Rede:
ID1115606700

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    Plenarprotokoll 11/156 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 156. Sitzung Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 11715A Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/5000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1990 bis 1993 (Drucksache 11/5001) Dr. Vogel SPD 11715B Rühe CDU/CSU 11723 D Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 11733 C Mischnick FDP 11736 C Dr. Kohl, Bundeskanzler 11739C Dr. Schmude SPD 11750A Lintner CDU/CSU 11754 B Frau Frieß GRÜNE 11756 C Hoppe FDP 11758C Büchler (Hof) SPD 11760B Dr. Knabe GRÜNE 11762 D Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . . 11763 C Kühbacher SPD 11765C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg . . 11769A Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 11772 B Dr. Rose CDU/CSU 11773 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister AA 11776D Dr. Hauchler SPD 11778C Wilz CDU/CSU 11781C Dr. Mechtersheimer GRÜNE 11783 B Frau Seiler-Albring FDP 11784 C Müntefering SPD 11786 D Pesch CDU/CSU 11788D Frau Teubner GRÜNE 11791C Dr. Hitschler FDP 11792 D Frau Hasselfeldt, Bundesminister BMBau . 11794B Conradi SPD 11797D Frau Odendahl SPD 11799C Frau Männle CDU/CSU 11803 A Wetzel GRÜNE 11804 D Neuhausen FDP 11806A Daweke CDU/CSU 11806D Möllemann, Bundesminister BMBW . . . 11807D Oostergetelo SPD 11810B Eigen CDU/CSU 11814 D Frau Flinner GRÜNE 11817 C Bredehorn FDP 11819 A Daubertshäuser SPD 11821 C Fischer (Hamburg) CDU/CSU 11824 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 Frau Rock GRÜNE 11826 D Zywietz FDP 11828B Haar SPD 11831A Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von den Abgeordneten Susset, Michels, Eigen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Paintner, Heinrich, Bredehorn und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) (Drucksache 11/5124) 11821B Nächste Sitzung 11832D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . .11833* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 11715 156. Sitzung Bonn, den 5. September 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 07. 09. 89* Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Büchner (Speyer) SPD 07. 09. 89* Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 05. 09. 89 Eich GRÜNE 07.09.89 Frau Eid GRÜNE 07. 09. 89 * * * Frau Fischer CDU/CSU 07. 09. 89* * * Frau Garbe GRÜNE 05. 09. 89 Frau Geiger CDU/CSU 07. 09. 89* * * Genscher FDP 07.09.89 Haack (Extertal) SPD 05. 09. 89 Heimann SPD 05.09.89 Frau Hensel GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Holtz SPD 07. 09. 89* * * Frau Hürland-Büning CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Hüsch CDU/CSU 05. 09. 89 Hüser GRÜNE 05.09.89 Ibrügger SPD 05. 09. 89 * * Jaunich SPD 05.09.89 Klein (Dieburg) SPD 07. 09. 89 Dr. Klejdzinski SPD 07. 09. 89 * * * Dr. Kreile CDU/CSU 07. 09. 89 Kreuzeder GRÜNE 05.09.89 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 07. 09. 89 Frau Luuk SPD 07. 09. 89* * * Lüder FDP 07.09.89 Magin CDU/CSU 07.09.89 Meyer SPD 05.09.89 Dr. Müller CDU/CSU 07. 09. 89 * Frau Nickels GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Nöbel SPD 07. 09. 89 Poß SPD 05.09.89 Regenspurger CDU/CSU 07.09.89 Frau Saibold GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Scheer SPD 07. 09. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Stercken CDU/CSU 07. 09. 89 * * * Stratmann GRÜNE 05.09.89 Such GRÜNE 05.09.89 Tietjen SPD 07.09.89 Vahlberg SPD 07.09.89 Frau Dr. Vollmer GRÜNE 05. 09. 89 Westphal SPD 07.09.89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 07. 09. 89* * * Dr. Wulff CDU/CSU 07. 09. 89* * * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung * * * für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Sieglinde Frieß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Es lesen auch andere ab.
    Es bietet die Chance für freiere und ungehinderte Verbindungen zwischen Menschen. Es eröffnet vielleicht auch die Möglichkeit für die DDR-Staatsbürgerinnen und -bürger, ihre Vorstellungen von Demokratie in der DDR durchzusetzen. Diese emanzipatorischen Reformbestrebungen der DDR-Bürger werden wir mit all unseren Kräften unterstützen,

    (Beifall bei den GRÜNEN) Reformbestrebungen, die von den Menschen dort ausgehen, und nicht solche, die ihnen Herr Bundeskanzler Kohl oder z. B. der SPD-Abgeordnete Körting verordnen wollen.


