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ID1115608200

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    Plenarprotokoll 11/156 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 156. Sitzung Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 11715A Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/5000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1990 bis 1993 (Drucksache 11/5001) Dr. Vogel SPD 11715B Rühe CDU/CSU 11723 D Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 11733 C Mischnick FDP 11736 C Dr. Kohl, Bundeskanzler 11739C Dr. Schmude SPD 11750A Lintner CDU/CSU 11754 B Frau Frieß GRÜNE 11756 C Hoppe FDP 11758C Büchler (Hof) SPD 11760B Dr. Knabe GRÜNE 11762 D Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . . 11763 C Kühbacher SPD 11765C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg . . 11769A Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 11772 B Dr. Rose CDU/CSU 11773 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister AA 11776D Dr. Hauchler SPD 11778C Wilz CDU/CSU 11781C Dr. Mechtersheimer GRÜNE 11783 B Frau Seiler-Albring FDP 11784 C Müntefering SPD 11786 D Pesch CDU/CSU 11788D Frau Teubner GRÜNE 11791C Dr. Hitschler FDP 11792 D Frau Hasselfeldt, Bundesminister BMBau . 11794B Conradi SPD 11797D Frau Odendahl SPD 11799C Frau Männle CDU/CSU 11803 A Wetzel GRÜNE 11804 D Neuhausen FDP 11806A Daweke CDU/CSU 11806D Möllemann, Bundesminister BMBW . . . 11807D Oostergetelo SPD 11810B Eigen CDU/CSU 11814 D Frau Flinner GRÜNE 11817 C Bredehorn FDP 11819 A Daubertshäuser SPD 11821 C Fischer (Hamburg) CDU/CSU 11824 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 Frau Rock GRÜNE 11826 D Zywietz FDP 11828B Haar SPD 11831A Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von den Abgeordneten Susset, Michels, Eigen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Paintner, Heinrich, Bredehorn und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) (Drucksache 11/5124) 11821B Nächste Sitzung 11832D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . .11833* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 11715 156. Sitzung Bonn, den 5. September 1989 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 07. 09. 89* Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Büchner (Speyer) SPD 07. 09. 89* Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 05. 09. 89 Eich GRÜNE 07.09.89 Frau Eid GRÜNE 07. 09. 89 * * * Frau Fischer CDU/CSU 07. 09. 89* * * Frau Garbe GRÜNE 05. 09. 89 Frau Geiger CDU/CSU 07. 09. 89* * * Genscher FDP 07.09.89 Haack (Extertal) SPD 05. 09. 89 Heimann SPD 05.09.89 Frau Hensel GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Holtz SPD 07. 09. 89* * * Frau Hürland-Büning CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Hüsch CDU/CSU 05. 09. 89 Hüser GRÜNE 05.09.89 Ibrügger SPD 05. 09. 89 * * Jaunich SPD 05.09.89 Klein (Dieburg) SPD 07. 09. 89 Dr. Klejdzinski SPD 07. 09. 89 * * * Dr. Kreile CDU/CSU 07. 09. 89 Kreuzeder GRÜNE 05.09.89 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 07. 09. 89 Frau Luuk SPD 07. 09. 89* * * Lüder FDP 07.09.89 Magin CDU/CSU 07.09.89 Meyer SPD 05.09.89 Dr. Müller CDU/CSU 07. 09. 89 * Frau Nickels GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Nöbel SPD 07. 09. 89 Poß SPD 05.09.89 Regenspurger CDU/CSU 07.09.89 Frau Saibold GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Scheer SPD 07. 09. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Stercken CDU/CSU 07. 09. 89 * * * Stratmann GRÜNE 05.09.89 Such GRÜNE 05.09.89 Tietjen SPD 07.09.89 Vahlberg SPD 07.09.89 Frau Dr. Vollmer GRÜNE 05. 09. 89 Westphal SPD 07.09.89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 07. 09. 89* * * Dr. Wulff CDU/CSU 07. 09. 89* * * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung * * * für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Klaus-Dieter Kühbacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Jungmann, zunächst einmal werden wir in den Berichterstattergesprächen den Verteidigungsminister danach befragen, ob diese „Spiegel"-Meldung stimmt. Danach werden wir mit ihm in einen Dialog darüber eintreten, was er für richtig hält oder nicht. Wenn die Begründung gut ist, werden wir mit der Begründung umgehen. Wenn sie nicht ausreicht, werden wir mit ihm darüber diskutieren.

