksache 11/5051 Nr. 41 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/4161 Nr. 2.20 Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 22. August 1989 gemäß § 30 Absatz 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan nebst Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Bundesminister für Verkehr hat den Wirtschaftsplan 1989 und den Stellenplan zum Wirtschaftsplan 1989 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen genehmigt. Der Bundesminister für Post und Telekommunikation hat mit Schreiben vom 9. August 1989 gemäß § 31 der Posthaushaltsordnung den Nachtrag zum Haushaltsplan der Deutschen Bundespost für das Haushaltsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Beide Unterlagen liegen im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Willfried Penner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine Damen und Herren! In der Innenpolitik ist vieles liegengeblieben, was dringend gelöst werden sollte.

    (Frau Roitzsch [Quickborn] [CDU/CSU]: Zu SPD-Zeiten!?)

    Besonders die Bundesregierung muß sich endlich auf den Weg machen, well. die Schwierigkeiten sonst nicht mehr zu meistern sind. Das gilt in besonderer Weise für die Angelegenheiten der Asylbewerber, Aussiedler und Ausländer generell.
    Mit Respekt und Aufmerksamkeit haben wir registriert, daß sich Herr Dr. Schäuble bei seiner Landespartei, der baden-württembergischen CDU nämlich, für eine Lockerung des Arbeitsverbots für Asylbewerber eingesetzt hat. Gewiß, die Mehrheit seiner Partei ist ihm dabei nicht gefolgt. Er ist damit unterlegen, wie jedermann weiß. Das hat ihn aber nicht davon abgehalten, das vernünftige Ziel weiterzuverfolgen, mögen die für Asylbewerber avisierten Arbeitsmöglichkeiten in der Landwirtschaft und in der Gastronomie auch nur ein zaghafter Beginn der Abkehr von einer totalen Blockadepolitik sein.
    Auch sind die Hinweise des seinerzeitigen Bundesministers Schäuble im Kanzleramt noch in genauer
    Erinnerung, der einer vorausschauenden Einwanderungspolitik für die 90er Jahre das Wort redete, weil die Bundesrepublik dann unbestreitbar auf Facharbeiter aus dem Ausland angewiesen sei. Äußerungen, die er nach erbittertem Widerstand aus den eigenen Reihen zwar nicht mehr weiterverfolgt hat. Aber die Tatsache bleibt, daß er dieses Problem erkannt und — was noch wichtiger ist — auch angesprochen hat.
    Wir sehen also mit diesem Bundesinnenminister — anders als mit seinem Amtsvorgänger — durchaus die Möglichkeit, auch in einer so steinigen Frage, wie es die Fremdenpolitik ist, weiterzukommen.

    (Austermann [CDU/CSU]: Das ist ja schon einmal etwas!)

    Wir werben um Öffnung und Unterstützung dieser Politik auch durch die CDU/CSU; denn eine bessere Ausländerpolitik als bisher ist bitter nötig.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Wir haben zu akzeptieren, daß wir bereits jetzt durch die EG jedenfalls teilweise auch Einwandererland geworden sind. Freizügigkeit innerhalb Europas ist das Stichwort. Gewiß, die Freizügigkeit ist auf die EG-Europäer beschränkt. Aber wenn nicht alle Anzeichen trügen, stehen die Signale eher auf Ausdehnung als auf Verkleinerung der EG, und das nicht nur wegen des jetzt auch formell besiegelten Aufnahmebegehrens der Republik Österreich. Im östlichen Teil Europas ist so vieles gerade in jüngster Zeit in Bewegung geraten, was vor kurzem noch als Hirngespinst abgetan worden wäre. Wo steht denn geschrieben, daß Europa an den Demarkationslinien der Militärblöcke enden muß?
    Und was ist mit den Türken? Eben weil so viele bei uns sind — übrigens eingeladen bei uns sind — , zum Teil in der zweiten und dritten Generation bei uns ansässig, haben sie ebenso wie andere einen Anspruch darauf, nicht mehr mit der Elle des alten Polizeiausländerrechts gemessen zu werden, das den Behörden sehr viel Ermessen gegenüber Ausländern einräumt und um so mehr Verbote und Gebote vorsieht, aber wenig gesicherte Rechte zugunsten von Fremden kennt.
    Das muß anders werden, auch weil wir alle Integration für diejenigen wollen, ja im eigenen Interesse



    Dr. Penner
    darauf angewiesen sind, die nach längerem berechtigten Aufenthalt bei uns bleiben wollen. Wenn das so ist, dann schließt das das Schielen nach Assimilation aus.

