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    Plenarprotokoll 11/156 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 156. Sitzung Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 11715A Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/5000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1990 bis 1993 (Drucksache 11/5001) Dr. Vogel SPD 11715B Rühe CDU/CSU 11723 D Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 11733 C Mischnick FDP 11736 C Dr. Kohl, Bundeskanzler 11739C Dr. Schmude SPD 11750A Lintner CDU/CSU 11754 B Frau Frieß GRÜNE 11756 C Hoppe FDP 11758C Büchler (Hof) SPD 11760B Dr. Knabe GRÜNE 11762 D Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . . 11763 C Kühbacher SPD 11765C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg . . 11769A Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 11772 B Dr. Rose CDU/CSU 11773 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister AA 11776D Dr. Hauchler SPD 11778C Wilz CDU/CSU 11781C Dr. Mechtersheimer GRÜNE 11783 B Frau Seiler-Albring FDP 11784 C Müntefering SPD 11786 D Pesch CDU/CSU 11788D Frau Teubner GRÜNE 11791C Dr. Hitschler FDP 11792 D Frau Hasselfeldt, Bundesminister BMBau . 11794B Conradi SPD 11797D Frau Odendahl SPD 11799C Frau Männle CDU/CSU 11803 A Wetzel GRÜNE 11804 D Neuhausen FDP 11806A Daweke CDU/CSU 11806D Möllemann, Bundesminister BMBW . . . 11807D Oostergetelo SPD 11810B Eigen CDU/CSU 11814 D Frau Flinner GRÜNE 11817 C Bredehorn FDP 11819 A Daubertshäuser SPD 11821 C Fischer (Hamburg) CDU/CSU 11824 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 Frau Rock GRÜNE 11826 D Zywietz FDP 11828B Haar SPD 11831A Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von den Abgeordneten Susset, Michels, Eigen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Paintner, Heinrich, Bredehorn und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) (Drucksache 11/5124) 11821B Nächste Sitzung 11832D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . .11833* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 11715 156. Sitzung Bonn, den 5. September 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 07. 09. 89* Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Büchner (Speyer) SPD 07. 09. 89* Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 05. 09. 89 Eich GRÜNE 07.09.89 Frau Eid GRÜNE 07. 09. 89 * * * Frau Fischer CDU/CSU 07. 09. 89* * * Frau Garbe GRÜNE 05. 09. 89 Frau Geiger CDU/CSU 07. 09. 89* * * Genscher FDP 07.09.89 Haack (Extertal) SPD 05. 09. 89 Heimann SPD 05.09.89 Frau Hensel GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Holtz SPD 07. 09. 89* * * Frau Hürland-Büning CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Hüsch CDU/CSU 05. 09. 89 Hüser GRÜNE 05.09.89 Ibrügger SPD 05. 09. 89 * * Jaunich SPD 05.09.89 Klein (Dieburg) SPD 07. 09. 89 Dr. Klejdzinski SPD 07. 09. 89 * * * Dr. Kreile CDU/CSU 07. 09. 89 Kreuzeder GRÜNE 05.09.89 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 07. 09. 89 Frau Luuk SPD 07. 09. 89* * * Lüder FDP 07.09.89 Magin CDU/CSU 07.09.89 Meyer SPD 05.09.89 Dr. Müller CDU/CSU 07. 09. 89 * Frau Nickels GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Nöbel SPD 07. 09. 89 Poß SPD 05.09.89 Regenspurger CDU/CSU 07.09.89 Frau Saibold GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Scheer SPD 07. 09. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Stercken CDU/CSU 07. 09. 89 * * * Stratmann GRÜNE 05.09.89 Such GRÜNE 05.09.89 Tietjen SPD 07.09.89 Vahlberg SPD 07.09.89 Frau Dr. Vollmer GRÜNE 05. 09. 89 Westphal SPD 07.09.89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 07. 09. 89* * * Dr. Wulff CDU/CSU 07. 09. 89* * * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung * * * für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
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    Rede von Ursula Seiler-Albring


