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ID1115607500

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    Plenarprotokoll 11/156 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 156. Sitzung Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 11715A Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/5000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1990 bis 1993 (Drucksache 11/5001) Dr. Vogel SPD 11715B Rühe CDU/CSU 11723 D Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 11733 C Mischnick FDP 11736 C Dr. Kohl, Bundeskanzler 11739C Dr. Schmude SPD 11750A Lintner CDU/CSU 11754 B Frau Frieß GRÜNE 11756 C Hoppe FDP 11758C Büchler (Hof) SPD 11760B Dr. Knabe GRÜNE 11762 D Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . . 11763 C Kühbacher SPD 11765C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg . . 11769A Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 11772 B Dr. Rose CDU/CSU 11773 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister AA 11776D Dr. Hauchler SPD 11778C Wilz CDU/CSU 11781C Dr. Mechtersheimer GRÜNE 11783 B Frau Seiler-Albring FDP 11784 C Müntefering SPD 11786 D Pesch CDU/CSU 11788D Frau Teubner GRÜNE 11791C Dr. Hitschler FDP 11792 D Frau Hasselfeldt, Bundesminister BMBau . 11794B Conradi SPD 11797D Frau Odendahl SPD 11799C Frau Männle CDU/CSU 11803 A Wetzel GRÜNE 11804 D Neuhausen FDP 11806A Daweke CDU/CSU 11806D Möllemann, Bundesminister BMBW . . . 11807D Oostergetelo SPD 11810B Eigen CDU/CSU 11814 D Frau Flinner GRÜNE 11817 C Bredehorn FDP 11819 A Daubertshäuser SPD 11821 C Fischer (Hamburg) CDU/CSU 11824 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 Frau Rock GRÜNE 11826 D Zywietz FDP 11828B Haar SPD 11831A Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von den Abgeordneten Susset, Michels, Eigen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Paintner, Heinrich, Bredehorn und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) (Drucksache 11/5124) 11821B Nächste Sitzung 11832D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . .11833* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 11715 156. Sitzung Bonn, den 5. September 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 07. 09. 89* Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Büchner (Speyer) SPD 07. 09. 89* Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 05. 09. 89 Eich GRÜNE 07.09.89 Frau Eid GRÜNE 07. 09. 89 * * * Frau Fischer CDU/CSU 07. 09. 89* * * Frau Garbe GRÜNE 05. 09. 89 Frau Geiger CDU/CSU 07. 09. 89* * * Genscher FDP 07.09.89 Haack (Extertal) SPD 05. 09. 89 Heimann SPD 05.09.89 Frau Hensel GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Holtz SPD 07. 09. 89* * * Frau Hürland-Büning CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Hüsch CDU/CSU 05. 09. 89 Hüser GRÜNE 05.09.89 Ibrügger SPD 05. 09. 89 * * Jaunich SPD 05.09.89 Klein (Dieburg) SPD 07. 09. 89 Dr. Klejdzinski SPD 07. 09. 89 * * * Dr. Kreile CDU/CSU 07. 09. 89 Kreuzeder GRÜNE 05.09.89 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 07. 09. 89 Frau Luuk SPD 07. 09. 89* * * Lüder FDP 07.09.89 Magin CDU/CSU 07.09.89 Meyer SPD 05.09.89 Dr. Müller CDU/CSU 07. 09. 89 * Frau Nickels GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Nöbel SPD 07. 09. 89 Poß SPD 05.09.89 Regenspurger CDU/CSU 07.09.89 Frau Saibold GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Scheer SPD 07. 09. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Stercken CDU/CSU 07. 09. 89 * * * Stratmann GRÜNE 05.09.89 Such GRÜNE 05.09.89 Tietjen SPD 07.09.89 Vahlberg SPD 07.09.89 Frau Dr. Vollmer GRÜNE 05. 09. 89 Westphal SPD 07.09.89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 07. 09. 89* * * Dr. Wulff CDU/CSU 07. 09. 89* * * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung * * * für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dorothee Wilms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Aussprache zur Haushaltspolitik, auch zur Deutschlandpolitik, finden zu einem Zeitpunkt statt, in dem Europäer und Deutsche neue Wege in die Freiheit suchen. Viele unserer deutschen Landsleute aus der DDR versuchen auf jede nur denkbare Art, ihre Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland zu erreichen. Ca. 76 000 waren es in diesem Jahr bis Ende August, die mit oder ohne Genehmigung der DDR zu uns gekommen sind.