    (Kolb [CDU/CSU]: Das ist eine schlimme Unterstellung, was Sie hier machen!)

    Damit bin ich bei einer wichtigen Markierung. So sehr wir für die Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit eintreten, so wenig sind wir dafür zu haben, daß solche Öffnungen andererseits als Sperren gegen eine aufgeschlossene Ausländerpolitik benutzt werden.

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Dieser Gegensatz ist künstlich!)

    Es ist doch einfühlbar, daß ein Ausländer zwar in einem fremden Land dauerhaft bleiben will, aber sich damit nicht zugleich aus seiner eingebrachten Staatsbürgerschaft lösen möchte.
    Da die ausländischen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Steuern zahlen wie andere auch, Sozialabgaben an die Renten- und die Arbeitslosenversicherung entrichten wie andere auch, wird man ihnen schwerlich ein besseres Ausländerrecht mit dem Hinweis verwehren können, daß sie ja die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben und damit aus eigener Kraft ihre Probleme lösen könnten. Aus unserer Sicht muß beides unabhängig voneinander möglich sein: Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit für solche, die dies wollen, wie auch ein zuverlässigeres, sichereres Ausländerrecht für diejenigen, die sich schon lange bei uns aufhalten, sich aber nicht von ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit lösen wollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, unsere Vorschläge sind eindeutig, klar und unmißverständlich,

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Unsere auch!)

    vielleicht nicht überall beliebt, aber ich nenne sie hier:
    Erstens. Bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis muß künftig nach dem Aufenthaltszweck differenziert werden.
    Zweitens. Eine Verfestigung des Aufenthaltsstatus soll stufenweise geschehen und nach achtjährigem Aufenthalt in ein Niederlassungsrecht münden, das eine grundsätzliche Gleichstellung in Rechten und Pflichten mit Deutschen bewirkt.
    Drittens. Ehegatten erhalten ein eigenes Aufenthaltsrecht.
    Viertens. Der Nachzug von Kindern von Ausländern soll bis zum 18. Lebensjahr möglich werden.
    Fünftens. Kindern von Ausländern soll eine Rückkehrmöglichkeit eingeräumt werden.
    Sechstens. Ausländer, die länger als zehn Jahre in der Bundesrepublik gelebt haben, sollen unter bestimmten Voraussetzungen in die Bundesrepublik zurückkehren dürfen.
    Siebtens. Die Tatbestände, die zur Ausweisung von Ausländern führen können, sollen begrenzt und klarer geregelt werden.

    (Rossmanith [CDU/CSU]: Wie in Berlin!)

    Schließlich soll die Einbürgerung erleichtert werden; notfalls soll dies auch möglich sein, wenn es dadurch zu einer Doppelstaatsangehörigkeit kommt.
    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten werden uns noch mehr als bisher davon leiten lassen, daß die Betroffenen, nämlich die Ausländer, aus der Objektrolle herauskommen und verbesserte Möglichkeiten der Integration erhalten.

