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ID1115606900

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    Plenarprotokoll 11/156 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 156. Sitzung Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 11715A Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/5000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1990 bis 1993 (Drucksache 11/5001) Dr. Vogel SPD 11715B Rühe CDU/CSU 11723 D Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 11733 C Mischnick FDP 11736 C Dr. Kohl, Bundeskanzler 11739C Dr. Schmude SPD 11750A Lintner CDU/CSU 11754 B Frau Frieß GRÜNE 11756 C Hoppe FDP 11758C Büchler (Hof) SPD 11760B Dr. Knabe GRÜNE 11762 D Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . . 11763 C Kühbacher SPD 11765C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg . . 11769A Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 11772 B Dr. Rose CDU/CSU 11773 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister AA 11776D Dr. Hauchler SPD 11778C Wilz CDU/CSU 11781C Dr. Mechtersheimer GRÜNE 11783 B Frau Seiler-Albring FDP 11784 C Müntefering SPD 11786 D Pesch CDU/CSU 11788D Frau Teubner GRÜNE 11791C Dr. Hitschler FDP 11792 D Frau Hasselfeldt, Bundesminister BMBau . 11794B Conradi SPD 11797D Frau Odendahl SPD 11799C Frau Männle CDU/CSU 11803 A Wetzel GRÜNE 11804 D Neuhausen FDP 11806A Daweke CDU/CSU 11806D Möllemann, Bundesminister BMBW . . . 11807D Oostergetelo SPD 11810B Eigen CDU/CSU 11814 D Frau Flinner GRÜNE 11817 C Bredehorn FDP 11819 A Daubertshäuser SPD 11821 C Fischer (Hamburg) CDU/CSU 11824 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 Frau Rock GRÜNE 11826 D Zywietz FDP 11828B Haar SPD 11831A Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von den Abgeordneten Susset, Michels, Eigen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Paintner, Heinrich, Bredehorn und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) (Drucksache 11/5124) 11821B Nächste Sitzung 11832D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . .11833* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 11715 156. Sitzung Bonn, den 5. September 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 07. 09. 89* Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Büchner (Speyer) SPD 07. 09. 89* Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 05. 09. 89 Eich GRÜNE 07.09.89 Frau Eid GRÜNE 07. 09. 89 * * * Frau Fischer CDU/CSU 07. 09. 89* * * Frau Garbe GRÜNE 05. 09. 89 Frau Geiger CDU/CSU 07. 09. 89* * * Genscher FDP 07.09.89 Haack (Extertal) SPD 05. 09. 89 Heimann SPD 05.09.89 Frau Hensel GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Holtz SPD 07. 09. 89* * * Frau Hürland-Büning CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Hüsch CDU/CSU 05. 09. 89 Hüser GRÜNE 05.09.89 Ibrügger SPD 05. 09. 89 * * Jaunich SPD 05.09.89 Klein (Dieburg) SPD 07. 09. 89 Dr. Klejdzinski SPD 07. 09. 89 * * * Dr. Kreile CDU/CSU 07. 09. 89 Kreuzeder GRÜNE 05.09.89 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 07. 09. 89 Frau Luuk SPD 07. 09. 89* * * Lüder FDP 07.09.89 Magin CDU/CSU 07.09.89 Meyer SPD 05.09.89 Dr. Müller CDU/CSU 07. 09. 89 * Frau Nickels GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Nöbel SPD 07. 09. 89 Poß SPD 05.09.89 Regenspurger CDU/CSU 07.09.89 Frau Saibold GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Scheer SPD 07. 09. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Stercken CDU/CSU 07. 09. 89 * * * Stratmann GRÜNE 05.09.89 Such GRÜNE 05.09.89 Tietjen SPD 07.09.89 Vahlberg SPD 07.09.89 Frau Dr. Vollmer GRÜNE 05. 09. 89 Westphal SPD 07.09.89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 07. 09. 89* * * Dr. Wulff CDU/CSU 07. 09. 89* * * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung * * * für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Günter Hoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Haushalts- und gerade in der deutschlandpolitischen und außenpolitischen Debatte gehe ich normalerweise gern auf die Ausführungen des Vorredners ein. Aber über absurde Unterstellungen kann man nicht diskutieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