    Die Bundesregierung hat diese Entwicklung weder ermutigt noch gefördert. Es kann ja nicht unser Interesse sein, die DDR zu entvölkern; denn auch sie ist ein Stück Deutschland, auch dort ist ein Teil des deutschen Volkes zu Hause. Niemand sollte Genugtuung darüber empfinden, wenn Menschen in so großer Zahl ihr Zuhause aufgeben wollen.
    Es steht uns aber auch nicht zu, über die Motive und Handlungsweisen derjenigen zu richten, die für sich ganz persönlich die Entscheidung getroffen haben zu gehen. Wer sich vorstellt, was es bedeutet, die Heimat zu verlassen, aus dem gewohnten Lebenskreis herauszutreten, Freunde, Verwandte und Bekannte zurückzulassen, der weiß, daß zu einer solchen Entscheidung nur das Gefühl zwingender Notwendigkeit Menschen motivieren kann.
    Die Bundesregierung ist sich deshalb ihrer Verpflichtung gegenüber unseren Landsleuten aus der DDR zutiefst bewußt. Es ist für uns ganz selbstverständlich, daß wir denen, die ausreisen wollen, jede uns mögliche Hilfe geben und daß wir denen, die schon gekommen sind, in jeder vertretbaren Weise beistehen, damit sie sich bei uns einleben können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Wir werden niemanden, der als Deutscher zu Deutschen will, ausgrenzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Bundesminister Frau Dr. Wilms
    Dies gilt für Übersiedler aus der DDR ebenso wie für Aussiedler aus Osteuropa.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Ich möchte von dieser Stelle ausdrücklich und sehr herzlich allen unseren Bürgern danken, die tatkräftig und mit großem persönlichem Einsatz unseren neuen Mitbürgern, die jetzt zu uns kommen, das Einleben bei uns erleichtern und dies weiterhin tun wollen. Damit beweisen sie nicht nur menschliche, sondern auch nationale Solidarität. Denn daß heute so viele Deutsche zu uns in den freien Teil Deutschlands kommen, ist auch eine späte Folge des Krieges und der Nachkriegsentwicklung. Wer jetzt als Deutscher von Ost nach West geht, der hat bislang auf der Schattenseite des deutschen Nachkriegsschicksals leben müssen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Und wenn nun diesen Menschen die persönliche Lage nicht mehr erträglich erscheint, weil sie im Ausharren keinen Sinn mehr sehen, dann muß man dafür alles Verständnis haben und ihnen Zuwendung und Hilfsbereitschaft anbieten.
    Gleichwohl — auch dies möchte ich sagen — erfüllt uns die Entwicklung der Ausreisen aus der DDR mit wachsender Besorgnis. Die DDR verliert in zentralen Bereichen der Gesellschaft gut ausgebildete, junge und befähigte Menschen. Für die Zurückbleibenden ist dies nicht nur mit dem Verlust an Leistungskraft, sondern auch mit einer menschlichen Verarmung verbunden.
    Diese Entwicklung muß doch ein unübersehbares Signal zur Umkehr für eine Politik in der DDR sein, die von Reformen bislang nichts wissen will und damit den Menschen dort jede Zukunftshoffnung raubt.
    Der Schlüssel zur Änderung der prekären Lage in der DDR ist bei der dortigen Führung, nicht bei uns. Sie ist aufgefordert, zu handeln, weil es um die Menschen geht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Ihre Führung muß sich entscheiden, ob sie den Kurs der Starre und der Verweigerung noch länger fortsetzen will mit der Folge, daß die DDR viele ihrer besten Kräfte verliert, oder ob sie jetzt endlich Zeichen für einen neuen Aufbruch setzen will, die den Menschen drüben glaubhaft eine Entwicklung zum Besseren anzeigen.
    Einen Anfang könnte die DDR machen, indem sie jetzt die von ihr im Wiener Abschlußdokument der KSZE zugesagten Rechte und Freiheiten einräumt, z. B. mehr Freizügigkeit und mehr Meinungsfreiheit und, Herr Kollege Büchler, auch mehr Konvertibilität. Wir sind sofort dabei. Denn auf diese Weise könnten den Menschen die Freiräume für ihre persönliche Entfaltung gewährt werden. Denn die heute vorherrschende Stimmung der Resignation kann nur durch eine Perspektive der Hoffnung überwunden werden. Es geht doch um Menschen, um Lebensschicksale, um menschenwürdiges Dasein und nicht um Ideologien, nicht um vorgebliche historische Notwendigkeiten.