    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Neuer Koalitionspartner?)

    Das heißt nicht — um es nochmals klarzumachen — , daß wir die Verhältnisse in der DDR gutheißen. Es bedeutet, daß wir einklagen, was faktisch schon gegeben ist: die DDR als eigenständiger Staat. Das heißt auch nicht — um jetzt auf die Frage der Flüchtlinge zu kommen —, daß wir die Menschen aus der DDR als DDR-Staatsbürgerinnen bzw. -bürger zurückschicken wollen.

    (Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Also nicht die AL-Lösung? — Dr. Knabe [GRÜNE]: Nein, auf keinen Fall!)

    — Es gibt keine AL-Lösung. — Die Vorstellung des Zurückschickens würde all unseren Grundsätzen einer Immigrantinnen bzw. Immigranten- und Flüchtlingspolitik widersprechen.
    Im Gegensatz zur Politik der Bundesregierung, die jahrzehntelang unsere „Brüder und Schwestern" zum Umzug in den „goldenen Westen" überreden wollte

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: So ein Quatsch! — Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Das sagen Sie doch nicht im Ernst! — Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Belegen Sie das doch einmal! — Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Daß die ungestraft so einen Blödsinn erzählen darf!)




    Frau Frieß
    und jetzt „die Geister, die sie rief", am liebsten wieder zurückschicken will, damit — so Staatssekretär Priesnitz — „die Wiedervereinigung nicht in der Bundesrepublik stattfinden muß", treten wir GRÜNEN für das uneingeschränkte Bleiberecht dieser Menschen ein. Dieses Bleiberecht muß allerdings mit einer anderen Politik für Immigrantinnen bzw. Immigranten und Flüchtlinge einhergehen. Denn es darf in unserer Gesellschaft keine Menschen zweiter Klasse geben. Folglich muß in Zukunft den DDR-Bürgerinnen und -Bürgern, aber auch anderen Deutschstämmigen

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Was heiß: „andere Deutschstämmige"? — Lintner [CDU/CSU]: Entweder man ist deutschstämmig oder nicht!)

    die Annahme der bundesrepublikanischen Staatsbürgerschaft garantiert werden. Das muß aber gleichzeitig auch für andere Einwanderer ermöglicht werden.
    Gleichzeitig fordern wir grundsätzlich bessere Bedingungen für alle anderen Immigrantinnen bzw. Immigranten und Flüchtlinge. Allerdings setzt das eine alternative Sozial- und Arbeitspolitik voraus, die derzeit von der Bundesregierung überhaupt nicht in Angriff genommen wird. Wohnungen müssen gebaut werden, Lohnarbeit muß verkürzt werden, um die Arbeit umzuverteilen, und die soziale Absicherung muß angehoben werden. Das Zweimilliardenprogramm der Bundesregierung für die Menschen aus dem Osten muß aufgestockt werden. Es ist nicht so, als sei überhaupt kein Geld da. Zum Beispiel wären die 10 Milliarden DM für den Jäger 90 eine gute Finanzquelle und gleichzeitig ein guter Schritt zur Abrüstung. Ich denke, es gibt noch mehr Bereiche, wo man umverteilen könnte.
    Zusammengefaßt heißt das für uns:

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Ist das Ihre Linie, Herr Dr. Knabe, als ehemaliger Bürger der DDR?)