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten den Verteidigungshaushalt für das kommende Jahr in einer Zeit, in der bei den Verhandlungen in Wien positive Ergebnisse in naher Zukunft möglich erscheinen, in der die Demokratisierungsprozesse in Osteuropa an Dynamik zunehmen und in der in unserer Bevölkerung deshalb verständlicherweise die Frage diskutiert wird, ob und wie ein Verteidigungshaushalt von 54,47 Milliarden DM im Entwurf angesichts der vielen anderen drängenden Probleme unserer Gegenwart zu begründen bzw. zu rechtfertigen ist.
    Wir wollen und müssen uns dieser Diskussion stellen. Wir werden den Verteidigungshaushalt 1990 daraufhin überprüfen, ob er einerseits Signale in der von uns als notwendig erkannten und gewollten Richtung von Vertrauensbildung und Abrüstung setzt, andererseits aber irreversible Entscheidungen und Festlegungen hinsichtlich Personalstruktur und Struktur der Bewaffnung vermeidet, die wir nur im Zusammenhang mit konkreten Vertragsabschlüssen für vertretbar halten.
    In diesem Zusammenhang eine Bitte an meine Kollegen von der Opposition im Haushaltsausschuß: Ich hoffe, daß die Beratung dieses Haushalts dort etwas seriöser geführt werden wird als die Diskussion in der Öffentlichkeit,

    (Müller [Wadern] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    in der man sich tagtäglich mit anderen Truppenstärken, Strukturmodellen und wohlfeilen, da schnell dahergesagten, aber miserabel begründeten Streichungsvorschlägen hinsichtlich — zugegebenermaßen — unpopulärer Waffensysteme zu überbieten versucht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist das! Sehr unseriös!)

    Zu diesem Wettlauf paßt es überhaupt nicht, sofern Standorte oder Arbeitsplätze, z. B. auf Grund reduzierter Beschaffungszahlen im Munitionsbereich, im eigenen Wahlkreis gefährdet sind, zumal in strukturschwachen Gebieten, laut zu klagen und den Heiligen



    Frau Seiler-Albring
    Florian auf die vielfältigen Möglichkeiten in anderen Gegenden zu verweisen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Auch die Sozialdemokraten kennen natürlich die besondere Bedeutung der Verteidigungsausgaben für strukturschwache Regionen. Viele Standorte sind im Zonenrandgebiet angesiedelt und sind dort oft der einzige größere Arbeitgeber. Über die Bezüge der Soldaten und des Zivilpersonals sowie die vielfältigen Dienstleistungen und Aufträge für Bewachung, Reinigung usw. fließen große Teile der Verteidigungsausgaben in den volkswirtschaftlichen Kreislauf zurück und leisten damit einen wichtigen regionalpolitischen Beitrag.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Nein, unbestritten ist, daß uns im Zuge der auch uns unumgänglich erscheinenden Strukturänderungen intelligente und tragfähige Lösungen einfallen müssen, um die daraus resultierenden regionalen Probleme gemeinsam mit den Ländern und Kommunen befriedigend und sachgerecht zu regeln.
    Stichwort: Strukturveränderungen. — Es fällt auf, daß bei allen Gesprächen, die ich zur Vorbereitung der Haushaltsberatungen geführt habe, ein grundsätzliches Unbehagen an den Tag getreten ist. Dieses Unbehagen resultiert aus dem Gefühl, daß die Planungssicherheit für das kommende, aber auch für die folgenden Haushaltsjahre durch zur Zeit noch nicht absehbare, mit den herkömmlichen Instrumentarien nicht steuerbare oder noch nicht eindeutig definierte Entscheidungsparameter beeinträchtigt wird. Absolute Planungssicherheit kann es in diesem Bereich natürlich nicht geben, eine verbesserte Planungsrationalität und Planungseffizienz jedoch sehr wohl.
    Bei der Bundeswehr ist eine Durchforstung der Langfristplanung notwendig. Daß sich diese an den Entwicklungen im Abrüstungsprozeß orientieren muß und auf diese flexibel muß reagieren können, versteht sich von selbst.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die FDP fordert deshalb nach wie vor die Einrichtung einer unabhängigen Verteidigungsstrukturkommission, Herr Minister. Uns ist bekannt, daß im Verteidigungsministerium an Vorschlägen zu einer neuen Streitkräftestruktur gearbeitet wird. Es wird Gelegenheit geben, diese Überlegungen offen und intensiv zu prüfen.
    Ich verhehle aber nicht, daß wir Zweifel daran haben, daß die von uns in der Öffentlichkeit bereits mehrfach als notwendig beschriebenen Aufgaben hausintern lösbar sind. Wir werden deshalb in der zweiten und dritten Lesung einen Kriterien- und Aufgabenkatalog für eine solche unabhängige Verteidigungsstrukturkommission vorlegen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, einige Stichworte zu der Struktur des Verteidigungshaushaltes. Ich halte die unter dem Druck knapper Mittel getroffene Entscheidung, den Bereich Forschung und Entwicklung deutlich zu stärken und den Beschaffungstitel, wenn auch unter Schmerzen, um 4,4 % zu kürzen, im Prinzip für
    richtig. Dies gewährleistet zum einen angesichts der Komplexität und Risikogeneigtheit moderner Waffensysteme die notwendigen Planungsalternativen, ist andererseits aber ein sichtbares Zeichen für die Bereitschaft, auf die erhofften Ergebnisse der Wiener Verhandlungen angemessen und schnell zu reagieren.
    Wir werden darauf drängen, daß die knappen Beschaffungsmittel in Waffensysteme investiert werden, die den allein auf die Verteidigungsfähigkeit ausgerichteten Auftrag der Bundeswehr sichtbar untermauern, z. B. im Bereich der Aufklärungsmittel, der Erhöhung der Sperrfähigkeit, der Schutztechnologie für gepanzerte Fahrzeuge und der Erhöhung der Luftverteidigungsfähigkeit durch Ausbau der bodengestützten Systeme bei den Land- und Luftstreitkräften.
    Wir werden aber natürlich auch — wie in jedem Jahr — neben den sonstigen Betriebsausgaben die Beschaffungskapitel und den Bereich Forschung und Entwicklung mit besonderer Sorgfalt analysieren und auf Einsparungsmöglichkeiten überprüfen.