    (Beifall bei der SPD)

    Nach unserer Einschätzung zählt dazu auch politische Teilhabe. In den Betrieben, in den Gewerkschaften wird es seit langem und mit Erfolg praktiziert: Da gibt es keine Schwierigkeiten, wenn ausländische Arbeitnehmer in Betriebs- und Personalräten wie bei den Vertrauensleuten der Gewerkschaften auch die Interessen ihrer deutschen Kollegen vertreten und umgekehrt. Anders wird es auch bei der politischen Vertretung nicht sein.
    Ist es in einer Zeit des Aneinanderrückens und Aufeinanderzugehens von Staaten und Völkern wirklich richtig, die trennenden Parameter der allgemeinen Staatslehre des 19. Jahrhunderts und aus noch früheren Zeiten zu bemühen, um über die Staatsangehörigkeitsfrage das Wahlrecht für Nichtdeutsche auszuhebeln? Ist es nicht zweckmäßiger, entspricht es nicht unserem ureigensten Interesse mehr, gerade im Umgang mit hier lebenden Ausländern die Zäune so niedrig wie möglich zu halten und auch über politische Mitwirkungsmöglichkeiten für Fremde Chancen zu eröffnen, damit Reibungsflächen zwischen ihnen und den Einheimischen abgebaut werden?

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    War es danach von der CDU/CSU wirklich weise, das Bundesverfassungsgericht gegen das Ausländerwahlrecht anzurufen und dieses damit zum Schiedsrichter in einer rein politischen Angelegenheit zu machen?

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Wie das Verfassungsgericht auch entscheiden mag,

    (Bohl [CDU/CSU]: Warten Sie einmal das Urteil ab!)

    die Politik ist damit die Verantwortung für Ausländer, auch soweit es um deren politische Mitwirkungsmöglichkeiten geht, nicht los.


Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Dr. Penner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hirsch?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Willfried Penner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich möchte gerne im Zusammenhang vortragen.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das ist aber ein schwaches Bild!)

    Wenn es denn sein sollte, daß die verfassungsrechtliche Decke für das Wahlrecht von Ausländern nicht reicht: Wer behauptet, daß dies unabänderlich sei?



    Dr. Penner
    Obwohl wir Sozialdemokraten — wie wir meinen, aus soliden Gründen — der Meinung sind, es gebe genügend rechtlichen Spielraum für das kommunale Wahlrecht von Ausländern, werden wir uns gegen Rechtsänderungen nicht sperren, falls sie denn notwendig werden sollten. Wenn es also um qualifizierte, um Zweidrittelmehrheiten geht, Herr Kollege Dregger, werden wir, wenn es nötig werden sollte, nicht abseits stehen.
    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, über Asylpolitik speziell wird zu anderer Zeit en detail zu beraten sein. Nur ein Wort zu besonders befremdlichen Aspekten dieses Themas: Ich halte es für abgeschmackt, die europäische Rechtsungleichheit beim Asylrecht zu bemühen und mit diesem Argument den besonders hohen Standard unseres Asylrechts einebnen zu wollen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    So gewiß Anerkennung wie Ablehnung von Asylbewerbern zunehmend EG-weit wirken werden, so wenig werden wir Sozialdemokraten am Wortlaut des Art. 16 des Grundgesetzes herumbuchstabieren lassen.
    Wir dürfen und sollten Asylpolitik nicht in der politischen Auseinandersetzung des Alltags niederknüppeln und verkümmern lassen. Es ist ja richtig: Wir können nicht das Elend der restlichen Welt alleine schultern. Das tun wir aber auch nicht. Aber unseren Beitrag zur Linderung der Flüchtlingsnot müssen wir leisten.

    (Marschewski [CDU/CSU]: Das tun wir!)

    Daran kommen wir nicht vorbei. Bei einer weltweiten Flüchtlingszahl von über 15 Millionen wird die Bundesrepublik Deutschland mit rund 61 Millionen Einwohnern doch wohl mit 800 000 Menschen human umgehen können,

    (Beifall bei der SPD)

    und nur so viele sind es nämlich — Asylbewerber, abgelehnte Asylbewerber, De-facto-Flüchtlinge nebst Angehörigen und Kindern, die bei uns Aufnahme gefunden haben.
    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, in der Aussiedlerpolitik müssen wir daran festhalten, daß die Neuankömmlinge nicht besser behandelt werden als andere, die hier schon länger leben oder gar aufgewachsen sind.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wer Wohnungsbauprogramme nur zugunsten von Aussiedlern durchsetzt, braucht sich nicht zu wundern,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Trifft doch gar nicht zu!)

    wenn andere mit älteren Ansprüchen dagegen aufbegehren.