    Wir fordern erstens die konsequente Absage an jegliche Großmachtsbestrebungen, zweitens die Anerkennung der DDR und der DDR-Staatsbürgerschaft

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Das wollen die doch selber gar nicht!)

    und drittens eine grundsätzlich andere Politik für Immigrantinnen bzw. Immigranten und Flüchtlinge, um in Zukunft das zu verhindern, was derzeit noch Wahres in dem Zitat von Wolfgang Neuss steckt, den ich zum Schluß zitieren will:
    Das Beste
    Es läßt mich nicht ruhen: Wie kann ich wirklich was für Europa tun? Und wenn Du mich einen Landesverräter nennst — das Beste wäre für Europa, wenn Frankreich bis an die Elbe reicht und Polen direkt an Frankreich grenzt.

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Hoppe.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Günter Hoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Haushalts- und gerade in der deutschlandpolitischen und außenpolitischen Debatte gehe ich normalerweise gern auf die Ausführungen des Vorredners ein. Aber über absurde Unterstellungen kann man nicht diskutieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

    Meine Kollegen, da wir den Haushalt beraten, bitte ich um Nachsicht, daß ich einige Bemerkungen zum Haushalt mache. Ich möchte mich zum Einzelplan 27 und zum Einzelplan 05 mit kurzen Anmerkungen äußern.
    Beim Einzelplan 27 ergeben sich erfreulicherweise keine Probleme. Die Haushaltsansätze können als maßgeschneidert angesehen werden, um die deutschlandpolitischen Aufgaben erfüllen zu können.
    Hinsichtlich des Auswärtigen Amtes hat es im vergangenen Jahr bei der Beratung des Einzelplans 05 von allen Fraktionen positive Bekundungen zum Gesetz über den Auswärtigen Dienst gegeben. In der Tat hat das Kabinett jetzt mit dankenswerter Unterstützung des Bundesfinanzministers die Rahmenbedingungen dafür geschaffen. Auch wenn der Gesetzentwurf nun alsbald Papierform annehmen wird, bedarf es in den nächsten Wochen noch großer Überzeugungsarbeit, um bei den Innen- und Haushaltspolitikern die immer noch erkennbaren, von Zweifel und Sorgen genährten Stirnfalten zu glätten.
    Eine Fußnote noch zum Bereich der auswärtigen Kulturpolitik: Die Steigerungsrate sieht beim reinen Zahlenvergleich passabel aus. Aber Zuwendungsempfänger wie das Goethe-Institut und der Deutsche Akademische Austauschdienst haben gewehklagt. Wir sind uns dessen bewußt, daß Regierung und Bundestag den Zuwendungsempfängern in einer sich aufhellenden europäischen Landschaft nicht neue Aufgaben zuweisen können, ohne daraus resultierende finanzielle Mehrbelastungen abzudecken. In der Tat muß die finanzpolitische Konfliktlage mit Fairneß korrekt ausgesteuert werden.
    Ich bin guter Hoffnung, daß wir bei den Beratungen adäquate Lösungen finden werden. Denn in diesem Zusammenhang hat es keineswegs einen Peitschenknall von seiten des Bundesfinanzministers gegeben; deshalb werden wir sicher eine einvernehmliche Lösung finden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, 50 Jahre, nachdem das Deutsche Reich durch den Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg entfesselt hat, zeichnet sich in Europa eine Perspektive ab, die historisch das Ende der Nachkriegszeit bedeuten könnte. Als 1945 der Krieg endete, war der Friede noch lange nicht gewonnen. Europa und Deutschland wurden geteilt. An der Trennungslinie zwischen Ost und West standen und stehen sich bis heute hoch gerüstete Armeen gegenüber. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker Osteuropas wurde mißachtet. Demokratische Rechte, gesellschaftlicher Pluralismus, individuelle Freiheit und Menschenrechte wurden in diesen Staaten der Diktatur von Parteien geopfert, die für sich in Anspruch nehmen, immer recht zu haben.