    (Jungmann [SPD]: Und die 750 000 DM streichen! — Dr. Rose [CDU/CSU]: Eine bestellte Frage!)

    — Die Frage war bestimmt nicht bestellt, wie Sie gemerkt haben.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal anknüpfen. Ich möchte die Bundeswehr ermutigen, in einem offenen Planungsprozeß die Bevölkerung, die sachverständig ist, in Verteidigungs- und Abrüstungsfragen einzubeziehen, weil natürlich, Herr Bundesverteidigungsminister, nur eine offene Planung einen Dialog mit allen daran Interessierten ermöglicht. Dazu gehört es, daß wir über die notwendige Reduzierung der Präsenzstärke auch mit den Soldaten, die ihren Beruf in der Bundeswehr gefunden haben, offen sprechen, daß die Planungen in Richtung größerer Reservistenmobilisierungen in Angriff genommen werden und daß die Einbeziehung der Reservisten in das Verteidigungskonzept alternativ vorgelegt wird. Die jetzigen Konzepte reichen dazu bei weitem nicht aus.
    Dazu gehört, daß wir im Interesse der jungen Menschen und ihrer Planungen für ihre Zukunft und unter dem Gesichtspunkt der Wehrgerechtigkeit schon jetzt über eine Verkürzung des Wehrdienstes auf den Zeitraum von zwölf Monaten offen nachdenken. Dazu gehört es, auf große Rüstungsprojekte zu verzichten, die Verunsicherung bei den Staaten des Warschauer Paktes hervorrufen. Denn wie soll denn der Warschauer Pakt die Signale aufnehmen, wenn in der Bundesrepublik heute auf den Bändern weitfliegende
    Bomber produziert werden? Wie soll es denn zur Kenntnis genommen werden, daß wir ohne Not weitere angriffsschnelle Panzer bauen? Wie sollen wir denn gegenüber dem Warschauer Pakt politisches Vertrauen schaffen, wenn wir für den Jäger 90 allein an Entwicklungskosten im nächsten Jahr 700 Millionen DM bereitstellen wollen, für ein Projekt, für das im übrigen schon heute von Fachleuten 150 Milliarden DM Ausgaben prognostiziert werden, es sei denn, wir reduzieren die Gesamtstückzahl oder Sie haben dies vor. Davon habe ich bislang nichts gehört.
    Meine Damen und Herren, nun zum Komplex Tiefflüge. Tiefflüge, mit denen das Eindringen von solchen ECR-Bombern in das Gebiet des Warschauer Pakts über dem Boden der Bundesrepublik vorgeübt werden soll, sind einzustellen, radikal einzustellen;

    (Beifall bei der SPD)

    denn davon geht auch ein Signal aus, Herr Verteidigungsminister. Falls die Gewöhnung von Piloten an Tiefflüge über Grund notwendig sein sollten, sollten diese auf die offene See oder auf die unbewohnten Gebiete in Kanada verlegt werden, und nicht nur von der Bundeswehr, sondern auch von unseren NATO-Partnern. Im übrigen, Herr Minister, es wird zuviel und zu tief über der Bundesrepublik geflogen; das wissen Sie.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir leben im tiefsten Frieden, und es ist überhaupt nicht einzusehen, daß von der Bundeswehr und den NATO-Partnern suggeriert wird, als würde morgen eine Invasion des Warschauer Paktes bevorstehen.
    Meine Damen und Herren, wir werden im Laufe der Beratung zum Verteidigungshaushalt Kürzungsanträge stellen und im einzelnen in den Berichterstattergesprächen diese begründen. Im wesentlichen mißfallen uns die in diesem Haushalt gesetzten falschen Signale, die die Bundesregierung unverändert in einem Aufrüstungskurs zeigt,