    (Beifall bei der SPD — Marschewski [CDU/ CSU]: Fremdrentengesetz war Schmidt!)

    Aus dem gleichen Grund können wir nicht hinnehmen, daß die Neuankommenden bei der Vergabe von
    Sozialwohnungen bevorzugt werden. Das ist ungerecht gegenüber denjenigen, die noch länger darauf warten und bringt die Menschen gegeneinander auf.
    Mit um so größerem Nachdruck bestehen wir auf Sprachförderung für diejenigen, die sich bei der deutschen Sprache noch schwertun. Hilfen, öffentliche Hilfen, bei notwendigen Nachbesserungen bei der beruflichen Qualifikation sind allemal sinnvoll. Davonlaufen vor den Schwierigkeiten hilft keinem. Solange die für die Aussiedler rechtlich abgesicherten Entscheidungen aus der Nachkriegszeit stehen, müssen sie auch eingelöst werden, und zwar als Kriegsfolgelasten, für die der Bund einzustehen hat.
    Wenn die Bundesrepublik sich zur Aufnahme von Aussiedlern im bisherigen oder zu erwartenden Umfang unter den gegebenen Umständen außerstande sieht, dann müssen entweder mehr öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden, oder die Zuwanderung zur Bundesrepublik muß so geregelt werden, daß ein Kollaps von Städten und Gemeinden vermieden wird.

    (Beifall bei der SPD — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Aha!)

    Was die Übersiedler angeht, ist mir folgendes aufgefallen: Da werden Einladungen ausgesprochen, und die Einladungen sollen eingelöst werden in Zeiten, durch die der Regen tropft. Das ist kein gutes Zeichen für eine einladende Bundesrepublik. Ich habe das mit einiger Beklemmung gesehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Schutz der Bürger vor Verbrechen und Verbrechern ist eine zentrale Aufgabe der Innenpolitik und wird es auch bleiben. Dazu wäre manches zu bemerken, beispielsweise, daß die Aufklärungsquote von Verbrechen auch unter dem Bundesminister Zimmermann von Jahr zu Jahr gesunken ist, aber auch, daß trotz gegenteiliger Beschwörungen die kriminelle Wucht des Terrorismus eher schwächer geworden ist.
    Nach meiner Einschätzung geht die derzeit konkreteste kriminelle Gefahr für Völker und Staaten wie für viele einzelne von den Drogen aus. Dabei macht der Mord an dem kolumbianischen Präsidentschaftskandidaten Galan nur durch besondere Publizität und vor aller Welt deutlich, was seit einigen Jahren in einigen Staaten der Welt unleugbare Tatsache ist: Die NarkoMafia ist ganz offen auf dem Weg, staatliche Macht zu zerstören.
    Mit Erleichterung haben wir Sozialdemokraten registriert, daß auch die nachhaltigsten Verfechter staatlichen Strafens einzusehen beginnen, daß mit Strafen und Gefängnis allein das Thema nur höchst partiell, wahrscheinlich nur peripher erfaßt werden kann. Die Probleme beginnen in jenen Gegenden der Welt, bei denen Rauschgiftpflanzenanbau oft auch heute noch die einzige Möglichkeit zum täglichen Überleben ist, und endet beim Abhängigen und bei Therapeuten, die so häufig ohne Erfolge bleiben.
    Dazwischen gibt es Rauschgiftkartelle und NarkoMilliarden, die häufig in den Banken und Steuerparadiesen der westlichen Welt Zinsen und Zinseszins bringen. Dabei sind wir ausdrücklich eingeschlossen.