    Meine Kollegen, da wir den Haushalt beraten, bitte ich um Nachsicht, daß ich einige Bemerkungen zum Haushalt mache. Ich möchte mich zum Einzelplan 27 und zum Einzelplan 05 mit kurzen Anmerkungen äußern.
    Beim Einzelplan 27 ergeben sich erfreulicherweise keine Probleme. Die Haushaltsansätze können als maßgeschneidert angesehen werden, um die deutschlandpolitischen Aufgaben erfüllen zu können.
    Hinsichtlich des Auswärtigen Amtes hat es im vergangenen Jahr bei der Beratung des Einzelplans 05 von allen Fraktionen positive Bekundungen zum Gesetz über den Auswärtigen Dienst gegeben. In der Tat hat das Kabinett jetzt mit dankenswerter Unterstützung des Bundesfinanzministers die Rahmenbedingungen dafür geschaffen. Auch wenn der Gesetzentwurf nun alsbald Papierform annehmen wird, bedarf es in den nächsten Wochen noch großer Überzeugungsarbeit, um bei den Innen- und Haushaltspolitikern die immer noch erkennbaren, von Zweifel und Sorgen genährten Stirnfalten zu glätten.
    Eine Fußnote noch zum Bereich der auswärtigen Kulturpolitik: Die Steigerungsrate sieht beim reinen Zahlenvergleich passabel aus. Aber Zuwendungsempfänger wie das Goethe-Institut und der Deutsche Akademische Austauschdienst haben gewehklagt. Wir sind uns dessen bewußt, daß Regierung und Bundestag den Zuwendungsempfängern in einer sich aufhellenden europäischen Landschaft nicht neue Aufgaben zuweisen können, ohne daraus resultierende finanzielle Mehrbelastungen abzudecken. In der Tat muß die finanzpolitische Konfliktlage mit Fairneß korrekt ausgesteuert werden.
    Ich bin guter Hoffnung, daß wir bei den Beratungen adäquate Lösungen finden werden. Denn in diesem Zusammenhang hat es keineswegs einen Peitschenknall von seiten des Bundesfinanzministers gegeben; deshalb werden wir sicher eine einvernehmliche Lösung finden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, 50 Jahre, nachdem das Deutsche Reich durch den Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg entfesselt hat, zeichnet sich in Europa eine Perspektive ab, die historisch das Ende der Nachkriegszeit bedeuten könnte. Als 1945 der Krieg endete, war der Friede noch lange nicht gewonnen. Europa und Deutschland wurden geteilt. An der Trennungslinie zwischen Ost und West standen und stehen sich bis heute hoch gerüstete Armeen gegenüber. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker Osteuropas wurde mißachtet. Demokratische Rechte, gesellschaftlicher Pluralismus, individuelle Freiheit und Menschenrechte wurden in diesen Staaten der Diktatur von Parteien geopfert, die für sich in Anspruch nehmen, immer recht zu haben.