    (Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Trotz Wien!)

    trotz Wien und anderer Verhandlungen und trotz anderer Einsichten, die Herr Stoltenberg in Interviews gelegentlich bei den entsprechenden Gesprächspartnern auch zugibt.
    Entschuldigen Sie, daß ich jetzt so anfange: Warum, Herr Minister, in drei Teufels Namen, müssen im nächsten Jahr neben 900 Millionen DM Ausgaben für Übungsmunition — das ist doch schon eine Riesensumme — weitere 1,8 Milliarden DM für Munition ausgegeben werden, um die sogenannte Kriegsbevorratung zu erweitern? Warum eigentlich?

    (Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Für die Geheimschatulle des Ministers! — Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE]: Plaudern Sie keine Geheimnisse aus!)

    — Das ist nicht geheim. Wenn Sie freundlicherweise mal in den Einzelplan 14 schauen wollen, Herr Lippelt, dann können Sie das lesen. Das ist ein offener Haushalt; ich mache hier keinen Geheimnisverrat. Zuwenig Bürger lesen solche Zahlen und fragen dann auch politisch nach, warum diese Regierung, die angetreten ist mit dem Motto: „Frieden schaffen mit
    11768 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn. Dienstag, den 5. September 1989
    Kühbacher
    immer weniger Waffen" , solche Steigerungsraten im Haushalt hat.
    Im Jahr 1988 sind für 2,3 Milliarden DM Munitionsteile beschafft worden — das haben wir damals schon für falsch gehalten — , im nächsten Jahr sollen weitere 400 Milliarden DM ausgegeben werden, also insgesamt 2,7 Milliarden DM. Diese Munitionsbeschaffung ist überhöht, der Bedrohungslage nicht angemessen und darüber hinaus eine Fehlsteuerung von Steuergeldern, Herr früherer Finanzminister, die z. B. beim Wohnungsbau fehlen.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sehr wahr!)

    Außerdem sollen im Jahre 1990 500 Millionen DM für Betriebsstoffe ausgegeben werden, d. h. für Flugbenzin und Benzin, obwohl man in diesem Jahr mit rund 10 °A) weniger auskommt. Wir fordern die Bundesregierung auf, 50 Millionen DM zu sparen, weniger Betriebsstoffe für die Luftwaffe einzukaufen und eine Reduzierung der Tiefflüge auf diesem Wege auch nach außen deutlich zu machen.

    (Beifall bei der SPD — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Sehr praktischer Vorschlag!)

    Der im vorigen Jahr begonnene Weg, Simulatoren für Flugübungen und Flugvorbereitungen anzuschaffen, ist ein richtiger Weg. Diese Simulatoren sind aber auch einzusetzen für den Übungsbetrieb beim Verschießen von Munition, z. B. bei Panzern, Panzerabwehrhubschraubern und der Artillerie.
    In diesem Zusammenhang, Herr Minister Stoltenberg, frage ich Sie zu einem Bericht aus „Bundeswehr Aktuell" : Ist es richtig, daß der Wettbewerb der Panzerverbände in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Namen „Canadian Army Trophy" so kostenintensiv durchgeführt worden ist, daß pro deutschen Panzer 250 Schuß Panzermunition regelrecht verballert worden sind, das Stück, wenn ich das richtig mitbekommen habe, zu 3 000 DM?

    (Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE]: Verschwendung! — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Unglaubliche Verschwendung!)

    Zu welchem Zweck eigentlich? Um nachzuweisen, daß der Leopard-Panzer der bessere gegenüber den amerikanischen und den britischen Panzern ist?