    (Beifall bei der FDP)

    Ich versage es mir hier, Zahlen „in die Gegend zu streuen" : 3 Milliarden DM, 400 Millionen DM oder dergleichen. Ich denke, dies wird sich im Verlaufe einer seriösen Beratung und Befassung mit diesem Verteidigungshaushalt ergeben.
    Ein deutlicher Schwerpunkt des zur Beratung anstehenden Verteidigungshaushalts ist das hier bereits vielfach angesprochene Attraktivitätsprogramm mit einem Ausgabevolumen von ca. 400 Millionen DM jetzt und in den kommenden Jahren. Die Regierung hat die volle Unterstützung meiner Fraktion bei der Durchführung dieses Programms, welches in besonderem Maße der liberalen Forderung nach Berücksichtigung des Menschen im Mittelpunkt des Verteidigungsauftrages gerecht wird.

    (Beifall bei der FDP und bei der CDU/CSU)

    Auf die Einzelheiten dieses Programms werden wir im Laufe der Etatberatungen noch näher eingehen müssen. So bleibt unter anderem zu prüfen, ob die Prioritäten für die Infrastrukturmaßnahmen in regionaler Hinsicht und mit Blick auf die Abrüstungsverhandlungen richtig gesetzt und neben der Verbesserung des Wohnumfeldes der Soldaten auch ausreichende Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen getroffen werden. Eines steht aber jetzt schon fest: Trotz der im Attraktivitätsprogramm enthaltenen und der bereits mit Wirkung von 1989 eingetretenen positiven Veränderungen für die Angehörigen der Bundeswehr wird es weiter darauf ankommen, gerade im sozialen Bereich durch noch weitergehende und geeignete Maßnahmen die Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr als Element der Friedenssicherung mit Blick auf erfolgreiche Rüstungskontrollverhandlungen zu erhalten und zu steigern. Es reicht nicht aus, wenn nur das Gehalt und mögliche Karriereaussichten stimmen.

    (Zuruf des Abg. Horn [SPD]) — Völlig richtig, Herr Kollege Horn.


    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Es geht nicht nur um Geld!)