    Dr. Penner
    Es gibt korrupte und nur auf dem Papier befindliche Behörden und Regierungskreise, die Anbau und Handel ermöglichen oder zumindest doch erleichtern. Es gibt schwächliche Reaktionen von Abnehmerländern, die eher Verruf begründen, als die notwendige Achtung des Drogenkonsums erzwingen können. Kann etwa der Kampf der USA gegen Drogen erfolgreich sein, wenn die Vereinigten Staaten zugleich enge politische Kontakte mit dem früheren Präsidenten Noriega aus Panama unterhalten, der wegen Drogenkriminalität auf den Fahndungslisten amerikanischer Strafverfolgungsbehörden verzeichnet ist? Wie kann ein solcher Kampf erfolgreich sein, wenn Millionen US-Amerikaner nichts dabei finden, gelegentlich, aber auch häufig Rauschgift zu konsumieren?
    Um nicht mißverstanden zu werden: Es besteht überhaupt keine Veranlassung, mit dem Finger auf die USA zu zeigen. Es ist auch unser Thema. Und wenn nicht alles trügt, wird diese Welle auch Europa erreichen. Das Warenangebot wird ständig größer, und die südamerikanischen Drogenbosse haben die iberische Halbinsel als Einfallstor für EG-Europa entdeckt und geöffnet.
    Es kann ja kein Zweifel daran bestehen, daß der Wegfall von Grenzkontrollen auf dem EG-Gebiet zusätzliche Verlockung für Drogenkriminelle ist, wenn auch die praktische Bedeutung für die Polizei weitgehend überschätzt wird.
    Je eingehender man sich mit dem Thema beschäftigt, desto nachhaltiger wächst die Einsicht, daß es d i e Lösung einfach nicht gibt. Auch wenn die Anbauländer — besonders Asiens, aber auch Südamerikas — auf den Rauschgiftpflanzenanbau völlig verzichteten, zeichnen sich heute schon chemische Ersatzlösungen ab, die bei uns, im eigenen Land also, produziert werden können. Noch so drakonische Strafen haben die Drogenpest nicht eindämmen können, wie das Beispiel Malaysia und anderer Staaten zeigt. Wir aus den Konsumentenländern müssen aufhören, die Anbauländer allein verantwortlich zu machen,

    (Beifall bei der SPD — Zustimmung der Abg. Frau Unruh [GRÜNE] — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Wer tut das denn?)

    auch weil der Blick dafür verstellt wird, daß es ohne Konsumenten keinen Anbau gäbe.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Genau!)

    Wir müssen einsehen, daß die Drogenfrage auch von den Abnehmerländern selbst gesteuert werden kann und muß, weil e i n Schlüssel zur Lösung des Problems bei den Konsumenten liegt. Weil es den großen Wurf nicht gibt und vielleicht auch nicht geben kann, müssen wir viele Einzelmaßnahmen zum einheitlichen Ganzen bündeln.
    Das bedeutet für uns Sozialdemokraten: Wir stehen zu den Bemühungen, in den Anbauländern den Anbau von Drogenpflanzen durch andere landwirtschaftliche Erzeugnisse zu ersetzen, so gering der Erfolg derzeit auch sein mag.

    (Zuruf des Abg. Dr. Hirsch [FDP])

    — Ich habe das eingegrenzt. Die Möglichkeiten sind, wie wir beide, Herr Hirsch, wissen, sehr begrenzt.
    Wir wollen eine Kontrolle der chemischen Industrie, damit wir uns nicht selbst ans Messer liefern.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir treten für eine größere Transparenz der internationalen Geldströme ein, auch um die Narko-Gelder besser abschöpfen zu können.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Genau das!)