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Minister, sorgen Sie dafür, daß solche Verschwendung von Steuergeldern möglichst rasch und endgültig eingestellt wird!

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Solche Leistungsvergleiche, Herr Minister, sind nicht olympiareif, sie sind eine Provokation der Steuerzahler.
    Die Entwicklungskosten des Jägers 90 schlagen mit rund 700 Millionen DM in diesem Jahr im Haushalt ein. Ich verwende mal diesen etwas harten Begriff: Die 700 Millionen DM schlagen ein. Neue Kostenerhöhungen auch im Bereich der Entwicklung bahnen sich an. Haben Sie den Mut, zu sagen, daß der Jäger 90 nicht zu finanzieren ist, daß er verteidigungspolitisch im Jahr 2000 nicht notwendig ist, denn vorher wird er nicht fertig, und daß Sie die Mitfinanzierung des Industriegiganten Mercedes und MBB auf diese Art einstellen!

    (Beifall bei der SPD)

    Warum, Herr Minister, gehen Sie bei Ihren Personalüberlegungen unverändert von 266 000 längerdienenden Soldaten und 222 000 Wehrpflichtigen aus, als würde in Wien nicht verhandelt? Wir Sozialdemokraten fordern Sie auf, auf 10 000 Wehrpflichtige im nächsten Jahr und darüber hinaus auf 10 000 Zeitsoldaten zu verzichten, denn 40 000 Soldatenstellen werden im nächsten Jahr durch Auslauf der Verpflichtungszeit frei. Dies soll ein erster Schritt in die reduzierte Struktur des Jahres 1995 sein, der jetzt einzuleiten ist. Sie selber wissen doch genau, daß wir 1995 eine erheblich geringere Zahl von Soldaten haben werden. Beginnen wir also jetzt damit und geben im nächsten Jahr eine halbe Milliarde DM weniger für Personalkosten aus. Mit diesen im Verteidigungshaushalt freiwerdenden Mitteln könnte eine weitere Qualifizierungsoffensive gestartet werden, um im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit weitere Hoffnungen zu schaffen.

    (Beifall bei der SPD)

    Das wäre ein deutliches Signal in unserem reichen Land.
    Nun zu einem weiteren Kürzungsvorschlag. Wir Sozialdemokraten tragen den ständigen schwunghaften Anstieg der Kosten für die NATO-Infrastruktur politisch nicht mehr mit. Im nächsten Jahr wird der Anstieg über 17 % betragen.

    (Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE]: Gott sei Dank! Endlich habt ihr es begriffen!)

    Wir fordern die Bundesregierung auf, bei der NATO mit dem Ziel vorstellig zu werden, mit dem zusätzlichen Bau von Depots, von Flugzeugbunkern, von Kriegshauptquartieren und anderen Dingen aufzuhören und auch hier für die gesamte NATO ein entsprechendes Signal zu setzen.
    Im übrigen, Herr Minister, sollten alle deutschen Offiziere bei der NATO angewiesen werden, zu keinerlei Planspielen für weitere atomare Übungen, wie im letzten Jahr bei „Wintex" geschehen, zur Verfügung zu stehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ein atomarer Krieg in Europa ist nicht führbar und sollte deshalb auch nicht in den Übungen vorgeplant und gespielt werden.
    Die politische Verantwortung für diese Planung trägt die Bundesregierung ganz allein, denn sie hätte es in der Hand, diese Kriegsspiele endgültig zu stoppen, weil bei der NATO das Einstimmigkeitsprinzip gilt.
    Die Bundesregierung muß den Soldaten der Bundeswehr im Hinblick auf ihre Zukunft eine ehrliche Antwort geben. Es ist nicht angängig, daß die Bundeswehr ihren Angehörigen eine Prellbockfunktion für die falsche und initiativiose Haltung der Bundesregierung zumutet.