    11786 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 156. Sitzung Bonn, Dienstag. den 5. September 1989
    Frau Seiler-Albring
    Stimmen muß darüber hinaus das soziale Umfeld in den Streitkräften. Hierzu gehören die sachgerechte Ausstattung von Wohnräumen ebenso wie der Umgang im Rahmen zeitgemäßer Menschenführung. Schlaglichtartig sind hier deshalb unsere wichtigsten Forderungen in bezug auf den zuletzt genannten Aspekt noch einmal angeführt, die auch unter dem Gesichtspunkt einer sparsamen Haushaltsführung bedeutsam sind.
    Die Dienst- und Ausbildungspläne müssen entrümpelt und von rein bürokratiebedingten Lasten befreit werden, die Traditionsveranstaltungen sind kritisch zu durchforsten und die Kontrollen und Inspizierungen auf das notwendige Maß zu reduzieren; stärkere Beteiligung der Betroffenen bei der Analyse, wo und wie sinnvoll gespart werden kann.
    Auf die individuelle Lebensplanung der Soldaten und ihrer Familien muß so weit wie möglich Rücksicht genommen werden. So sind insbesondere Versetzungen auf das notwendige Maß zu reduzieren und auch auf die beruflichen sowie schulischen Bedingungen der Ehepartner und Kinder abzustimmen.
    Die Mitwirkungsrechte der Soldaten müssen überprüft, deren gesetzliche Grundlagen überarbeitet

    (Beifall des Abg. Horn [SPD])

    und unter Berücksichtigung des Auftrages der Bundeswehr den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen angepaßt werden.

    (Horn [SPD]: Sehr gut! — Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Was heißt das?)

    Das im Sommer zu diesem Thema durchgeführte Hearing zeigt die Notwendigkeit und Wege auf, wie Soldaten im täglichen Dienstbetrieb und in der Vertretung ihrer Kameraden im Unternehmen Bundeswehr künftig nach Möglichkeit besser mitwirken können.
    Besonders am Herzen liegt uns in der FDP eine noch bessere Vorbereitung der Soldaten auf den Zivilberuf, die selbstverständlich auch innerhalb der Bundeswehr von Nutzen sein muß. Dabei kommt einer weiteren Verbesserung der zivilberuflich anerkannten Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Grundwehrdienstleistende und Zeitsoldaten — hierbei vor allem für die Angehörigen der Kampftruppe — besondere Bedeutung zu.
    Nun komme ich zum Umweltschutz in den Streitkräften. Umweltschutz darf vor dem Kasernentor nicht haltmachen. Es ist entscheidend, daß die Soldaten ein stärkeres Umweltbewußtsein vermittelt und ein praktikables Instrumentarium an die Hand bekommen, um künftig problemorientiert und verantwortlich handeln zu können. Ein verbesserter Umweltschutz erfordert erhebliche Anstrengungen im Unternehmen Bundeswehr und zwingt zu kostenaufwendigen Investitonen. Erstmals hat das Verteidigungsministerium in diesem Haushalt die Kosten für den Umweltschutz getrennt aufgelistet. Sie können sich mit einem Gesamtvolumen von 1 Milliarde DM im Jahr 1990 durchaus sehen lassen.

    (Beifall des Abg. Müller [Wadern] [CDU/ CSU])

    Wir halten es für notwendig und werden uns im Ausschuß dafür einsetzen, daß diese mit dem Finanzminister inhaltlich abgestimmte Zusammenstellung in einem eigenen Kapitel des Haushaltsplanes nachgewiesen wird, um die Umweltschutzausgaben transparent und nach außen für jeden sichtbar zu machen.
    Ferner gilt es, auf die Schaffung eines leistungsfähigen Umweltmanagements in der Bundeswehr hinzuwirken. Die hierfür noch zusätzlich erforderlichen personellen Ressourcen sollten nicht zuletzt durch gezielte Einsparungen und Aufgabenreduzierungen in anderen Bereichen

    (Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Richtig, sehr gut, Frau Kollegin!)

    aus dem vorhandenen Bestand erwirtschaftet werden, Herr Minister.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

    Wir begrüßen ebenfalls, daß die Ausgaben für Rüstungskontrolle und Abrüstungsmaßnahmen im Einzelplan 14 zum erstenmal gesondert nachgewiesen werden, um den aktiven Beitrag der Bundeswehr auf diesem Gebiet zu dokumentieren. Kritisch hinterfragt werden muß allerdings selbstverständlich die Planung eines Amtes für Rüstungskontrolle und Abrüstung, zumal die herumschwirrenden Zahlen und Angaben über den personellen Umfang dieses Amtes einem Haushälter kalte Schauern über den Rücken jagen.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, die sich abzeichnenden und für die nächsten Jahre zu erwartenden weiteren Erfolge bei der Abrüstung und Schaffung stabiler Sicherheitsstrukturen in Europa machen die Bundeswehr als legitimen Ausdruck des Selbstbehauptungswillens eines freien Volkes nicht überflüssig, Herr Mechtersheimer. Sie bieten vielmehr Chancen für die Bundeswehr, zentrale Probleme anzupacken und zu lösen, unter denen unsere Streitkräfte und die in ihnen tätigen Menschen derzeit leiden und um die wir Liberalen uns engagiert kümmern wollen. Von diesem Gedanken werden wir uns bei der kommenden Beratung des Bundeshaushalts der Verteidigung 1990 leiten lassen.
    Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD — Horn [SPD]: Gratulation, Frau Kollegin!)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu einem neuen Block, wie das so heißt. Das Wort als nächster Redner hat der Abgeordnete Müntefering.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Franz Müntefering