    Die Menschen in der DDR sind es leid, bevormundet und gegängelt zu werden. Sie fordern Chancen zur Entwicklung ihrer Persönlichkeit und ihrer Fähigkeiten. Sie fordern Demokratie und Menschenrechte, sie fordern Reformen, die den Obrigkeitsstaat und die Kommandowirtschaft überwinden und das Gemeinwesen aufblühen lassen. Die Menschen, meine Damen und Herren, wollen, mit einem Wort gesagt, Selbstbestimmung: Selbstbestimmung der Person, Selbstbestimmung in der Gesellschaft, bis hin zur Selbstbestimmung des deutschen Volkes.
    Wer sich dem entgegenstemmt, der hat keine Zukunft; denn der Wille der Menschen zur Freiheit hat sich in der Geschichte immer noch als stärker erwiesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundesregierung wird nicht abseits stehen, sondern den ihr möglichen Beitrag dazu leisten, wenn sich die DDR Reformen nicht verschließt. Notwendig ist dort eine Weiterentwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft zu mehr demokratischer Öffnung und Effektivität, wie wir es auch in anderen osteuropäischen Ländern beobachten. Da, wo uns reale und sinnvolle Anknüpfungspunkte geboten werden, werden wir — wie bisher — das Unsere hinzutun, wenn den Menschen damit geholfen wird.
    Meine Damen und Herren, die jüngsten Entwicklungen in Ost- und Mitteleuropa machen deutlich, daß die deutsche Frage immer stärker auf der Tagesordnung der Weltpolitik steht. Dies ist auch ein Erfolg dieser Bundesregierung, die sich die friedliche Oberwindung der europäischen Teilung — und in diesem Rahmen auch der deutschen Teilung — zum Programm gesetzt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Heute erleben wir, wie sich freiheitlicher Geist in ganz Europa immer weiter ausbreitet. Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) hat zu politischen Verpflichtungen aller Staaten geführt, die im Endergebnis auf die Verwirklichung von Freiheit, Menschenrechten und Demokratie hinauslaufen.
    Unsere erfolgreiche Politik der verstärkten westeuropäischen Integration hat eine Attraktivität des freien, westlichen Teils Europas bewirkt, der sich heute kein Staat im Osten mehr entziehen kann. Auch dies ist eine Absage an alle diejenigen, die versuchten und noch heute versuchen, den Status quo der Unfreiheit in Europa zu erhalten.
    Die Bundesregierung sieht sich in ihrer Konzeption der Deutschlandpolitik durch die sich jetzt immer deutlicher abzeichnenden Entwicklungen voll bestätigt. Wir waren ja nie bereit, die traurige Realität des geteilten Deutschland als endgültig anzuerkennen oder gar — wie auf seiten der SPD — die Chance in der Teilung zu suchen. Wir haben nie unverantwortliche Forderungen nach Anerkennung einer DDR-Staatsbürgerschaft oder nach einer Bestandsgarantie für den Realsozialismus erhoben, sondern alle diese Forderungen stets aus Überzeugung zurückgewiesen, und wir werden dies auch in Zukunft tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundesminister Frau Dr. Wilms
    Statt dessen haben wir immer beharrlich darauf gesetzt und dafür gearbeitet, daß in einem in Freiheit geeinten Europa auch das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangen kann. Wir haben dabei nie vergessen, daß wir uns auch in dieser Zielsetzung fest in die westliche Werteordnung eingebunden fühlen.
    Weltweit wächst das Verständnis für den Wunsch der Deutschen nach Einheit. Die Staats- und Regierungschefs der NATO unterstützen das Streben nach der Einheit des deutschen Volkes. Staatspräsident Mitterrand versteht die Wiedervereinigung als ein berechtigtes Anliegen der Deutschen. Präsident Bush bekennt sich zur Selbstbestimmung für ganz Deutschland. Vor wenigen Tagen hat der amerikanische Botschafter in Bonn, Vernon D. Walters, erklärt — ich zitiere — : „Es ist nicht normal, daß es zwei deutsche Staaten gibt. "
    Nach Agenturmeldungen sollen ja 70 % der US-Bürger für die Wiedervereinigung Deutschlands sein.