    Hoppe
    Kriegerische Auseinandersetzungen konnten allerdings dank der Festigkeit des westlichen Bündnisses und der Bereitschaft der USA, ihre Verantwortung für Europa wahrzunehmen, vermieden werden. Westeuropa konnte Freiheit, Demokratie, Pluralismus und Menschenrechte bewahren. Zugleich fanden die freien Staaten Europas Kooperationsformen, die auf Vertrauen und gegenseitiger Verflechtung basieren. Der Europarat, die westeuropäische Union und vor allem die Europäische Gemeinschaft sind Beispiele dafür.
    Der Westen hat mit langem Atem nachgewiesen, daß sein System politisch erfolgreich ist und den Wünschen seiner Bürger gerecht wird.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Aus dem friedlichen Wettbewerb der Systeme entwickelte sich so für die Staaten Osteuropas der Handlungsbedarf im Hinblick auf Reformprozesse. Die Bereitschaft der Sowjetunion, das auch von ihr bekräftigte Recht auf Selbstbestimmung zu respektieren, hat insbesondere in Polen und in Ungarn zu Entwicklungen geführt, die auf eine radikale Umgestaltung der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung abzielen. Beide Länder haben erkannt, daß ihr System reformiert werden muß, wenn es den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden soll, und daß Reformen in der Wirtschaft mit politischen Reformen Hand in Hand gehen müssen.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Der KSZE-Prozeß hat Menschen- und Bürgerrechte zu einem legitimen Thema des Ost-West-Dialogs gemacht. Der Westen und insbesondere die Bundesrepublik Deutschland haben darauf beständig und mit Erfolg hingewirkt. Heute kann sich kein Teilnehmerstaat der KSZE mehr der internationalen Beurteilung seiner Menschenrechtspolitik entziehen.
    Der Erfolg des in Europa eingeleiteten Prozesses hängt sehr wohl — wir wissen es — entscheidend von der Reformpolitik der Sowjetunion ab. Ich habe keinen Zweifel daran, daß Generalsekretär Gorbatschow die Öffnung der sowjetischen Gesellschaft ebenso ernsthaft anstrebt wie die Einführung marktwirtschaftlicher Reformen. Dies folgt doch schon aus der Erkenntnis, daß die Sowjetunion ihre Rolle in Zukunft nur weiter spielen kann, wenn sie auf den Gebieten stark ist, auf die es heute ankommt: Wirtschaft, Finanzen, Technologie.
    Die inneren Reformen in der Sowjetunion liegen folglich nicht nur im Interesse der Bevölkerung, sie entsprechen auch dem Ehrgeiz seiner politischen Elite. Das Reformwerk ist in der Sowjetunion eine gewaltige politische Aufgabe, die mit großen Risiken verbunden ist. Die bisher eingeleiteten Reformen werden von uns mit Hoffnung und Sympathie verfolgt. Aber wir wissen — ich habe es schon einmal gesagt —, weniger Wodka und mehr Technologie sind noch nicht die Gleichung für Demokratie.
    Meine Damen und Herren, was tut die DDR angesichts dieser positiven Entwicklung in Osteuropa? Mit ihrem phrasenhaften Dogmatismus und der Beschwörung des Marxismus-Leninismus treibt sie enttäuschte
    Bürger aus der Heimat. Offensichtlich schätzt die Führungsspitze in Ost-Berlin die sowjetische Politik heute noch genauso ein, wie sie einmal Karl Marx gesehen hat. Dort hieß es:
    Ändern können sich Rußlands Methoden, seine Taktik, seine Manöver, nicht aber seine Ziele. Der Polarstern der russischen Politik, die Beherrschung der Welt, ist ein Fixstern.
    Meine Damen und Herren, gemeinsam mit Ceausescu, der Gorbatschow ja einen Hasardeur genannt hat, meint offenbar auch die Honecker-Crew, daß die Reform des Kommunismus zum Scheitern verurteilt ist. Bei so viel Tristesse verbreitender Starrheit dürfen sich dann die Fußkranken der Perestroika nicht wundern, wenn die Bevölkerung darauf mit Massenflucht reagiert.
    Aber nicht nur im Leben des einzelnen, auch im Leben der Völker stehen die Signale auf Mitbestimmung, Selbstbestimmung und Selbständigkeit. Wir müssen deshalb die Wiedervereinigung als einen langen historischen Prozeß ansehen, dem man sich nur geduldig nähern kann — Schritt für Schritt, Zug um Zug, jahrein, jahraus.
    Die Nationen Osteuropas schauen auf Deutschland als Brücke nach Europa. Hier liegen Anknüpfungspunkte für eine wohlverstandene deutsche Interessenpolitik. Die nationale Aufbruchstimmung bei den Völkern des Ostens ist auch eine Chance für die Deutschen, ihre Einheit in Freiheit wiederzufinden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, in einem sich mehr und mehr öffnenden Europa wird sich auch die DDR-Führung in das politisch Unvermeidliche fügen müssen. Sie kommt an Reformen nicht vorbei. Was das heißt, läßt sich von Polen, Ungarn und der Sowjetunion lernen. Nur eine solche Perspektive wird die Bürger der DDR dazu veranlassen, sich in ihrer Heimat zu engagieren.
    Was können wir in der Bundesrepublik Deutschland tun? Wir werden nicht aufhören, die DDR-Führung an ihre internationalen Verpflichtungen und an die politische Unausweichlichkeit von Reformen zu erinnern. Auch unsere Partner in der KSZE und in der EG werden dies tun.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Jeder Bürger der DDR, der Aufnahme bei uns sucht, ist nach wie vor willkommen. Wir müssen alles tun, um den Deutschen die Übersiedlung menschlich und wirtschaftlich so leicht wie möglich zu machen. Gleichwohl werden wir auch weiter niemanden auffordern, in die Bundesrepublik Deutschland zu kommen. Im Gegenteil: In der DDR wird jeder Bürger gebraucht, der dort auf Reformen drängen kann und sie dann mitgestalten muß, wenn auch die DDR-Führung endlich zur Einsicht kommt.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr. Knabe [GRÜNE])