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute morgen sind in einigen Reden schon Hinweise daraufgekommen, daß der Wohnungsmarkt uns ganz besondere Sorge macht. Ich finde es deshalb gut, daß wir im Plenum nun eine Stunde darauf verwenden wollen, dieses Thema intensiver zu diskutieren. Denn neben den Skandal der Massenarbeitslosigkeit, den wir seit vielen Jahren haben, tritt zunehmend auch der Skandal der Woh-



    Müntefering
    nungsnot in vielen Städten und Gemeinden. Wir haben die Massenarbeitslosigkeit nicht erfolgreich bekämpft, und bis jetzt wird auch die Wohnungsnot nicht erfolgreich bekämpft. Die Bundesregierung kämpft nicht an dieser Stelle.
    Der frühere Minister Schneider hat das Problem über lange Zeit geleugnet, hat es bagatellisiert. Frau Hasselfeldt erkennt zwar anscheinend das Problem, ist aber dabei, Zuckerguß darüber zu streichen. Das macht die Sache nun auch nicht besser. Es kommt darauf an, daß gehandelt wird, nicht darauf, daß schöne Dinge versprochen werden.
    Offensichtlich ist sich die Bundesregierung immer noch nicht im klaren darüber, wie ernst das Problem vor Ort eigentlich ist. Die Koalition streitet sich darüber, ob man Statistik, ob man Mikrozensus neu auflegt und wie das nun eigentlich ausgestaltet werden soll. Ich kann nur sagen: Welche Sorgen haben Sie eigentlich? Wenn es brennt, muß gelöscht werden, und es brennt gewaltig vor Ort.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Deshalb muß wohnungspolitisch gehandelt werden und darf man sich nicht darüber zerstreiten, wie denn zukünftig irgendwelche Statistiken aussehen sollen,

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Teubner [GRÜNE])

    die wir natürlich haben müssen, um die es aber im Augenblick weiß Gott nicht geht.
    Die Wahrheit ist: Es fehlen rund 400 000 Wohnungen sofort.

    (Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Ja!)

    Wir haben im letzten Jahr 208 000 Wohnungen neu gebaut. Die eine Million, von der Frau Hasselfeldt in den letzten Wochen immer erzählt, ist blanke Traumtänzerei.

    (Zustimmung der Abg. Frau Matthäus-Maier [SPD])

    Wir werden in diesem Jahr 230 000 neue Wohnungen haben, vielleicht 240 000. Wir werden in diesen drei Jahren nie die 1 Million zusammenbekommen, und zwar auch deshalb nicht, weil das, was der Bund dazu beiträgt, längst nicht ausreicht.
    Die Wahrheit ist, daß die Einkommensschwachen, die jungen Familien, die Studenten, die Behinderten, die Alleinerziehenden, die Aussiedler und Ausländer am Wohnungsmarkt in den allermeisten Städten und Gemeinden heute fast keine Chance mehr haben. Von Heinrich Zille stammt das Wort: Man kann jemanden mit der Wohnung erschlagen wie mit einer Axt — was wohl heißt: Wohnungslosigkeit oder in einer schlechten Wohnung wohnen, das ist für den einzelnen eine persönliche Katastrophe.
    Aber es geht nicht nur um die persönliche Katastrophe der einzelnen Betroffenen, sondern es geht darum, daß für unsere Gesellschaft die Wohnungsnot in den Städten und Gemeinden ein politisches Problem von höchster Brisanz wird. Wenn es so weitergeht, daß sich neben der Arbeitslosigkeit auch die Wohnungsnot aufbaut, wird es soziale Brennpunkte
    mit politischem Sprengstoff in der Gesellschaft geben.