    (Beifall bei der SPD)




    Kühbacher
    Die Soldaten dürfen nicht zum politischen Prügelknaben für die Unfähigkeit der Bundesregierung, im Bereich der NATO neue Konzepte anzubieten, gemacht werden.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE])

    Die Soldaten müssen sich in fast allen Standorten zu Unrecht politisch verantworten.
    Herr Minister, bemühen Sie sich um mehr Ehrlichkeit, um einen offenen Dialog mit den Soldaten auch im Verteidigungshaushalt. „Weiter so!" reicht nicht. Wir Soldaten — — Wir Sozialdemokraten — —

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Entschuldigung, das war die Freudsche Fehlleistung eines Reservisten; das gebe ich zu. — Wir Sozialdemokraten wollen Abrüstungssignale setzen. Im deutschen Interesse: Folgen Sie uns in den Fortschritt '90.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Stoltenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser verbundenen Debatte hat Herr Kollege Kühbacher eine Reihe kritischer Fragen aufgeworfen. Er hat zum Teil allerdings leider auch Einschätzungen oder Behauptungen vorgetragen, die ich teilweise sofort richtigstellen muß.
    Was mich nicht angenehm berührt hat, Herr Kühbacher, ist Ihre Unterstellung zu Beginn, die Bundeswehr würde in diesen dramatischen Tagen, in denen so viele Flüchtlinge und Landsleute zu uns kommen, die Leute aus Unbeweglichkeit in Zelten unterbringen und damit sozusagen im Regen stehenlassen, um selbst keine Einschränkungen hinzunehmen. Dies ist unzutreffend. Wir haben in den letzten Wochen das Thema des Beitrags der Bundeswehr zur sofortigen Unterbringung derer, die aus der Kälte, aus der Bedrängnis kommen, nicht nur intensiv erörtert. Nach dem Stand von heute sind in relativ kurzer Frist 2 400 deutsche Flüchtlinge und Aussiedler zusätzlich in Kasernen untergebracht worden. Wir können bis zu 7 900 Personen aufnehmen. Ich gebe diese Zahlen auf Grund Ihrer falschen Darstellung bekannt. Ich danke den Soldaten, die jetzt erhebliche Einschränkungen hinnehmen, damit unsere bedrängten Landsleute ein Dach über dem Kopf bekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, für uns ist ja der Zusammenhang von AuBen- und Verteidigungspolitik immer ein grundlegender Tatbestand gewesen. Diese Verbindung und Wechselwirkung gewinnt in der jetzigen neuen Phase der Ost-West-Beziehungen eine noch größere Bedeutung. In der Tat — es ist bereits heute ein zentrales Thema gewesen — : Erstmals eröffnet sich seit der von Stalin nach 1945 erzwungenen gewaltsamen Teilung Europas die Chance, zu mehr überschreitenden Gemeinsamkeiten unter dem Vorzeichen der Öffnung, von freiheitlicheren Lebensformen auch in Osteuropa und zu mehr Sicherheit bei einem niedrigeren Niveau der Streitkräfte zu kommen. Wir wollen diese Chance nutzen. Wir haben Gegensätze, auch in Sicherheits- und Verteidigungsfragen; aber wir sollten keine Scheingefechte führen.

    (Beifall des Abg. Lowack [CDU/CSU])

    Die Zeiten, in denen die sozialdemokratische Opposition den Eindruck zu erwecken versuchte, daß diese Regierung, diese Koalition sozusagen in den Schützengräben der Vergangenheit verbliebe, sollten nach dem endgültig vorbei sein, was wir in den letzten Jahren für Verständigung, für vernünftige Entspannung, aber unter Wahrung unserer freiheitlichen Grundsätze getan haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Das schlägt sich aber nicht in Ihrem Haushalt nieder!)