    Wir unterstützen bessere Prophylaxe und effektivere Therapie, auch wenn damit mehr Staatsferne verbunden sein sollte, ja verbunden sein muß.
    Wir unterstützen die Initiative von Rauschgiftverbindungsbeamten des Bundesministeriums des Innern und fordern den Außenminister nachhaltig und zum wiederholten Male auf, lächerlich anmutende Widerstände besonders nachgeordneter Stellen seines Amtes dagegen abzubauen — und die gibt es.
    Wir sind für mehr internationale Zusammenarbeit bei der Rauschgiftbekämpfung. Wir stehen für empfindliche Bestrafung gerade der Händler, die nicht zugleich abhängig sind.
    Aber, meine Damen und Herren, wir können ebensowenig an der Tatsache vorbeisehen, daß die Beschaffungskriminalität immer dramatischer und auch schwerer wird, daß das Abdrängen der Abhängigen in die Illegalität Prostitution und AIDS fördert. Deshalb ist es völlig unangemessen, den Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Henning Voscherau, mit einem Wust von Vorwürfen zu überziehen, der das immer drängender werdende Problem der Beschaffungsstraftaten zu lösen versucht.

    (Beifall bei der SPD — Zustimmung der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Natürlich gibt es Probleme, selbst bei einer nur teilweisen Freigabe, beispielsweise bei der Werbung, beispielsweise bei der Ansprache von Jugendlichen und Kindern. Aber wollen die Kritiker nicht zur Kenntnis nehmen, daß das Einstiegsalter für harte Drogen in den USA inzwischen bei 11,5 Jahren liegt — und das in einem Land mit einem so dichtgeknüpften Netz strafrechtlicher Verbote? Ist es denn so abwegig, beim Drogenthema auch an die Erfahrungen der Prohibition der 30er Jahre zu erinnern?

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    So sicher es ist, daß wir wie andere Länder auch mit dem Drogenproblem werden umgehen lernen müssen, so wenig helfen Tabus und Festhalten an brüchig gewordenen Überzeugungen.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es wird darüber gesprochen — und einiges spricht ja auch dafür — , daß Sie, Herr Minister, für die Restzeit der Legislaturperiode nur noch die Möglichkeit sähen, in der Ausländer-, Aussiedler- und Asylpolitik nach Ihren Vorstellungen voranzukommen. Träfe das zu, blieben wichtige Datenschutzfelder unbearbeitet — und das sechs Jahre nach jener wegweisenden Entscheidung des Verfassungsgerichts und einer mehr und mehr einhellig werdenden Meinung zum Ende des sogenannten Übergangsbonus. Darf es denn da-



    Dr. Penner
    bei bleiben, Herr Minister, daß die Verfechter des Datenschutzes und die Befürworter der Belange der inneren Sicherheit zumindest den Eindruck verstärken, die Beachtung des einen schlösse die Erfüllung des anderen aus? Ich habe Sorge, daß diese Auseinandersetzungen auf dem Rücken der Polizei ausgetragen werden, die auf sichere Rechtsgrundlagen angewiesen ist. So geht es jedenfalls nicht weiter. Die politische Verantwortung, Herr Minister, fordert dabei von Ihnen auch Handeln und nicht Vertagen.
    Unsere Vorschläge sind klar:

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Nein, völlig unklar!)

    Erstens. Wir bestehen darauf, daß die Erhebung von Daten als erste Phase der Datenverarbeitung in das Datenschutzrecht einbezogen wird.
    Zweitens. Wir bestehen darauf, daß die Akten im Datenschutz nicht rechtsfrei bleiben.
    Drittens. Die Betroffenen müssen bessere Mitwirkungsrechte bei Auskunftssperren und beim Löschen von eigenen Daten erhalten.

    (Beifall bei der SPD)