    Hoppe
    Kriegerische Auseinandersetzungen konnten allerdings dank der Festigkeit des westlichen Bündnisses und der Bereitschaft der USA, ihre Verantwortung für Europa wahrzunehmen, vermieden werden. Westeuropa konnte Freiheit, Demokratie, Pluralismus und Menschenrechte bewahren. Zugleich fanden die freien Staaten Europas Kooperationsformen, die auf Vertrauen und gegenseitiger Verflechtung basieren. Der Europarat, die westeuropäische Union und vor allem die Europäische Gemeinschaft sind Beispiele dafür.
    Der Westen hat mit langem Atem nachgewiesen, daß sein System politisch erfolgreich ist und den Wünschen seiner Bürger gerecht wird.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Aus dem friedlichen Wettbewerb der Systeme entwickelte sich so für die Staaten Osteuropas der Handlungsbedarf im Hinblick auf Reformprozesse. Die Bereitschaft der Sowjetunion, das auch von ihr bekräftigte Recht auf Selbstbestimmung zu respektieren, hat insbesondere in Polen und in Ungarn zu Entwicklungen geführt, die auf eine radikale Umgestaltung der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung abzielen. Beide Länder haben erkannt, daß ihr System reformiert werden muß, wenn es den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden soll, und daß Reformen in der Wirtschaft mit politischen Reformen Hand in Hand gehen müssen.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Der KSZE-Prozeß hat Menschen- und Bürgerrechte zu einem legitimen Thema des Ost-West-Dialogs gemacht. Der Westen und insbesondere die Bundesrepublik Deutschland haben darauf beständig und mit Erfolg hingewirkt. Heute kann sich kein Teilnehmerstaat der KSZE mehr der internationalen Beurteilung seiner Menschenrechtspolitik entziehen.
    Der Erfolg des in Europa eingeleiteten Prozesses hängt sehr wohl — wir wissen es — entscheidend von der Reformpolitik der Sowjetunion ab. Ich habe keinen Zweifel daran, daß Generalsekretär Gorbatschow die Öffnung der sowjetischen Gesellschaft ebenso ernsthaft anstrebt wie die Einführung marktwirtschaftlicher Reformen. Dies folgt doch schon aus der Erkenntnis, daß die Sowjetunion ihre Rolle in Zukunft nur weiter spielen kann, wenn sie auf den Gebieten stark ist, auf die es heute ankommt: Wirtschaft, Finanzen, Technologie.
    Die inneren Reformen in der Sowjetunion liegen folglich nicht nur im Interesse der Bevölkerung, sie entsprechen auch dem Ehrgeiz seiner politischen Elite. Das Reformwerk ist in der Sowjetunion eine gewaltige politische Aufgabe, die mit großen Risiken verbunden ist. Die bisher eingeleiteten Reformen werden von uns mit Hoffnung und Sympathie verfolgt. Aber wir wissen — ich habe es schon einmal gesagt —, weniger Wodka und mehr Technologie sind noch nicht die Gleichung für Demokratie.
    Meine Damen und Herren, was tut die DDR angesichts dieser positiven Entwicklung in Osteuropa? Mit ihrem phrasenhaften Dogmatismus und der Beschwörung des Marxismus-Leninismus treibt sie enttäuschte
    Bürger aus der Heimat. Offensichtlich schätzt die Führungsspitze in Ost-Berlin die sowjetische Politik heute noch genauso ein, wie sie einmal Karl Marx gesehen hat. Dort hieß es:
    Ändern können sich Rußlands Methoden, seine Taktik, seine Manöver, nicht aber seine Ziele. Der Polarstern der russischen Politik, die Beherrschung der Welt, ist ein Fixstern.
    Meine Damen und Herren, gemeinsam mit Ceausescu, der Gorbatschow ja einen Hasardeur genannt hat, meint offenbar auch die Honecker-Crew, daß die Reform des Kommunismus zum Scheitern verurteilt ist. Bei so viel Tristesse verbreitender Starrheit dürfen sich dann die Fußkranken der Perestroika nicht wundern, wenn die Bevölkerung darauf mit Massenflucht reagiert.
    Aber nicht nur im Leben des einzelnen, auch im Leben der Völker stehen die Signale auf Mitbestimmung, Selbstbestimmung und Selbständigkeit. Wir müssen deshalb die Wiedervereinigung als einen langen historischen Prozeß ansehen, dem man sich nur geduldig nähern kann — Schritt für Schritt, Zug um Zug, jahrein, jahraus.
    Die Nationen Osteuropas schauen auf Deutschland als Brücke nach Europa. Hier liegen Anknüpfungspunkte für eine wohlverstandene deutsche Interessenpolitik. Die nationale Aufbruchstimmung bei den Völkern des Ostens ist auch eine Chance für die Deutschen, ihre Einheit in Freiheit wiederzufinden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, in einem sich mehr und mehr öffnenden Europa wird sich auch die DDR-Führung in das politisch Unvermeidliche fügen müssen. Sie kommt an Reformen nicht vorbei. Was das heißt, läßt sich von Polen, Ungarn und der Sowjetunion lernen. Nur eine solche Perspektive wird die Bürger der DDR dazu veranlassen, sich in ihrer Heimat zu engagieren.
    Was können wir in der Bundesrepublik Deutschland tun? Wir werden nicht aufhören, die DDR-Führung an ihre internationalen Verpflichtungen und an die politische Unausweichlichkeit von Reformen zu erinnern. Auch unsere Partner in der KSZE und in der EG werden dies tun.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Jeder Bürger der DDR, der Aufnahme bei uns sucht, ist nach wie vor willkommen. Wir müssen alles tun, um den Deutschen die Übersiedlung menschlich und wirtschaftlich so leicht wie möglich zu machen. Gleichwohl werden wir auch weiter niemanden auffordern, in die Bundesrepublik Deutschland zu kommen. Im Gegenteil: In der DDR wird jeder Bürger gebraucht, der dort auf Reformen drängen kann und sie dann mitgestalten muß, wenn auch die DDR-Führung endlich zur Einsicht kommt.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr. Knabe [GRÜNE])