    Die Bereitschaft zu Reformen ist freilich in den einzelnen Staaten des Warschauer Paktes noch ganz unterschiedlich gegeben. Es gibt Vorreiter, und es gibt Staaten, die in den alten kommunistischen Doktrinen und Unterdrückungsmechanismen bis heute verharren. Wir erleben auch, daß sich in der Sowjetunion jetzt in Teilen der Kommunistischen Partei Widerstände gegen den Kurs der politischen Führung verstärken. Von uns sind also auch in Fragen der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik Phantasie und Mut zur Neugestaltung ebenso gefordert wie Nüchternheit und Risikobewußtsein. Illusionen verbreiten jetzt jene bei uns, die die Grundlagen, die die Voraussetzungen für die genannten neuen Entwicklungen und Chancen in Frage stellen wollen.
    Wer behauptet, wir könnten jetzt auf die NATO verzichten,

    (Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Wer tut das?) oder die Bundeswehr demontieren,


    (Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Wer tut das?)

    weil es keine mögliche Bedrohung mehr gebe, versündigt sich an den vitalen Interessen unseres Volkes.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das tun manche in der öffentlichen Diskussion der Bundesrepublik Deutschland.

    (Zuruf von der SPD: Wer ist „manche"?)

    — Ich habe doch die Ausführungen der Redner der GRÜNEN hier genauso gehört wie Sie. Wenn Sie sich einen Schuh anziehen, der im Moment nicht für Sie bestimmt ist, ist das Ihr eigenes Problem.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wir ziehen gar nicht, mein Lieber!)

    Ohne das Atlantische Bündnis der westlichen Demokratien, ohne den hohen Ausbildungs- und guten Ausrüstungsstand unserer Soldaten hätten wir in den vergangenen 35, 40 Jahren nicht schwerste politische Krisen friedlich überstanden, hätten wir nicht Frieden und Freiheit behaupten können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ohne das Atlantische Bündnis und die Bundeswehr
    wäre die erhebliche Kursveränderung in der Sowjetunion gerade auch im Außen- und — jetzt beginnend,



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    aber noch nicht eindeutig — im sicherheitspolitischen Bereich nicht möglich geworden. Deshalb bleiben Bündnis und Bundeswehr in Zukunft unverzichtbar, auch wenn es unser Ziel ist, nach Abbau der massiven Überlegenheit des Warschauer Paktes in Europa durch verbindliche, überprüfbare Vereinbarungen das Gleichgewicht zu erreichen, zu gewährleisten und Verteidigungsfähigkeit mit weniger Waffen und einem geringeren Umfang der Streitkräfte zu sichern. Hier von einem „Aufrüstungskurs" zu reden, Herr Kühbacher, ist wirklich eine Verzeichnung — auch im Hinblick auf den vorgelegten Bundeshaushalt.
    Es ist deswegen so absurd, Herr Kollege, weil in den letzten Monaten viele Persönlichkeiten der sowjetischen Führung unsere Einschätzung der massiven Überlegenheit der Sowjetunion ausdrücklich bestätigt haben. Das, was über lange Zeit dort bestritten wurde, wird jetzt eingeräumt.

    (Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE]: Ja!)

    Insofern ist es ganz klar, daß die erforderliche Lösung zunächst einmal die Garantie bringen muß, daß diese massive Überlegenheit der Sowjetunion in Zentraleuropa beseitigt wird. Dann ist es möglich, in weiteren Schritten gleichgewichtig die heutigen Stärken auch im Westen zu reduzieren, was wir mehrfach in den letzten zwei Jahren als eine klare Zielvorstellung beschrieben haben.
    Aber andererseits: Unsere Sicherheit gründet sich weiterhin auf die gemeinsame Sicherheit des Bündnisses. Deswegen muß unsere Politik berechenbar bleiben. Wir haben die Konzeption nicht nur in der außenpolitischen Öffnung und Zusammenarbeit, sondern auch für Verteidigungsfähigkeit durch eine geeignete Kombination im konventionellen Bereich mit der unverändert notwendigen nuklearen Abschrekkung in dem Ergebnis des Gipfels der NATO-Staaten festgelegt. Wer uns empfiehlt, Herr Kühbacher, davon abzugehen, der schadet den Interessen der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Jungmann [SPD]: Sie sagen doch nicht die Wahrheit! Sie planen schon etwas anderes! Sie sagen die Unwahrheit!)