    Viertens. Die Datenschutzkontrolle muß verbessert werden, und das nicht nur für die Datenschutzbeauftragten, sondern auch und gerade für die Arbeitnehmer in den Betrieben.
    Und schließlich: Soweit es den Sicherheitsbereich angeht, muß es bei der strikten Trennung von Diensten und Polizei bleiben. Diese Trennung darf nicht durch schrankenlose, wechselseitige Mitteilungsmöglichkeiten unterlaufen werden.
    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, höchst entbehrlich ist hingegen die von Herrn Bundesminister Schäuble wieder aufgenommene Debatte um den Todesschuß oder — euphemistisch gesprochen — den sogenannten finalen Rettungsschuß.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Alle Argumente sind ausgetragen. Spätestens seit dem Fall des Münchener Geiselgansters Rammelmayr ist erwiesen, daß der Schuß, der den Verbrecher tötet, zugleich auch das Todesurteil für die Geisel bedeuten kann.
    Rechtlich trägt der Streit Züge von Prinzipienreiterei. Mich kümmert an der Frage, daß der schießende Polizeibeamte als letztes Glied der Verantwortungskette rechtlich allein bleiben könnte. Wenn man es aber genau besieht, ist auch dieses Argument nur dem Anschein nach wichtig. Selbst die Länder, die den Todesschuß ablehnen, lassen den Schützen über eine Vielzahl von Vorschriften zur Anwendung von Schußwaffen rechtlich nicht allein. Die individuelle Verantwortung für den Schuß und seine möglichen Folgen kann dem Schützen keiner abnehmen — weder durch ein Gesetz noch durch anderes Recht.
    Durch Ihren Vorstoß, Herr Minister, wird sich die Diskussion um ein einheitliches Polizeirecht weiter verhaken, das ja bisher im wesentlichen an unterschiedlichen Auffassungen über Waffen und Waffengebrauch gescheitert ist. Lohnt es deshalb, Herr Minister, sich für Regelungen stark zu machen, die Sie
    ohnehin nur für den Bund schaffen können und die damit nur geringe Bedeutung für die polizeiliche Praxis erhalten können? Der Kollege Hirsch wird für eine Möglichkeit der Profilierung gewiß nicht undankbar sein, und er hat davon ja auch schon Gebrauch gemacht, weniger übrigens die FDP.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Für solche Hilfe ist er sicher nicht dankbar, Herr Kollege!)

    Der Sache ist Ihre Initiative, Herr Minister, nicht dienlich.
    Und noch ein Punkt, der Sorge bereiten muß: Ist Ihnen, Herr Minister Schäuble, bewußt, daß der Rückzug der Industrie aus Wackersdorf auch tagelange, wochenlange, ja Monate dauernde polizeiliche Einsätze für sinnlos erklärt hat? Da geht es, staatspolitisch gesehen, um die Nutzbarkeit staatlicher Macht nach dem Belieben einzelner, wirtschaftlich Mächtiger. Die konkreten politischen Auswirkungen sind noch bedrückender: Hunderten, ja Tausenden meist junger Polizeibeamter sind die Augen geöffnet worden, daß lange Wochenendeinsätze, Spannungen und Ängste sinnlos und zwecklos waren, weil von dritter Seite das Steuer herumgeworfen wurde.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Wenn Wackersdorf eines auch die für die Belange der polizeipolitisch Verantwortlichen gelehrt haben sollte, dann dies: Der polizeiliche Einsatz zur Durchsetzung politischer Entscheidungen kann nur Ultima ratio sein und darf auf keinen Fall in einer Werkzeug-Rolle enden, die von Dritten gesteuert und betrieben wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Gerade weil Polizei und innere Sicherheit im demokratischen Staat besonders wichtig sind, darf deren Tätigkeit und Verantwortung nicht zur Karikatur privater Interessen verkommen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Siehe Berliner Senat!)

    Es kann und darf nicht verschwiegen werden, daß besonders die Bundesländer, die mehr als der Bund und auch als die Gemeinden Personalkosten zu tragen haben, zunehmend Finanzierungsschwierigkeiten auch deswegen bekommen. Ich finde es deshalb eher vernebelnd, wenn bei Interessenverbänden und Organisationen dieser heikle Punkt immer wieder umgangen wird — übrigens auch dadurch, daß die Finanzminister häufig als Sündenböcke herhalten müssen. Was wir brauchen, ist eine politisch tragfähige Personalplanung für die nächsten Jahre. Wenn es zutreffend ist, daß an Personalabbau nicht zu denken ist — ich nenne beispielsweise Aufgabenzuwachs bei der Polizei, beispielsweise Aufgabenzuwachs bei den Finanzbehörden, beispielsweise Aufgabenzuwachs im Umweltschutz oder auch zunehmende Bedeutung der pflegerischen Tätigkeit —, dann muß auch offen gesagt werden, daß dieser Aufgabenzuwachs Geld kostet und sich deshalb das privat verfügbare Einkommen um die Kosten für diesen Mehrbedarf mindern könnte. Andererseits muß auch deutlich gemacht werden, daß die Einkommen im öffentlichen Dienst nicht