    (Wilz [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Meine Damen und Herren, für diese klare Haltung unserer Freunde und Verbündeten sind wir sehr dankbar.
    Besonders beeindrucken muß es aber, wenn ein führender polnischer Politiker, Professor Geremek, erklärt — zitiere — :
    Ich bin der Ansicht, Deutschland soll wiedervereinigt werden . . .; ein freies Europa wird eine Lösung der deutschen Frage bringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Ich denke, wir alle würdigen mit großem Respekt diese Worte eines bedeutenden Polen, die den Geist freiheitlich europäischer Gesinnung atmen.
    Wenn man die derzeitige Entwicklung betrachtet, erkennt man, wie zeitgemäß heute der Deutschlandvertrag von 1954 ist, in dem sich die USA, Großbritannien und Frankreich gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland auf das Ziel eines in Freiheit wiedervereinigten, in Europa integrierten Deutschlands verpflichtet haben. Heute bestehen Chancen, daß die Vision Konrad Adenauers politische Realität werden kann.
    Daß wir heute so weit vorangekommen sind, isi auch ein Ergebnis jenes erfolgreichen politischen Teilbereichs, den wir als innerdeutsche Beziehungen bezeichnen. Durch die millionenfachen Kontakte dei Menschen im geteilten Deutschland, durch vielfältige Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten sind die Bindungen der Deutschen enger geworden, ist das Zusammengehörigkeitsgefühl gewachsen. Wir werden diese Politik fortsetzen; denn sie hat bereits zu Veränderungen geführt — in der Praxis ebenso wie im Bewußtsein. Selbst wenn es die Regierenden dort nicht wahrhaben wollen: Der Wind der Veränderung hat auch in der DDR zu wehen begonnen. Dafür ist die Demonstration Leipziger Bürger von gestern ein weiterer Beleg.
    Meine Damen und Herren, ich denke, die Entwicklung der letzten Zeit hat für jedermann sinnfällig gemacht, daß die Deutschlandpolitik von wachsender Bedeutung ist und daß ihre Bedeutung in Zukunft noch zunehmen wird, was sich übrigens auch im Bundeshaushalt, auch im Haushalt des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen niederschlagen wird. Unvorhersehbare Ereignisse könnten verstärktes finanzielles Engagement erforderlich machen. Dem wird sich, wie ich hoffe, das ganze Parlament in selbstverständlicher Solidarität mit unseren Landsleuten aus der DDR und aus Osteuropa im Interesse der deutschen Sache nicht versagen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Kühbacher.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Klaus-Dieter Kühbacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorab möchte ich eine Bemerkung zu den etwas deprimierenden Nachrichten gestern abend im Fernsehen zur Aufnahme von Übersiedlern aus der DDR in der Umgebung von Passau machen.
    Herr Verteidigungsminister, Sie und ich wissen, daß die NATO gelegentlich Aktivitätsübungen macht. Dann müssen die Soldaten ihre Kasernen räumen und gehen auf einen Übungsplatz. Es kann doch wohl nicht im Ernst so sein, daß die Soldaten in den Kasernen wohnen, während Übersiedler in durchnäßten Zelten auf ihre Eingliederung warten sollen.
    Ich erwarte von Ihnen, daß Sie eine solche NATO-Übung organisieren lassen, daß in dem Moment, in dem die Übersiedler kommen, diese die festen Unterkünfte beziehen können, und innerhalb einer Woche ist die Eingliederung in den verschiedenen Bundesländern gewährleistet. Ich denke, die Soldaten haben dabei auch noch Spaß.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ein Quatsch! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ja natürlich, es ist eine Ehrenpflicht für die Soldaten, in ihren festen und warmen Unterkünften für die Übersiedler Platz zu machen.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Dafür, daß Sie so lange Zeit zum Nachdenken hatten, war das nicht einer der besten Vorschläge!)