    Wir streben mit großem Nachdruck einen schnellen Erfolg der Wiener Verhandlungen an. Es gibt bei den jetzt gegebenen Kräfteverhältnissen und dem Stand der ernsthaften Gespräche mit dem Warschauer Pakt überhaupt keinen Grund, den Eindruck zu erwecken, wir seien vor Abschluß dieser Verhandlungen dran, gegenüber dem überlegenen Warschauer Pakt einseitig Reduzierungen vorzunehmen. Das wäre ein falscher Schritt.
    Meine Damen und Herren, der Verteidigungshaushalt entspricht nach meiner Überzeugung den hier genannten Grundsätzen

    (Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Nicht!)

    und den wichtigsten vor uns liegenden Aufgaben. Er führt gewiß nicht zur Aufrüstung. Er entspricht vielmehr auch unseren rüstungskontrollpolitischen Interessen.

    (Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Das ist doch unglaublich!)

    Er legt das Schwergewicht auf die materiellen und sozialen Bedingungen für die Soldaten. Diese Bedingungen müssen wir verbessern. Ich verweise auf die verschiedenen Kabinettsbeschlüsse und auch auf Begleitgesetze. Wir wollen die Laufbahnchancen für die Berufs- und Zeitsoldaten durch über 1 500 Verbesserungen im Planstellenbereich erhöhen. Wir wollen für besonders hart geforderte Funktionen bei den Berufs- und Zeitsoldaten Zulagen und Aufwandsentschädigungen verbessern. Wir wollen die Grundwehrdienstleistenden günstiger stellen: bei Unterhaltssicherung, Fortbildung, Familienheimfahrten und nicht zuletzt durch eine beschleunigte Modernisierung der Kasernen.

    (Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Wehrdienst verkürzen, das wär's!)

    Wir wollen die Bedingungen für diejenigen, die überdurchschnittlich Wehrübungen leisten, im Reservistenkonzept verbessern. Das und noch mehr ist notwendig, damit die Bundeswehr auch in den 90er Jahren ihren Auftrag erfüllen und qualifizierten Nachwuchs gewinnen kann. Es ist ja ein eigentümlicher Sachverhalt: Die so positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die in diesem Jahr zu mehr als 300 000 neuen Beschäftigungsverhältnissen führt, verschärft die Probleme der Bundeswehr. Deswegen müssen wir im Wettbewerb mit der privaten Wirtschaft die Rahmenbedingungen für Soldaten verbessern. Um den Auftrag erfüllen zu können, brauchen wir allerdings weiterhin eine moderne Bundeswehr, auch im Hinblick auf den Stand der Ausbildung, der Ausrüstung und Beschaffung.

    (Beifall des Abg. Lowack [CDU/CSU])

    Wir müssen auf Grund der genannten Schwerpunkte bereits in dem jetzt vorgelegten Etat die Mittel für Beschaffung ein Stück zurückführen. Ich sage Ihnen voraus, Herr Kollege Kühbacher, das wird noch eine schwierige Debatte geben, nicht nur im Hinblick auf den Bedarf der Streitkräfte, nicht nur im Hinblick auf wirtschaftliche und beschäftigungspolitische Folgen. Während Sie hier schlicht einmal eine Kürzung um 3 Milliarden DM fordern, erreichen mich zahlreiche Briefe sozialdemokratischer Landesminister und Bundestagskollegen, die sagen: Dort darf wegen drohender Einbrüche bei Beschäftigung nicht gekürzt werden, dort dürfen an Standorten keine Reduzierungen erfolgen,

    (Jungmann [SPD]: Wo?)

    dort müssen die Belange in strukturschwachen Gebieten gewahrt bleiben. Diese Diskussion sollten Sie in der eigenen Partei einmal ehrlich miteinander führen, bevor Sie hier mit Milliardenbeträgen um sich werfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was mich an vielen Äußerungen — auch an Ihrer Rede — stört, ist, daß Sie Emotionen gegen einzelne Beschaffungsvorhaben schüren. Wir werden in den Ausschüssen weiter intensiv über den Jäger 90 reden.