    Erfreulicherweise wird auf solche Korrekturen nun auch in Ost-Berlin gedrängt. Anfang August hat sich dort die Liberaldemokratische Partei für eine bessere Information der DDR-Bürger über die innenpoliti-



    Hoppe
    schen Vorgänge durch die Massenmedien eingesetzt und dies der SED zur Entscheidung auf ihrem anstehenden Parteitag zugeleitet. Darüber hinaus will die LDP die Kommunalpolitik bürgernah praktizieren. Sie macht ihren Abgeordneten in der DDR Mut, ihr Anfragerecht stärker zu nutzen und sich bei Grundfragen der gesellschaftlichen Entwicklung einzumischen, um so Mitinitiator von gesellschaftlichen Veränderungen zu sein. Hier ist wenigstens ein Ansatz erkennbar, den es zu unterstützen gilt, damit er auch greifen kann — im Interesse der Menschen im geteilten Deutschland.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wer angesichts dieser Entwicklung bei uns glaubt, in der Teilung Deutschlands ein sinnvolles Instrument für die Gestaltung eines friedlichen Europas gefunden zu haben, befindet sich im eklatanten Widerspruch zum erklärten Willen der Bürger im geteilten Land.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Meine Damen und Herren, jüngste Umfragen belegen nämlich eindeutig, daß sich die Bundesbürger für die Wiederherstellung der deutschen Einheit aussprechen.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: So ist das!)

    Und nun lese man: 79 % der Bundesbürger sind dafür; darunter auch 50 % der Wähler der GRÜNEN und 72 % der Wähler der SPD.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Was sollen die sagen, wenn die so einen Blödsinn hören? — Gegenruf des Abg. Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE])

    Daß in der DDR der Anteil höher ist, das wissen wir.
    Meine Damen und Herren, die Lösung der offenen deutschen Frage bleibt im Rahmen der europäischen Friedensordnung einer Zeit vorbehalten, in der unter den Europäern Sicherheitsfragen keine Rolle mehr spielen, das Selbstbestimmungsrecht der Völker eine Selbstverständlichkeit ist und die Menschenrechte überall etabliert sind. In einer solchen Friedensordnung werden die Deutschen im Einvernehmen mit ihren Nachbarn über die deutsche Einheit nach demokratischen Regeln entscheiden können. Die Entwicklung in Europa führt die Europäer aufeinander zu. In der Überwindung der Trennung Europas liegt die Chance der unteilbaren deutschen Nation. Und so bleibt die deutsche Einheit auf der Tagesordnung, ja, heißer denn je.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Büchler.