    Erfreulicherweise wird auf solche Korrekturen nun auch in Ost-Berlin gedrängt. Anfang August hat sich dort die Liberaldemokratische Partei für eine bessere Information der DDR-Bürger über die innenpoliti-



    Hoppe
    schen Vorgänge durch die Massenmedien eingesetzt und dies der SED zur Entscheidung auf ihrem anstehenden Parteitag zugeleitet. Darüber hinaus will die LDP die Kommunalpolitik bürgernah praktizieren. Sie macht ihren Abgeordneten in der DDR Mut, ihr Anfragerecht stärker zu nutzen und sich bei Grundfragen der gesellschaftlichen Entwicklung einzumischen, um so Mitinitiator von gesellschaftlichen Veränderungen zu sein. Hier ist wenigstens ein Ansatz erkennbar, den es zu unterstützen gilt, damit er auch greifen kann — im Interesse der Menschen im geteilten Deutschland.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wer angesichts dieser Entwicklung bei uns glaubt, in der Teilung Deutschlands ein sinnvolles Instrument für die Gestaltung eines friedlichen Europas gefunden zu haben, befindet sich im eklatanten Widerspruch zum erklärten Willen der Bürger im geteilten Land.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Meine Damen und Herren, jüngste Umfragen belegen nämlich eindeutig, daß sich die Bundesbürger für die Wiederherstellung der deutschen Einheit aussprechen.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: So ist das!)

    Und nun lese man: 79 % der Bundesbürger sind dafür; darunter auch 50 % der Wähler der GRÜNEN und 72 % der Wähler der SPD.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Was sollen die sagen, wenn die so einen Blödsinn hören? — Gegenruf des Abg. Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE])

    Daß in der DDR der Anteil höher ist, das wissen wir.
    Meine Damen und Herren, die Lösung der offenen deutschen Frage bleibt im Rahmen der europäischen Friedensordnung einer Zeit vorbehalten, in der unter den Europäern Sicherheitsfragen keine Rolle mehr spielen, das Selbstbestimmungsrecht der Völker eine Selbstverständlichkeit ist und die Menschenrechte überall etabliert sind. In einer solchen Friedensordnung werden die Deutschen im Einvernehmen mit ihren Nachbarn über die deutsche Einheit nach demokratischen Regeln entscheiden können. Die Entwicklung in Europa führt die Europäer aufeinander zu. In der Überwindung der Trennung Europas liegt die Chance der unteilbaren deutschen Nation. Und so bleibt die deutsche Einheit auf der Tagesordnung, ja, heißer denn je.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)