    (Schluckebier [SPD]: Wir werden keine Ruhe lassen!)

    Sie wissen ja auch, daß auf meine Veranlassung in
    bisher wohl nicht dagewesener Weise schriftliche



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Vereinbarungen mit der Industrie geschlossen worden sind, um unvertretbare Risiken bei Kostensteigerungen abzuwehren.

    (Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Das ist leider eine Illusion!)

    Das ist alles richtig. Nur empfehle ich Ihnen — weil dies zum drittenmal angesprochen wurde; gestern begann Frau Matthäus-Maier damit — , doch einmal darüber zu reden, daß die Sowjetunion vor wenigen Monaten in Paris bei der großen Luftfahrtschau und jetzt in Moskau den modernsten Jäger ihrer Streitkräfte, die MIG 29, vorgestellt hat, die auch zu Gorbatschows Zeiten mit Milliardenbeträgen entwickelt worden ist. Reden wir auch über die MIG 29, wenn wir über Ja oder Nein zum Jäger 90 reden, meine Damen und Herren. Sie führen hier zu einer Einseitigkeit der Betrachtung,

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Kaufen!)

    die nach meiner Überzeugung nicht begründet ist.

    (Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE]: Der ist doch abgestürzt!)

    — Wollen Sie fortsetzen, was wir jahrelang erlebt haben,

    (Dr. Soell [SPD]: Für 5 Rubel 1 Mark!)

    daß man nur über die Waffensysteme des Bündnisses redet und über das systematisch schweigt, was drüben geschieht?

    (Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Das ist doch Nonsens!)

    Wir wollen Abrüstung. Aber Abrüstung heißt zunächst einmal, daß die Sowjetunion auf ihre massive Vorrüstung verzichten muß. Das ist die Reihenfolge der vernünftigen Maßnahmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, Herr Kühbacher, Sie wissen ganz genau, daß es eine Verzeichnung ist, wenn Sie den Eindruck erwecken wollen, daß wir uns den Zukunftsproblemen der Streitkräfte unter dem Vorzeichen sowohl der angestrebten Abrüstungsergebnisse als auch der veränderten demographischen Situation der 90er Jahre nicht stellen. Ich habe kurz nach der Amtsübernahme Ende April im Deutschen Bundestag gesagt, daß ich die Absicht habe, die Voraussetzungen und Bedingungen der langfristigen Bundeswehrplanung grundlegend prüfen zu lassen.

    (Zuruf von der SPD: Das wurde aber auch Zeit!)

    — Das machen wir. Wir sind dabei. Wie Sie wissen, habe ich dem Generalinspekteur den Auftrag gegeben — auch das habe ich im Verteidigungsausschuß ausführlich vorgetragen — , bis zum Herbst dazu konkrete Konzepte zu entwickeln. Es ist zu früh, heute über Einzelheiten zu reden, weil wir noch nicht soweit sind.
    Wir kennen die Ausgangsbedingungen: ein drastischer Rückgang der Zahl der Männer im wehrpflichtigen Alter bis Mitte der 90er Jahre auf etwa 60 % und die Beschäftigungssituation, von der ich hoffe, daß sie
    sich in dem Trend der letzten Jahre weiterentwickeln wird. Wir müssen daraus Konsequenzen ziehen.

    (Abg. Gerster [Worms] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Herr Kollege Gerster, wenn es nicht auf die Zeit angerechnet wird, lasse ich gern eine Frage zu.