(Böhm [Melsungen] [CDU/CSU]: Aber jetzt!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Büchler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Überraschend kommt doch noch eine deutschlandpolitische Diskussionsrunde zustande; ich begrüße das. Ich hatte eigentlich
    erwartet, daß es nach Rühe noch etwas rüder wird durch Herrn Lintner.

    (Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Na, was soll das denn?)

    Das ist nicht eingetreten; das begrüßen wir. Ich bin überhaupt erfreut, daß in der letzten Zeit anscheinend wieder eine bestimmte Bewegung zwischen den großen Parteien vorhanden ist, in der Deutschlandpolitik etwas gemeinsam zu gestalten.

    (Lintner [CDU/CSU]: Sie kommen also auf uns zu?)

    — Nein, das würde ich glatt abstreiten; denn genau das Gegenteil ist der Fall. Herr Lintner, Sie haben, so meine ich, richtig signalisiert, daß Sie bereit sind, über das hinauszudenken, was Sie bisher vertreten haben. Das können wir als Sozialdemokraten nur begrüßen.
    Die erste Stufe war: Sie haben unsere sozialliberale Politik akzeptiert. Nun denken Sie darüber nach, was danach werden soll. Ich meine, daß wir Sozialdemokraten in den letzten Monaten und Jahren bestimmt genug an Vorschlägen für Diskussionen eingebracht haben, um die Deutschlandpolitik weiter zu entwikkeln.

    (Zuruf der Abg. Frau Friess [GRÜNE])

    — Es tut mir leid, gnädige Frau, aber auf Ihren Beitrag kann ich heute leider nicht eingehen. Das war mir einfach zu kompliziert, zu unverständlich und abseits jeder Realität, so daß ich mich also wirklich nicht damit beschäftigen kann.

    (Sehr gut! bei der SPD)

    Ich möchte ein paar Worte zu der Grenzdiskussion sagen, Herr Lintner, weil Sie das noch einmal aufgeworfen haben. Es geht um die leidige Diskussion über die polnische Westgrenze. Ganz klar ist das anscheinend bei Ihnen immer noch nicht. Wer Europa bauen will, wer auch den Deutschen in diesem Haus Europa ein gemeinsames Zuhause, in welcher Staatsform auch immer, geben möchte, der muß sich über eines klar sein: Die Polen brauchen ein gesichertes Zuhause. Die Westgrenze der Polen darf nicht mehr angetastet werden,

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    wenn wir in Zukunft Europa bauen wollen. Herr Lintner, die Sozialdemokratie hat hier weit vorangedacht. Sie sollten dem schön langsam folgen. Sie wissen, welche Diskussionen wir im Rahmen unserer deutschlandpolitischen Debatte zur Lage der Nation hier geführt haben.

    (Lintner [CDU/CSU]: Lesen Sie Brandt nach! 1972!)

    Wir als Sozialdemokraten stehen — darüber gibt es gar keinen Zweifel — für das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen auch in der DDR ein. Wir als Sozialdemokraten stehen für das Selbstbestimmungsrecht aller Menschen in der ganzen Welt ein, warum denn auch nicht für die in der DDR. Wer daran zweifelt, hat die Sozialdemokratie nicht begriffen. Das brauchen sie aber nicht zu begreifen. Dazu sind sie ja nicht da. Nur muß klar sein: Selbstverständlich ist das



    Büchler (Hof)

    für uns ein Auftrag, den wir mit Sicherheit nicht vernachlässigen werden.
    Die DDR-Bürger müssen eines Tages entscheiden, in welcher Art und Weise sie ihren Staat oder mit uns zusammen zu organisieren haben. Das ist doch der erste Punkt, über den sich die politischen Parteien hier im Bundestag allgemein einig sein müssen, bevor wir vielleicht eine neue Deutschlandpolitik, wenn es denn nötig ist, auch miteinander, diskutieren sollten.
    Ich habe das nach den langen Diskussionen deutlich gemacht. Die Innerdeutsche Arbeitsgruppe der SPD verfolgt seit Jahren einen klaren Kurs. Natürlich haben wir auch unsere Diskussionen. Aber der Kurs ist klar.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Na, na!)