    — Ich weiß schon, wovon ich rede, und ich denke, es ist an der Zeit, so etwas hier einmal zu sagen.
    Zum Verteidigungshaushalt möchte ich als Sozialdemokrat einige Vorbemerkungen machen, die hier noch einmal deutlich vorgetragen werden müssen. Wir Sozialdemokraten meinen, die Bundesrepublik sollte ein Vorreiter bei der Abrüstung sein.
    Der Verteidigungshaushalt 1990 ist um mindestens 3 Milliarden DM zu hoch angesetzt.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Die Millionenbeträge für den Jäger 90, für neue und mehr Munition, für neue Kampfbomber ECR Tornado, für neue Kampfpanzer Leopard sind das politisch falsche Signal in der heutigen Zeit.

    (Beifall bei der SPD)




    Kühbacher
    Die Zahl der Soldaten und der Zivilbeschäftigten der Bundeswehr sollte schon 1990 um 20 000 verringert werden, um Mitte der 90er Jahre eine Gesamtstärke von unter 400 000 zu erreichen.
    Nach diesen Forderungen lassen Sie mich einige grundsätzliche Bemerkungen machen, die noch einmal die Grundposition sozialdemokratischer Friedenspolitik beleuchten. Es ist eine gemeinsame Auffassung von Ost und West, daß nukleare Kriege nicht gewonnen werden können und nicht geführt werden dürfen. In dem hochtechnisierten und eng besiedelten Europa wären auch konventionelle Kriege untragbar.

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    Krieg in Europa unmöglich zu machen ist keine Utopie, sondern eine Aufgabe, wie es sowohl von Präsident Bush als auch von Präsident Gorbatschow formuliert wurde. Es ist eine historische Aufgabe, daß Europa die Geschichte der Kriege endgültig hinter sich läßt, um seine Kräfte, seine industriellen Kapazitäten für die neuen Herausforderungen der Menschheit freizumachen.

    (Beifall bei der SPD)