    Dr. Penner
    so mager ausfallen, wie das von interessierter Seite manchmal dargestellt wird, wobei Engpässe der Bezieher unterer Einkommen gar nicht verschwiegen werden sollen. Es war jedenfalls unvermeidlich, aber auch gerecht, die Sanierung der Altersversorgung nicht auf die Renten zu begrenzen, sondern auch die Beamten- und Soldatenversorgung einzubeziehen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Das ist ja ein großer Bluff!)

    Nicht zuletzt im Hinblick auf die immer perfektere Verzahnung der Bundesrepublik mit EG-Europa, aber auch wegen der sich immer rascher verändernden Aufgaben des öffentlichen Dienstes müssen wir verstärkt zu einer Flexibilisierung kommen. Dem steht ein eingeschliffenes Laufbahn- und Dienstpostendenken im Wege. Ich weiß, Herr Minister, daß das ein steiniger Weg ist. Aber wir kommen nicht mehr weiter, wenn wir uns wie bisher darauf beschränken, von Zeit zu Zeit Gehaltsverbesserungen zu beschließen, ohne daß damit die Strukturfrage angepackt wird.

    (Beifall bei der SPD)

    In diesem Jahr ist schon intensiv auf 40 Jahre Grundgesetz Rückschau gehalten worden, und das Jahr ist noch nicht zu Ende. Bei der Haushaltsberatung über den Etat des Verfassungsministers sind wohl auch dazu einige Bemerkungen angebracht.
    Bei aller Genugtuung darüber, daß die Grundentscheidungen der Bonner Verfassung gegriffen und sich die Institutionen als überaus stabil erwiesen haben, muß der Blick auch für sich abzeichnende Fehlentwicklungen offenbleiben.
    Die Machtbalance zwischen Legislative und Exekutive, zwischen Parlament und Regierung stimmt nicht mehr. Das Parlamentarische darf nicht weiter geschwächt werden. Plebiszite und plebiszitähnliche Möglichkeiten gehen eindeutig zu Lasten des Parlaments und bewirken nach dem Gesetz der kommunizierenden Röhren

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Das ist ja Quatsch!)

    zusätzliches Gewicht, zusätzliche Macht der Verwaltungen.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: So ein Quatsch!)

    Mehr Rechte des Parlaments und nicht weniger sind vonnöten.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Aber gegenüber der Exekutive und nicht gegenüber dem Bürger!)

    Warum soll beispielsweise bei der Besetzung wichtiger Staatsämter — —

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Weil es Unsinn ist!)

    — Frau Vollmer, ich weiß ja, daß Sie in dieser Frage anderer Auffassung sind. Aber vielleicht denken Sie auch einmal nach.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Denken Sie einmal an die Funktion des Parlaments! Es soll die Exekutive kontrollieren!)

    Warum soll beispielsweise bei der Besetzung wichtiger Staatsämter das Parlament nicht ein Mitspracherecht haben, wie es in den USA seit langem gang und gäbe ist? Ist es denn so falsch, Botschafter durch den Auswärtigen Ausschuß oder den Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, durch den Innenausschuß bestätigen zu lassen?

    (Beifall bei der SPD)

    Nach meiner Einschätzung kann es auch nur im wohlverstandenen Interesse des gesamten Parlaments liegen, seine Enqueterechte zu stärken und sich nicht auf die immer kläglicher werdende Rolle des Regierungsverteidigers einerseits oder des Regierungsbekämpfers andererseits bei aktuellen Untersuchungsausschüssen festlegen zu lassen.