    Ich habe dafür immer gesprochen, da gibt es gar keinen Zweifel. Wirtschaftshilfe für die DDR — Herr Lintner, Sie haben davon gesprochen — ist doch nichts Neues, seit fünf Jahren sagen wir das. Sie muß gebunden sein im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe, die Produktion erzeugt und den Menschen etwas bringt. Da kann es ohne Reformen nicht abgehen. Ich sage noch einmal: Wie die Deutschen eines Tages wieder zusammenleben werden und in welcher Form, darüber müssen die DDR-Bürger mit uns zusammen bestimmen.
    Ich möchte etwas zu den aktuellen Problemen sagen, die jetzt anstehen. Sie wissen, ich war auch in Prag und habe mit den Menschen in der Botschaft geredet.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Wir auch!)

    — Keine Frage. Es ist unsere Pflicht als Abgeordnete, mit den Menschen zu reden, möglichst ohne Fernsehkamera, wenn es denn geht.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: So haben wir es gemacht!)

    — Ja, ich auch. Denn das andere hilft den Menschen nicht.
    Ich möchte, an die DDR gerichtet, sagen: Wenn Bürger dieses Land verlassen wollen und diesen beschwerlichen Weg gehen, sei es über Ungarn oder über unsere Botschaften, dann soll doch die DDR-Führung so einsichtig sein, daß die Bürger nicht mehr zurück müssen, die unbedingt nicht in das Land zurück wollen; sondern sie soll sie ziehen lassen. Es gibt für keinen Staat ein Recht auf Menschen. Wir sind uns wohl in dieser Frage einig.

    (Beifall des Abg. Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE] — Zuruf von der CDU/CSU: KSZEBeschlüsse!)

    Ich möchte jetzt ein Wort zum KSZE-Prozeß sagen, weil da eigentlich in den letzten Jahren etwas nicht so recht deutlich geworden ist. Herr Schmude hat heute früh davon gesprochen, wie schwierig es war, den Prozeß auf den Weg zu bringen; es gab Sondersitzungen usw. Ich denke, es ist eine historische Leistung der Sozialdemokratie und der Liberalen, daß dieser Prozeß auf den Weg gebracht worden ist,