    Für uns Sozialdemokraten ist die Bundeswehr ein wichtiges Instrument zur Verhütung eines Krieges.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Bundeswehr ist Bestandteil des NATO-Bündnisses. Dieses NATO-Bündnis ist so lange erforderlich, bis sich eine europäische Friedensordnung als endgültig tragfähig erwiesen hat.
    Wir Sozialdemokraten streben ein sicherheitspolitisches Gesamtkonzept für ein Europa im Jahr 2000 an. Dazu müssen die Kriterien für das Erreichen von Stabilität auf möglichst niedrigem Niveau der konventionellen und der nuklearen Streitkräfte bis hin zu einem Zustand aufgezeigt werden, der auch nach Auffassung der NATO beiderseitiger Angriffsunfähigkeit entspricht.
    Strukturelle Angriffsunfähigkeit verlangt nicht nur, Überraschungsangriffe auszuschließen. Dazu gehören auch Streitkräfte, die nach Aufgabenstellung, Umfang und Struktur sowie Stationierung militärische Angriffshandlungen ausschließen. Darüber wird derzeit in Wien offensiv verhandelt. Dabei muß die Fähigkeit zur Vorneverteidigung durch die Streitkräfte beider Bündnisse erhalten bleiben.
    Ein solches neues Konzept bedingt den Fortbestand von NATO und Warschauer-Vertrags-Organisation, d. h. auch die multinationale Verteidigung mit der physischen Präsenz der USA in Europa. Ich betone das noch einmal, damit uns hier nicht Falsches — wie von Ihnen ja häufig getan — unterstellt wird. Die Militärbündnisse müssen jedoch ihre politischen Aufgaben mehr und mehr den rein militärischen Aufgaben überordnen. Diese Militärbündnisse müssen sich als Instrument zur Förderung des Abrüstungsprozesses verstehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Bezogen auf die Bundeswehr heißt das, Herr Bundesminister, daß die Bundesregierung über die Bundeswehr Abrüstungssignale in das eigene Bündnis
    und in den Warschauer Pakt hinein aufzuzeigen hat. Diese Signale, Herr Minister Stoltenberg, fehlen im Verteidigungshaushalt 1990 völlig. Sie machen eine Politik des „Weiter so".
    Abrüstung allein beseitigt die Konfliktursache nicht. Sie schafft jedoch Vertrauen und setzt Ressourcen frei, die für die dringende Bewältigung unserer anderen Herausforderungen benötigt werden.
    Ziel sozialdemokratischer Abrüstungsvorschläge wäre es, den Abbau wechselseitiger Überlegenheit in den einzelnen Waffenbereichen zu erreichen, eine drastische Reduzierung beiderseitiger Potentiale und die Umstrukturierung von Waffengruppen einzuleiten, damit ein raumangreifender Angriff unmöglich wird. Dazu gehören auch die Beseitigung nuklearer Kriegführungswaffen und die allmähliche Überwindung einer nuklearen Abschreckungsstrategie, die mit der Zerstörung dessen droht, was sie zu schützen vorgibt.
    Wir Sozialdemokraten plädieren nachdrücklich dafür, zur Förderung des Abrüstungsprozesses eigene Initiativen zu ergreifen. Die Bundesregierung bleibt hinter NATO-Überlegungen weit zurück, wenn sie einen unveränderten Verteidigungshaushalt mit unveränderter Personalstärke und weit umfangreicheren militärischen Beschaffungsvorschlägen im Parlament einbringt.

    (Beifall bei der SPD — Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Schlußlicht der NATO!)

    Wie soll denn die drastische Steigerung des Verteidigungshaushalts begründet werden?
    Ich betone noch einmal: Für uns Sozialdemokraten hat die Bundeswehr ihren Platz im gesellschaftlichen Gefüge der Bundesrepublik gefunden. Der Primat der Politik und die Einordnung in die Verfassungsstruktur des Grundgesetzes sind unanfechtbar. Aber diese Bundeswehr bedarf dringend der Anpassung an die veränderten politischen Voraussetzungen. Dazu ist von uns aus gesehen eine Veränderung ihrer Struktur, eine Reduzierung der Präsenzstärke und eine Modifizierung ihrer Ausrüstung im Rahmen des allgemeinen Abrüstungsprozesses erforderlich.
    Ich betone noch einmal: Aus unserer Sicht ist Richtschnur bei all diesen Schritten die Erhaltung der Kriegsverhütungsfähigkeit der Bundeswehr. Das setzt einen offenen Dialog mit denjenigen voraus, die in dieser Bundeswehr ihren Beruf gefunden haben; denn sie sind an einem solchen Prozeß zu beteiligen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Der Dialog findet doch laufend statt!)

    Aber dazu gehört auch, daß die Bundesregierung eine ehrliche Politik und eine ehrliche Planung, d. h. eine offene Planung, betreibt und sich nicht Stück für Stück die notwendigen Einsichten abringen läßt. Es hilft uns auch nicht, daß hinter vorgehaltener Hand der eine oder andere verantwortliche Soldat vom Verteidigungsministerium auf der Hardthöhe mitteilt, woran denn eigentlich gearbeitet wird, während der Verteidigungsminister einen Haushalt einbringt und ihn auch öffentlich so bekannt macht, der von einer unveränderten Präsenzstärke und von weiteren Be-



    Kühbacher
    schaffungen ausgeht. Es wird unter den Soldaten diskutiert und geplant, und es werden Alternativen vorbereitet. Nach außen hin findet aber eine solche offene Planung nicht statt.