    (Beifall bei der SPD — Frau Wollny [GRÜNE]: Längst da!)

    Auch deshalb müssen wir dafür streiten, daß hier etwas passiert.
    Nun hört man in den letzten Tagen viele Appelle, daß die Menschen doch bitte helfen und Wohnungen zur Verfügung stellen mögen. Ich finde das ja gut. Appelle sind eine gute Sache. Aber es ist leicht, aus Villen und Ministerien heraus Toleranz zu predigen. Wir müssen aufpassen, daß nicht allein die sozial Schwächsten das Problem der Integration auf ihrem Rücken tragen müssen.

    (Beifall bei der SPD)

    Deshalb sagen wir mit aller Deutlichkeit: Das ganze Appellieren kann nicht bedeuten, daß das Ganze bei Zwangsbewirtschaftung oder Zwangseinweisung endet. Wir wollen neue Wohnungen. Wir wollen, daß die soziale Funktion des Bestandes gesichert wird. Darum geht es.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Notschrei der Oberbürgermeister und Bürgermeister, der uns erreicht, ist wohl berechtigt. Er richtet sich an den Bund und die Länder. Er richtet sich aber auch an die anderen, die Geld haben, um Wohnungen zu finanzieren. Daß es in unserem Lande fast keinen Werkswohnungsbau mehr gibt, vermag ich nicht einzusehen. Es ist wohl erlaubt, einigen Unternehmen zu sagen: Wenn ihr den Arbeitnehmer haben wollt, der auch bei euch auf Dauer beschäftigt ist und der eine Wohnung braucht, dann kümmert euch bitte auch einmal darum, daß, außer daß ihr Maschinen kauft, auch Wohnungen gebaut werden. Es wäre ja nicht ganz abwegig, wenn diese Unternehmen sich einmal wieder ein Stückchen engagieren würden.

    (Beifall bei der SPD)

    Das gilt übrigens auch für große Versicherungen und für große Banken, die ihr Geld ja längst haben, um auch Wohnungen zu bauen.
    Heute geht es um die Frage, was der Bund eigentlich beitragen kann, beitragen muß, um das Problem zu lösen. Es ist kein ausschließliches Aussiedlerproblem. Es war längst zu erkennen, daß bis zum Jahre 1995 die Zahl der Haushalte bei uns in der Bundesrepublik um 800 000 zunehmen würde. Um 800 000! Die Bundesregierung hat aus welchen Gründen auch immer Köpfe gezählt, aber keine Haushalte. Aber Wohnungen braucht man für Haushalte, nicht für Köpfe. Deshalb hätte man längst eher merken können, worum es denn eigentlich ging.
    Die Sozialdemokraten haben ihre Forderungen klar formuliert.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Die Sozialdemokraten haben den Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen auf ein Drittel reduziert!)

    Ich will sie ins Gedächtnis rufen und Ihnen, Frau Ministerin, noch einmal sagen, was wir wollen und was wir im Verlaufe dieser Haushaltsberatungen auch einfordern wollen:



    Müntefering
    Erstens. Deutlich mehr Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau, vor allem für den Mietwohnungsbau. Wir wollen 12,5 Milliarden DM für fünf Jahre, 2,5 Milliarden DM in jedem Jahr. Das ist das Zweieinhalbfache dessen, was Sie für das nächste Jahr zugesagt haben.
    Zweitens. Die Branche und die Gemeinden brauchen Planungssicherheit. Es darf im Wohnungsbau nicht mit Stop and go weitergehen. Deshalb ist es verheerend, daß Sie ankündigen: im nächsten Jahr 1,6 Miliiarden DM, aber dann schon wieder 1,4 Milliarden DM, dann 1,0 Milliarden DM, dann 0,4 Milliarden DM. Bis zum Jahre 1993 sind Sie schon hinter das zurückgefallen, was Sie dann an Rückflüssen aus den Wohnungsbaudarlehen bekommen.
    Noch einmal klar gesagt: Wenn es mit der mittelfristigen Finanzplanung so kommt, wie Sie es jetzt aufgeschrieben haben, wird der Bund 1992/93 mehr an Rückflüssen aus alten Wohnungsbaudarlehen bekommen, als er selbst ausgibt; und das in einer Situation, in der in vielen Städten blanke Wohnungsnot herrscht. Das ist eine unglaubliche Sache, die da aufgeschrieben worden ist, die so nicht bleiben kann.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir fordern den Ausbau und den Umbau und den Anbau vorhandener Substanz. Das ist nicht der Königsweg. Aber da werden einige 10 000 oder einige 100 000 Wohnungen schnell und preiswert finanziert werden können. Deshalb ist an der Stelle zusätzliche Aktivität erforderlich.
    Wir fordern, daß die soziale Funktion des Bestandes gesichert bleibt. Dazu gehört, daß Bremsen gegen die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen eingebaut werden, daß Bremsen gegen die Angst vor der Kündigung wegen Eigenbedarfs eingebaut werden, daß Bremsen gegen den Auslauf von Bindungen von Sozialwohnungen eingebaut werden. Dazu gehört, daß wir die Margen für Mieterhöhungen, die heute noch 30 % betragen, deutlich reduzieren.
    In der Frage der Sicherung der Sozialfunktion des Bestandes ist die Bundesregierung, ist die Koalition offensichtlich handlungsunfähig. Da herrschen bei Ihnen die Ideologen. Es ist aber blanker Unsinn, den Neubau hochzupuschen, aber gleichzeitig zuzulassen, daß die soziale Funktion, die der Bestand hat, immer weiter verringert wird. Alle die, die aus dem Bestand herausgedrängt werden, erscheinen als solche, die berechtigt Sozialwohnungen fordern, wieder auf der Treppe des Bürgermeisters vor Ort. Wir werden das Problem nur verschärfen, wenn wir an der Stelle nichts machen.
    Die Bundesregierung hat die Wohnungsgemeinnützigkeit aufgegeben. Am 31. Dezember 1989 fallen 900 000 Wohnungen aus der gemeinnützigkeitsrechtlichen Bindung. Man kann dann nur hoffen, daß die Eigentümer nicht mit Mietexplosionen zuschlagen, wie das schon möglich ist und wie das an einigen Stellen auch passiert.
    Wir wollen keine Sonderprogramme mehr für einzelne Gruppen. Versorgt werden muß nach dem Grad der Bedürftigkeit. Es wäre aber schon schön zu wissen, wer denn nun eigentlich für den Studentenwohnungsbau zuständig ist. Frau Hasselfeldt erklärt, sie
    möchte. Herr Möllemann erklärt, er möchte. Es passiert aber, außer Budentauschaktion, nichts. Das ist auch eine nette Sache; nur davon werden die meisten, die in den nächsten Monaten an die Universitäten kommen, wenig haben.
    Wir brauchen einen Zwei-Jahres-Haushalt oder Vorveranschlagung, damit wir wissen, was in den nächsten Jahren zur Verfügung steht, damit die Bauherren zum 1. Januar jeweils das Geld haben, damit das Geld des Bundes und der Länder nicht immer erst im April oder Mai bei den Ländern bzw. bei den Bauherren einläuft und so die ganze Bausaison auf sieben oder acht Monate zusammengequetscht wird. Wir müssen Wege finden, die Beschäftigten des Baugewerbes und des Handwerks vor der Winterarbeitslosigkeit zu schützen. Die Branche braucht das für ihr Image. Sie braucht das auch, damit sie wieder für junge Menschen attraktiv wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Es bleibt endlich die Feststellung, daß all das wahrscheinlich nicht reicht. Wir müssen zusätzliches Geld mobilisieren, auch beim Bund. Wir müssen bereit sein, darüber nachzudenken, ob nicht zumindest für eine bestimmte Zeit Mittel, die heute in den Bestand fließen, die sich z. B. als Verluste aus Vermietung und Verpachtung negativ in unserem Haushalt und an anderer Stelle niederschlagen, in den Neubau investiert werden. Wir Sozialdemokraten werden uns jedenfalls nicht damit abfinden, daß mit der Wohnungsnot so umgegangen wird, wie Sie es mit der Arbeitslosigkeit über lange Zeit getan haben. Die Bekämpfung der Wohnungsnot bleibt für uns ein erstrangiges Ziel unserer Politik.

    (Beifall bei der SPD — Dr.-Ing. Kansy [CDU/ CSUJ: Und das von dem Mann, der das Bauministerium abschaffen wollte! — Wie war das mit dem Rückbau von Herrn Zöpel? Der wollte doch Städte abreißen!)