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    und zwar — ich will das nicht wiederholen — gegen Ihren stärksten Widerstand. Die Ostverträge, die Verträge, die sich daraus entwickelt haben, und natürlich der KSZE-Prozeß haben diese Bewegung in den osteuropäischen Staaten erst möglich gemacht. Daß Gorbatschow gekommen ist, hat das beschleunigt. Das muß man alles im Zusammenhang sehen. Es ist nicht Ihr Verdienst, daß es so gekommen ist, sondern das ist ein Verdienst der sozialliberalen Koalition, ist unsere ureigene Politik im richtig verstandenen Sinne. Nicht die Grenzen waren das Entscheidende bei der Diskussion; sie können so bestehenbleiben, wenn sie denn durch den Korb III, den wir dort festgemacht haben, durchlässiger werden. Das ist eine Politik, die uns jetzt natürlich weiterhilft. Wenn Sie sich dazu bekennen, dann ist das eine gute Sache. Ich denke auch, daß sich dem kein osteuropäisches Land entziehen kann.
    Wir diskutieren immer — auch das möchte ich in diesem Rahmen sagen — über die stalinistischen Staaten, die da noch übriggeblieben sind: DDR, Tschechoslowakei und natürlich Rumänien und Kuba. Ich bitte dringend darum, die Tschechoslowakei etwas differenzierter zu sehen und auch dort das Gespräch zu suchen, damit in der Tschechoslowakei ein Reformprozeß auf den Weg gebracht wird. Ich denke, das lohnt sich; das sind zumindest meine Erfahrungen. Ich habe das Gefühl, daß die Tschechoslowakei nicht der Fußkranke der Perestroika sein will, sondern, so meine ich, nur noch Schwierigkeiten hat, diese Perestroika umzusetzen. Sie sagen, sie hätten 87 Gesetze in dieser Richtung gemacht. Das Vertrauen aber — das habe ich ihnen auch gesagt — kann nur geschaffen werden, wenn sie selbst Vertrauen schaffen. Man kann es nicht herandiskutieren, sondern das Vertrauen muß von innen heraus kommen.
    Ich begrüße auch sehr das Wort — Herr Hoppe hat es, glaube ich, gesagt — , daß Deutschland die Brücke zwischen Osten und Westen werden soll. Das ist eine Perspektive, die wir gemeinsam anstreben können, über die meines Erachtens mit Sicherheit auch mit den osteuropäischen Staaten Einvernehmen hergestellt werden kann.
    Sie haben den Einzelplan 27 angesprochen. Das war nun das Thema, das heute leider nicht stattgefunden hat. Frau Minister, Sie kennen unsere kritischen Anmerkungen zu dem Haushalt, der immer mehr zum Vertriebenenhaushalt wird. Man muß — das muß ich leider sagen — offensiv mit den Vertriebenenverbänden diskutieren. Sie müssen von ihren unmöglichen Positionen herunterkommen. Sie müssen zurückkehren zu einer offenen Diskussion der Belange, die jetzt anstehen, die sich aus dem Öffnungsprozeß im Osten ergeben. Die osteuropäischen Völker dürfen nicht durch die Vertriebenenpolitik verunsichert werden, Das ist einer der Kernpunkte. Von den Vertriebenen denkt ja auch niemand daran, wieder dorthin zurückzugehen. Da ist ein Funktionärs-Club beieinander, der mit viel Geld aus dem innerdeutschen Ministerium Politik macht, ohne die Bedürfnisse der Men-



    Büchler (Hof)

    schen diesseits und jenseits der Grenzen zu berücksichtigen.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE])

    Deswegen muß man einmal darüber reden. Wir werden entsprechende Umschichtungsanträge stellen.
    Uns Sozialdemokraten liegt auch sehr viel daran, Frau Minister, daß die Kulturgüter in der DDR nicht verlorengehen, daß man auch hier einen Weg der Zusammenarbeit mit der DDR sucht und dazu beiträgt, daß dies auch bei den neuen Überlegungen in der Zusammenarbeit zwischen den beiden deutschen Staaten berücksichtigt wird.
    Wir wissen natürlich, daß der Besuchsverkehr, so sehr er zu begrüßen ist, erhebliche Mankos aufweist, die beseitigt werden müssen. Wir müssen den Menschen helfen, die bei uns den Besucherstrom betreuen — das sind nur wenige Prozent —, und wir dürfen den DDR-Bürgern nicht das Gefühl geben, daß sie bei uns sozusagen als Bittsteller auftreten. Das heißt: Es ist in Zukunft wirklich darüber zu sprechen, wie man einen Geldverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR schafft. Das ist — das weiß ich — ein schwieriges Kapitel, aber wir sollten es in Angriff nehmen. Das gehört zur Weiterentwicklung der Deutschlandpolitik, genauso wie es dazugehört, daß wir uns mit der DDR intensiver über wirtschaftspolitische Fragen unterhalten, darüber, wie denn nun von uns aus Hilfe bei einer Umgestaltung der DDR im Sinne einer größeren Effektivität der Wirtschaft zugunsten der Menschen geleistet werden kann. Sie kennen unsere Vorschläge; ich sage es noch einmal. Wir haben wirklich auch die Grundlagen für eine Diskussion einer neuen Deutschlandpolitik.
    Von den Regierungsparteien brauche ich die FDP in diesem Fall nicht anzusprechen, weil sie diese Politik mit uns zusammen begründet hat. Sie hinkt jetzt ein bißchen nach, ist sehr konservativ geworden, treibt sie also nicht entsprechend voran. Da hilft auch nicht, daß Sie jetzt auf Ihren Gesprächspartner in der DDR hinweisen, daß von dort aus scheinbar Reformbewegungen kommen. Das begrüße ich sehr, das sollten Sie auch unterstützen. Ich glaube schon, daß es hilft, wenn die liberale Partei dort drüben bestimmte — so werden sie wohl drüben gedeutet werden — Ansinnen an die SED stellt. Das muß auf anderen Gebieten natürlich auch unsere Aufgabe sein, darüber gibt es gar keinen Zweifel, und das wollen wir auch tun. Ansonsten haben Sie natürlich genau wie die Union die Deutschlandpolitik so festgeschrieben, wie sie von der sozialliberalen Koalition hinterlassen worden ist.
    Die historische Bedeutung des KSZE-Prozesses und der Verträge sei davon nicht berührt. Manche können sich von alten Vorstellungen eben nicht lösen und müssen angeschubst werden, damit eine entsprechende Entwicklung stattfinden kann.
    Die Bundestagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei hat 1984 ein Programm vorgelegt, das Beachtung gefunden hat. Darin sind die Grundlagen der Deutschlandpolitik für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion festgelegt. Daran gibt es nichts zu kritisieren, nichts zu rütteln.

    (Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Das ist die falsche Optik!)

    Da steht auch drin, die Kommunisten bleiben unsere Gegner. Wie kämen wir auch zu etwas anderem. Es haben genug Sozialdemokraten unter der SED gelitten. Die SPD tritt für ihre Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität ein. Das machen wir in der DDR-Politik selbstverständlich auch. Da gibt es Diskussionen über den besseren Weg und anderes mehr.
    Ich kann sagen, daß die Fraktion einen klaren Kurs zur Weiterentwicklung der Deutschlandpolitik steuert. Das gilt vor allem für das Selbstbestimmungsrecht, das wir für die DDR-Bürger einfordern. Ganz klar ist auch — das haben wir nun unterschrieben — : Wir wollen die DDR nicht destabilisieren. Das ist auch von Ihren Sprechern bestätigt worden. Aber natürlich liegt uns überhaupt nichts daran, die SED zu stabilisieren, niemand denkt daran. Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir brauchen drüben einen konkreten Partner, mit dem wir reden können.

    (Lintner [CDU/CSU]: Wie halten Sie es denn mit der Präambel des Grundgesetzes?)

    — Ich habe dazu deutlich gesagt, daß die Präambel des Grundgesetzes genauso wie der Brief zur deutschen Einheit einen Teil unserer Politik darstellt. Wir haben das alles miteinander schon zehnmal durchgekaut.

    (Lintner [CDU/CSU]: Es sagt jeder aus Ihren Reihen etwas anderes!)

    Unsere Position ist eindeutig. Ich will jetzt nicht Ihre rechten Positionen verschiedenster Art heranziehen, die man hier auch diskutieren könnte, und bei manchen Positionen, die bei uns vielleicht nicht haarscharf in das Konzept hineingepaßt haben, gegenrechnen. Wir sind doch frei gewählte Abgeordnete, und wenn einer einmal einen Gedanken hat, kann er den auch äußern. Nur so kann eine fruchtbare Diskussion stattfinden.
    Herr Lintner, wir Sozialdemokraten haben nicht zu warten, bis irgendein Komitee Richtlinien herausgibt. Vielmehr denken wir sozialdemokratisch, und so machen wir sozialdemokratische Deutschlandpolitik. Die hat nur ein Ziel: den Menschen in beiden Teilen Deutschlands zu dienen.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD)